ANHANG IV RL 2006/17/EG

VERFAHREN ZUR SPENDE UND ENTNAHME VON ZELLEN UND/ODER GEWEBEN UND DEREN ENTGEGENNAHME IN DER GEWEBEEINRICHTUNG GEMÄSS ARTIKEL 5

1.
Spende- und Entnahmeverfahren

1.1.
Einwilligung und Spenderidentifizierung

1.1.1.
Vor der Entnahme von Geweben und Zellen muss eine hierzu befugte Person Folgendes bestätigen und dokumentieren:

a)
die Einwilligung gemäß Artikel 13 der Richtlinie 2004/23/EG und
b)
wie und von wem der Spender zuverlässig identifiziert wurde.

1.1.2.
Bei lebenden Spendern muss der für die Anamnese verantwortliche Angehörige eines Gesundheitsberufs sicherstellen, dass der Spender

a)
die erteilten Informationen verstanden hat;
b)
die Möglichkeit hatte, Fragen zu stellen, und zufrieden stellende Antworten erhalten hat;
c)
bestätigt hat, alle Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht zu haben.

1.2.
Spenderevaluierung (dieser Abschnitt gilt nicht für die Partnerspende von Keimzellen und für autologe Spender)

1.2.1.
Die einschlägigen medizinischen und verhaltensbezogenen Informationen sind von einer hierzu befugten Person gemäß den in Nummer 1.4 beschriebenen Anforderungen zu erheben und zu dokumentieren.
1.2.2.
Zur Erhebung der entsprechenden Informationen sind verschiedene zweckdienliche Quellen zu nutzen, darunter mindestens eine Befragung des Spenders, sofern es sich um einen lebenden Spender handelt, und gegebenenfalls folgende Quellen:

a)
die Krankenakte des Spenders;
b)
bei verstorbenen Spendern die Befragung einer Person, die den Spender gut kannte;
c)
eine Befragung des behandelnden Arztes;
d)
eine Befragung des Hausarztes;
e)
der Autopsiebericht.

1.2.3.
Darüber hinaus ist beim verstorbenen Spender und, sofern gerechtfertigt, beim lebenden Spender eine körperliche Untersuchung durchzuführen, um etwaige Anzeichen zu erkennen, die allein bereits für den Ausschluss des Spenders ausreichen oder die anhand der medizinischen und persönlichen Vorgeschichte des Spenders überprüft werden müssen.
1.2.4.
Die gesamte Spenderakte ist von einem qualifizierten Angehörigen eines Gesundheitsberufs auf die Eignung des Spenders zu überprüfen und zu bewerten sowie zu unterzeichnen.

1.3.
Entnahmeverfahren für Gewebe und Zellen

1.3.1.
Die Entnahmeverfahren müssen der Art des Spenders und der gespendeten Gewebe bzw. Zellen angemessen sein. Die Verfahren müssen die Sicherheit des lebenden Spenders gewährleisten.
1.3.2.
Die Entnahmeverfahren müssen diejenigen Eigenschaften der Gewebe bzw. Zellen schützen, die für deren letztendliche klinische Verwendung erforderlich sind, und gleichzeitig das Risiko einer mikrobiellen Verunreinigung während des Verfahrens minimieren, insbesondere wenn die Gewebe und Zellen anschließend nicht sterilisiert werden können.
1.3.3.
Bei Leichenspenden ist der Zugang zum Entnahmeort zu beschränken. Es ist ein lokaler steriler Bereich mit sterilen Tüchern zu verwenden. Das die Entnahme durchführende Personal muss der Art der Entnahme entsprechend gekleidet sein. Dazu gehört in der Regel auch, sich ordnungsgemäß zu desinfizieren und sterile Kleidung sowie sterile Handschuhe, Gesichtsmasken bzw. Schutzmasken zu tragen.
1.3.4.
Ist der Spender verstorben, sind der Entnahmeort aufzuzeichnen und der zwischen dem Tod und der Entnahme verstrichene Zeitraum anzugeben, um sicherzustellen, dass die erforderlichen biologischen und/oder physikalischen Eigenschaften der Gewebe bzw. Zellen erhalten bleiben.
1.3.5.
Sobald die Gewebe bzw. Zellen der Spenderleiche entnommen worden sind, ist die Leiche so wiederherzustellen, dass sie größtmögliche Ähnlichkeit mit ihrer ursprünglichen anatomischen Form aufweist.
1.3.6.
Jeglicher während der Entnahme auftretende Zwischenfall, der einem lebenden Spender Schaden zugefügt hat oder haben kann, sowie das Ergebnis jeglicher Untersuchung zur Feststellung der entsprechenden Ursache sind aufzuzeichnen und zu überprüfen.
1.3.7.
Es müssen Verfahren und Protokolle vorhanden sein, die das Risiko einer Kontaminierung der Gewebe bzw. Zellen durch möglicherweise mit einer übertragbaren Krankheit infiziertes Personal minimieren.
1.3.8.
Für die Gewebe- bzw. Zellentnahme sind sterile Instrumente und Entnahmebestecke zu verwenden. Die Instrumente und Entnahmebestecke müssen qualitativ hochwertig sein; sie sind zu validieren oder speziell zu zertifizieren sowie regelmäßig für die Entnahme von Geweben bzw. Zellen instand zu halten.
1.3.9.
Müssen wiederverwendbare Instrumente benutzt werden, so muss ein validiertes Reinigungs- und Sterilisierungsverfahren zur Entfernung von Infektionserregern vorhanden sein.
1.3.10.
Sofern möglich, sind nur mit dem CE-Kennzeichen versehene medizinische Geräte zu verwenden; das gesamte beteiligte Personal ist auf geeignete Weise im Umgang mit solchen Geräten zu schulen.

1.4.
Spenderdokumentation

1.4.1.
Für jeden Spender ist eine Akte mit folgenden Angaben anzulegen:

a)
Spenderidentität (Vorname, Familienname und Geburtsdatum — sind Mutter und Kind an der Spende beteiligt, sowohl Name und Geburtsdatum der Mutter als auch Name, soweit bekannt, und Geburtsdatum des Kindes);
b)
Alter, Geschlecht, medizinische und Verhaltensanamnese (die erhobenen Informationen müssen ausreichen, um ggf. die Anwendung der Ausschlusskriterien zu ermöglichen);
c)
ggf. Befund der körperlichen Untersuchung;
d)
ggf. Hämodilutionsformel;
e)
ggf. der Vordruck für die Einwilligung bzw. die Ermächtigung;
f)
klinische Daten, Ergebnisse der Labortests und sonstiger durchgeführter Tests;
g)
wurde eine Autopsie vorgenommen, sind deren Ergebnisse in die Akte aufzunehmen (bei Geweben und Zellen, die nicht langfristig gelagert werden können, ist ein vorläufiger mündlicher Autopsiebericht aufzuzeichnen);
h)
bei Spendern hämatopoetischer Vorläuferzellen ist die Eignung des Spenders für den ausgewählten Empfänger zu dokumentieren. Sind Spender und Empfänger nicht genetisch verwandt und hat die für die Entnahme verantwortliche Organisation nur begrenzten Zugang zu den Empfängerdaten, müssen der Transplantationseinrichtung die zur Bestätigung der Eignung zweckdienlichen Spenderdaten zur Verfügung gestellt werden.

1.4.2.
Die Organisation, welche die Entnahme vornimmt, erstellt einen Entnahmebericht, welcher der Gewebeeinrichtung übermittelt wird. Dieser Bericht enthält mindestens:

a)
die Identifizierung, Name und Anschrift der Gewebeeinrichtung, welche die Gewebe bzw. Zellen erhalten soll;
b)
Angaben über die Spenderidentität (einschließlich der Angabe, wie und von wem der Spender identifiziert wurde);
c)
Beschreibung und Identifizierung der entnommenen Gewebe bzw. Zellen (einschließlich der zur Testung entnommenen Zellen);
d)
Identität der für diese Entnahme zuständigen Person, einschließlich deren Unterschrift;
e)
Datum, Uhrzeit (wenn zweckdienlich, Beginn und Ende), Ort der Entnahme und das verwendete Verfahren (SOP), einschließlich etwaiger Zwischenfälle; gegebenenfalls Umgebungsbedingungen in der Entnahmeeinrichtung (Beschreibung des Bereichs, wo die Entnahme stattfand);
f)
bei verstorbenen Spendern Beschreibung der Bedingungen, unter denen die Leiche aufbewahrt wird: gekühlt (oder nicht), Zeitpunkt des Beginns und des Endes der Kühlung;
g)
Identifizierung/Chargennummern der verwendeten Reagenzien und Transportlösungen.

Der Bericht muss außerdem, sofern möglich, Ort und Zeitpunkt des Todes enthalten.

Wird Sperma zu Hause gewonnen, ist dies im Entnahmebericht anzugeben; der Bericht enthält in diesem Falle nur:

a)
Name und Anschrift der Gewebeeinrichtung, welche die Gewebe bzw. Zellen erhalten soll;
b)
Angaben über die Spenderidentität.

Datum und Uhrzeit der Entnahme können, sofern möglich, angegeben werden.

1.4.3.
Alle Aufzeichnungen müssen im Einklang mit den Datenschutzvorschriften während des gesamten angegebenen Aufbewahrungszeitraums klar und erkennbar sein, vor unbefugter Änderung geschützt werden, in diesem Zustand aufbewahrt werden und leicht abrufbar sein.
1.4.4.
Die für eine vollständige Rückverfolgbarkeit erforderlichen Aufzeichnungen über den Spender sind mindestens 30 Jahre nach der klinischen Verwendung oder dem Verfallsdatum in einem geeigneten, von der zuständigen Behörde genehmigten Archiv aufzubewahren.

1.5.
Verpackung

1.5.1.
Nach der Entnahme sind alle gewonnenen Gewebe bzw. Zellen so zu verpacken, dass das Kontaminationsrisiko minimiert wird; sie sind bei Temperaturen zu lagern, bei denen ihre Merkmale und biologischen Funktionen erhalten bleiben. Die Verpackung muss außerdem die Kontaminierung der für die Verpackung und den Transport der Gewebe bzw. Zellen Verantwortlichen vermeiden.
1.5.2.
Die verpackten Gewebe bzw. Zellen sind in einem Behälter zu transportieren, der für den Transport biologischen Materials geeignet ist und der die Sicherheit und die Qualität der darin enthaltenen Gewebe bzw. Zellen gewährleistet.
1.5.3.
Etwaige zur Testung bestimmte beigefügte Gewebe- oder Blutproben sind genau zu kennzeichnen, um die Identifizierung des Spenders sicherzustellen; zudem müssen sie Angaben über Ort und Zeit der Probennahme tragen.

1.6.
Kennzeichnung der entnommenen Gewebe bzw. Zellen

Jede Gewebe bzw. Zellen enthaltende Packung ist zum Zeitpunkt der Entnahme zu kennzeichnen. Der erste Behälter für Gewebe bzw. Zellen muss mindestens folgende Angaben tragen: Spendenidentität oder -kode und Art der Gewebe bzw. Zellen. Ist die Packung groß genug, muss sie auch folgende Angaben tragen:
a)
Datum (und möglichst Uhrzeit) der Spende;
b)
Warnung vor Gefährdungspotenzial;
c)
(ggf.) Art verwendeter Zusätze;
d)
bei autologen Spenden trägt das Etikett die Aufschrift „Nur zur autologen Verwendung” ;
e)
bei Direktspenden ist der Empfänger auf dem Etikett zu nennen.
Kann eine der Informationen gemäß Buchstaben a bis e nicht auf dem Erstverpackungsetikett angegeben werden, so ist sie auf einem gesonderten Blatt anzugeben, das der Erstverpackung beiliegen muss.

1.7.
Kennzeichnung des Transportbehälters

Werden die Gewebe bzw. Zellen von einem Dritten transportiert, muss jeder Transportbehälter mindestens folgende Angaben tragen:
a)
VORSICHT und GEWEBE UND ZELLEN;
b)
Identität der Einrichtung, aus der die Packung transportiert wird (Anschrift und Telefonnummer) und Ansprechpartner für Problemfälle;
c)
Identität der Bestimmungsgewebeeinrichtung (Anschrift und Telefonnummer) und des Ansprechpartners für die Anlieferung des Behälters;
d)
Datum und Uhrzeit des Transportbeginns;
e)
Angaben über die Transportbedingungen, die für die Qualität und die Sicherheit der Gewebe bzw. Zellen relevant sind;
f)
bei allen Zellprodukten ist hinzuzufügen: NICHT BESTRAHLEN;
g)
hat ein Produkt bekanntermaßen ein positives Testergebnis für einen Marker einer relevanten Infektionskrankheit ergeben, ist hinzuzufügen: BIOLOGISCHE GEFÄHRDUNG;
h)
bei autologen Spendern ist hinzuzufügen: NUR ZUR AUTOLOGEN VERWENDUNG;
i)
Angaben über die Lagerungsbedingungen (wie z. B. NICHT EINFRIEREN).

2.
Entgegennahme der Gewebe bzw. Zellen in der Gewebeeinrichtung

2.1.
Wenn die entnommenen Gewebe bzw. Zellen bei der Gewebeeinrichtung ankommen, wird überprüft und dokumentiert, ob die Lieferung, einschließlich der Transportbedingungen, der Verpackung, der Kennzeichnung sowie der zugehörigen Unterlagen und Proben, den Vorschriften dieses Anhangs und den Spezifikationen der entgegennehmenden Einrichtung entspricht.
2.2.
Jede Einrichtung muss sicherstellen, dass die Gewebe bzw. Zellen unter Quarantänebedingungen aufbewahrt werden, bis sie zusammen mit den betreffenden Unterlagen auf ihre Vorschriftsmäßigkeit hin kontrolliert oder überprüft worden sind. Die Überprüfung der einschlägigen Informationen über den Spender und die Entnahme ist von hierzu Benannten bzw. Befugten vorzunehmen.
2.3.
Jede Gewebeeinrichtung muss über dokumentierte Verfahrensanweisungen und Spezifikationen verfügen, anhand deren jede einzelne Sendung von Geweben bzw. Zellen, einschließlich der Proben, überprüft wird. Diese umfassen neben diesen technischen Anforderungen weitere Kriterien, welche die Gewebeeinrichtung für wesentlich hält, um eine annehmbare Qualität zu wahren. Die Gewebeeinrichtung muss über dokumentierte Verfahrensanweisungen für den Umgang mit und die Absonderung von Sendungen verfügen, die den Vorschriften nicht entsprechen oder deren Testergebnisse unvollständig sind, um jegliches Kontaminationsrisiko für andere Gewebe bzw. Zellen, die verarbeitet, konserviert oder gelagert werden, auszuschließen.
2.4.
Die in der Gewebeeinrichtung gespeicherten Daten umfassen Folgendes (außer bei Spendern von Keimzellen, die zur Partnerspende bestimmt sind):

a)
die Einwilligung/Ermächtigung, auch in Bezug auf den Zweck bzw. die Zwecke, für welche die Gewebe bzw. Zellen verwendet werden dürfen (d. h. für Therapie- und/oder Forschungszwecke) sowie sonstige spezifische Anweisungen für die Entsorgung, falls die Gewebe bzw. Zellen nicht zu dem Zweck verwendet werden, für den die Einwilligung erteilt wurde;
b)
alle erforderlichen Aufzeichnungen über die Entnahme und die Anamnese des Spenders, wie im Abschnitt über die Spenderdokumentation beschrieben;
c)
Befunde der körperlichen Untersuchung, von Labor- und sonstigen Tests (wie ggf. Autopsiebericht, sofern gemäß Nummer 1.2.2 verwendet);
d)
bei allogenen Spendern eine ordnungsgemäß dokumentierte Prüfung der gesamten Spenderevaluierung anhand der Auswahlkriterien durch eine hierzu befugte und geschulte Person;
e)
bei Zellkulturen, die zur autologen Verwendung bestimmt sind, ist auch die Möglichkeit von Arzneimittelallergien des Empfängers (z. B. gegen Antibiotika) zu dokumentieren.

2.5.
Bei Keimzellen, die zur Partnerspende bestimmt sind, sind folgende Daten in der Gewebeeinrichtung zu speichern:

a)
Einwilligung, auch in Bezug auf den Zweck bzw. die Zwecke, für welche die Gewebe bzw. Zellen verwendet werden dürfen (wie beispielsweise nur zur Verwendung für Reproduktions- und/oder Forschungszwecke) sowie sonstige spezifische Anweisungen für die Entsorgung, falls die Gewebe bzw. Zellen nicht zu dem Zweck verwendet werden, für den die Einwilligung erteilt wurde;
b)
Spenderidentität und -merkmale: Art des Spenders, Alter, Geschlecht, Vorliegen von Risikofaktoren und, bei verstorbenen Spendern, Todesursache;
c)
Partneridentität;
d)
Entnahmeort;
e)
entnommene Gewebe und Zellen und einschlägige Merkmale.

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