Artikel 7 RL 1999/62/EG
(1) Unbeschadet des Artikels 9 Absatz 1a dürfen die Mitgliedstaaten unter den in den Absätzen 4 bis 14 dieses Artikels und in den Artikeln 7a bis 7k genannten Bedingungen Maut- und Benutzungsgebühren im transeuropäischen Straßennetz oder auf bestimmten Abschnitten dieses Netzes und zusätzlich auf anderen Abschnitten ihrer Autobahnnetze, die nicht zum transeuropäischen Straßennetz gehören, beibehalten oder einführen.
(2) Absatz 1 lässt das Recht der Mitgliedstaaten, unter Beachtung des AEUV Maut- und Benutzungsgebühren auf anderen Straßen zu erheben, unberührt, sofern die Erhebung von Maut- und Benutzungsgebühren auf solchen anderen Straßen den internationalen Verkehr nicht diskriminiert und nicht zur Verzerrung des Wettbewerbs zwischen den Unternehmen führt. Maut- und Benutzungsgebühren, die auf anderen Straßen als denen des transeuropäischen Straßennetzes und als Autobahnen erhoben werden, müssen die Voraussetzungen der Absätze 4 und 5 des vorliegenden Artikels, des Artikels 7a und des Artikels 7j Absätze 1, 2 und 4 erfüllen.
(3) Unbeschadet anderer Bestimmungen der vorliegenden Richtlinie können Maut- und Benutzungsgebühren für verschiedene Fahrzeugklassen, beispielsweise schwere Nutzfahrzeuge, Lastkraftwagen, Kraftomnibusse, leichte Nutzfahrzeuge, leichte gewerbliche Nutzfahrzeuge, Kleinbusse und Personenkraftwagen, voneinander unabhängig eingeführt oder beibehalten werden. Wenn die Mitgliedstaaten jedoch für Personenkraftwagen Gebühren erheben, müssen sie auch für leichte gewerbliche Nutzfahrzeuge Gebühren erheben.
(4) Die Mitgliedstaaten erheben für keine Fahrzeugklasse gleichzeitig Maut- und Benutzungsgebühren für die Benutzung ein und desselben Straßenabschnitts. Jedoch kann ein Mitgliedstaat, der in seinem Straßennetz eine Benutzungsgebühr erhebt, auch Mautgebühren für die Benutzung von Brücken, Tunneln und Gebirgspässen erheben.
Die Mitgliedstaaten können davon absehen, Artikel 7ca Absatz 3, Artikel 7ga Absatz 1 und Artikel 7gb Absatz 2 auf solche Mautgebühren für die Benutzung von Brücken, Tunneln und Gebirgspässen anzuwenden, wenn eine oder beide der folgenden Bedingungen erfüllt sind:
- a)
- Die Anwendung von Artikel 7ca Absatz 3, Artikel 7ga Absatz 1 und Artikel 7gb Absatz 2 wäre zur Einführung einer solchen Differenzierung bei dem betreffenden Mautsystem technisch nicht durchführbar;
- b)
- die Anwendung von Artikel 7ca Absatz 3, Artikel 7ga Absatz 1 und Artikel 7gb Absatz 2 würde bewirken, dass besonders umweltschädliche Fahrzeuge auf andere Strecken ausweichen, mit negativen Folgen für die Straßenverkehrssicherheit und die Gesundheit der Bevölkerung.
Ein Mitgliedstaat, der sich gemäß Unterabsatz 2 gegen die Anwendung von Artikel 7ca Absatz 3, Artikel 7ga Absatz 1 und Artikel 7gb Absatz 2 entscheidet, setzt die Kommission davon in Kenntnis.
(5) Maut- und Benutzungsgebühren dürfen weder mittelbar noch unmittelbar zu einer unterschiedlichen Behandlung aufgrund
- a)
- der Staatsangehörigkeit des Verkehrsteilnehmers,
- b)
- des Mitgliedstaats oder Drittlandes der Niederlassung des Verkehrsunternehmers,
- c)
- des Mitgliedstaats oder Drittlandes der Zulassung des Fahrzeugs, oder
- d)
- des Ausgangs- oder Zielpunktes der Fahrt eines Verkehrsunternehmers führen.
(6) Die Mitgliedstaaten können auf bestimmten Straßenabschnitten ermäßigte Mautgebühren oder Benutzungsgebühren vorsehen oder bestimmte Straßenabschnitte, insbesondere solche mit geringer Verkehrsdichte in dünn besiedelten Gebieten, vollständig von der Gebührenerhebung ausnehmen.
(7) Bei Maut- und Benutzungsgebühren auf Straßeninfrastrukturen, die Gegenstand von Konzessionsverträgen sind, können die Mitgliedstaaten wenn der Vertrag vor dem 24. März 2022 unterzeichnet wurde oder die Angebote oder Antworten auf Einladungen zur Teilnahme am Verhandlungsverfahren im Rahmen eines öffentlichen Vergabeverfahrens vor dem 24. März 2022 eingegangen sind, von der Anwendung von Artikel 7ca Absatz 3, Artikel 7g Absätze 1 und 2, Artikel 7ga und Artikel 7gb auf die Maut und die Nutzungsgebühren für diese Infrastrukturen absehen, bis der Konzessionsvertrag verlängert oder das Maut- oder Gebührenerhebungssystem wesentlich geändert wird.
(8) Absatz 7 gilt auch für zwischen öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen geschlossene langfristige Verträge über die Ausführung von Bauleistungen und/oder die Verwaltung anderer Dienstleistungen als der Ausführung von Bauleistungen ohne Übertragung des Nachfragerisikos, die vor dem 24. März 2022 unterzeichnet wurden.
(9) Die Mitgliedstaaten können ermäßigte Maut- oder Benutzungsgebühren oder Befreiungen von der Verpflichtung zur Entrichtung von Maut- oder Benutzungsgebühren vorsehen für
- a)
- schwere Nutzfahrzeuge, die von der Verpflichtung zum Einbau und zur Benutzung von Kontrollgeräten gemäß der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates(1) ausgenommen sind,
- b)
- Lastkraftwagen mit einer technisch zulässigen Gesamtmasse im beladenen Zustand von mehr als 3,5 t und weniger als 7,5 t, die zur Beförderung von Material, Ausrüstungen oder Maschinen, die der Fahrer zur Ausübung seines Berufs benötigt, oder zur Auslieferung von handwerklich hergestellten Gütern, wenn die Beförderung nicht gewerblich erfolgt, benutzt werden,
- c)
- Fahrzeuge, die unter die in Artikel 6 Absatz 2 Buchstaben a und b festgelegten Bedingungen fallen, oder Fahrzeuge, die im Eigentum von Menschen mit Behinderungen stehen oder von diesen genutzt werden, und
- d)
- emissionsfreie Fahrzeuge mit einer technisch zulässigen Gesamtmasse im beladenen Zustand von bis zu 4,25 t.
(10) Ab dem 25. März 2030 erheben die Mitgliedstaaten im transeuropäischen Kernverkehrsnetz keine Benutzungsgebühren für schwere Nutzfahrzeuge.
(11) Abweichend von Absatz 10 können die Mitgliedstaaten auf Abschnitten des transeuropäischen Kernverkehrsnetzes Benutzungsgebühren für schwere Nutzfahrzeuge erheben, jedoch nur in hinreichend begründeten Fällen, in denen die Erhebung einer Maut
- a)
- beispielsweise aufgrund der begrenzten Länge der betreffenden Straßenabschnitte oder der relativ geringen Bevölkerungsdichte oder des relativ geringen Verkehrsaufkommens im Vergleich zu den erwarteten Einnahmen oder Vorteilen mit unverhältnismäßig hohen Verwaltungs-, Investitions- und Betriebskosten verbunden wäre oder
- b)
-
zu einer Verkehrsverlagerung mit negativen Folgen für die Straßenverkehrssicherheit oder die Gesundheit der Bevölkerung führen würde.
Bevor die Mitgliedstaaten diese Benutzungsgebühren erheben, teilen sie sie der Kommission ihre entsprechende Absicht mit. Die Mitteilung enthält eine Begründung, in der angesichts des Unterabsatz 1 anhand objektiver Kriterien und eindeutiger Informationen zu den benutzungsgebührenpflichtigen Fahrzeugen und Straßenabschnitten dargelegt wird, warum die Benutzungsgebühren erhoben werden.
Die Mitgliedstaaten können für mehrere Straßenabschnitte, die unter die Ausnahmen fallen, eine einzige Mitteilung einreichen, sofern für jeden Abschnitt eine Begründung beigefügt ist.
(12) Wenn Mitgliedstaaten ein gemeinsames Benutzungsgebührensystem gemäß Artikel 8 anwenden, passen sie das gemeinsame System bis zum 25. März 2032 an oder lösen es auf.
(13) Bis zum 25. März 2027 kann ein Mitgliedstaat für Lastkraftwagen beschließen, Maut- oder Benutzungsgebühren nur auf Lastkraftwagen zu erheben, deren technisch zulässige Gesamtmasse im beladenen Zustand mindestens 12 t beträgt, wenn er der Auffassung ist, dass die Erhebung von Maut- oder Benutzungsgebühren auf Lastkraftwagen mit einer zulässigen Gesamtmasse von weniger als 12 t
- a)
- sich aufgrund von Verkehrsverlagerungen erheblich negativ auf den freien Verkehrsfluss, die Umwelt, den Lärmpegel, Staubildungen, die Gesundheit oder die Verkehrssicherheit auswirken würde,
- b)
- Verwaltungskosten in Höhe von mehr als 15 % der zusätzlichen Einnahmen verursachen würde, die durch diese Ausweitung der Gebührenerhebung erzielt würden, oder
- c)
-
eine Fahrzeugklasse betrifft, die höchstens 10 % der anlastbaren Infrastrukturkosten verursacht.
Mitgliedstaaten, die beschließen, Maut- oder Benutzungsgebühren oder beides nur auf Lastkraftwagen zu erheben, deren technisch zulässige Gesamtmasse im beladenen Zustand mindestens 12 t beträgt, teilen der Kommission ihren Beschluss und die Gründe dafür mit.
(14) Wenn auf alle schweren Nutzfahrzeuge Mautgebühren erhoben werden, können sich die Mitgliedstaaten für die Anlastung eines anderen Prozentsatzes der Kosten von Kraftomnibussen und Wohnmobilen einerseits und von Lastkraftwagen andererseits entscheiden.
(15) Bis zum 25. März 2027 bewertet die Kommission die Umsetzung und die Wirksamkeit dieser Richtlinie bei der Erhebung von Gebühren für leichte Nutzfahrzeuge.
Bei dieser Bewertung wird der Entwicklung Rechnung getragen, die bei Gebührenregelungen für leichte Nutzfahrzeuge je nach Art der auf die verschiedenen Fahrzeugklassen erhobenen Gebühren, Umfang des gebührenpflichtigen Netzes, Verhältnismäßigkeit der Preisgestaltung und anderen relevanten Elementen zu verzeichnen ist.
Auf der Grundlage dieser Bewertung unterbreitet die Kommission gegebenenfalls einen Gesetzgebungsvorschlag zur Änderung der einschlägigen Bestimmungen dieser Richtlinie.
Fußnote(n):
- (1)
Verordnung (EU) Nr. 165/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Fahrtenschreiber im Straßenverkehr, zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates über das Kontrollgerät im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr (ABl. L 60 vom 28.2.2014, S. 1).
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