Präambel RL 2006/38/EG

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 71 Absatz 1,

gestützt auf die Richtlinie 1999/62/EG(1), insbesondere auf Artikel 7,

auf Vorschlag der Kommission,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(2),

nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen(3),

gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags(4),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Die Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Verkehrsunternehmen aus den Mitgliedstaaten, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes und die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit erfordern die Einführung gerechter Mechanismen für die Erhebung von Gebühren von den Verkehrsunternehmern für die Benutzung von Verkehrswegen. Ein gewisses Maß an Harmonisierung wurde bereits mit der Richtlinie 1999/62/EG erreicht.
(2)
Ein gerechteres System für die Erhebung von Gebühren für die Nutzung der Straßeninfrastruktur auf der Grundlage, dass die Kosten vom Nutzer getragen werden und dass das Verursacherprinzip (polluter pays) angewandt werden kann, beispielsweise durch differenzierte Gebühren zur Berücksichtigung der Umwelteigenschaften von Fahrzeugen, ist von grundlegender Bedeutung für die Gewährleistung nachhaltiger Verkehrsbedingungen in der Gemeinschaft. Das Ziel einer optimalen Nutzung des bestehenden Straßennetzes und einer erheblichen Verringerung seiner negativen Auswirkungen sollte unter Verhinderung einer Doppelbesteuerung und ohne zusätzliche Belastung der Unternehmen erreicht werden, damit ein solides Wirtschaftswachstum und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes auch in Gebieten in Randlage gewährleistet sind.
(3)
Im Weißbuch „Die europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft” hat die Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie über die Erhebung von Gebühren für die Nutzung der Straßeninfrastruktur angekündigt. Das Europäische Parlament hat in seiner Entschließung vom 12. Februar 2003(5) zu dem Weißbuch die Notwendigkeit einer Gebührenerhebung für die Nutzung der Straßeninfrastruktur bekräftigt. Im Anschluss an seine Tagung in Göteborg am 15. und 16. Juni 2001, auf der er speziell den Aspekt der Nachhaltigkeit im Verkehrssektor hervorgehoben hat, hat der Europäische Rat auf seinen Tagungen in Kopenhagen am 12. und 13. Dezember 2002 und in Brüssel am 20. und 21. März 2003 ferner die Absicht der Kommission begrüßt, eine neue Richtlinie zur „Eurovignette” vorzulegen.
(4)
Der Europäische Rat hat auf seiner Tagung in Göteborg in Ziffer 29 der Schlussfolgerungen des Vorsitzes festgehalten, dass eine nachhaltige Verkehrspolitik dem Anstieg des Verkehrsaufkommens und der Verkehrsüberlastung, des Lärms und der Umweltverschmutzung entgegenwirken und die Verwendung umweltfreundlicher Verkehrsmittel sowie die vollständige Internalisierung der sozialen und der Umweltkosten fördern sollte.
(5)
In der Richtlinie 1999/62/EG werden bei der Festlegung der Mautgebühren die Kosten von Bau, Betrieb, Instandhaltung und Ausbau der Infrastrukturen berücksichtigt. Es bedarf einer Einzelbestimmung, die Klarheit hinsichtlich der anrechenbaren Baukosten schafft.
(6)
Der grenzüberschreitende Straßengüterverkehr konzentriert sich auf das transeuropäische Straßenverkehrsnetz. Außerdem ist das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes von grundlegender Bedeutung für den gewerblichen Kraftverkehr. Daher sollte der gemeinschaftliche Rechtsrahmen den gewerblichen Verkehr auf dem transeuropäischen Straßennetz umfassen, wie es in der Entscheidung Nr. 1692/96/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 1996 über gemeinschaftliche Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes(6) festgelegt ist. In Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip sollte es den Mitgliedstaaten freistehen, unter Beachtung des Vertrags auf anderen, nicht zum transeuropäischen Straßennetz gehörenden Straßen Maut- und/oder Benutzungsgebühren zu erheben. Wenn die Mitgliedstaaten beschließen, Maut- und/oder Benutzungsgebühren nur für Teile des transeuropäischen Straßennetzes auf ihrem Territorium, etwa aufgrund der Isolation oder niedrigen Stau- und Verschmutzungsneigung des anderen Teils, beizubehalten oder einzuführen oder wo es für die Einführung einer neuen Gebührenregelung notwendig ist, darf die Auswahl der Teile des Netzes, für die Gebühren erhoben werden, den internationalen Verkehr nicht diskriminieren und nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung zwischen den Unternehmen führen. Das Gleiche gilt, wenn ein Mitgliedstaat Maut- und/oder Benutzungsgebühren auf Straßen beibehält oder einführt, die nicht Teil des transeuropäischen Straßennetzes sind, beispielsweise auf parallel verlaufenden Straßen, zur Regelung des Verkehrsaufkommens.
(7)
Wenn ein Mitgliedstaat entscheidet, Maut- und/oder Benutzungsgebühren über das transeuropäische Straßennetz hinaus zu erheben, beispielsweise, um parallel verlaufende Straßen, auf die der Verkehr vom transeuropäischen Straßennetz ausweichen kann und/oder die im direkten Wettbewerb mit bestimmten Teilen dieses Netzes stehen, einzubeziehen, sollte er die Koordinierung mit den für diese Straßen zuständigen Behörden gewährleisten.
(8)
Aus Gründen der Kosteneffizienz bei der Einführung von Gebührensystemen muss nicht unbedingt die gesamte Infrastruktur, für die eine Mautgebühr festgelegt wird, Zugangsbeschränkungen zur Regelung der Mautgebührenerhebung unterliegen. Die Mitgliedstaaten können beschließen, diese Richtlinie so umzusetzen, dass sie nur an einem bestimmten Punkt der Infrastruktur, für die die Mautgebühr festgelegt wurde, Mautgebühren erheben. Dadurch sollte der nicht lokale Verkehr nicht diskriminiert werden.
(9)
Die Mautgebühren sollten auf dem Grundsatz der Anlastung von Infrastrukturkosten beruhen. In den Fällen, in denen diese Kosten durch den Gesamthaushalt der Europäischen Union mitfinanziert worden sind, sollte der aus Gemeinschaftsmitteln stammende Anteil nicht über Mautgebühren wieder eingezogen werden, sofern nicht in Einzelbestimmungen der einschlägigen Gemeinschaftsrechtsakte vorgesehen ist, dass die künftigen Mauteinnahmen bei der Festsetzung des Finanzierungsanteils der Gemeinschaft berücksichtigt werden.
(10)
Ein wichtiger Bestandteil eines Gebührensystems ist die Tatsache, dass der Nutzer die Gebührenbelastung durch seine eigene Entscheidung für umweltfreundliche Fahrzeuge und verkehrsärmere Zeiten oder Strecken selbst beeinflussen kann. Daher sollten die Mitgliedstaaten die Mautgebühren entsprechend der Emissionskategorie des Fahrzeugs ( „EURO” -Einstufung), dem Grad der von ihm verursachten Straßenschäden sowie nach Ort, Zeitpunkt und Grad der Stauneigung anpassen können. Diese Differenzierung der Mautgebührenhöhe sollte proportional zum angestrebten Ziel sein.
(11)
Hinsichtlich der Aspekte der kommerziellen Preisgestaltung für die Benutzung von Straßeninfrastrukturen, die nicht von dieser Richtlinie erfasst sind, sollten die Vorschriften des Vertrags eingehalten werden.
(12)
Die Bestimmungen dieser Richtlinie berühren nicht die Freiheit der Mitgliedstaaten, die ein System von Maut- und/oder Benutzungsgebühren für Verkehrswege einführen, unbeschadet der Artikel 87 und 88 des Vertrags einen angemessenen Ausgleich für diese Gebühren vorzusehen. Dieser Ausgleich sollte nicht zu Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt führen, und er sollte den einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts unterliegen, und zwar insbesondere den Kraftfahrzeugsteuer-Mindestsätzen in Anhang I der Richtlinie 1999/62/EG sowie der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom(7).
(13)
Wenn Mitgliedstaaten Maut- oder Benutzungsgebühren auf zum transeuropäischen Straßennetz gehörende Straßen erheben, sollte den gebührenpflichtigen Straßen in den Instandhaltungsplänen der Mitgliedstaaten eine angemessene Priorität eingeräumt werden. Einnahmen aus Maut- oder Benutzungsgebühren sollten im Interesse einer ausgewogenen und nachhaltigen Entwicklung der Verkehrsnetze zur Instandhaltung der betreffenden Infrastruktur und des gesamten Verkehrssektors eingesetzt werden.
(14)
Berggebieten wie den Alpen oder den Pyrenäen sollte besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Die Verwirklichung neuer wichtiger Infrastrukturvorhaben ist oft gescheitert, weil die benötigten beträchtlichen Finanzmittel nicht vorhanden waren. In diesen Gebieten müssen die Benutzer daher möglicherweise einen Mautaufschlag zur Finanzierung grundlegender Vorhaben von sehr hohem europäischen Nutzen leisten, die sich gegebenenfalls auch auf andere Verkehrsträger auf der gleichen Verkehrsachse beziehen. Dieser Betrag sollte sich an den für das Vorhaben erforderlichen Finanzmitteln orientieren. Er sollte ebenfalls am Ausgangswert der Mautgebühren orientiert sein, damit die Gebühren auf einer bestimmten Verkehrsachse nicht künstlich hochgehalten werden, was zum Ausweichen des Verkehrs auf andere Verkehrsachsen und damit zu örtlicher Verkehrsüberlastung und einer ineffizienten Nutzung der Verkehrsnetze führen könnte.
(15)
Die Gebühren sollten dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung entsprechen, und ihre Erhebung darf keine übermäßigen Formalitäten umfassen oder Hindernisse an den Binnengrenzen schaffen. Daher sollten geeignete Maßnahmen getroffen werden, um den gelegentlichen Nutzern die Zahlung zu erleichtern, und zwar insbesondere dann, wenn die Maut- und/oder Benutzungsgebühren ausschließlich über ein System erhoben werden, das den Einsatz eines elektronischen Abrechnungsgeräts (fahrzeugseitiges Erfassungsgerät) erfordert.
(16)
Um eine Umlenkung des Verkehrs aufgrund unterschiedlicher Systeme zwischen den Mitgliedstaaten und Drittländern zu verhindern, sollte die Kommission bei Verhandlungen über internationale Abkommen darum bemüht sein, zu gewährleisten, dass von Drittländern keine Maßnahmen wie beispielsweise ein System zum Handel mit Transitrechten eingeführt werden, die sich diskriminierend auf den Transitverkehr auswirken könnten.
(17)
Um eine kohärente, harmonisierte Anwendung der Gebührenerhebungssysteme zu gewährleisten, sollten bei neuen Mautsystemen die Kosten anhand der in Anhang II aufgeführten Eckpunkte berechnet oder in einer Höhe festgelegt werden, die nicht über das Niveau hinausgeht, das sich aus der Anwendung dieser Eckpunkte ergeben würde. Diese Anforderungen sollten nicht für bestehende Systeme gelten, sofern diese nicht später wesentlich geändert werden. Als wesentliche Änderung würde unter anderem eine erhebliche Änderung der ursprünglichen Bedingungen des Mautsystems durch die Änderung eines Vertrags mit dem Betreiber des Mautsystems gehören, nicht aber Änderungen, die in dem ursprünglichen System vorgesehen sind. Bei Konzessionsverträgen könnte eine wesentliche Änderung im Rahmen eines öffentlichen Vergabeverfahrens herbeigeführt werden. Um Transparenz zu verwirklichen, ohne dass das Funktionieren der Marktwirtschaft gestört wird oder Partnerschaften zwischen der öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft behindert werden, sollten die Mitgliedstaaten der Kommission ferner die Werte je Einheit und die übrigen Parameter, die sie zur Berechnung der einzelnen Bestandteile der Mautgebühren heranziehen möchten, oder bei Konzessionsverträgen die entsprechenden Verträge und Basismodelle mitteilen, so dass diese Stellung nehmen kann. Stellungnahmen der Kommission vor der Einführung neuer Mautsysteme in den Mitgliedstaaten berühren in keiner Weise die sich aus dem Vertrag ergebende Verpflichtung der Kommission, dafür Sorge zu tragen, dass das Gemeinschaftsrecht angewendet wird.
(18)
Um eine informierte und objektive künftige Entscheidung über die mögliche Anwendung des Verursacherprinzips für alle Verkehrsträger durch Internalisierung externer Kosten zu gewährleisten, sollten einheitliche, auf wissenschaftlich anerkannten Daten basierende Prinzipien für die Berechnung entwickelt werden. Eine künftige Entscheidung über diese Frage sollte die von den Unternehmen des Straßentransportsektors bereits getragene Steuerlast einschließlich Kfz-Steuern und Mineralölsteuern berücksichtigen.
(19)
Die Kommission sollte beginnen, ein allgemein gültiges, transparentes und nachvollziehbares Modell zur Bewertung externer Kosten für alle Verkehrträger auszuarbeiten, welches künftigen Berechnungen von Infrastrukturgebühren zugrunde gelegt werden soll. Dabei prüft die Kommission alle möglichen Optionen der Zusammensetzung der zu berücksichtigenden externen Kosten, wobei sie sich auf die im Weißbuch „Die europäische Verkehrspolitik bis 2010” aufgelisteten Elemente stützt und die möglichen Auswirkungen der Internalisierung der unterschiedlichen Kostenpunkte gewissenhaft bewertet. Das Europäische Parlament und der Rat werden einen solchen Vorschlag der Kommission zur weiteren Änderung der Richtlinie 1999/62/EG gewissenhaft prüfen.
(20)
Für den Ausbau des Systems zur Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren sind weitere technische Fortschritte erforderlich. Es sollte ein Verfahren geben, das es der Kommission ermöglicht, die Anforderungen der Richtlinie 1999/62/EG nach entsprechender Konsultation der Mitgliedstaaten an den technischen Fortschritt anzupassen.
(21)
Die zur Durchführung der genannten Richtlinie erforderlichen Maßnahmen sollten gemäß dem Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse(8) erlassen werden.
(22)
Da das Ziel dieser Richtlinie, nämlich die Harmonisierung der Bedingungen für die Erhebung von Mautgebühren für die Benutzung von Straßeninfrastrukturen, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden kann und daher wegen seiner europäischen Dimension und im Hinblick auf den Schutz des Verkehrsbinnenmarktes besser auf Gemeinschaftsebene zu erreichen ist, kann die Gemeinschaft in Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geht diese Richtlinie nicht über das für die Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.
(23)
Die Richtlinie 1999/62/EG sollte entsprechend geändert werden —

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 187 vom 20.7.1999, S. 42. Geändert durch die Beitrittsakte von 2003.

(2)

ABl. C 241 vom 28.9.2004, S. 58.

(3)

ABl. C 109 vom 30.4.2004, S. 14.

(4)

Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 20. April 2004 (ABl. C 104 E vom 30.4.2004, S. 371), Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 6. September 2005 (ABl. C 275 E vom 8.11.2005, S. 1) und Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 15. Dezember 2005 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht). Beschluss des Rates vom 27. März 2006.

(5)

ABl. C 43 E vom 19.2.2004, S. 250.

(6)

ABl. L 228 vom 9.9.1996, S. 1. Zuletzt geändert durch die Entscheidung Nr. 884/2004/EG (ABl. L 167 vom 30.4.2004, S. 1).

(7)

ABl. L 283 vom 31.10.2003, S. 51. Zuletzt geändert durch die Richtlinie 2004/75/EG (ABl. L 157 vom 30.4.2004, S. 100).

(8)

ABl. L 184 vom 17.7.1999, S. 23.

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