Präambel RL 1999/93/EG

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 47 Absatz 2, Artikel 55 und 95,

auf Vorschlag der Kommission(1),

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses(2),

nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen(3),

gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags(4),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Am 16. April 1997 hat die Kommission dem Europäischen Parlament, dem Rat, dem Wirtschafts- und Sozialausschuß und dem Ausschuß der Regionen eine Mitteilung mit dem Titel „Europäische Initiative für den elektronischen Geschäftsverkehr” vorgelegt.
(2)
Am 8. Oktober 1997 hat die Kommission dem Europäischen Parlament, dem Rat, dem Wirtschafts- und Sozialausschuß und dem Ausschuß der Regionen eine Mitteilung über „Sicherheit und Vertrauen in elektronische Kommunikation — Ein europäischer Rahmen für digitale Signaturen und Verschlüsselung” unterbreitet.
(3)
Am 1. Dezember 1997 hat der Rat die Kommission aufgefordert, so bald wie möglich einen Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über digitale Signaturen vorzulegen.
(4)
Elektronische Kommunikation und elektronischer Geschäftsverkehr erfordern „elektronische Signaturen” und entsprechende Authentifizierungsdienste für Daten. Divergierende Regeln über die rechtliche Anerkennung elektronischer Signaturen und die Akkreditierung von Zertifizierungsdiensteanbietern in den Mitgliedstaaten können ein ernsthaftes Hindernis für die elektronische Kommunikation und den elektronischen Geschäftsverkehr darstellen. Klare gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen stärken demgegenüber das Vertrauen und die allgemeine Akzeptanz hinsichtlich der neuen Technologien. Die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten sollten den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr im Binnenmarkt nicht behindern.
(5)
Die Interoperabilität von Produkten für elektronische Signaturen sollte gefördert werden. Gemäß Artikel 14 des Vertrags umfaßt der Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Warenverkehr gewährleistet ist. Es sind grundlegende Anforderungen zu erfüllen, die speziell für Produkte für elektronische Signaturen gelten, um so den freien Verkehr im Binnenmarkt zu gewährleisten und das Vertrauen in digitale Signaturen zu fördern, wobei die Verordnung (EG) Nr. 3381/94 des Rates vom 19. Dezember 1994 über eine Gemeinschaftsregelung der Ausfuhrkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck(5) und der Beschluß 94/942/GASP des Rates vom 19. Dezember 1994 über die vom Rat angenommene gemeinsame Aktion zur Ausfuhrkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck(6) unberührt bleiben.
(6)
Mit der vorliegenden Richtlinie wird die Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Vertraulichkeit von Informationen nicht harmonisiert, wenn für derartige Dienstleistungen einzelstaatliche Vorschriften hinsichtlich der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gelten.
(7)
Der Binnenmarkt gewährleistet die Freizügigkeit von Personen, wodurch Bürger und Gebietsansässige der Europäischen Union zunehmend mit Stellen in anderen Mitgliedstaaten als demjenigen ihres Wohnsitzes in Verbindung treten müssen. Die Möglichkeit der elektronischen Kommunikation könnte in dieser Hinsicht von großem Nutzen sein.
(8)
Die rasche technologische Entwicklung und der globale Charakter des Internet erfordern ein Konzept, das verschiedenen Technologien und Dienstleistungen im Bereich der elektronischen Authentifizierung offensteht.
(9)
Elektronische Signaturen werden bei einer Vielzahl von Gegebenheiten und Anwendungen genutzt, die zu einem großen Spektrum neuer Dienste und Produkte im Zusammenhang mit oder unter Verwendung von elektronischen Signaturen führen. Die Definition solcher Produkte und Dienste sollte sich nicht auf die Ausstellung und Verwaltung von Zertifikaten beschränken, sondern sollte auch alle sonstigen Dienste und Produkte einschließen, die elektronische Signaturen verwenden oder mit ihnen zusammenhängen, wie Registrierungsdienste, Zeitstempel, Verzeichnisdienste, Rechnerdienste oder Beratungsdienste in Verbindung mit elektronischen Signaturen.
(10)
Der Binnenmarkt ermöglicht es Zertifizierungsdiensteanbietern, grenzüberschreitend tätig zu werden, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und damit Verbrauchern und Unternehmen ohne Rücksicht auf Grenzen neue Möglichkeiten des sicheren Informationsaustausches und elektronischen Geschäftsverkehrs zu eröffnen. Um das gemeinschaftsweite Anbieten von Zertifizierungsdiensten über offene Netze zu fördern, sollten Anbieter von Zertifizierungsdiensten diese ungehindert ohne vorherige Genehmigung bereitstellen können. Vorherige Genehmigung bedeutet nicht nur eine Erlaubnis, wonach der betreffende Zertifizierungsdiensteanbieter einen Bescheid der einzelstaatlichen Stellen einholen muß, bevor er seine Zertifizierungsdienste erbringen kann, sondern auch alle sonstigen Maßnahmen mit der gleichen Wirkung.
(11)
Freiwillige Akkreditierungssysteme, die auf eine Steigerung des Niveaus der erbrachten Dienste abzielen, können Zertifizierungsdiensteanbietern den geeigneten Rahmen für die Weiterentwicklung ihrer Dienste bieten, um das auf dem sich entwickelnden Markt geforderte Maß an Vertrauen, Sicherheit und Qualität zu erreichen. Diese Systeme sollten die Entwicklung bester Praktiken durch Zertifizierungsdiensteanbieter fördern. Zertifizierungsdiensteanbietern sollte es freistehen, sich akkreditieren zu lassen und Akkreditierungssysteme zu nutzen.
(12)
Zertifizierungsdienste sollten entweder von einer öffentlichen Stelle oder einer juristischen oder natürlichen Person angeboten werden können, sofern diese im Einklang mit den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften niedergelassen ist. Die Mitgliedstaaten sollten es Anbietern von Zertifizierungsdiensten nicht untersagen, auch ohne freiwillige Akkreditierung tätig zu sein. Es ist darauf zu achten, daß Akkreditierungssysteme den Wettbewerb im Bereich der Zertifizierungsdienste nicht einschränken.
(13)
Die Mitgliedstaaten können entscheiden, wie sie die Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieser Richtlinie gewährleisten. Diese Richtlinie schließt nicht aus, daß privatwirtschaftliche Überwachungssysteme geschaffen werden. Diese Richtlinie verpflichtet die Zertifizierungsdiensteanbieter nicht, eine Überwachung im Rahmen eines geltenden Akkreditierungssystems zu beantragen.
(14)
Es ist wichtig, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Bedürfnissen der Verbraucher und der Unternehmen herzustellen.
(15)
Anhang III enthält die Anforderungen für sichere Signaturerstellungseinheiten zur Gewährleistung der Funktionalität fortgeschrittener elektronischer Signaturen. Er deckt nicht die gesamte Systemumgebung ab, in der die Einheit betrieben wird. Das Funktionieren des Binnenmarktes verlangt von der Kommission und den Mitgliedstaaten, rasch zu handeln, damit die Stellen benannt werden können, die für die Bewertung der Übereinstimmung von sicheren Signaturerstellungseinheiten mit den Anforderungen des Anhangs III zuständig sind. Um den Markterfordernissen zu entsprechen, muß die Bewertung der Übereinstimmung rechtzeitig und effizient erfolgen.
(16)
Diese Richtlinie leistet einen Beitrag zur Verwendung und rechtlichen Anerkennung elektronischer Signaturen in der Gemeinschaft. Es bedarf keiner gesetzlichen Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen, die ausschließlich in Systemen verwendet werden, die auf freiwilligen privatrechtlichen Vereinbarungen zwischen einer bestimmten Anzahl von Teilnehmern beruhen. Die Freiheit der Parteien, die Bedingungen zu vereinbaren, unter denen sie elektronisch signierte Daten akzeptieren, sollte respektiert werden, soweit dies im Rahmen des innerstaatlichen Rechts möglich ist. Elektronischen Signaturen, die in solchen Systemen verwendet werden, sollte die rechtliche Wirksamkeit und die Zulässigkeit als Beweismittel in Gerichtsverfahren nicht abgesprochen werden.
(17)
Diese Richtlinie zielt nicht darauf ab, nationales Vertragsrecht, insbesondere betreffend den Abschluß und die Erfüllung von Verträgen, oder andere, außervertragliche Formvorschriften bezüglich der Unterschriften zu harmonisieren. Deshalb sollten die Regelungen über die rechtliche Wirksamkeit elektronischer Signaturen unbeschadet einzelstaatlicher Formvorschriften gelten, die den Abschluß von Verträgen oder die Festlegung des Ortes eines Vertragsabschlusses betreffen.
(18)
Das Speichern und Kopieren von Signaturerstellungsdaten könnte die Rechtsgültigkeit elektronischer Signaturen gefährden.
(19)
Elektronische Signaturen werden im öffentlichen Bereich innerhalb der staatlichen und gemeinschaftlichen Verwaltungen und im Kommunikationsverkehr zwischen diesen Verwaltungen sowie zwischen diesen und den Bürgern und Wirtschaftsteilnehmern eingesetzt, z. B. in den Bereichen öffentliche Auftragsvergabe, Steuern, soziale Sicherheit, Gesundheit und Justiz.
(20)
Durch harmonisierte Kriterien im Zusammenhang mit der Rechtswirkung elektronischer Signaturen läßt sich gemeinschaftsweit ein kohärenter Rechtsrahmen aufrechterhalten. In den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften sind verschiedene Anforderungen für die Rechtsgültigkeit handschriftlicher Unterschriften niedergelegt. Zertifikate können dazu dienen, die Identität einer elektronisch signierenden Person zu bestätigen. Auf qualifizierten Zertifikaten beruhende fortgeschrittene elektronische Signaturen zielen auf einen höheren Sicherheitsstandard. Fortgeschrittene elektronische Signaturen, die auf einem qualifizierten Zertifikat beruhen und von einer sicheren Signaturerstellungseinheit erstellt werden, können nur dann gegenüber handschriftlichen Unterschriften als rechtlich gleichwertig angesehen werden, wenn die Anforderungen für handschriftliche Unterschriften erfüllt sind.
(21)
Um die allgemeine Akzeptanz elektronischer Authentifizierungsmethoden zu fördern, ist zu gewährleisten, daß elektronische Signaturen in allen Mitgliedstaaten in Gerichtsverfahren als Beweismittel verwendet werden können. Die rechtliche Anerkennung elektronischer Signaturen sollte auf objektiven Kriterien beruhen und nicht mit einer Genehmigung für den betreffenden Zertifizierungsdiensteanbieter verknüpft sein. Die Festlegung der Rechtsgebiete, in denen elektronische Dokumente und elektronische Signaturen verwendet werden können, unterliegt einzelstaatlichem Recht. Diese Richtlinie läßt die Befugnis der einzelstaatlichen Gerichte, über die Übereinstimmung mit den Anforderungen dieser Richtlinie zu befinden, unberührt; sie berührt auch nicht die einzelstaatlichen Vorschriften über die freie gerichtliche Würdigung von Beweismitteln.
(22)
Diensteanbieter, die ihre Zertifizierungsdienste öffentlich anbieten, unterliegen den einzelstaatlichen Haftungsregelungen.
(23)
Die Entwicklung des internationalen elektronischen Geschäftsverkehrs erfordert grenzüberschreitende Vereinbarungen unter Beteiligung von Drittländern. Um die weltweite Interoperabilität zu gewährleisten, könnten Vereinbarungen mit Drittländern über multilaterale Regeln betreffend die gegenseitige Anerkennung der Zertifizierungsdienste nützlich sein.
(24)
Zur Stärkung des Vertrauens der Nutzer in die elektronische Kommunikation und den elektronischen Geschäftsverkehr müssen die Zertifizierungsdiensteanbieter die Vorschriften über den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre achten.
(25)
Die Bestimmungen über die Nutzung von Pseudonymen in Zertifikaten hindern die Mitgliedstaaten nicht daran, eine Identifizierung der Personen nach Gemeinschaftsrecht oder einzelstaatlichem Recht zu verlangen.
(26)
Die zur Durchführung dieser Richtlinie erforderlichen Maßnahmen sind gemäß Artikel 2 des Beschlusses 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse(7) zu erlassen.
(27)
Die Kommission nimmt zwei Jahre nach der Umsetzung dieser Richtlinie eine Überprüfung vor, um unter anderem sicherzustellen, daß der technologische Fortschritt oder Änderungen des rechtlichen Umfelds keine Hindernisse für die Realisierung der erklärten Ziele dieser Richtlinie mit sich gebracht haben. Sie sollte die Auswirkungen verwandter technischer Bereiche prüfen und dem Europäischen Parlament und dem Rat hierüber einen Bericht vorlegen.
(28)
Nach den in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit kann das Ziel der Schaffung harmonisierter rechtlicher Rahmenbedingungen für die Bereitstellung elektronischer Signaturen und entsprechender Dienste von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden und läßt sich daher besser durch die Gemeinschaft verwirklichen. Diese Richtlinie geht nicht über das zur Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus —

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. C 325 vom 23.10.1998, S. 5.

(2)

ABl. C 40 vom 15.2.1999, S. 29.

(3)

ABl. C 93 vom 6.4.1999, S. 33.

(4)

Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 13. Januar 1999 (ABl. C 104 vom 14.4.1999, S. 49). Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 28. Juni 1999 (ABl. C 243 vom 27.8.1999, S. 33) und Beschluß des Europäischen Parlaments vom 27. Oktober 1999 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht). Beschluß des Rates vom 30. November 1999.

(5)

ABl. L 367 vom 31.12.1994, S. 1. Verordnung geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 837/95 (ABl. L 90 vom 21.4.1995, S. 1).

(6)

ABl. L 367 vom 31.12.1994, S. 8. Beschluß zuletzt geändert durch den Beschluß 1999/193/GASP (ABl. L 73 vom 19.3.1999, S. 1).

(7)

ABl. L 184 vom 17.7.1999, S. 23.

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