Artikel 19 RL 2006/48/EG

1. Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass eine natürliche oder juristische Person oder gemeinsam handelnde natürliche oder juristische Personen (im Folgenden „interessierter Erwerber” ), die beschlossen hat bzw. haben, an einem Kreditinstitut eine qualifizierte Beteiligung direkt oder indirekt zu erwerben oder eine derartige qualifizierte Beteiligung direkt oder indirekt zu erhöhen, mit der Folge, dass ihr Anteil an den Stimmrechten oder am Kapital 20 %, 30 % oder 50 % erreichen oder überschreiten würde oder das Kreditinstitut ihr Tochterunternehmen würde (im Folgenden „beabsichtigter Erwerb” ), den für das Kreditinstitut, an dem eine qualifizierte Beteiligung erworben oder erhöht werden soll, zuständigen Behörden zuerst schriftlich diese Tatsache unter Angabe des Umfangs der geplanten Beteiligung zusammen mit den in Artikel 19a Absatz 4 genannten einschlägigen Informationen anzuzeigen hat bzw. haben. Die Mitgliedstaaten können davon absehen, die 30 %-Schwelle anzuwenden, wenn sie nach Artikel 9 Absatz 3 Buchstabe a der Richtlinie 2004/109/EG eine Schwelle von einem Drittel anwenden.

2. Die zuständigen Behörden bestätigen dem interessierten Erwerber umgehend, in jedem Fall jedoch innerhalb von zwei Arbeitstagen nach Erhalt der Anzeige sowie dem etwaigen anschließenden Erhalt der in Absatz 3 genannten Informationen schriftlich deren Eingang.

Die zuständigen Behörden verfügen über maximal 60 Arbeitstage ab dem Datum der schriftlichen Bestätigung des Eingangs der Anzeige und aller von dem Mitgliedstaat verlangten Unterlagen, die der Anzeige nach Maßgabe der in Artikel 19a Absatz 4 genannten Liste beizufügen sind (im Folgenden „Beurteilungszeitraum” ), um die Beurteilung nach Artikel 19a Absatz 1 (im Folgenden „Beurteilung” ) vorzunehmen.

Die zuständigen Behörden teilen dem interessierten Erwerber zum Zeitpunkt der Bestätigung des Eingangs der Anzeige den Zeitpunkt des Ablaufs des Beurteilungszeitraums mit.

3. Die zuständigen Behörden können erforderlichenfalls bis spätestens am 50. Arbeitstag des Beurteilungszeitraums weitere Informationen anfordern, die für den Abschluss der Beurteilung notwendig sind. Diese Anforderung ergeht schriftlich unter Angabe der zusätzlich benötigten Informationen.

Der Beurteilungszeitraum wird für die Dauer vom Zeitpunkt der Anforderung von Informationen durch die zuständigen Behörden bis zum Eingang der entsprechenden Antwort des interessierten Erwerbers unterbrochen. Die Unterbrechung darf 20 Arbeitstage nicht überschreiten. Es liegt im Ermessen der zuständigen Behörden, weitere Ergänzungen oder Klarstellungen zu den Informationen anzufordern, doch darf dies nicht zu einer Unterbrechung des Beurteilungszeitraums führen.

4. Die zuständigen Behörden können die Unterbrechung nach Absatz 3 Unterabsatz 2 bis auf 30 Arbeitstage ausdehnen, wenn der interessierte Erwerber

a)
außerhalb der Gemeinschaft ansässig ist oder beaufsichtigt wird oder
b)
eine natürliche oder juristische Person ist, die nicht einer Beaufsichtigung nach dieser Richtlinie oder den Richtlinien 85/611/EWG(1), 92/49/EWG(2), 2002/83/EG(3), 2004/39/EG oder 2005/68/EG(4) unterliegt.

5. Entscheiden die zuständigen Behörden nach Abschluss der Beurteilung, Einspruch gegen den beabsichtigten Erwerb zu erheben, so setzen sie den interessierten Erwerber davon innerhalb von zwei Arbeitstagen und unter Einhaltung des Beurteilungszeitraums schriftlich unter Angabe der Gründe für die Entscheidung in Kenntnis. Vorbehaltlich einzelstaatlicher Rechtsvorschriften kann eine Begründung der Entscheidung auf Antrag des interessierten Erwerbers der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Diese Bestimmung hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, den zuständigen Behörden zu gestatten, die Entscheidungsgründe auch ohne entsprechenden Antrag des interessierten Erwerbers der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

6. Erheben die zuständigen Behörden gegen den beabsichtigten Erwerb innerhalb des Beurteilungszeitraums schriftlich keinen Einspruch, so gilt dieser als genehmigt.

7. Die zuständigen Behörden können eine Frist für den Abschluss eines beabsichtigten Erwerbs festlegen und diese Frist gegebenenfalls verlängern.

8. Die Mitgliedstaaten dürfen an die Anzeige eines direkten oder indirekten Erwerbs von Stimmrechten oder Kapital an die zuständigen Behörden und die Genehmigung eines derartigen Erwerbs durch diese Behörden keine strengeren Anforderungen stellen, als in dieser Richtlinie vorgesehen ist.

9. Um eine kohärente Harmonisierung dieses Artikels zu gewährleisten, kann die EBA Entwürfe technischer Regulierungsstandards entwickeln, um unbeschadet des Artikels 19 Absatz 3 eine erschöpfende Liste der gemäß Artikel 19a Absatz 4 von interessierten Erwerbern in ihrer Anzeige vorzulegenden Informationen festzulegen.

Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zu erlassen.

Um einheitliche Bedingungen für die Anwendung dieser Richtlinie sicherzustellen, kann die EBA Entwürfe technischer Durchführungsstandards entwickeln, um gemeinsame Verfahren, Formulare und Dokumentenvorlagen für den Konsultationsprozess zwischen den jeweils zuständigen Behörden nach Artikel 19b festzulegen.

Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 3 genannten technischen Durchführungsstandards nach Artikel 15 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zu erlassen.

Fußnote(n):

(1)

Richtlinie 85/611/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (ABl. L 375 vom 31.12.1985, S. 3). Zuletzt geändert durch die Richtlinie 2005/1/EG.

(2)

Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) (Dritte Richtlinie Schadenversicherung) (ABl. L 228 vom 11.8.1992, S. 1). Zuletzt geändert durch die Richtlinie 2007/44/EG.

(3)

Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen (ABl. L 345 vom 19.12.2002, S. 1). Zuletzt geändert durch die Richtlinie 2007/44/EG.

(4)

Richtlinie 2005/68/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2005 über die Rückversicherung (ABl. L 323 vom 9.12.2005, S. 1). Geändert durch die Richtlinie 2007/44/EG.

© Europäische Union 1998-2021

Tipp: Verwenden Sie die Pfeiltasten der Tastatur zur Navigation zwischen Normen.