§ 9 BayKompV

Berücksichtigung agrarstruktureller Belange

(1) 1Agrarstrukturelle Belange im Sinn von § 15 Abs. 3 Satz 1 BNatSchG sind betroffen, wenn die Gesamtheit der Ausstattung, Verfügbarkeit und Qualität von Arbeit, Boden und Kapital (Produktionsfaktoren) sowie der Produktions- und Arbeitsbedingungen und damit der Produktionskapazität und Produktivität in einem Agrarraum erheblich beeinflusst oder verändert werden. 2Davon ist stets auszugehen, wenn die Kompensation eines Eingriffs mehr als drei Hektar land- oder forstwirtschaftliche Fläche in Anspruch nimmt. 3In diesem Fall ist das zuständige Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten frühzeitig bei der Vorbereitung der Entscheidungen und Maßnahmen zur Durchführung des § 15 BNatSchG zu beteiligen und das Benehmen herzustellen. 4Äußert sich das zuständige Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des Beteiligungsersuchens, gilt das Benehmen als hergestellt.

(2) 1Für die landwirtschaftliche Nutzung besonders geeignete Böden im Sinn von § 15 Abs. 3 Satz 1 BNatSchG sind im regionalen Vergleich überdurchschnittlich ertragreiche Böden, die nicht nach Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 2 vorrangig für Kompensationsmaßnahmen herangezogen werden sollen. 2Maßgeblich ist das Gebiet des durch die Kompensationsmaßnahmen räumlich betroffenen Landkreises, bei landkreisübergreifenden Maßnahmen das Gesamtgebiet der betroffenen Landkreise. 3Die Ertragskraft bestimmt sich nach dem jeweiligen Durchschnittswert der Acker- und Grünlandzahlen eines Landkreises gemäß dem Bodenschätzungsgesetz.

(3) 1Um möglichst zu vermeiden, dass land- oder forstwirtschaftlich genutzte Flächen im Sinn von § 15 Abs. 3 BNatSchG aus der Nutzung genommen werden, ist unter Beachtung des Funktionsbezugs bei der Auswahl von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen vorrangig zu prüfen, ob folgende Maßnahmen oder die Verwirklichung auf folgenden Gebietskulissen möglich sind:

1.
die Inanspruchnahme von Ökokontoflächen,
2.
Aufwertungsmaßnahmen in für den Naturschutz bevorzugten Gebietskulissen, die den jeweiligen Pflege- und Entwicklungszielen entsprechen, insbesondere
a)
in Natura 2000-Gebieten nach § 32 BNatSchG, in Naturschutzgebieten nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG und in Biosphärenreservaten nach § 20 Abs. 2 Nr. 3 BNatSchG, soweit sie über verpflichtende Erhaltungsmaßnahmen des Gebietsmanagements hinausgehen,
b)
auf Flächen im Sinn von § 9 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 Buchst. c BNatSchG,
c)
auf Flächen für anerkannte naturschutzfachliche Projekte im Rahmen des Arten- und Biotopschutzprogramms gemäß Art. 19 BayNatSchG,
d)
entlang oberirdischer Gewässer im Sinn des § 21 Abs. 5 BNatSchG und in strukturarmen Landschaftsräumen im Sinn des § 21 Abs. 6 BNatSchG, die der Biotopvernetzung dienen, sowie
e)
in Wasserschutzgebieten nach § 51 Abs. 1 Satz 1 WHG und Überschwemmungsgebieten nach § 76 Abs. 1 WHG, soweit Dritte nicht beeinträchtigt werden,
3.
Entsiegelungsmaßnahmen und sonstige Rückbaumaßnahmen oder
4.
Maßnahmen zur Wiedervernetzung von Lebensräumen oder Bewirtschaftungs- und Pflegemaßnahmen zur dauerhaften Aufwertung von Natur und Landschaft.

2Vorrangig zu prüfende Bewirtschaftungs- und Pflegemaßnahmen im Sinn von § 15 Abs. 3 Satz 2 BNatSchG, die in die land- oder forstwirtschaftliche Produktion integriert sind und Natur oder Landschaft dauerhaft aufwerten (PIK), sowie Entsiegelungs- und Wiedervernetzungsmaßnahmen sind insbesondere den Anlagen 4.1 und 4.2 zu entnehmen.

(4) 1PIK sind als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen geeignet, wenn sie der dauerhaften Aufwertung des Naturhaushalts oder des Landschaftsbilds dienen. 2PIK kommen in Betracht, wenn durch den Eingriff land- oder forstwirtschaftlich genutzte Flächen in Anspruch genommen werden, wenn es zu einer Funktionsbeeinträchtigung der Schutzgüter auf diesen Flächen kommt und die Bereitstellung der erforderlichen Flächen für den jeweiligen Unterhaltungszeitraum nach § 10 gewährleistet ist. 3PIK können auch auf wechselnden Flächen durchgeführt werden. 4Für die Ermittlung des Kompensationsumfangs in Wertpunkten gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 wird die Flächengröße zugrunde gelegt, die mit dauerhaft aufwertenden Maßnahmen belegt ist. 5PIK führen zu keiner Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen im Sinn von § 15 Abs. 3 BNatSchG.

(5) 1Zur Durchführung von im Zulassungsbescheid als Kompensation festgesetzten PIK, die auf wechselnden Flächen durchgeführt werden, kann der Verursacher durch eine schuldrechtliche Vereinbarung Einrichtungen wie insbesondere Stiftungen, Landgesellschaften, Landschaftspflegeverbände, anerkannte Naturschutzverbände und Flächenagenturen beauftragen, wenn diese hinsichtlich Leistungsfähigkeit, fachlicher Qualifikation und Zuverlässigkeit ausreichend Gewähr für die Planung und Durchführung der Maßnahmen bieten. 2In der Vereinbarung ist Inhalt, Art, Umfang und Dauer der Bewirtschaftungs- oder Pflegemaßnahmen festzulegen. 3Der zuständigen Gestattungsbehörde ist jährlich eine nachvollziehbare Dokumentation der Bereitstellung der erforderlichen Flächen und der durchgeführten Maßnahmen vorzulegen. 4Der Verursacher des Eingriffs oder sein Rechtsnachfolger bleiben bis zur vollständigen Erfüllung der Kompensationsverpflichtung für die Durchführung der Maßnahmen verantwortlich.

Tipp: Verwenden Sie die Pfeiltasten der Tastatur zur Navigation zwischen Normen.