Präambel RL 2004/81/EG

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 63 Nummer 3,

auf Vorschlag der Kommission(1),

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments(2),

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(3),

nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Die Ausarbeitung einer gemeinsamen Einwanderungspolitik einschließlich der Festlegung der Einreise- und Aufenthaltsbedingungen für Ausländer sowie der Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung ist ein wesentlicher Bestandteil des Ziels der Europäischen Union, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts aufzubauen.
(2)
Der Europäische Rat hat auf seiner Sondertagung vom 15. und 16. Oktober 1999 in Tampere seine Entschlossenheit bekundet, die illegale Einwanderung an ihrer Wurzel zu bekämpfen, insbesondere durch Maßnahmen gegen diejenigen, die Zuwanderer einschleusen oder wirtschaftlich ausbeuten. Er hat den Mitgliedstaaten empfohlen, ihre Bemühungen auf die Aufdeckung und Zerschlagung krimineller Netze auszurichten und gleichzeitig sicherzustellen, dass die Rechte der Opfer gewahrt werden.
(3)
Da diese Problematik weltweit immer mehr Besorgnis erregt, hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen ein Übereinkommen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität angenommen, das durch ein Protokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Ahndung von Menschenhandel, insbesondere von Frauen- und Kinderhandel, sowie ein Protokoll gegen das Einschleusen von Migranten auf dem Land-, Luft- und Seeweg ergänzt wird. Die Gemeinschaft und die fünfzehn Mitgliedstaaten haben das Übereinkommen und die Protokolle im Dezember 2000 unterzeichnet.
(4)
Diese Richtlinie findet unbeschadet des Schutzes Anwendung, der Flüchtlingen, Personen unter subsidiärem Schutz und Personen, die um internationalen Schutz nachsuchen, im Einklang mit dem internationalen Flüchtlingsrecht gewährt wird; sie berührt auch keine sonstigen Menschenrechtsinstrumente.
(5)
Diese Richtlinie berührt keine sonstigen Bestimmungen zum Schutz von Opfern, Zeugen oder besonders schutzbedürftigen Personen. Sie berührt auch nicht die einzelstaatlichen Regelungen über das aus humanitären oder sonstigen Gründen zugestandene Aufenthaltsrecht.
(6)
Diese Richtlinie steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden.
(7)
Die Mitgliedstaaten sollten die Bestimmungen dieser Richtlinie ohne unterschiedliche Behandlung aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, genetischer Merkmale, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung, politischer oder sonstiger Überzeugungen, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung anwenden.
(8)
Auf europäischer Ebene wurden die Richtlinie 2002/90/EG des Rates vom 28. November 2002 zur Definition der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt(4) sowie der Rahmenbeschluss 2002/629/JI des Rates vom 19. Juli 2002 zur Bekämpfung des Menschenhandels(5) angenommen, um die Prävention und Bekämpfung dieser Straftaten zu verbessern.
(9)
Mit dieser Richtlinie wird für die Opfer des Menschenhandels oder — sofern ein Mitgliedstaat eine entsprechende Ausweitung des Geltungsbereichs dieser Richtlinie beschließt — für Drittstaatsangehörige, denen Beihilfe zur illegalen Einwanderung geleistet wurde, ein Aufenthaltstitel eingeführt, der diesen hinlänglich Anreize für eine Kooperation mit den zuständigen Behörden bietet und gleichzeitig an gewisse Voraussetzungen geknüpft ist, um Missbrauch zu verhindern.
(10)
Es ist daher notwendig, die Kriterien für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, die Aufenthaltsbedingungen sowie die Voraussetzungen für die Nichtverlängerung bzw. den Entzug des Aufenthaltstitels festzulegen. Das Aufenthaltsrecht im Sinne dieser Richtlinie ist an Bedingungen geknüpft und als vorläufig zu betrachten.
(11)
Die betroffenen Drittstaatsangehörigen sollten über die Möglichkeit, diesen Aufenthaltstitel zu erhalten, informiert werden und über eine Bedenkzeit verfügen. Diese soll ihnen ermöglichen, in voller Kenntnis der Sachlage — und unter Abwägung der Gefahren, denen sie sich aussetzen — darüber zu entscheiden, ob sie mit den zuständigen Behörden, bei denen es sich um die Polizei-, Strafverfolgungs- und Justizbehörden handeln kann, kooperieren möchten, damit gewährleistet ist, dass ihre Kooperation freiwillig erfolgt und somit wirkungsvoller ist.
(12)
Den betroffenen Drittstaatsangehörigen sollte in Anbetracht ihrer Schutzbedürftigkeit Unterstützung gemäß dieser Richtlinie gewährt werden. Diese Unterstützung sollte es ihnen erlauben, sich zu erholen und dem Einfluss der Täter zu entziehen. Zur medizinischen Behandlung, die den in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallenden Drittstaatsangehörigen zu gewähren ist, gehört, soweit angemessen, auch eine psychotherapeutische Behandlung.
(13)
Ein Beschluss über die Erteilung eines Aufenthaltstitels für mindestens sechs Monate oder über eine Verlängerung eines Aufenthaltstitels muss von den zuständigen Behörden getroffen werden; sie sollten prüfen, ob die einschlägigen Bedingungen erfüllt sind.
(14)
Diese Richtlinie sollte so angewendet werden, dass die Tätigkeiten der zuständigen Behörden in allen Ab- schnitten der maßgeblichen innerstaatlichen Ver- fahren und insbesondere den Ermittlungen zu den entsprechenden Straftaten unberührt bleiben.
(15)
Die Mitgliedstaaten sollten prüfen, ob sie gemäß ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften Drittstaatsangehörigen, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen können, aber nicht oder nicht mehr die in der Richtlinie festgelegten Voraussetzungen erfüllen, ihren Familienangehörigen oder Personen, die als ihre Familienangehörige gelten, den Aufenthalt aus anderen Gründen gestatten.
(16)
Damit die betroffenen Drittstaatsangehörigen ihre Abhängigkeit überwinden können und gewährleistet ist, dass sie nicht erneut Kontakt zu dem kriminellen Netz aufnehmen, sollte Inhabern eines Aufenthaltstitels unter den in dieser Richtlinie festgelegten Bedingungen der Zugang zum Arbeitsmarkt und zur beruflichen und allgemeinen Bildung gestattet werden. Bei der Entscheidung über den Zugang des Inhabers eines Aufenthaltstitels zur beruflichen und allgemeinen Bildung sollten die Mitgliedstaaten insbesondere die voraussichtliche Dauer des Aufenthalts berücksichtigen.
(17)
Die Teilnahme an bereits bestehenden oder noch einzuführenden Programmen oder Maßnahmen sollte den betroffenen Drittstaatsangehörigen die Rückkehr in ein normales soziales Leben erleichtern.
(18)
Stellt der betroffene Drittstaatsangehörige einen Antrag auf einen anderweitigen Aufenthaltstitel, so entscheiden die Mitgliedstaaten darüber auf der Grundlage ihres allgemeinen Ausländerrechts. Im Rahmen der Prüfung eines solchen Antrags sollten die Mitgliedstaaten den Umstand in Betracht ziehen, dass dem betroffenen Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltstitel aufgrund dieser Richtlinie erteilt wurde.
(19)
Die Mitgliedstaaten sollten der Kommission im Zusammenhang mit der Anwendung dieser Richtlinie die Informationen übermitteln, die im Rahmen der Tätigkeiten zur Erhebung und Verarbeitung statistischer Daten zu Fragen im Bereich Justiz und Inneres ermittelt wurden.
(20)
Da das Ziel der beabsichtigten Maßnahme, nämlich die Einführung eines Aufenthaltstitels für die betroffenen Drittstaatsangehörigen, die an der Bekämpfung des Menschenhandels mitwirken, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden kann und daher wegen des Umfangs der Maßnahme besser auf Gemeinschaftsebene zu erreichen ist, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Verhältnismäßigkeitsprinzip geht diese Richtlinie nicht über das für die Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.
(21)
Gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands beteiligen sich diese Mitgliedstaaten nicht an der Annahme dieser Richtlinie, die daher vorbehaltlich von Artikel 4 dieses Protokolls weder für sie bindend noch auf sie anwendbar ist.
(22)
Gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Richtlinie, die daher für Dänemark weder bindend noch anwendbar ist —

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. C 126 E vom 28.5.2002, S. 393.

(2)

Stellungnahme vom 5. Dezember 2002 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(3)

ABl. C 221 vom 17.9.2002, S. 80.

(4)

ABl. L 328 vom 5.12.2002, S. 17.

(5)

ABl. L 203 vom 1.8.2002, S. 1.

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