Präambel RL 2006/111/EG

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 86 Absatz 3,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Die Richtlinie 80/723/EWG der Kommission vom 25. Juni 1980 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen(1) ist mehrfach und in wesentlichen Punkten geändert worden(2). Aus Gründen der Übersichtlichkeit und Klarheit empfiehlt es sich daher, die genannte Richtlinie zu kodifizieren.
(2)
Die öffentlichen Unternehmen spielen in der Volkswirtschaft der Mitgliedstaaten eine wichtige Rolle.
(3)
Die Mitgliedstaaten gewähren manchmal einzelnen Unternehmen besondere oder ausschließliche Rechte, oder sie leisten Zahlungen oder eine andere Art des Ausgleichs an einzelne Unternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind. Diese Unternehmen stehen häufig im Wettbewerb mit anderen Unternehmen.
(4)
Gemäß seinem Artikel 295 lässt der EG-Vertrag die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt. Bei der Anwendung der Wettbewerbsregeln sollte keine unbegründete Unterscheidung zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen getroffen werden. Diese Richtlinie sollte auf öffentliche und auf private Unternehmen anwendbar sein.
(5)
Aufgrund des EG-Vertrags hat die Kommission die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass die Mitgliedstaaten weder öffentlichen noch privaten Unternehmen Beihilfen gewähren, die mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind.
(6)
Die Vielschichtigkeit der finanziellen Beziehungen der öffentlichen Hand zu den öffentlichen Unternehmen kann jedoch die Erfüllung dieser Aufgabe behindern.
(7)
Eine angemessene und wirkungsvolle Anwendung der Beihilfevorschriften des EG-Vertrags auf öffentliche und private Unternehmen ist nur dann möglich, wenn diese finanziellen Beziehungen transparent gemacht werden.
(8)
Im Bereich der öffentlichen Unternehmen sollte diese Transparenz im Übrigen ermöglichen, eindeutig zwischen dem Tätigwerden des Staates als öffentliche Hand und als Eigentümer zu unterscheiden.
(9)
Artikel 86 Absatz 1 EG-Vertrag legt den Mitgliedstaaten in Bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, Verpflichtungen auf. Artikel 86 Absatz 2 EG-Vertrag gilt für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind. Artikel 86 Absatz 3 EG-Vertrag sieht vor, dass die Kommission auf die Anwendung dieses Artikels achtet und gibt ihr die zu diesem Zweck erforderlichen besonderen Mittel. Um die Anwendung von Artikel 86 EG-Vertrag sicherzustellen, bedarf die Kommission der hierfür erforderlichen Informationen. Dies bedingt die Festlegung der Voraussetzungen für die Herstellung von Transparenz.
(10)
Es ist angebracht klarzustellen, was unter „öffentlicher Hand” und „öffentliches Unternehmen” zu verstehen ist.
(11)
Die Mitgliedstaaten haben einen unterschiedlichen Verwaltungsgebietsaufbau. Diese Richtlinie sollte für die öffentliche Hand der Mitgliedstaaten auf allen Verwaltungsebenen gelten.
(12)
Die öffentliche Hand kann einen beherrschenden Einfluss auf das Verhalten der öffentlichen Unternehmen nicht nur dann ausüben, wenn sie Eigentümer ist oder eine Mehrheitsbeteiligung besitzt, sondern auch wegen der Befugnisse, die sie in den Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorganen aufgrund der Satzung oder wegen der Streuung der Aktien besitzt.
(13)
Die Bereitstellung öffentlicher Mittel für öffentliche Unternehmen kann sowohl mittelbar als auch unmittelbar erfolgen. Daher sollte die Transparenz ohne Rücksicht auf die Art und Weise der Bereitstellung der öffentlichen Mittel gewährleistet werden. Hierzu gehört gegebenenfalls auch eine angemessene Kenntnis der Gründe für die Bereitstellung der Mittel sowie ihre tatsächliche Verwendung.
(14)
Komplexe Situationen aufgrund der verschiedenen Formen öffentlicher und privater Unternehmen, denen besondere oder ausschließliche Rechte gewährt oder die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse übertragen wurde, das Ausmaß der Tätigkeiten, die von einem einzigen Unternehmen ausgeübt werden können und der unterschiedliche Grad an Marktliberalisierung in den einzelnen Mitgliedstaaten können solcherart sein, dass sie die Anwendung der Wettbewerbsregeln und insbesondere von Artikel 86 EG-Vertrag erschweren. Die Mitgliedstaaten und die Kommission benötigen deshalb eingehende Angaben über die interne Finanzstruktur und den Aufbau dieser Unternehmen, und dabei vor allem getrennte und zuverlässige Bücher über die verschiedenen von ein und demselben Unternehmen ausgeübten Tätigkeiten.
(15)
Aus den Büchern sollten die Unterschiede zwischen den einzelnen Tätigkeiten, die mit jeder Tätigkeit verbundenen Kosten und Einnahmen, die Verfahren der Zuordnung und Zuweisung von Kosten und Einnahmen hervorgehen. Getrennte Bücher sollten zum einen für die Waren und Dienstleistungen vorhanden sein, in Bezug auf die ein Mitgliedstaat besondere oder ausschließliche Rechte gewährt oder das Unternehmen mit der Erbringung einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut hat, und zum anderen für jede sonstige Ware oder Dienstleistung, in Bezug auf die das Unternehmen tätig ist. Die Verpflichtung, getrennte Bücher zu führen, sollte nicht für Unternehmen gelten, deren Tätigkeiten auf die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse beschränkt ist und die keine Tätigkeiten außerhalb dieser Dienstleistungen ausüben. Die getrennte Buchführung innerhalb des Bereichs der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse oder innerhalb des Bereichs der besonderen oder ausschließlichen Rechte sollte nur vorgeschrieben werden, wenn dies für die Zuweisung der Kosten und Einnahmen zwischen diesen Dienstleistungen und Waren und den Waren und Dienstleistungen außerhalb der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse oder der besonderen oder ausschließlichen Rechte erforderlich ist.
(16)
Das wirksamste Mittel, um eine angemessene und wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln auf diese Unternehmen zu gewährleisten, besteht darin, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, dafür Sorge zu tragen, dass die betreffenden Unternehmen getrennte Bücher führen. Die Kommission hat in einer Mitteilung von 1996(3), ergänzt durch eine Mitteilung von 2001(4), über die Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa die Bedeutung dieser Leistungen hervorgehoben. Zu berücksichtigen ist dabei die Bedeutung der Sektoren, in denen gegebenenfalls Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erbracht werden, die starke Marktposition der betreffenden Unternehmen und die hohe Störungsanfälligkeit des Wettbewerbs, der auf den gerade erst liberalisierten Märkten im Entstehen ist. Gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist es notwendig und für die Verwirklichung des grundlegenden Zieles der Transparenz angemessen, Regeln für eine getrennte Buchführung festzulegen. Diese Richtlinie geht entsprechend Artikel 5 Absatz 3 EG-Vertrag nicht über das zur Erreichung der Ziele erforderliche Maß hinaus.
(17)
In einigen Sektoren verpflichten von der Gemeinschaft erlassene Vorschriften die Mitgliedstaaten und bestimmte Unternehmen, getrennte Bücher zu führen. Es ist erforderlich, die Gleichbehandlung für sämtliche Wirtschaftstätigkeiten innerhalb der Gemeinschaft zu gewährleisten und das Erfordernis getrennter Buchführung auf alle vergleichbaren Sachlagen auszudehnen. Mit dieser Richtlinie sollten keine Bestimmungen geändert werden, die für denselben Zweck mit anderen gemeinschaftlichen Vorschriften eingeführt wurden, und sie sollte nicht auf die Tätigkeiten von Unternehmen anwendbar sein, die von diesen Vorschriften erfasst werden.
(18)
Quantitative Ausschlüsse sollten vorgesehen werden. So sollten öffentliche Unternehmen ausgeschlossen werden, bei denen wegen ihrer geringen wirtschaftlichen Bedeutung der Verwaltungsaufwand, der mit den Maßnahmen verbunden ist, nicht gerechtfertigt erscheint. In Anbetracht der potenziell geringen Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten ist es gegenwärtig nicht erforderlich, die Führung getrennter Bücher bei der Erbringung bestimmter Arten von Dienstleistungen zu verlangen.
(19)
Diese Richtlinie lässt die übrigen Vorschriften des EG-Vertrags, insbesondere dessen Artikel 86 Absatz 2, 88 und 296, sowie alle anderen Vorschriften über die Mitteilung von Informationen durch die Mitgliedstaaten an die Kommission unberührt.
(20)
In Fällen, wo der Ausgleich für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse für einen angemessenen Zeitraum im Rahmen eines offenen, transparenten und nicht diskriminierenden Verfahrens festgesetzt wurde, ist es nicht erforderlich, die Führung getrennter Bücher zu verlangen.
(21)
Da es sich um Unternehmen handelt, die im Wettbewerb mit anderen Unternehmen tätig sind, sollte das Geschäftsgeheimnis bei den erhaltenen Angaben gewahrt werden.
(22)
Ein Berichterstattungssystem auf der Grundlage nachträglicher Kontrollen der Finanzströme zwischen öffentlicher Hand und öffentlichen Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes würde der Kommission die Erfüllung ihrer Aufgaben ermöglichen. Dieses Kontrollsystem sollte spezifische Finanzinformationen umfassen.
(23)
Um die administrative Belastung der Mitgliedstaaten möglichst gering zu halten, sollte dieses Berichterstattungssystem sowohl öffentlich zugängliche Daten als auch Informationen umfassen, die Mehrheitsaktionären zugänglich sind. Die Vorlage von konsolidierten Berichten sollte zulässig sein. Die größte wettbewerbsverzerrende Wirkung im Gemeinsamen Markt haben unzulässige Beihilfen an große Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes. Das Berichterstattungssystem kann deshalb zunächst auf Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 250 Mio. EUR beschränkt werden.
(24)
Diese Richtlinie sollte die Verpflichtung der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Fristen für die Umsetzung in innerstaatliches Recht der in Anhang I Teil B aufgeführten Richtlinien unberührt lassen —

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 195 vom 29.7.1980, S. 35. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 2005/81/EG (ABl. L 312 vom 29.11.2005, S. 47).

(2)

Siehe Anhang I Teil A.

(3)

ABl. C 281 vom 26.9.1996, S. 3.

(4)

ABl. C 17 vom 19.1.2001, S. 4.

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