Artikel 9a RL 2008/98/EG
Vermeidung der Erzeugung von Lebensmittelabfällen
(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen, um die Erzeugung von Lebensmittelabfällen entlang der gesamten Lebensmittelversorgungskette in der Primärerzeugung, in der Verarbeitung und Herstellung, im Einzelhandel und anderen Formen des Vertriebs von Lebensmitteln, in Gaststätten und Verpflegungsdienstleistungen sowie in Haushalten zu vermeiden. Diese Maßnahmen umfassen mindestens Folgendes:
- a)
- Entwicklung und Unterstützung von Maßnahmen zur Verhaltensänderung im Hinblick auf die Verringerung von Lebensmittelabfällen sowie von Informationskampagnen zur Sensibilisierung für die Vermeidung von Lebensmittelabfällen;
- b)
- Ermittlung und Beseitigung von Ineffizienzen in der Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette und Unterstützung der Zusammenarbeit aller Akteure bei gleichzeitiger Sicherstellung einer fairen Aufteilung der Kosten und des Nutzens der Vermeidungsmaßnahmen; dazu kann die Bekämpfung von Marktpraktiken, die Lebensmittelabfällen verursachen, gehören sowie die Unterstützung der Vermarktung und Verwendung von Produkten, für die eine Ausnahme von Artikel 76 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates(1) gemäß Absatz 4 des genannten Artikels erteilt wurde, allerdings nur zu den etwaigen Bedingungen, die für die Erteilung dieser Ausnahmeregelung gelten;
- c)
- Förderung von Lebensmittelspenden und anderen Formen der Umverteilung von Lebensmitteln für den menschlichen Verzehr, um sicherzustellen, dass der Gebrauch durch den Menschen Vorrang gegenüber dem Einsatz als Tierfutter und der Verarbeitung zu Non-food-Erzeugnissen erhält;
- d)
- Förderung von Aus- und Weiterbildung und Kompetenzentwicklung sowie Erleichterung des Zugangs zu Finanzierungsmöglichkeiten, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen sowie sozialwirtschaftliche Einrichtungen;
- e)
- Anregung und Förderung von Innovationen und technologischen Lösungen, die zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen beitragen, unbeschadet der Verordnung (EU) 2025/40 des Europäischen Parlaments und des Rates(2), insbesondere des Artikels 6.
Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass alle einschlägigen Akteure der Lebensmittelversorgungskette anteilig entsprechend ihrer Kapazität und ihrer Rolle bei der Vermeidung der Erzeugung von Lebensmittelabfällen innerhalb dieser Versorgungskette einbezogen werden, wobei besonders darauf zu achten ist, dass kleine und mittlere Unternehmen nicht unverhältnismäßig belastet werden. Die Mitgliedstaaten ergreifen — nach Konsultation von Lebensmittelbanken und anderen Organisationen zur Umverteilung von Lebensmitteln — gegebenenfalls Maßnahmen auf der Grundlage bestehender nationaler Lebensmittelspendensysteme, um sicherzustellen, dass Wirtschaftsteilnehmer, die von Mitgliedstaaten als Wirtschaftsteilnehmer eingestuft wurden, die eine wesentliche Rolle bei der Vermeidung und Entstehung von Lebensmittelabfällen spielen, den Lebensmittelbanken und anderen Organisationen für die Umverteilung von Lebensmitteln Spendenvereinbarungen vorschlagen, mit denen die Spende unverkaufter Lebensmittel, die für den menschlichen Verzehr sicher sind, zu angemessenen Kosten für die Wirtschaftsteilnehmer erleichtert wird.
(2) Die Mitgliedstaaten überwachen und bewerten die Umsetzung ihrer Maßnahmen zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen, einschließlich der Einhaltung der Ziele zur Verringerung von Lebensmittelabfällen nach Absatz 4, indem sie den Umfang der Lebensmittelabfälle anhand der im Einklang mit Absatz 3 festgelegten Methodik ermitteln.
(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 38a delegierte Rechtsakte zur Ergänzung dieser Richtlinie zu erlassen, um eine gemeinsame Methodik und Mindestqualitätsanforderungen für die einheitliche Messung des Umfangs von Lebensmittelabfällen festzulegen.
(4) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen und geeigneten Maßnahmen, um bis zum 31. Dezember 2030 auf nationaler Ebene die folgenden Ziele zur Verringerung von Lebensmittelabfällen zu verwirklichen:
- a)
- Verringerung der Erzeugung von Lebensmittelabfällen im Bereich Verarbeitung und Herstellung um 10 % gegenüber der zwischen 2021 und 2023 im Jahresdurchschnitt erzeugten Menge an Lebensmittelabfällen;
- b)
- Verringerung der Erzeugung von Lebensmittelabfällen pro Kopf insgesamt im Einzelhandel und anderen Formen des Vertriebs von Lebensmitteln, in Gaststätten und Verpflegungsdienstleistungen sowie in Haushalten um 30 % gegenüber der zwischen 2021 und 2023 im Jahresdurchschnitt erzeugten Menge an Lebensmittelabfällen.
(5) Sofern ein Mitgliedstaat in Bezug auf die Ziele für die Verringerung von Lebensmittelabfällen in der Lage ist, für ein Jahr vor 2021 Daten vorzulegen, die mithilfe von in dem Delegierten Beschluss (EU) 2019/1597 der Kommission(3) festgelegten Methoden erhoben wurden, oder für Jahre vor 2020 mithilfe von Methoden, die der Methodik und den Mindestqualitätsanforderungen für die einheitliche Messung des Umfangs von Lebensmittelabfällen gemäß dem genannten Delegierten Beschluss entsprechen, kann der Mitgliedstaat ein früheres Jahr als Bezugszeitraum zugrunde legen. Bis zum 17. April 2027 notifiziert der Mitgliedstaat der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten seine Absicht, ein früheres Jahr zugrunde zu legen, und übermittelt — für ein Jahr vor 2020 — die Daten und Angaben zu den für die Erhebung angewandten Messmethoden an die Kommission und macht diese Daten und Messmethoden öffentlich zugänglich.
(6) Um die Mitgliedstaaten bei der Erreichung des in Absatz 4 Buchstabe b genannten Ziels für die Verringerung von Lebensmittelabfällen zu unterstützen, erlässt die Kommission bis zum 17. Oktober 2027 Durchführungsrechtsakte zur Festlegung eines Korrekturfaktors, um dem Anstieg oder dem Rückgang des Tourismus im Vergleich zum Bezugszeitraum für die Festlegung des Ziels für die Verringerung von Lebensmittelabfällen Rechnung zu tragen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 39 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
(7) Vertritt die Kommission die Auffassung, dass die Daten für ein Jahr vor 2020 die Bedingungen gemäß Absatz 5 nicht erfüllen, so erlässt sie innerhalb von sechs Monaten nach Eingang einer Notifizierung gemäß dem genannten Absatz einen Beschluss, in dem sie den Mitgliedstaat auffordert, entweder einen Jahresdurchschnitt für den Zeitraum zwischen 2021 und 2023, oder das Jahr 2020, oder ein anderes als das von dem betreffenden Mitgliedstaat vorgeschlagene Jahr vor 2020 als Bezugszeitraum zugrunde zu legen.
(8) Bis zum 31. Dezember 2027 überprüft die Kommission die bis 2030 zu erreichenden Ziele gemäß Absatz 4, um diese Ziele gegebenenfalls anzupassen und/oder auf andere Stufen der Lebensmittelversorgungskette auszuweiten und die Festlegung neuer Ziele für den Zeitraum nach 2030 zu erwägen.
Die Überprüfung nach Unterabsatz 1 umfasst Folgendes:
- a)
- eine Bewertung des Ausmaßes und der Ursachen von Lebensmittelabfällen und -verlusten in der Primärerzeugung und die Ermittlung und Bewertung der Durchführbarkeit geeigneter Maßnahmen zur Verringerung dieser Abfälle und Verluste;
- b)
- eine Bewertung der Möglichkeit, rechtsverbindliche Ziele in Bezug auf Absatz 4 Buchstaben a und b einzuführen, die bis 2035 zu erreichen sind; und
- c)
- eine Bewertung der Auswirkungen von Änderungen der Produktionsmengen auf die Erreichbarkeit des Ziels für die Verringerung von Lebensmittabfällen gemäß Absatz 4 Buchstabe a.
Die Kommission legt dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht vor, der gegebenenfalls von einem Gesetzgebungsvorschlag begleitet wird.
(9) Die Mitgliedstaaten koordinieren ihre Maßnahmen zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen und tauschen bewährte Verfahren aus, unter anderem über die EU-Plattform für Lebensmittelverluste und -abfälle.
Fußnote(n):
- (1)
Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 671, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2013/1308/oj).
- (2)
Verordnung (EU) 2025/40 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 2024 über Verpackungen und Verpackungsabfälle, zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/1020 und der Richtlinie (EU) 2019/904 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 94/62/EG (
ABl. L, 2025/40, 22.1.2025, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2025/40/oj ).
Delegierter Beschluss (EU) 2019/1597 der Kommission vom 3. Mai 2019 zur Ergänzung der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf eine gemeinsame Methodik und Mindestqualitätsanforderungen für die einheitliche Messung des Umfangs von Lebensmittelabfällen (ABl. L 248 vom 27.9.2019, S. 77, ELI: http://data.europa.eu/eli/dec_del/2019/1597/oj).
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