Präambel VO (EU) 2020/672

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 122,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Artikel 122 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ermöglicht es dem Rat, auf Vorschlag der Kommission und im Geiste der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten über die Maßnahmen zu beschließen, die der sozioökonomischen Lage infolge des COVID‐19‐Ausbruchs angemessen sind.
(2)
Nach Artikel 122 Absatz 2 AEUV kann der Rat einem Mitgliedstaat, der aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse, die sich seiner Kontrolle entziehen, von Schwierigkeiten betroffen oder von gravierenden Schwierigkeiten ernstlich bedroht ist, finanziellen Beistand der Union gewähren.
(3)
Das Schwere Akute Respiratorische Syndrom Coronavirus 2 (SARS-CoV-2), das die Coronaviruserkrankung auslöst und von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kurz als COVID‐19 bezeichnet wird, ist ein neuer Coronavirusstrang, der bislang nicht beim Menschen festgestellt wurde. Der weltweite Ausbruch dieser Krankheit entwickelt sich mit großer Geschwindigkeit und wurde von der WHO zur Pandemie erklärt. Seit dem COVID‐19‐Ausbruch in der Union wurden in den Mitgliedstaaten bis zum 30. März 2020 334396 Fälle und 22209 Todesfälle berichtet.
(4)
Zur Eindämmung des COVID‐19-Ausbruchs und dessen Folgen haben die Mitgliedstaaten außergewöhnliche Maßnahmen ergriffen. Die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Ausbreitung von COVID‐19 in der Union wird als hoch eingeschätzt. Neben den Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit mit einer erheblichen Zahl an Todesfällen hat der Ausbruch von COVID‐19 die Wirtschaftssysteme der Mitgliedstaaten massiv erschüttert, zu gesellschaftlichen Verwerfungen geführt und die öffentlichen Ausgaben in einer wachsenden Zahl von Mitgliedstaaten in die Höhe getrieben.
(5)
Diese Ausnahmesituation, die sich der Kontrolle der Mitgliedstaaten entzieht und einen erheblichen Teil ihrer Erwerbsbevölkerung dazu zwingt, ihre Arbeit ruhen zu lassen, hat die öffentlichen Ausgaben durch die Mitgliedstaaten für Kurzarbeitsregelungen und ähnliche Maßnahmen insbesondere für Selbstständige sowie die Ausgaben für bestimmte gesundheitsbezogene Maßnahmen, insbesondere am Arbeitsplatz, unvermittelt und heftig ansteigen lassen. Um den besonderen Schwerpunkt des Instruments nach dieser Verordnung und damit seine Wirksamkeit zu wahren, können die gesundheitsbezogenen Maßnahmen für die Zwecke dieses Instruments diejenigen umfassen, die darauf abzielen, berufsbedingte Gefahren zu verringern und den Schutz von Arbeitnehmern und Selbstständigen am Arbeitsplatz zu gewährleisten, und gegebenenfalls bestimmte andere gesundheitsbezogene Maßnahmen. Die Bemühungen der Mitgliedstaaten, den unvermittelten und heftigen Anstieg der öffentlichen Ausgaben zu bewältigen, müssen erleichtert werden, bis der COVID‐19‐Ausbruch und seine Folgen für ihre Erwerbsbevölkerung unter Kontrolle sind.
(6)
Die Schaffung eines Europäischen Instruments zur vorübergehenden Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Notlage (SURE) (im Folgenden „Instrument” ) im Anschluss an den COVID‐19‐Ausbruch dürfte es der Union ermöglichen, koordiniert, schnell und wirkungsvoll und im Geiste der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten auf die Krise am Arbeitsmarkt zu reagieren, dadurch die Beschäftigungsfolgen für den Einzelnen und die am stärksten betroffenen Wirtschaftszweige abzumildern und so die unmittelbaren Auswirkungen dieser Ausnahmesituation auf die öffentlichen Ausgaben durch die Mitgliedstaaten abzuschwächen.
(7)
Artikel 220 Absatz 1 der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates(1) legt fest, dass finanzieller Beistand der Union für die Mitgliedstaaten in Form eines Darlehens erfolgen kann. Solche Darlehen sollten Mitgliedstaaten gewährt werden, in denen der COVID‐19‐Ausbruch ab dem 1. Februar 2020 aufgrund nationaler Maßnahmen zu einem unvermittelten und heftigen Anstieg der tatsächlichen und möglicherweise auch der geplanten öffentlichen Ausgaben geführt hat. Dieses Datum stellt die Gleichbehandlung aller Mitgliedstaaten sicher und sorgt dafür, dass tatsächliche und möglicherweise auch geplante Ausgabenerhöhungen, die mit den Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in Zusammenhang stehen, unabhängig davon, wann der COVID‐19-Ausbruch in jedem einzelnen Mitgliedstaat eingetreten ist, gedeckt sind. Die nationalen Maßnahmen, deren Einklang mit den einschlägigen Grundrechtsprinzipien vorausgesetzt wird, sollten unmittelbar mit der Schaffung oder Ausweitung von Kurzarbeitsregelungen oder ähnlichen Maßnahmen, einschließlich für Selbstständige getroffene Maßnahmen, oder mit bestimmten gesundheitsbezogenen Maßnahmen in Verbindung stehen. Kurzarbeitsregelungen sind öffentliche Programme, die es in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindlichen Unternehmen unter bestimmten Umständen ermöglichen, die Zahl der Arbeitsstunden ihrer Mitarbeiter vorübergehend herabzusetzen, wobei diese für die nicht geleisteten Stunden eine Einkommensunterstützung der öffentlichen Hand erhalten.
(8)
Um den betroffenen Mitgliedstaaten zu günstigen Bedingungen ausreichende Finanzmittel zur Bewältigung der Folgen des COVID‐19‐Ausbruchs für ihren Arbeitsmarkt zu verschaffen, sollten die Anleihe- und Darlehenstransaktionen der Union im Rahmen des Instruments ausreichend hoch sein. Der von der Union gewährte finanzielle Beistand in Form von Darlehen sollte deshalb über die internationalen Kapitalmärkte finanziert werden.
(9)
Der COVID‐19‐Ausbruch hat die Wirtschaftssysteme der Mitgliedstaaten massiv erschüttert. Er erfordert daher kollektive Beiträge durch Mitgliedstaaten in Form von Garantien, mit denen die Darlehen aus dem Unionshaushalt abgesichert werden. Solche Garantien sind notwendig, damit die Union zur Unterstützung von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der am stärksten unter Druck stehenden Mitgliedstaaten Darlehen in ausreichender Höhe vergeben kann. Um zu gewährleisten, dass die Eventualverbindlichkeit aus diesen Darlehen mit dem geltenden mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) und den Eigenmittelobergrenzen vereinbar ist, sollten die von den Mitgliedstaaten bereitgestellten Garantien unwiderruflich, nicht an Auflagen geknüpft und unmittelbar abrufbar sein, während die Robustheit des Systems durch zusätzliche Sicherungen erhöht werden sollte. Im Einklang mit dem komplementären Charakter solcher Garantien und unbeschadet ihrer unwiderruflichen, nicht an Auflagen geknüpften und unmittelbar abrufbaren Natur wird von der Kommission erwartet, dass sie den für Mittel für Zahlungen vorhandenen Spielraum vor Abruf der von den Mitgliedstaaten bereitgestellten Garantien bis zur Eigenmittelobergrenze in dem Umfang ausschöpft, wie er von der Kommission unter Berücksichtigung unter anderem der gesamten Eventualverbindlichkeiten der Union, einschließlich im Rahmen der gemäß der Verordnung (EG) Nr. 332/2002 des Rates(2) eingeführten Zahlungsbilanzfazilität, als tragfähig erachtet wird. Die Kommission sollte die Mitgliedstaaten im Rahmen des entsprechenden Abrufs der Garantien über den Umfang unterrichten, zu dem der vorhandene Spielraum ausgeschöpft wurde. Die Notwendigkeit der von den Mitgliedstaaten bereitgestellten Garantien kann überprüft werden, falls eine Einigung über eine geänderte Eigenmittelobergrenze erzielt wird.
(10)
Bei den zusätzlichen Sicherungen, die die Robustheit des Systems erhöhen sollen, sollte es sich um ein konservatives Finanzmanagement, eine Obergrenze für das jährliche Engagement und eine ausreichende Diversifizierung des Darlehensportfolios handeln.
(11)
Die im Rahmen des Instruments vergebenen Darlehen sollten finanziellen Beistand im Sinne von Artikel 220 der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 darstellen. Nach Artikel 282 Absatz 3 Buchstabe g jener Verordnung wird Artikel 220 jener Verordnung für die im Rahmen des Instruments vergebenen Darlehen erst ab dem Zeitpunkt der Anwendung des MFR für die Zeit nach 2020 gelten. Für die Anleihe- und Darlehenstransaktionen im Rahmen des Instruments sollten die Anforderungen in Artikel 220 Absatz 5 der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 allerdings ab Inkrafttreten der vorliegenden Verordnung gelten.
(12)
Damit die Eventualverbindlichkeit, die sich aus den im Rahmen dieses Instruments gewährten Darlehen ergibt, mit dem geltenden MFR und den Eigenmittelobergrenzen vereinbar ist, müssen prudentielle Regeln festgelegt werden, die auch die Möglichkeit einer Ablösung der im Namen der Union ausgegebenen Anleihen vorsehen.
(13)
Aufgrund ihrer besonderen finanziellen Auswirkungen erfordern Beschlüsse zur Gewährung eines finanziellen Beistands auf der Grundlage dieser Verordnung die Ausübung von Durchführungsbefugnissen, die dem Rat übertragen werden sollten. Bei der Entscheidung über die Höhe eines Darlehens sollte der Rat auf Vorschlag der Kommission den bestehenden und erwarteten Bedarf des um Beistand ersuchenden Mitgliedstaats sowie Anträge auf finanziellen Beistand nach dieser Verordnung, die von anderen Mitgliedstaaten bereits eingereicht wurden oder noch eingereicht werden sollen, unter Beachtung der Grundsätze der Gleichbehandlung, der Solidarität, der Verhältnismäßigkeit und der Transparenz und unter uneingeschränkter Achtung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten berücksichtigen.
(14)
In Artikel 143 Absatz 1 des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft(3) (im Folgenden „Austrittsabkommen” ) wird die Haftung des Vereinigten Königreichs für dessen Anteil an den Eventualverbindlichkeiten der Union auf diejenigen Eventualverbindlichkeiten der Union aus Finanzoperationen beschränkt, die die Union vor dem Datum des Inkrafttretens des Austrittsabkommens getätigt hat. Jede Eventualverbindlichkeit der Union aus einem im Rahmen dieser Verordnung gewährten finanziellen Beistand entstünde nach dem Datum des Inkrafttretens des Austrittsabkommens. Aus diesem Grund sollte sich das Vereinigte Königreich nicht am finanziellen Beistand im Rahmen dieser Verordnung beteiligen.
(15)
Da das Instrument zeitlich auf den Umgang mit dem COVID‐19-Ausbruch begrenzt ist, sollte die Kommission alle sechs Monate beurteilen, ob die außergewöhnlichen Umstände, die Grund für die gravierenden wirtschaftlichen Störungen in den Mitgliedstaaten sind, nach wie vor bestehen, und dem Rat hierüber Bericht erstatten. Im Einklang mit der Rechtsgrundlage für die Annahme dieser Verordnung sollte kein finanzieller Beistand nach dieser Verordnung mehr bereitgestellt werden, sobald die COVID‐19‐Notlage überwunden ist. Zu diesem Zweck ist es angemessen, die Verfügbarkeit des Instruments zeitlich zu begrenzen. Der Rat sollte die Befugnis erhalten, den Zeitraum der Verfügbarkeit des Instruments auf Vorschlag der Kommission zu verlängern, wenn die außergewöhnlichen Ereignisse, die die Anwendung dieser Verordnung rechtfertigen, weiterhin andauern.
(16)
Die Europäische Zentralbank legte ihre Stellungnahme am 8. Mai 2020 vor.
(17)
Angesichts der Folgen des COVID‐19‐Ausbruchs und der Notwendigkeit, diesen durch sofortige Maßnahmen zu begegnen, sollte diese Verordnung am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juli 2018 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1296/2013, (EU) Nr. 1301/2013, (EU) Nr. 1303/2013, (EU) Nr. 1304/2013, (EU) Nr. 1309/2013, (EU) Nr. 1316/2013, (EU) Nr. 223/2014, (EU) Nr. 283/2014 und des Beschlusses Nr. 541/2014/EU sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 (ABl. L 193 vom 30.7.2018, S. 1).

(2)

Verordnung (EG) Nr. 332/2002 des Rates vom 18. Februar 2002 zur Einführung einer Fazilität des mittelfristigen finanziellen Beistands zur Stützung der Zahlungsbilanzen der Mitgliedstaaten (ABl. L 53 vom 23.2.2002, S. 1).

(3)

ABl. L 29 vom 31.1.2020, S. 7.

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