Artikel 11 RL 2011/36/EU

Unterstützung und Betreuung von Opfern des Menschenhandels

(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Opfer vor, während sowie für einen angemessenen Zeitraum nach Abschluss des Strafverfahrens spezialisierte Unterstützung und Betreuung im Rahmen eines auf die Opfer ausgerichteten, geschlechtersensiblen, behinderten- und kindgerechten Ansatzes erhalten, damit sie in der Lage sind, die in der Richtlinie 2012/29/EU des Europäischen Parlaments und des Rates(1) und in der vorliegenden Richtlinie festgelegten Rechte in Anspruch zu nehmen.

(2) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass eine Person Unterstützung und Betreuung erhält, sobald den zuständigen Behörden berechtigte Gründe für die Annahme vorliegen, dass gegen diese Person eine der Straftaten gemäß Artikel 2 und 3 verübt worden sein könnte.

(3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Unterstützung und Betreuung eines Opfers nicht von dessen Bereitschaft, bei den strafrechtlichen Ermittlungen, der strafrechtlichen Verfolgung oder beim Gerichtsverfahren zu kooperieren, abhängig gemacht wird, unbeschadet der Richtlinie 2004/81/EG oder vergleichbarer nationaler Vorschriften.

(4) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um in Zusammenarbeit mit den einschlägigen Opferbetreuungsorganisationen im Rahmen von Gesetzen, Regelungen oder Verwaltungsvorschriften einen oder mehrere Mechanismen für die frühzeitige Erkennung und Identifizierung, Unterstützung und Betreuung identifizierter und mutmaßlicher Opfer einzurichten und eine Kontaktstelle für die grenzüberschreitende Verweisung der Opfer zu benennen.

Die gemäß diesem Absatz eingesetzten Verweisungsmechanismen haben unter anderem mindestens die folgenden Aufgaben:

a)
Festlegung von Mindeststandards für die Erkennung und frühzeitige Identifizierung von Opfern und Anpassung der Verfahren für diese Erkennung und frühzeitige Identifizierung an die verschiedenen Formen von Ausbeutung gemäß dieser Richtlinie;
b)
Verweisen der Opfer an die am besten geeignete Unterstützung und Betreuung;
c)
Erstellen von Kooperationsvereinbarungen oder Protokollen mit den Asylbehörden, um sicherzustellen, dass Opfern von Menschenhandel, die auch internationalen Schutz benötigen oder die internationalen Schutz beantragen wollen, Unterstützung, Betreuung und Schutz gewährt wird, wobei die individuellen Umstände des Opfers zu berücksichtigen sind.

(5) Die Unterstützungs- und Betreuungsmaßnahmen im Sinne der Absätze 1 und 2 werden bereitgestellt, nachdem die Opfer über die Maßnahmen aufgeklärt wurden und dazu ihr Einverständnis gegeben haben, und umfassen mindestens die Mittel zur Sicherstellung des Lebensunterhalts der Opfer durch Maßnahmen wie die Bereitstellung einer geeigneten und sicheren Unterbringung, einschließlich Schutzunterkünfte und sonstige geeignete vorläufige Unterbringungen, und materielle Unterstützung, sowie die notwendigen medizinischen Behandlungen, einschließlich psychologischer Hilfe, Beratung und Information, sowie bei Bedarf Übersetzungs- und Dolmetschleistungen.

(5a) Die Schutzunterkünfte und andere geeignete vorläufige Unterbringungen nach Absatz 5 werden in ausreichender Anzahl bereitgestellt, und sie sind für mutmaßliche und identifizierte Opfer von Menschenhandel leicht zugänglich. Die Schutzunterkünfte und anderen geeigneten vorläufigen Unterbringungen unterstützen diese bei ihrer Erholung, indem sie ihnen angemessene und geeignete Lebensbedingungen im Hinblick auf eine Rückkehr in ein eigenständiges Leben bieten. Sie sind ferner so auszustatten, dass sie den besonderen Bedürfnissen von Kindern, auch von Opfern im Kindesalter, gerecht werden.

(6) Die Informationen nach Absatz 5 umfassen, soweit von Belang, Informationen über eine Bedenk- und Erholungszeit nach der Richtlinie 2004/81/EG und Informationen über die Möglichkeit der Zuerkennung internationalen Schutzes nach der Verordnung (EU) 2024/1347(2) und der Verordnung (EU) 2024/1348 des Europäischen Parlaments und des Rates(3) oder entsprechend anderen internationalen Rechtsinstrumenten oder vergleichbaren nationalen Vorschriften.

(7) Dabei schenken die Mitgliedstaaten Opfern mit besonderen Bedürfnissen besondere Beachtung, wenn diese besonderen Bedürfnisse sich insbesondere aus der Möglichkeit einer Schwangerschaft, ihrem Gesundheitszustand, einer Behinderung, einer geistigen oder psychischen Störungen oder aus anderen schwerwiegenden Formen der psychologischen, körperlichen oder sexuellen Gewalt, denen sie ausgesetzt waren, herleiten.

Fußnote(n):

(1)

Richtlinie 2012/29/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI (ABl. L 315 vom 14.11.2012, S. 57).

(2)

Verordnung (EU) 2024/1347 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Mai 2024 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes sowie zur Änderung der Richtlinie 2003/109/EG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L, 2024/1347, 22.5.2024, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2024/1347/oj).

(3)

Verordnung (EU) 2024/1348 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Mai 2024 zur Einführung eines gemeinsamen Verfahrens zur Gewährung internationalen Schutzes in der Union und zur Aufhebung der Richtlinie 2013/32/EU (ABl. L, 2024/1348, 22.5.2024, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2024/1348/oj)

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