Artikel 1 RL 2003/6/EG

Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten folgende Definitionen:

1.
„Insider-Information” ist eine nicht öffentlich bekannte präzise Information, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs sich darauf beziehender derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen.

In Bezug auf Warenderivate ist „Insider-Information” eine nicht öffentlich bekannte präzise Information, die direkt oder indirekt ein oder mehrere solcher Derivate betrifft und von der Teilnehmer an Märkten, auf denen solche Derivate gehandelt werden, erwarten würden, dass sie diese Informationen in Übereinstimmung mit der zulässigen Praxis an den betreffenden Märkten erhalten würden.

Für Personen, die mit der Ausführung von Aufträgen betreffend Finanzinstrumente beauftragt sind, bedeutet „Insider-Information” auch eine Information, die von einem Kunden mitgeteilt wurde und sich auf die noch nicht erledigten Aufträge des Kunden bezieht, die präzise ist, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs sich darauf beziehender derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen.

2.
„Marktmanipulation” sind

a)
Geschäfte oder Kauf- bzw. Verkaufsaufträge, die

falsche oder irreführende Signale für das Angebot von Finanzinstrumenten, die Nachfrage danach oder ihren Kurs geben oder geben könnten, oder

den Kurs eines oder mehrerer Finanzinstrumente durch eine Person oder mehrere, in Absprache handelnde Personen in der Weise beeinflussen, dass ein anormales oder künstliches Kursniveau erzielt wird,

es sei denn, die Person, welche die Geschäfte abgeschlossen oder die Aufträge erteilt hat, weist nach, dass sie legitime Gründe dafür hatte und dass diese Geschäfte oder Aufträge nicht gegen die zulässige Marktpraxis auf dem betreffenden geregelten Markt verstoßen;

b)
Geschäfte oder Kauf- bzw. Verkaufsaufträge unter Vorspiegelung falscher Tatsachen oder unter Verwendung sonstiger Kunstgriffe oder Formen der Täuschung;
c)
Verbreitung von Informationen über die Medien einschließlich Internet oder auf anderem Wege, die falsche oder irreführende Signale in Bezug auf Finanzinstrumente geben oder geben könnten, u. a. durch Verbreitung von Gerüchten sowie falscher oder irreführender Nachrichten, wenn die Person, die diese Informationen verbreitet hat, wusste oder hätte wissen müssen, dass sie falsch oder irreführend waren. Bei Journalisten, die in Ausübung ihres Berufs handeln, ist eine solche Verbreitung von Informationen unbeschadet des Artikels 11 unter Berücksichtigung der für ihren Berufsstand geltenden Regeln zu beurteilen, es sei denn, dass diese Personen aus der Verbreitung der betreffenden Informationen direkt oder indirekt einen Nutzen ziehen oder Gewinne schöpfen.

Von der Basisdefinition der Buchstaben a), b) und c) leiten sich insbesondere folgende Beispiele ab:

Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung in Bezug auf das Angebot eines Finanzinstruments oder die Nachfrage danach durch eine Person oder mehrere in Absprache handelnde Personen mit der Folge einer direkten oder indirekten Festsetzung des Ankaufs- oder Verkaufspreises oder anderer unlauterer Handelsbedingungen;

Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten bei Börsenschluss mit der Folge, dass Anleger, die aufgrund des Schlusskurses tätig werden, irregeführt werden;

Ausnutzung eines gelegentlichen oder regelmäßigen Zugangs zu den traditionellen oder elektronischen Medien durch Abgabe einer Stellungnahme zu einem Finanzinstrument (oder indirekt zu dem Emittenten dieses Finanzinstruments), wobei zuvor Positionen bei diesem Finanzinstrument eingegangen wurden und anschließend Nutzen aus den Auswirkungen der Stellungnahme auf den Kurs dieses Finanzinstruments gezogen wird, ohne dass der Öffentlichkeit gleichzeitig dieser Interessenkonflikt auf ordnungsgemäße und effiziente Weise mitgeteilt wird;

Die Definitionen der „Marktmanipulation” werden so angepasst, dass auch neue Handlungsmuster, die den Tatbestand der Marktmanipulation in der Praxis erfüllen, einbezogen werden können.

3.
„Finanzinstrumente” sind

Wertpapiere im Sinne der Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10. Mai 1993 über Wertpapierdienstleistungen(1),

Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren,

Geldmarktinstrumente,

Finanzterminkontrakte (Futures) einschließlich gleichwertiger bar abgerechneter Instrumente,

Zinsausgleichsvereinbarungen (Forward Rate Agreement),

Zins- und Devisenswaps sowie Swaps auf Aktien oder Aktienindexbasis (Equity-swaps),

Kauf- und Verkaufsoptionen auf alle unter diese Kategorien fallenden Instrumente einschließlich gleichwertiger bar abgerechneter Instrumente; dazu gehören insbesondere Devisen- und Zinsoptionen,

Warenderivate,

alle sonstigen Instrumente, die zum Handel auf einem geregelten Markt in einem Mitgliedstaat zugelassen sind oder für die ein Antrag auf Zulassung zum Handel auf einem solchen Markt gestellt wurde.

4.
„Geregelter Markt” ist ein Markt im Sinne des Artikels 1 Absatz 13 der Richtlinie 93/22/EWG.
5.
„Zulässige Marktpraxis” sind Gepflogenheiten, die auf einem oder mehreren Finanzmärkten nach vernünftigem Ermessen erwartet und von der zuständigen Behörde gemäß den Leitlinien, die von der Kommission nach dem in Artikel 17 Absatz 2a genannten Regelungsverfahren mit Kontrolle erlassen werden, anerkannt werden.

Die durch die Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates(2) eingerichtete Europäische Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde) (im Folgenden „ESMA” ) kann Entwürfe technischer Durchführungsstandards entwickeln, um einheitliche Bedingungen für die Anwendung von Rechtsakten sicherzustellen, die von der Kommission in Übereinstimmung mit diesem Artikel erlassen worden sind und die die zulässige Marktpraxis betreffen.

Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 2 genannten Entwürfe technischer Durchführungsstandards nach Artikel 15 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen.

6.
„Person” ist eine natürliche oder eine juristische Person.
7.
„Zuständige Behörde” ist die gemäß Artikel 11 benannte zuständige Stelle.

Um den Entwicklungen auf den Finanzmärkten Rechnung zu tragen und eine einheitliche Anwendung dieser Richtlinie in der Gemeinschaft zu gewährleisten, erlässt die Kommission nach dem Verfahren des Artikels 17 Absatz 2 Durchführungsmaßnahmen für die Definitionen der Nummern 1, 2 und 3 dieses Artikels. Diese Maßnahmen zur Änderung nicht wesentlicher Bestimmungen dieser Richtlinie durch Ergänzung werden nach dem in Artikel 17 Absatz 2a genannten Regelungsverfahren mit Kontrolle erlassen.

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 141 vom 11.6.1993, S. 27. Zuletzt geändert durch die Richtlinie 2000/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 290 vom 17.11.2000, S. 27).

(2)

ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 84.

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