Präambel VO (EU) 2020/1159

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) 2018/1139 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2018 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Zivilluftfahrt und zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit sowie zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 2111/2005, (EG) Nr. 1008/2008, (EU) Nr. 996/2010, (EU) Nr. 376/2014 und der Richtlinien 2014/30/EU und 2014/53/EU des Europäischen Parlaments und des Rates, und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 552/2004 und (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EWG) Nr. 3922/91 des Rates(1), insbesondere auf Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe h,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Nach Artikel 76 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2018/1139 erstellt die Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit (im Folgenden die „Agentur” ) Zertifizierungsspezifikationen und aktualisiert diese regelmäßig. Allerdings müssen Luftfahrzeuge, deren Konstruktion bereits zugelassen ist, bei ihrer Produktion oder während sie in Dienst gestellt sind, Aktualisierungen der Zertifizierungsspezifikationen nicht genügen. Um das hohe Maß an Flugsicherheit und Umweltauflagen in der Union aufrechtzuerhalten, sollte daher die Anforderung eingeführt werden, dass Luftfahrzeuge den zusätzlichen Lufttüchtigkeitsanforderungen genügen müssen, die zum Zeitpunkt ihrer Konstruktionsspezifikation noch nicht Gegenstand ihrer ursprünglichen Zertifizierungsspezifikation waren. In der Verordnung (EU) 2015/640 der Kommission(2) sind solche zusätzlichen Anforderungen an die Lufttüchtigkeit festgelegt. Diese Verordnung sollte nun geändert werden, um neue Anforderungen an alternde Luftfahrzeuge aufzunehmen.
(2)
Im Jahr 2007 veröffentlichte die Agentur die Ausgabe 20-20 der annehmbaren Nachweisverfahren (Acceptable Means of Compliance — AMC), die technische Leitlinien für die Entwicklung eines Programms für die Aufrechterhaltung der strukturellen Integrität enthalten, mit dem der sichere Betrieb alternder Luftfahrzeuge während ihrer gesamten Betriebsdauer gewährleistet werden soll. Die AMC sind allerdings unverbindlich, weshalb die Leitlinien möglicherweise nicht in der gesamten Union einheitlich angewandt werden. Dies kann dazu führen, dass derzeit große Luftfahrzeuge in Betrieb sind, bei deren Konstruktion, Modifizierung oder Reparatur Fragen der Schadenstoleranzbewertung, ausgedehnter Ermüdungsschäden und Korrosionsprävention nicht effektiv berücksichtigt wurden. Um Totalausfälle aufgrund von Ermüdung, einschließlich ausgedehnter Ermüdung und Korrosion, zu verhindern, sollten in die Verordnung (EU) 2015/640 zusätzliche Anforderungen an die Lufttüchtigkeit alternder Luftfahrzeuge aufgenommen werden.
(3)
Bei jedem Luftfahrzeug kann der Zeitpunkt seiner Herstellung als Beginn des Alterungsprozesses betrachtet werden. Die Alterung eines Luftfahrzeugs hängt von Faktoren wie Alter sowie Anzahl der Flugzyklen und Flugstunden ab. Die einzelnen Luftfahrzeugkomponenten altern unterschiedlich schnell, abhängig von Faktoren wie beispielsweise Ermüdung durch wiederholte Zyklen, Verschleiß, Beschädigung und Korrosion. Werden diese Faktoren über die gesamte Lebensdauer des Luftfahrzeugs hinweg nicht sachgerecht behandelt, kann dies Anlass zu erheblichen Sicherheitsbedenken geben. Die Erfahrung im Flugbetrieb hat gezeigt, dass das Wissen über die strukturelle Integrität alternder Luftfahrzeuge ständig auf dem neuesten Stand gehalten werden muss. Daher sollten in die Verordnung (EU) 2015/640 neue Anforderungen aufgenommen werden, die darauf abzielen, auf der Grundlage von Echtzeit-Betriebserfahrungen und unter Verwendung moderner Analyse- und Prüfinstrumente das Wissen über Alterungsfaktoren auf dem neuesten Stand zu halten.
(4)
Mit diesen auf die Alterung von Luftfahrzeugen ausgerichteten Anforderungen soll sichergestellt werden, dass die Inhaber der Konstruktionsgenehmigung die Daten erstellen und die Verfahren, Anweisungen und Handbücher befolgen, die zur Vermeidung eines alterungsbedingten Strukturversagens infolge von Korrosion und Ermüdung erforderlich sind, und sie den Betreibern zur Verfügung stellen. Hierzu sollten die Inhaber von Konstruktionsgenehmigungen verpflichtet werden, ein umfassendes Programm für die Aufrechterhaltung der strukturellen Integrität des jeweiligen Luftfahrzeugmusters zu entwickeln und bestehende Änderungen und Reparaturverfahren im Hinblick auf die Schadenstoleranz zu bewerten. Gleichzeitig sollten die Betreiber diese Daten in ihr Instandhaltungsprogramm aufnehmen müssen und dabei berücksichtigen, welche nachteiligen Auswirkungen Änderungen und Reparaturen für jede Flugzeugzelle haben und welche Instandhaltungsanforderungen sich daraus ergeben.
(5)
Um sicherzustellen, dass diese auf der Grundlage dieser neuen Anforderungen erstellten Daten, Verfahren, Anweisungen und Handbücher auch bei der Instandhaltung von Großflugzeugen verwendet werden, muss in der Verordnung der Kommission (EU) Nr. 1321/2014(3) Anhang I in Punkt M.A.302 eine Bezugnahme auf die Anforderungen der Verordnung (EU) 2015/640 Anhang I Teil-26 aufgenommen werden.
(6)
In den Mitgliedstaaten sind derzeit Hunderte von Großflugzeugen mit Fracht- oder Gepäckräumen der Klasse D registriert. Das Risiko unkontrollierbarer Brände in dieser Art von Laderäumen gilt als hoch, zumal in den letzten Jahren in Fracht- oder Gepäckräumen immer häufiger Lithium-Batterien befördert wurden, die das Risiko des thermischen Durchgehens und der daraus entstehenden Brände bergen.
(7)
Im September 2007 hatte die Agentur neue Konstruktionsstandards eingeführt, mit denen Fracht- und Gepäckräume der Klasse D aus den Zertifizierungsspezifikationen für Großflugzeuge gestrichen wurden. Diese Standards, mit denen das Risiko von Verletzungen oder Todesopfern im Fall eines während des Flugs im Fracht- oder Gepäckraum ausbrechenden Feuers verringert werden soll, gelten allerdings nur für Großflugzeuge, deren Zertifizierung nach September 2007 beantragt wurde. Da bestimmte Großflugzeuge diese Standards möglicherweise nicht erfüllen und unter gebührender Berücksichtigung der Art und des Risikos des Betriebs von Großflugzeugen sollten diese Standards nunmehr für alle in Dienst stehenden und von der Agentur zugelassenen Großflugzeuge gelten.
(8)
Ein signifikantes Risiko für die Flugsicherheit stellt das Abkommen von der Piste dar, auf das in den letzten Jahrzehnten ein erheblicher Anteil der weltweiten Unfälle zurückzuführen war. In der EASA-Sicherheitsüberprüfung für das Jahr 2018 wird das Abkommen von der Piste als einer der beiden mit dem höchsten Risiko behafteten Bereiche genannt. Im selben Zeitraum und bezogen auf dieselbe Population entfielen 30 % der nichttödlichen Unfälle auf das Abkommen von der Piste. Die Anzahl der Ereignisse, bei denen es zu einem Abkommen von der Piste während der Landung kam, stieg mit der Zunahme des Luftverkehrs. Da davon auszugehen ist, dass der Luftverkehr weltweit wie auch in Europa weiter zunimmt, dürfte auch die Häufigkeit des Abkommens von der Piste weiter zunehmen, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden.
(9)
Im Januar 2020 hat die Agentur neue Konstruktionsstandards für den Einbau von Systemen eingeführt, die Flugbesatzungen bei der Entscheidungsfindung während Anflug und Landung unterstützen. Diese Standards zielen darauf ab, das Risiko des Abkommens von der Piste während der Landung zu mindern. Unter gebührender Berücksichtigung der Art und des Risikos des Betriebs von Großflugzeugen sollten diese neuen Standards nunmehr für alle in Dienst stehenden und von der Agentur zugelassenen Großflugzeuge gelten.
(10)
Die Verordnungen (EU) Nr. 1321/2014 und (EU) 2015/640 sollten daher entsprechend geändert werden. Angesichts der noch anhaltenden COVID-19-Pandemie wurde eine Übergangsfrist festgelegt, um der Branche während der Krise zusätzliche Belastungen zu ersparen und ihr die Einhaltung der mit dieser Verordnung eingeführten neuen Vorschriften und Verfahren zu erleichtern.
(11)
Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen beruhen auf den nach Artikel 76 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/1139 von der Agentur vorgelegten Stellungnahmen Nr. 12/2016(4) und Nr. 04/2019(5).
(12)
Die in der vorliegenden Verordnung vorgesehenen Maßnahmen stehen in Einklang mit der Stellungnahme des nach Artikel 127 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2018/1139 eingesetzten Ausschusses —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 212 vom 22.8.2018, S. 1.

(2)

Verordnung (EU) 2015/640 der Kommission vom 23. April 2015 über zusätzliche Anforderungen an die Lufttüchtigkeit für bestimmte Betriebsarten und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 965/2012 (ABl. L 106 vom 24.4.2015, S. 18).

(3)

Verordnung (EU) Nr. 1321/2014 der Kommission vom 26. November 2014 über die Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit von Luftfahrzeugen und luftfahrttechnischen Erzeugnissen, Teilen und Ausrüstungen und die Erteilung von Genehmigungen für Organisationen und Personen, die diese Tätigkeiten ausführen (ABl. L 362 vom 17.12.2014, S. 1).

(4)

Stellungnahme 12/2016: Alterung von Luftfahrzeugstrukturen.

(5)

Stellungnahme 04/2019: Verringerung des Abkommens von der Piste und Laderäume der Klasse D.

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