Präambel VO (EU) 2020/696

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 100 Absatz 2,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Anhörung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses,

nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren(1),

In Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Die COVID-19-Pandemie hat zu einem drastischen Rückgang des Luftverkehrs geführt, der auf einen erheblichen Rückgang in der Beförderungsnachfrage sowie darauf zurückzuführen ist, dass Mitgliedstaaten und Drittländer direkte Maßnahmen wie Grenzschließungen und Flugverbote zur Eindämmung der Pandemie ergriffen haben.
(2)
Nach den von Eurocontrol, dem Netzmanager für die Funktionen des Luftverkehrsnetzes des einheitlichen europäischen Luftraums, veröffentlichten Zahlen ist der Luftverkehr in der europäischen Region Ende März 2020 im Vergleich zum März 2019 um rund 90 % zurückgegangen. Die Luftfahrtunternehmen melden infolge der COVID-19-Pandemie enorme Einbrüche bei den Vorausbuchungen und annullieren Flüge für die Flugplanperioden Winter 2019-2020 und Sommer 2020. Der plötzliche Nachfragerückgang und die beispiellose Annullierungsrate haben zu schwerwiegenden Liquiditätsproblemen für Luftfahrtunternehmen geführt. Diese Liquiditätsprobleme stehen direkt mit der COVID-19-Pandemie in Zusammenhang.
(3)
Luftfahrtunternehmen der Union, die vor der COVID-19-Pandemie finanziell gesund waren, haben Liquiditätsprobleme, die zur Aussetzung oder zum Widerrruf der Betriebsgenehmigung oder zu ihrem Ersatz durch eine vorläufige Genehmigung führen könnten, ohne dass hierfür eine strukturelle ökonomische Notwendigkeit besteht. Die Erteilung einer vorläufigen Genehmigung nach Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates(2) könnte dem Markt ein negatives Signal hinsichtlich der Überlebenschancen eines Luftfahrtunternehmens senden, was wiederum jede Art von — andernfalls vorübergehenden — finanziellen Probleme verschärfen würde. Daher sollte die Betriebsgenehmigung solcher Luftfahrtunternehmen auf der Grundlage einer im Zeitraum von 1. März 2020 bis 31. Dezember 2020 durchgeführten Bewertung nicht ausgesetzt oder widerrufen werden, sofern die Flugsicherheit nicht gefährdet ist und realistische Aussichten auf eine zufriedenstellende finanzielle Sanierung innerhalb von 12 Monaten bestehen. Am Ende dieses Zeitraums von 12 Monaten sollte das Luftfahrtunternehmen der Union dem Verfahren nach Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 unterzogen werden. Die in Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 vorgesehene Verpflichtung, dass die Kommission zu informieren ist, sollte auch für die Entscheidungen gelten, die Betriebsgenehmigung nicht auszusetzen oder zu widerrufen.
(4)
Zusätzlich zu Sofortmaßnahmen, die im Falle plötzlich auftretender kurzfristiger Probleme infolge unvorhersehbarer und unvermeidbarer Umstände nach Artikel 21 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 ergriffen werden könnten, sollten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, die Ausübung von Verkehrsrechten abzulehnen, einzuschränken oder an Auflagen zu knüpfen, um die infolge der möglicherweise länger anhaltenden COVID-19-Pandemie auftretenden Probleme bewältigen zu können. Solche im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie ergriffenen Sofortmaßnahmen sollten nach Artikel 21 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Transparenz entsprechen und auf objektiven und nichtdiskriminierenden Kriterien beruhen.
(5)
An Flughäfen, an denen die Zahl der Bodenabfertigungsdienstleister nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 9 der Richtlinie 96/67/EG des Rates(3) begrenzt ist, dürfen die Dienstleister für eine Dauer von höchstens sieben Jahren ausgewählt werden. Dienstleister, für die dieser Zeitraum abläuft, können folglich Schwierigkeiten beim Zugang zu Finanzmitteln haben. Daher sollte dieser höchstzulässige Zeitraum verlängert werden.
(6)
Infolge der COVID-19-Pandemie kann an Flughäfen, an denen die Zahl der Bodenabfertigungsdienstleister begrenzt ist, die Situation eintreten, dass Dienstleister ihre Dienste an einem bestimmten Flughafen einstellen, bevor ein neuer Dienstleister nach dem Verfahren des Artikels 11 Absatz 1 der Richtlinie 96/67/EG ausgewählt werden konnte. Unter diesen Umständen sollte das Leitungsorgan des Flughafens einen Dienstleister direkt auswählen können, der die Bodenabfertigungsdienste für einen Zeitraum von höchstens sechs Monaten erbringt. Es sollte daran erinnert werden, dass wenn das Leitungsorgan eines Flughafens infolge der COVID-19-Pandemie einen Auftrag über die Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten vergeben muss und Vertragspartei im Sinne des Artikel 4 der Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates(4) ist, die genannte Richtlinie angewendet wird.
(7)
Zufriedenstellende finanzielle Sanierung sollte mit einem Plan zur Verhinderung von Entlassungen und mit Garantien, dass die finanzielle Sanierung nicht den Rechten der Arbeitnehmer schaden wird, durchgeführt werden. Die Verlängerung der Zulassungen von Bodenabfertigungsdienstleistern sollte darauf abzielen, Arbeitsplätze und die Rechte der Arbeitnehmer aufrechtzuerhalten.
(8)
Die weitere Entwicklung der COVID-19-Pandemie und ihre Auswirkungen auf den Luftverkehrssektor lassen sich nur schwer vorhersagen. Die Kommission sollte die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den Luftverkehrssektor kontinuierlich analysieren, und, falls die Beeinträchtigungen fortbestehen, sollte die Union in der Lage sein, den Zeitraum, in dem die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen gelten, unverzüglich zu verlängern.
(9)
Nach Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, Rechtsakte zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 zu erlassen, um in dem Umfang, wie dies notwendig und gerechtfertigt ist, den Zeitraum, in dem die zuständigen Genehmigungsbehörden beschließen können, die Betriebsgenehmigungen nicht auszusetzen oder zu widerrufen, den Zeitraum, in dem die Mitgliedstaaten die Ausübung von Verkehrsrechten ablehnen, einschränken oder an Auflagen knüpfen können, und den Zeitraum, in dem Verträge mit Bodenabfertigungsdienstleistern verlängert werden können und in dem das Leitungsorgan eines Flughafens einen Bodenabfertigungsdienst direkt auswählen kann, zu verlängern. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kommission im Zuge ihrer Vorbereitungsarbeiten angemessene Konsultationen, auch auf Sachverständigenebene, durchführt und dass diese Konsultationen den Grundsätzen entsprechen, die in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung(5) niedergelegt wurden. Um insbesondere für eine gleichberechtigte Beteiligung an der Vorbereitung delegierter Rechtsakte zu sorgen, erhalten das Europäische Parlament und der Rat alle Dokumente zur gleichen Zeit wie die Sachverständigen der Mitgliedstaaten, und deren Sachverständige haben systematisch Zugang zu den Sitzungen der Sachverständigengruppen der Kommission, die mit der Vorbereitung der delegierten Rechtsakte befasst sind.
(10)
Wegen der Dringlichkeit, die sich aus den den vorgeschlagenen Maßnahmen zugrunde liegenden außergewöhnlichen Umständen infolge der COVID-19-Pandemie ergibt, und insbesondere, um die notwendigen Maßnahmen zur Bewältigung der schwerwiegenden und unmittelbaren Probleme, mit denen der Sektor konfrontiert ist, schnell zu erlassen, wurde es als angemessen angesehen, eine Ausnahme von der Achtwochenfrist nach Artikel 4 des dem Vertrag über die Europäische Union (EUV), dem AEUV und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft beigefügten Protokolls Nr. 1 über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union vorzusehen.
(11)
Da das Ziel dieser Verordnung, nämlich die Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 angesichts der COVID-19-Pandemie, von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann, sondern vielmehr wegen seines Umfangs oder seiner Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 EUV verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht dieser Verordnung nicht über das für die Verwirklichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.
(12)
Der unvorhersehbare und plötzliche Ausbruch von COVID-19 und die für den Erlass der entsprechenden Maßnahmen notwendigen Gesetzgebungsverfahren machten es unmöglich, solche Maßnahmen rechtzeitig zu erlassen. Aus diesem Grund sollten die Bestimmungen dieser Verordnung auch einen Zeitraum vor ihrem Inkrafttreten abdecken. Angesichts der Art dieser Bestimmungen führt ein solcher Ansatz nicht zu einer Verletzung der berechtigten Erwartungen der Betroffenen.
(13)
Die Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 sollte daher entsprechend geändert werden.
(14)
Angesichts der Dringlichkeit, die die den festgelegten Maßnahmen zugrunde liegenden außergewöhnlichen Umstände gebieten, sollte diese Verordnung aus Gründen der Dringlichkeit am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 15. Mai 2020 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 25. Mai 2020.

(2)

Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft, (ABl. L 293 vom 31.10.2008, S. 3).

(3)

Richtlinie 96/67/EG des Rates vom 15. Oktober 1996 über den Zugang zum Markt der Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen der Gemeinschaft (ABl. L 272 vom 25.10.1996, S. 36).

(4)

Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 243).

(5)

ABl. L 123 vom 12.5.2016, S. 1.

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