Artikel 4 RL 2010/13/EU

(1) Die Mitgliedstaaten können Mediendiensteanbieter, die ihrer Rechtshoheit unterworfen sind, verpflichten, ausführlicheren oder strengeren Bestimmungen in den von dieser Richtlinie koordinierten Bereichen nachzukommen, sofern diese Bestimmungen mit dem Unionsrecht im Einklang stehen.

(2) Wenn ein Mitgliedstaat

a)
sein Recht nach Absatz 1 in Anspruch genommen hat, um im öffentlichen Interesse liegende ausführlichere oder strengere Bestimmungen zu erlassen, und
b)
zu dem Schluss gelangt, dass ein der Rechtshoheit eines anderen Mitgliedstaats unterworfener Mediendiensteanbieter einen audiovisuellen Mediendienst erbringt, der ganz oder vorwiegend auf sein Hoheitsgebiet ausgerichtet ist,

kann er den Mitgliedstaat, der die Rechtshoheit innehat, ersuchen, sich aller in Bezug auf diesen Absatz festgestellten Schwierigkeiten anzunehmen. Beide Mitgliedstaaten arbeiten ernsthaft und zügig zusammen, um zu einer beiderseits zufriedenstellenden Lösung zu gelangen.

Bei Eingang eines begründeten Ersuchens gemäß Unterabsatz 1 fordert der Mitgliedstaat, der die Rechtshoheit innehat, den Mediendiensteanbieter zur Einhaltung der betreffenden im öffentlichen Interesse liegenden Bestimmungen auf. Der Mitgliedstaat, der die Rechtshoheit innehat, unterrichtet den ersuchenden Mitgliedstaat regelmäßig darüber, welche Schritte unternommen wurden, um sich der festgestellten Schwierigkeiten anzunehmen. Der Mitgliedstaat, der die Rechtshoheit innehat, unterrichtet den ersuchenden Mitgliedstaat und die Kommission binnen zwei Monaten ab Eingang des Ersuchens darüber, welche Ergebnisse erzielt wurden, und erläutert, falls keine Lösung gefunden werden konnte, die Gründe dafür.

Jeder der beiden Mitgliedstaaten kann den Kontaktausschuss jederzeit um Prüfung des Falles ersuchen.

(3) Der betreffende Mitgliedstaat kann gegen den betreffenden Mediendiensteanbieter angemessene Maßnahmen ergreifen, wenn er

a)
zu dem Schluss gelangt, dass die durch Anwendung des Absatzes 2 erzielten Ergebnisse nicht zufriedenstellend sind, und
b)
Belege dafür vorgelegt hat, dass der betreffende Mediendiensteanbieter sich in dem Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit er unterworfen ist, niedergelassen hat, um die in den von dieser Richtlinie koordinierten Bereichen geltenden strengeren Bestimmungen zu umgehen, denen er im Falle der Niederlassung im betreffenden Mitgliedstaat unterliegen würde; anhand der Belege muss eine solche Umgehung nach vernünftigem Ermessen feststellbar sein, wobei ein Nachweis der Absicht des Mediendiensteanbieters, diese strengeren Bestimmungen zu umgehen, nicht erforderlich ist.

Diese Maßnahmen müssen objektiv notwendig sein, auf nichtdiskriminierende Weise angewandt werden sowie bezüglich der damit verfolgten Ziele verhältnismäßig sein.

(4) Ein Mitgliedstaat darf Maßnahmen gemäß Absatz 3 nur ergreifen, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

a)
Er hat der Kommission und dem Mitgliedstaat, in dem der Mediendiensteanbieter niedergelassen ist, seine Absicht mitgeteilt, derartige Maßnahmen zu ergreifen, und die Gründe dargelegt, auf die sich seine Beurteilung stützt;
b)
er hat die Verteidigungsrechte des betreffenden Mediendiensteanbieters gewahrt und diesem Mediendiensteanbieter insbesondere Gelegenheit gegeben, sich zu der behaupteten Umgehung und zu den vom mitteilenden Mitgliedstaat beabsichtigten Maßnahmen zu äußern; und
c)
die Kommission hat, nachdem sie bei der ERGA eine Stellungnahme gemäß Artikel 30b Absatz 3 Buchstabe d angefordert hat, entschieden, dass die Maßnahmen mit dem Unionsrecht vereinbar sind und dass insbesondere die Beurteilungen des Mitgliedstaats, der die Maßnahmen nach den Absätzen 2 und 3 dieses Artikels trifft, zutreffend begründet sind; die Kommission hält den Kontaktausschuss ordnungsgemäß informiert.

(5) Innerhalb von drei Monaten, nachdem die Kommission die in Absatz 4 Buchstabe a genannte Mitteilung erhalten hat, trifft die Kommission die Entscheidung über die Vereinbarkeit dieser Maßnahmen mit dem Unionsrecht. Entscheidet die Kommission, dass die Maßnahmen nicht mit Unionsrecht vereinbar sind, so fordert sie den betreffenden Mitgliedstaat auf, die beabsichtigten Maßnahmen nicht zu ergreifen.

Fehlen der Kommission die zu der Entscheidung gemäß Unterabsatz 1 notwendigen Informationen, fordert sie bei dem betreffenden Mitgliedstaat innerhalb eines Monats nach Eingang der Mitteilung alle für die Entscheidung notwendigen Informationen an. Die Frist für die Beschlussfassung durch die Kommission wird so lange ausgesetzt, bis dieser Mitgliedstaat die notwendigen Informationen beigebracht hat. Die Fristaussetzung überschreitet in keinem Fall die Dauer von einem Monat.

(6) Die Mitgliedstaaten sorgen mit angemessenen Mitteln im Rahmen ihres nationalen Rechts dafür, dass die ihrer Rechtshoheit unterworfenen Mediendiensteanbieter diese Richtlinie tatsächlich einhalten.

(7) Die Richtlinie 2000/31/EG findet Anwendung, soweit in der vorliegenden Richtlinie nichts anderes vorgesehen ist. Im Falle einer Kollision zwischen der Richtlinie 2000/31/EG und der vorliegenden Richtlinie sind die Bestimmungen der vorliegenden Richtlinie maßgeblich, sofern in der vorliegenden Richtlinie nichts anderes vorgesehen ist.

© Europäische Union 1998-2021

Tipp: Verwenden Sie die Pfeiltasten der Tastatur zur Navigation zwischen Normen.