Artikel 6 RL 2014/104/EU

Offenlegung von Beweismitteln, die in den Akten einer Wettbewerbsbehörde enthalten sind

(1) Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass bei einer von den nationalen Gerichten für die Zwecke von Schadensersatzklagen angeordneten Offenlegung von Beweismitteln, die in den Akten einer Wettbewerbsbehörde enthalten sind, neben Artikel 5 dieser Artikel gilt.

(2) Dieser Artikel berührt nicht die Vorschriften und Anwendungspraxis bezüglich des Zugangs der Öffentlichkeit zu Dokumenten nach der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001.

(3) Dieser Artikel berührt weder die nach Unionsrecht oder nationalem Recht geltenden Vorschriften noch die geltende Anwendungspraxis im Bereich des Schutzes der internen Unterlagen von Wettbewerbsbehörden und des Schriftverkehrs zwischen Wettbewerbsbehörden.

(4) Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Anordnung zur Offenlegung von Informationen gemäß Artikel 5 Absatz 3 berücksichtigen die nationalen Gerichte zusätzlich:

a)
ob der Antrag eigens hinsichtlich Art, Gegenstand oder Inhalt der der Wettbewerbsbehörde übermittelten oder in deren Akten enthaltenen Unterlagen und nicht unspezifisch in Bezug auf die der Wettbewerbsbehörde übermittelten Unterlagen formuliert wurde,
b)
ob die Partei, die die Offenlegung beantragt, diesen Antrag im Rahmen einer Schadensersatzklage vor einem nationalen Gericht stellt, und
c)
im Zusammenhang mit den Absätzen 5 und 10 oder auf Antrag einer Wettbewerbsbehörde nach Absatz 11 die Notwendigkeit, die Wirksamkeit der öffentlichen Durchsetzung des Wettbewerbsrechts zu wahren.

(5) Die nationalen Gerichte dürfen die Offenlegung der folgenden Kategorien von Beweismitteln erst dann anordnen, wenn eine Wettbewerbsbehörde ihr Verfahren durch Erlass einer Entscheidung oder in anderer Weise beendet hat:

a)
Informationen, die von einer natürlichen oder juristischen Person eigens für das wettbewerbsbehördliche Verfahren erstellt wurden,
b)
Informationen, die die Wettbewerbsbehörde im Laufe ihres Verfahrens erstellt und den Parteien übermittelt hat, und
c)
Vergleichsausführungen, die zurückgezogen wurden.

(6) Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die nationalen Gerichte für die Zwecke von Schadensersatzklagen zu keinem Zeitpunkt die Offenlegung der folgenden Beweismittelarten durch eine Partei oder einen Dritten anordnen können:

a)
Kronzeugenerklärungen und
b)
Vergleichsausführungen.

(7) Ein Kläger kann einen begründeten Antrag stellen, dass ein nationales Gericht die in Absatz 6 Buchstaben a und b genannten Beweismittel nur einsieht, um sich zu überzeugen, dass der Inhalt der Unterlagen den in Artikel 2 Nummern 16 und 18 enthaltenen Begriffsbestimmungen entspricht. Bei dieser Beurteilung können die nationalen Gerichte nur die zuständige Wettbewerbsbehörde um Unterstützung bitten. Die Verfasser der betreffenden Beweismittel können auch Gelegenheit zur Anhörung erhalten. Das Gericht darf auf keinen Fall den anderen Parteien oder Dritten Zugang zu diesen Beweismitteln gewähren.

(8) Soweit nur Teile der angeforderten Beweismittel unter Absatz 6 fallen, werden die übrigen Teile je nach Kategorie gemäß den einschlägigen Absätzen dieses Artikels freigegeben.

(9) Unbeschadet dieses Artikels kann die Offenlegung von Beweismitteln in den Akten einer Wettbewerbsbehörde, die nicht unter eine der in diesem Artikel aufgeführten Kategorien fallen, in Verfahren über Schadensersatzklagen jederzeit angeordnet werden.

(10) Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die nationalen Gerichte die Offenlegung von Beweismitteln, die in den Akten der Wettbewerbsbehörde enthalten sind, nur dann bei der Wettbewerbsbehörde beantragen, wenn die Beweismittel nicht mit zumutbarem Aufwand von einer anderen Partei oder von Dritten erlangt werden können.

(11) Möchte eine Wettbewerbsbehörde vor Gericht ihre Ansichten über die Verhältnismäßigkeit von Offenlegungsanträgen darlegen, so kann sie von sich aus dem nationalen Gericht, bei dem um Offenlegung angesucht wird, Bemerkungen vorlegen.

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