Präambel RL 1999/32/EG

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 130s Absatz 1,

auf Vorschlag der Kommission(1),

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses(2),

gemäß dem Verfahren des Artikels 189c des Vertrags(3),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Die Ziele und Grundsätze der gemeinschaftlichen Umweltpolitik, die in den Umweltaktionsprogrammen — insbesondere dem Fünften Umweltaktionsprogramm(4) — auf der Grundlage der Prinzipien des Artikels 130r des Vertrags beschrieben sind, richten sich insbesondere darauf, die Menschen vor den erwiesenen Gefahren der Schwefeldioxidemissionen wirksam zu schützen und die Umwelt zu schützen, indem verhindert wird, daß die Schwefelniederschläge die kritische Belastung und die einschlägigen Grenzwerte überschreiten.
(2)
Gemäß Artikel 129 des Vertrags sind die Erfordernisse im Bereich des Gesundheitsschutzes Bestandteil der übrigen Politiken der Gemeinschaft. Gemäß Artikel 3 Buchstabe o) umfaßt die Tätigkeit der Gemeinschaft auch einen Beitrag zur Erreichung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus.
(3)
Schwefeldioxidemissionen tragen erheblich zum Problem der Versauerung in der Gemeinschaft bei. Ferner werden menschliche Gesundheit und Umwelt durch Schwefeldioxid unmittelbar beeinträchtigt.
(4)
Die Versauerung schädigt empfindliche Ökosysteme, bedroht die Artenvielfalt, verringert den Erholungswert und beeinträchtigt sowohl die landwirtschaftliche Erzeugung als auch das Wachstum der Wälder. Saurer Regen kann in den Städten schwere Schäden an modernen und historischen Gebäuden verursachen. Die Schwefeldioxidbelastung in den Städten kann außerdem die menschliche Gesundheit stark beeinträchtigen, vor allem bei Personen mit Erkrankungen der Atemwege.
(5)
Die Versauerung ist ein grenzüberschreitendes Phänomen, das sowohl gemeinschaftliche als auch nationale oder regionale Lösungen verlangt.
(6)
Schwefeldioxidemissionen tragen außerdem zur Bildung von Feststoffteilchen in der Atmosphäre bei.
(7)
Die Gemeinschaft und die einzelnen Mitgliedstaaten sind Vertragsparteien des UN-ECE-Übereinkommens über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung. Das zweite UN-ECE-Protokoll über die grenzüberschreitende Luftverunreinigung durch Schwefeldioxid sieht vor, daß die Vertragsparteien die SO2-Emissionen gemäß der im ersten Protokoll vorgesehenen Verringerung von 30 % oder noch stärker senken. Das zweite UN-ECE-Protokoll geht von der Prämisse aus, daß kritische Belastungen und Niveaus in verschiedenen empfindlichen Gebieten auch weiterhin überschritten werden. Weitere Maßnahmen zur Senkung der Schwefeldioxidemissionen werden nach wie vor notwendig sein, um die Ziele des Fünften Umweltaktionsprogramms zu erreichen. Die Vertragsparteien sollten daher die Schwefeldioxidemissionen weiter erheblich zurückführen.
(8)
Schwefel, der in Öl und in Kohle in geringen Mengen natürlich vorkommt, ist seit Jahrzehnten als wichtigste Quelle für Schwefeldioxidemissionen nachgewiesen, die ihrerseits eine Hauptursache für den „sauren Regen” und eine der wichtigsten Ursachen für die Luftverschmutzung in vielen Stadt- und Industriegebieten sind.
(9)
Die Kommission hat kürzlich eine Mitteilung über die Bekämpfung der Versauerung in der Europäischen Gemeinschaft veröffentlicht. Die Verringerung der Schwefeldioxidemissionen aus der Verbrennung bestimmter flüssiger Kraft- und Brennstoffe ist fester Bestandteil dieser kosteneffizienten Strategie. Die Gemeinschaft erkennt an, daß auch Maßnahmen in bezug auf alle anderen Kraft- oder Brennstoffe erforderlich sind.
(10)
Untersuchungen haben ergeben, daß die Vorteile einer Senkung der Schwefelemissionen durch einen geringeren Schwefelgehalt in Kraft- oder Brennstoffen im Rahmen dieser Richtlinie oftmals erheblich größer sein werden als die geschätzten Kosten für die Industrie. Die Technologie zur Verringerung des Schwefelgehalts flüssiger Kraft- oder Brennstoffe ist vorhanden und gut eingeführt.
(11)
In Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gemäß Artikel 3b des Vertrags läßt sich das Ziel der Verringerung von Schwefeldioxidemissionen aus der Verbrennung bestimmter flüssiger Kraft- oder Brennstoffe durch Einzelmaßnahmen der Mitgliedstaaten nicht effizient erreichen. Ein unkoordiniertes Vorgehen kann außerdem die Erreichung dieses Ziels nicht gewährleisten, ist potentiell kontraproduktiv und wird darüber hinaus am Markt für die betroffenen Kraft- oder Brennstoffe Verunsicherung auslösen. Angesichts der Notwendigkeit einer gemeinschaftsweiten Verringerung der Schwefeldioxidemissionen sind Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene daher wirksamer. Diese Richtlinie beschränkt sich auf die Mindestanforderungen zur Erreichung des angestrebten Ziels.
(12)
In der Richtlinie 93/12/EWG des Rates vom 23. März 1993 über den Schwefelgehalt bestimmter flüssiger Brennstoffe(5) wird die Kommission aufgefordert, dem Rat einen Vorschlag für niedrigere Grenzwerte für den Schwefelgehalt in Gasöl sowie neue Grenzwerte für Flugzeugkerosin vorzulegen. Es wäre sinnvoll, auf der Grundlage von Kosteneffizienzuntersuchungen Grenzwerte für den Schwefelgehalt anderer flüssiger Kraft- oder Brennstoffe festzulegen, insbesondere für Schweröle, Bunkeröle, Gasöl für den Seeverkehr und Gasöle.
(13)
Gemäß Artikel 130t des Vertrags hindert diese Richtlinie die Mitgliedstaaten nicht daran, verstärkte Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu ergreifen, die jedoch mit dem Vertrag vereinbar sein müssen und der Kommission notifiziert werden sollten.
(14)
Bevor ein Mitgliedstaat neue und verstärkte Schutzmaßnahmen einführt, sollte er die Kommission über die entsprechenden Entwürfe gemäß der Richtlinie 83/189/EWG des Rates vom 28. März 1983 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften(6) unterrichten.
(15)
Bei der Festlegung des Grenzwertes für den Schwefelgehalt von Schweröl sollten Ausnahmen für Mitgliedstaaten und Regionen ermöglicht werden, in denen die Umweltbedingungen dies zulassen.
(16)
Bei der Festlegung des Grenzwerts für den Schwefelgehalt von Schweröl sollten ferner Ausnahmen für die Verwendung dieser Öle in Feuerungsanlagen vorgesehen werden, die den Emissionsgrenzwerten der Richtlinie 88/609/EWG des Rates vom 24. November 1988 zur Begrenzung von Schadstoffemissionen von Großfeuerungsanlagen in die Luft(7), entsprechen. Im Lichte der bevorstehenden Überprüfung der Richtlinie 88/609/EG wird es möglicherweise erforderlich sein, einige Bestimmungen der vorliegenden Richtlinie zu überprüfen und gegebenenfalls zu überarbeiten.
(17)
Bei Feuerungsanlagen von Raffinerien, die aus dem Anwendungsbereich von Artikel 3 Absatz 3 Ziffer i) Buchstabe c) dieser Richtlinie ausgenommen sind, sollten die in bezug auf derartige Anlagen gemittelten Schwefeldioxidemissionen die Grenzwerte nach der Richtlinie 88/609/EWG oder künftigen geänderten Fassungen dieser Richtlinie nicht überschreiten. Bei der Anwendung dieser Richtlinie sollten die Mitgliedstaaten beachten, daß eine Ersetzung durch andere als die in Artikel 2 genannten Kraft- oder Brennstoffe nicht zu einem Anstieg der Emissionen von säuernden Schadstoffen führen sollte.
(18)
Ein Grenzwert von 0,2 % für den Schwefelgehalt von Gasöl wurde bereits mit der Richtlinie 93/12/EWG eingeführt. Dieser Grenzwert sollte bis 1. Januar 2008 auf 0,1 % gesenkt werden.
(19)
Gemäß der Beitrittsakte von 1994 wird Österreich und Finnland für die Bestimmungen der Richtlinie 93/12/EWG über den Schwefelgehalt von Gasöl eine vierjährige Ausnahmefrist, gerechnet ab dem Datum des Beitritts, gewährt.
(20)
Der Grenzwert von 0,2 % (ab dem Jahr 2000) und von 0,1 % (ab dem Jahr 2008) für den Schwefelgehalt von Gasölen zur marinen Verwendung auf seegehenden Schiffen könnte Griechenland in seinem gesamten Hoheitsgebiet, Spanien im Bereich der Kanarischen Inseln, Frankreich im Bereich der Französischen Überseeischen Departements und Portugal im Bereich Madeiras und der Azoren technische und wirtschaftliche Probleme bereiten. Eine Ausnahmeregelung für Griechenland, die Kanarischen Inseln, die Französischen Überseeischen Departements sowie Madeira und die Azoren dürfte keine negativen Auswirkungen auf den Markt für Gasöl zur marinen Verwendung haben; für Ausfuhren von Gasöl zur marinen Verwendung aus Griechenland, von den Kanarischen Inseln, aus den Französischen Überseeischen Departements sowie von Madeira und den Azoren in andere Mitgliedstaaten gelten die im Einfuhrmitgliedstaat geltenden Anforderungen. Griechenland, den Kanarischen Inseln, den Französischen Überseeischen Departements sowie Madeira und den Azoren sollte daher eine Ausnahmegenehmigung von den in Gewichtsprozent Schwefel ausgedrückten Grenzwerten für Gasöl zur marinen Verwendung erteilt werden.
(21)
Die durch die Verbrennung von Bunkerölen mit einem hohen Schwefelgehalt verursachten Schwefelemissionen der Schiffahrt tragen zur Verunreinigung durch Schwefeldioxid und zu Problemen der Versauerung bei. Die Gemeinschaft wird sich bei den laufenden und künftigen Verhandlungen zum MARPOL-Übereinkommen im Rahmen der Internationalen Seeschiffahrtsorganisation (IMO) für einen weitergehenden Schutz der für SOx-Emissionen empfindlichen Gebiete sowie für die Senkung des allgemein üblichen Grenzwertes für Bunkeröl (von zur Zeit 4,5 %) einsetzen. Die Initiativen der Gemeinschaft, das Gebiet der Nordsee/des Ärmelkanals als besonderes SOx-Emissionskontrollgebiet auszuweisen, sollten fortgesetzt werden.
(22)
Die Forschungen über die Auswirkungen der Versauerung auf Ökosysteme und auf den menschlichen Organismus müssen vertieft werden. Die Gemeinschaft fördert diese Forschung im Rahmen des Fünften Forschungsrahmenprogramms(8).
(23)
Wird die Versorgung mit Rohöl, Erdölprodukten oder anderen Kohlenwasserstoffen unterbrochen, so kann die Kommission für das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einen höheren Grenzwert genehmigen.
(24)
Die Mitgliedstaaten sollten geeignete Maßnahmen zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieser Richtlinie einführen und der Kommission regelmäßig Berichte über den Schwefelgehalt flüssiger Kraft- oder Brennstoffe vorlegen.
(25)
Aus Gründen der Klarheit ist es erforderlich, die Richtlinie 93/12/EWG zu ändern —

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. C 190 vom 21.6.1997, S. 9, und ABl. C 259 vom 18.8.1998, S. 5.

(2)

ABl. C 355 vom 21.11.1997, S. 1.

(3)

Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 13. Mai 1998 (ABl. C 167 vom 1.6.1998, S. 111), Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 6. Oktober 1998 (ABl. C 364 vom 25.11.1998, S. 20) und Beschluß des Europäischen Parlaments vom 9. Februar 1999 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(4)

ABl. C 138 vom 17.5.1993, S. 5.

(5)

ABl. L 74 vom 27.3.1993, S. 81.

(6)

ABl. L 109 vom 26.4.1983, S. 8. Richtlinie zuletzt geändert durch die Entscheidung 96/139/EG der Kommission (ABl. L 32 vom 10.2.1996, S. 31).

(7)

ABl. L 336 vom 7.12.1988, S. 1. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 94/66/EG (ABl. L 337 vom 24.12.1984, S. 83).

(8)

ABl. L 26 vom 1.2.1999, S. 1.

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