Präambel RL 2001/16/EG

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 156,

auf Vorschlag der Kommission(1),

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses(2),

nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen(3),

gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags(4),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Um den Bürgern der Union, den Wirtschaftsteilnehmern sowie den regionalen und lokalen Gebietskörperschaften in vollem Umfang die Vorteile zugute kommen zu lassen, die sich aus der Schaffung eines Raums ohne Binnengrenzen ergeben, müssen insbesondere die Verknüpfung und Interoperabilität der einzelstaatlichen Eisenbahnnetze sowie der Zugang zu diesen Netzen gefördert werden; dabei ist nach Artikel 155 des Vertrags jede Aktion durchzuführen, die sich gegebenenfalls im Bereich der Harmonisierung der technischen Normen als notwendig erweist.
(2)
Mit der Unterzeichnung des am 12. Dezember 1997 in Kyoto angenommenen Protokolls hat sich die Europäische Union verpflichtet, ihre gasförmigen Emissionen zu verringern. Diese Zielsetzung erfordert eine Neugewichtung der Verkehrsarten und daher eine bessere Wettbewerbsfähigkeit des Eisenbahnverkehrs.
(3)
Aus der Strategie des Rates zur Einbeziehung der Umweltbelange und der nachhaltigen Entwicklung in die Verkehrspolitik der Gemeinschaft ergibt sich die Notwendigkeit, auf eine Verringerung der Umweltauswirkungen des Verkehrs hinzuwirken.
(4)
Voraussetzung für den kommerziellen Zugbetrieb im transeuropäischen Eisenbahnnetz ist insbesondere eine hervorragende Kohärenz von Infrastruktur- und Fahrzeugkennwerten, jedoch auch eine effiziente Verknüpfung der Informations- und Kommunikationssysteme der verschiedenen Fahrwegbetreiber und Eisenbahnunternehmen. Von dieser Kohärenz und Verknüpfung hängen das Leistungsniveau, die Sicherheit und die Qualität der angebotenen Verkehrsdienste sowie deren Kosten ab, und auf dieser Kohärenz und Verknüpfung beruht vor allem die Interoperabilität des konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems.
(5)
Zur Erreichung dieser Ziele hat der Rat am 23. Juli 1996 mit der Annahme der Richtlinie 96/48/EG über die Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems(5) eine erste Maßnahme getroffen.
(6)
Die Kommission hat in ihrem Weißbuch von 1996 über eine „Strategie zur Revitalisierung der Eisenbahn in der Gemeinschaft” eine zweite Maßnahme im Bereich des konventionellen Eisenbahnverkehrs angekündigt und eine Studie über die Integration der einzelstaatlichen Eisenbahnsysteme in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse im Mai 1998 bekannt gegeben wurden und in der der Erlass einer Richtlinie mit demselben Konzept wie im Bereich des Hochgeschwindigkeitsbahnsystems empfohlen wurde. In dieser Studie wurde auch empfohlen, die der Interoperabilität entgegenstehenden Hindernisse nicht auf einmal anzugehen, sondern die Schwierigkeiten schrittweise in einer Rangfolge zu überwinden, die nach dem Kosten-Nutzen-Verhältnis einer jeden vorgeschlagenen Maßnahme festzulegen ist. Die Studie hat gezeigt, dass die Harmonisierung der verwendeten Verfahren und Regeln sowie die Verknüpfung der Informations- und Kommunikationssysteme größere Vorteile mit sich bringt als beispielsweise Maßnahmen, die die Infrastruktur betreffen.
(7)
In der Mitteilung der Kommission über die „Integration konventioneller Eisenbahnsysteme” wird die Annahme der vorliegenden Richtlinie empfohlen und es werden die Ähnlichkeiten und Hauptunterschiede gegenüber der Richtlinie 96/48/EG begründet. Die Hauptunterschiede bestehen in der Anpassung des geographischen Geltungsbereichs, in der Ausdehnung des technischen Geltungsbereichs, womit insbesondere der vorgenannten Studie Rechnung getragen wird, sowie in der schrittweisen Beseitigung der Hindernisse, die der Interoperabilität des Eisenbahnsystems entgegenstehen; zu diesem Konzept zählt die Aufstellung einer Rangfolge und eines Zeitplans für die Umsetzung.
(8)
Wegen dieses Stufenkonzepts und der deshalb erforderlichen Zeit für die Anpassung aller technischen Spezifikationen für die Interoperabilität (TSI) muss vermieden werden, dass die Mitgliedstaaten neue einzelstaatliche Regelungen erlassen oder Projekte in Angriff nehmen, die die Uneinheitlichkeit des bestehenden Systems noch verstärken.
(9)
Das Stufenkonzept entspricht den besonderen Erfordernissen der angestrebten Interoperabilität für das konventionelle Eisenbahnsystem, das sich durch einen alten Fahrweg- und Fahrzeugbestand in den Mitgliedstaaten auszeichnet, dessen Umrüstung oder Erneuerung mit erheblichen Investitionen verbunden ist; es ist besonders darauf zu achten, dass die Eisenbahn gegenüber anderen Verkehrsträgern wirtschaftlich nicht benachteiligt wird.
(10)
Das Europäische Parlament hat in seiner Entschließung vom 10. März 1999 über das Eisenbahnpaket gefordert, dass die schrittweise Öffnung des Eisenbahnsektors mit möglichst wirksamen technischen Harmonisierungsmaßnahmen einhergehen muss, die so rasch wie möglich ergriffen werden sollten.
(11)
Der Rat hat die Kommission am 6. Oktober 1999 ersucht, eine Strategie zur Verbesserung der Interoperabilität des Eisenbahnverkehrs und zum Abbau der Engpässe vorzuschlagen, damit technische, administrative und wirtschaftliche Hindernisse für die Interoperabilität der Netze schnell beseitigt werden können und gleichzeitig ein hohes Sicherheitsniveau sowie die Ausbildung und Qualifikation des Personals gewährleistet werden.
(12)
Aus der Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft(6) ergibt sich, dass die Eisenbahnunternehmen einen besseren Zugang zu den Eisenbahnnetzen der Mitgliedstaaten erhalten müssen, was die Interoperabilität der Fahrwege, Anlagen und Fahrzeuge sowie der Steuerungs- und Betriebssysteme erfordert; dies schließt die beruflichen Qualifikationen und die Bedingungen für Arbeitshygiene und Sicherheit am Arbeitsplatz ein, die für den Betrieb und die Wartung der betroffenen Teilsysteme sowie für die Umsetzung jeder TSI erforderlich sind. Mit der vorliegenden Richtlinie wird jedoch keine direkte oder indirekte Harmonisierung der Arbeitsbedingungen im Eisenbahnsektor bezweckt.
(13)
Es obliegt den Mitgliedstaaten, sich zu vergewissern, dass die für Eisenbahnnetze generell geltenden Sicherheits-, Gesundheits- und Verbraucherschutzvorschriften bei der Planung, dem Bau, der Inbetriebnahme und dem Betrieb beachtet werden.
(14)
Die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften sowie die internen Regelungen der Eisenbahnunternehmen und die von ihnen angewandten technischen Spezifikationen weisen große Unterschiede auf, da sie Ausdruck der technischen Besonderheiten der Industrie des jeweiligen Landes sind und ganz bestimmte Abmessungen, Vorkehrungen und besondere Merkmale vorschreiben. Dieser Sachverhalt steht einem flüssigen Zugverkehr im gesamten Gebiet der Gemeinschaft entgegen.
(15)
Aufgrund dessen haben sich im Laufe der Jahre sehr enge Bindungen zwischen den Eisenbahnindustrien und den Eisenbahnunternehmen des jeweiligen Landes herausgebildet, die einer tatsächlichen Öffnung der Märkte abträglich sind. Diese Industrien brauchen einen offenen und wettbewerbsorientierten Markt in Europa, damit sie ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt verbessern können.
(16)
Für die gesamte Gemeinschaft sind daher grundlegende Anforderungen für das konventionelle transeuropäische Eisenbahnsystem festzulegen.
(17)
Aus praktischen Gründen hat es sich als notwendig erwiesen, das konventionelle transeuropäische Eisenbahnsystem aufgrund seines Umfangs und seiner komplexen Struktur in Teilsysteme zu untergliedern. Für jedes dieser Teilsysteme müssen die gemeinschaftsweit geltenden grundlegenden Anforderungen und die technischen Spezifikationen vorgeschrieben werden, insbesondere für die Komponenten und Schnittstellen, mit denen die grundlegenden Anforderungen erfüllt werden.
(18)
Die Durchführung der Bestimmungen über die Interoperabilität des konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems darf nicht dazu führen, dass unter Kosten-Nutzen-Aspekten die Aufrechterhaltung der Kohärenz des bestehenden Eisenbahnnetzes in den einzelnen Mitgliedstaaten unzulässig beeinträchtigt wird; dabei soll jedoch am Ziel der Interoperabilität festgehalten werden.
(19)
Die technischen Spezifikationen für die Interoperabilität wirken sich auch auf die Bedingungen für die Inanspruchnahme der Eisenbahn durch die Benutzer aus; die Benutzer müssen daher zu den sie betreffenden Aspekten gehört werden.
(20)
In besonderen Fällen ist den betroffenen Mitgliedstaaten die Möglichkeit einzuräumen, bestimmte technische Spezifikationen für die Interoperabilität nicht anzuwenden, und es sind Verfahren vorzusehen, mit denen sichergestellt wird, dass diese Abweichungen gerechtfertigt sind. Nach Artikel 155 des Vertrags ist die Gemeinschaft gehalten, bei ihren Maßnahmen im Bereich der Interoperabilität die potentielle wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Vorhaben zu berücksichtigen.
(21)
Die Ausarbeitung und Anwendung der TSI für das konventionelle Eisenbahnsystem darf die technologische Innovation nicht behindern; diese wiederum muss auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgerichtet sein.
(22)
Es gilt, die Interoperabilität des konventionellen Eisenbahnsystems — insbesondere im Güterverkehr — zu nutzen, um die Voraussetzungen für eine bessere Interoperabilität zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern zu schaffen.
(23)
Um den einschlägigen Bestimmungen in Bezug auf die Vergabe von Aufträgen im Eisenbahnbereich, insbesondere der Richtlinie 93/38/EWG(7), zu entsprechen, müssen die Auftraggeber die technischen Spezifikationen in die allgemeinen Unterlagen oder in die Vertragsunterlagen für jeden einzelnen Auftrag aufnehmen. Es ist notwendig, eine Reihe von europäischen Spezifikationen auszuarbeiten, auf die in diesen technischen Spezifikationen Bezug genommen wird.
(24)
Die Gemeinschaft hat ein Interesse an einem den Anforderungen der Gemeinschaftspolitik entsprechenden internationalen Normungssystem, mit dem Normen aufgestellt werden können, die von den internationalen Handelspartnern tatsächlich angewendet werden. Die europäischen Normungsorganisationen müssen daher ihre Zusammenarbeit mit den internationalen Normungsorganisationen fortsetzen.
(25)
Die Auftraggeber bestimmen die zusätzlichen Spezifikationen, die zur Ergänzung der europäischen Spezifikationen oder anderer Normen erforderlich sind. Diese Spezifikationen müssen die grundlegenden Anforderungen einhalten, die auf Gemeinschaftsebene harmonisiert worden sind und denen das konventionelle transeuropäische Eisenbahnsystem entsprechen muss.
(26)
Die Verfahren der Konformitäts- oder Gebrauchstauglichkeitsbewertung von Komponenten müssen auf den Modulen beruhen, die im Beschluss 93/465/EWG(8) festgelegt wurden. Um die Entwicklung der betreffenden Industrien zu fördern, sind die Verfahren der Qualitätssicherung so weit wie möglich weiterzuentwickeln.
(27)
Für die Konformität der Komponenten ist daher vor allem das Verwendungsgebiet maßgebend, damit nicht nur der freie Verkehr auf dem Gemeinschaftsmarkt, sondern auch die Interoperabilität des Systems sichergestellt und gewährleistet ist. Die Bewertung der Gebrauchstauglichkeit erstreckt sich auf Komponenten, die für die Sicherheit, die Funktionstüchtigkeit oder die Wirtschaftlichkeit des Systems von besonders kritischer Bedeutung sind. Infolgedessen braucht der Hersteller auf Komponenten, die den Bestimmungen dieser Richtlinie unterliegen, die CE-Kennzeichnung nicht anzubringen, da die Konformitätserklärung des Herstellers ausreicht, wenn die Konformitäts- und/oder Gebrauchstauglichkeitsbewertung vorgenommen worden ist.
(28)
Die Verpflichtung der Hersteller, auf bestimmten Komponenten die CE-Kennzeichnung anzubringen, die die Konformität mit anderen Gemeinschaftsvorschriften bestätigt, bleibt davon unberührt.
(29)
Die Teilsysteme des konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems sind einer Prüfung zu unterziehen; diese muss den für die Inbetriebnahmegenehmigung zuständigen Behörden die Gewähr bieten, dass die Ergebnisse auf der Planungs-, Bau- und Inbetriebnahmestufe den geltenden ordnungsrechtlichen, technischen und betrieblichen Vorschriften entsprechen. Die Hersteller müssen auch von der Gleichbehandlung in allen Ländern ausgehen können. Daher ist ein Modul mit den Grundsätzen und Bedingungen der EG-Prüfung von Teilsystemen festzulegen.
(30)
Das EG-Prüfverfahren muss auf den TSI beruhen. Diese TSI unterliegen Artikel 18 der Richtlinie 93/38/EWG. Die benannten Stellen, die mit der Durchführung der Konformitäts- und Gebrauchstauglichkeitsbewertung sowie mit dem Prüfverfahren für die Teilsysteme betraut sind, müssen ihre Entscheidungen insbesondere dann, wenn europäische Spezifikationen fehlen, so eng wie möglich aufeinander abstimmen.
(31)
Diese TSI werden im Auftrag der Kommission von einem gemeinsamen Gremium ausgearbeitet, in dem die Infrastrukturbetreiber der Eisenbahnunternehmen und die Industrie vertreten sind. Vertreter von Drittländern, insbesondere der Beitrittskandidaten, könnten von Anfang an zu den Sitzungen des gemeinsamen Gremiums als Beobachter zugelassen werden.
(32)
Die Richtlinie 91/440/EWG des Rates schreibt hinsichtlich der Rechnungsführung eine Trennung des Betriebs der Eisenbahninfrastruktur und der Erbringung von Verkehrsleistungen vor. Entsprechend müssen die als benannte Stellen gemeldeten Fachdienststellen der Infrastrukturbetreiber den für diese Stellen geltenden Kriterien genügen. Es können auch andere Fachstellen benannt werden, wenn sie diese Kriterien erfüllen.
(33)
Die zur Anwendung dieser Richtlinie erforderlichen Maßnahmen sollten gemäß dem Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse(9) erlassen werden.
(34)
Die Interoperabilität des konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems hat eine Gemeinschaftsdimension. Die Mitgliedstaaten sind für sich allein nicht in der Lage, die erforderlichen Maßnahmen zur Verwirklichung dieser Interoperabilität zu treffen. Entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip können die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen daher auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden; sie können wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden.

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. C 89 E vom 28.3.2000, S. 11.

(2)

ABl. C 204 vom 18.7.2000, S. 13.

(3)

ABl. C 317 vom 6.11.2000, S. 22.

(4)

Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 17. Mai 2000 (ABl. C 59 vom 23.2.2001, S. 106), Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 10. November 2000 (ABl. C 23 vom 24.1.2001, S. 15) und Beschluss des Europäischen Parlaments vom 13. Februar 2001.

(5)

ABl. L 235 vom 17.9.1996, S. 6.

(6)

ABl. L 237 vom 24.8.1991, S. 25.

(7)

Richtlinie 93/38/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl. L 199 vom 9.8.1993, S. 84). Zuletzt geändert durch die Richtlinie 98/4/EG (ABl. L 101 vom 1.4.1998, S. 1).

(8)

Beschluss 93/465/EWG des Rates vom 22. Juli 1993 über die in den technischen Harmonisierungsrichtlinien zu verwendenden Module für die verschiedenen Phasen der Konformitätsbewertungsverfahren und die Regeln für die Anbringung und Verwendung der CE-Konformitätskennzeichnung (ABl. L 220 vom 30.8.1993, S. 23).

(9)

ABl. L 184 vom 17.7.1999, S. 23.

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