Artikel 4 RL 2004/25/EG
Aufsichtsstelle und anwendbares Recht
(1) Die Mitgliedstaaten benennen eine Stelle oder mehrere Stellen, die für die Beaufsichtigung des Angebotsvorgangs zuständig sind, soweit er durch gemäß dieser Richtlinie erlassene oder eingeführte Vorschriften geregelt wird. Als Aufsichtsstelle muss entweder eine Behörde benannt werden oder aber eine Vereinigung oder eine private Einrichtung, die nach den nationalen Rechtsvorschriften oder von den Behörden, die dazu nach den nationalen Rechtsvorschriften ausdrücklich befugt sind, anerkannt ist. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission die von ihnen benannten Aufsichtsstellen und gegebenenfalls jede besondere Aufgabenverteilung mit. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Aufsichtsstellen ihre Aufgaben unparteiisch und unabhängig von allen Parteien des Angebots erfüllen.
(2)
- a)
- Für die Beaufsichtigung des Angebotsvorgangs ist die Aufsichtsstelle des Mitgliedstaats zuständig, in dem die Zielgesellschaft ihren Sitz hat, wenn die Wertpapiere dieser Gesellschaft auf einem geregelten Markt dieses Mitgliedstaats zum Handel zugelassen sind.
- b)
-
Sind die Wertpapiere der Zielgesellschaft nicht auf einem geregelten Markt ihres Sitzmitgliedstaats zum Handel zugelassen, so ist für die Beaufsichtigung des Angebotsvorgangs die Aufsichtsstelle des Mitgliedstaats zuständig, auf dessen geregeltem Markt die Wertpapiere der Gesellschaft zum Handel zugelassen sind.
Sind die Wertpapiere der Zielgesellschaft auf geregelten Märkten in mehr als einem Mitgliedstaat zum Handel zugelassen, so ist für die Beaufsichtigung des Angebotsvorgangs die Aufsichtsstelle des Mitgliedstaats zuständig, auf dessen geregeltem Markt die Wertpapiere zuerst zum Handel zugelassen wurden.
- c)
-
Werden die Wertpapiere der Zielgesellschaft auf geregelten Märkten in mehr als einem Mitgliedstaat gleichzeitig erstmals zum Handel zugelassen, so entscheidet die Zielgesellschaft, welche der Aufsichtsstellen der Mitgliedstaaten für die Beaufsichtigung des Angebotsvorgangs zuständig sein soll, und teilt diese Entscheidung den geregelten Märkten und deren Aufsichtsstellen am ersten Handelstag mit.
Sind die Wertpapiere der Zielgesellschaft zu dem in Artikel 21 Absatz 1 genannten Zeitpunkt bereits an geregelten Märkten in mehr als einem Mitgliedstaat zum Handel zugelassen und erfolgte diese Zulassung gleichzeitig, so legen die Aufsichtsstellen der betroffenen Mitgliedstaaten innerhalb von vier Wochen nach dem in Artikel 21 Absatz 1 genannten Zeitpunkt gemeinsam fest, welche von ihnen für die Beaufsichtigung des Angebotsvorgangs zuständig ist. Wurde keine Aufsichtsstelle benannt, bestimmt die Zielgesellschaft am ersten Handelstag nach Ablauf dieses Zeitraums von vier Wochen, welche der Aufsichtsstellen für die Beaufsichtigung zuständig sein soll.
- d)
- Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Entscheidungen gemäß Buchstabe c) veröffentlicht werden.
- e)
- In den unter den Buchstaben b) und c) genannten Fällen werden Fragen, die die im Fall eines Angebots angebotene Gegenleistung, insbesondere den Preis, betreffen, und Fragen des Angebotsverfahrens, insbesondere die Unterrichtung über die Entscheidung des Bieters zur Unterbreitung eines Angebots, der Inhalt der Angebotsunterlage und die Bekanntmachung des Angebots, gemäß den Vorschriften des Mitgliedstaats der zuständigen Aufsichtsstelle geregelt. Für Fragen, die die Unterrichtung der Arbeitnehmer der Zielgesellschaft betreffen, und für gesellschaftsrechtliche Fragen, insbesondere betreffend den Anteil an Stimmrechten, der die Kontrolle begründet, und von der Verpflichtung zur Abgabe eines Angebots abweichende Regelungen sowie für die Bedingungen, unter denen das Leitungs- bzw. Verwaltungsorgan der Zielgesellschaft Maßnahmen ergreifen kann, die das Angebot vereiteln könnten, ist das Recht des Sitzmitgliedstaats der Zielgesellschaft maßgebend; zuständig ist dessen Aufsichtsstelle.
(3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle Personen, die bei ihren Aufsichtsstellen tätig sind oder waren, zur Wahrung des Berufsgeheimnisses verpflichtet sind. Unter das Berufsgeheimnis fallende Informationen dürfen nicht an andere Personen oder Behörden weitergegeben werden, es sei denn, dies geschieht aufgrund einer gesetzlichen Bestimmung.
(4) Die gemäß dieser Richtlinie benannten Aufsichtsstellen der Mitgliedstaaten und andere Stellen zur Beaufsichtigung der Kapitalmärkte, insbesondere die zuständigen Stellen gemäß der Richtlinie 93/22/EWG, der Richtlinie 2001/34/EG, der Richtlinie 2003/6/EG und der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, arbeiten zusammen und erteilen einander Auskünfte, wann immer dies zur Anwendung der gemäß dieser Richtlinie erlassenen Vorschriften, insbesondere in den unter Absatz 2 Buchstaben b), c) und e) genannten Fällen, erforderlich ist. Die erteilten Auskünfte fallen unter das Berufsgeheimnis, zu dessen Wahrung die Personen verpflichtet sind, die bei den die Informationen empfangenden Aufsichtsstellen tätig sind oder waren. Zur Zusammenarbeit gehört, dass die erforderlichen Schriftstücke zur Durchsetzung der von den zuständigen Stellen im Zusammenhang mit den Angeboten getroffenen Maßnahmen zugestellt werden können, wie auch Unterstützung in anderer Form, die von den für die Untersuchung tatsächlicher oder angeblicher Verstöße gegen die Vorschriften, die zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassen oder eingeführt wurden, zuständigen Aufsichtsstellen angemessenerweise angefordert werden kann.
(5) Die Aufsichtsstellen verfügen über alle zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Befugnisse; im Rahmen ihrer Aufgaben haben sie auch dafür Sorge zu tragen, dass die Parteien des Angebots die gemäß dieser Richtlinie erlassenen oder eingeführten Vorschriften einhalten.
Sofern die in Artikel 3 Absatz 1 festgelegten allgemeinen Grundsätze eingehalten werden, können die Mitgliedstaaten in den gemäß dieser Richtlinie erlassenen oder eingeführten Vorschriften abweichende Regelungen von diesen Vorschriften erlassen:
- i)
-
durch Aufnahme solcher Ausnahmen in ihre nationalen Regelungen, um den auf nationaler Ebene festgelegten Fällen Rechnung zu tragen;
und/oder
- ii)
- durch die Ermächtigung ihrer Aufsichtsstellen, in ihrem Zuständigkeitsbereich Ausnahmen von solchen nationalen Regelungen zuzulassen, um die in Ziffer i) genannten Fälle oder andere besondere Fälle zu berücksichtigen; im letztgenannten Fall ist eine mit Gründen versehene Entscheidung erforderlich.
Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Artikel 5 Absatz 1 der vorliegenden Richtlinie im Fall eines Rückgriffs auf die in Titel IV der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates(1) bzw. in Titel V der Verordnung (EU) 2021/23 des Europäischen Parlaments und des Rates(2) vorgesehenen Abwicklungsinstrumente, -befugnisse und -mechanismen nicht angewandt wird.
(6) Diese Richtlinie berührt weder die Befugnis der Mitgliedstaaten, die Gerichte oder Behörden zu benennen, die für die Streitbeilegung und für Entscheidungen im Fall von Unregelmäßigkeiten im Verlauf des Angebotsverfahrens zuständig sind, noch die Befugnis der Mitgliedstaaten festzulegen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Parteien des Angebots Rechte im Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren geltend machen können. Die Richtlinie berührt insbesondere nicht die etwaige Befugnis der Gerichte eines Mitgliedstaats, die Eröffnung eines Gerichtsverfahrens abzulehnen sowie darüber zu entscheiden, ob durch ein solches Verfahren der Ausgang des Angebots beeinflusst wird. Diese Richtlinie berührt nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten, die Rechtslage in Bezug auf die Haftung von Aufsichtsstellen oder im Hinblick auf Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien des Angebots zu bestimmen.
Fußnote(n):
- (1)
Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 190).
- (2)
Verordnung (EU) 2021/23 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2020 über einen Rahmen für die Sanierung und Abwicklung zentraler Gegenparteien und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1095/2010, (EU) Nr. 648/2012, (EU) Nr. 600/2014, (EU) Nr. 806/2014 und (EU) 2015/2365 und der Richtlinien 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2007/36/EG, 2014/59/EU und (EU) 2017/1132 (ABl. L 022 vom 22.1.2021, S. 1).
© Europäische Union 1998-2021
Tipp: Verwenden Sie die Pfeiltasten der Tastatur zur Navigation zwischen Normen.