Präambel RL 2014/107/EU
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 115,
auf Vorschlag der Europäischen Kommission,
nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,
nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments,
nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(1),
gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren,
in Erwägung nachstehender Gründe:
- (1)
- In den letzten Jahren haben sich grenzüberschreitender Steuerbetrug und grenzüberschreitende Steuerhinterziehung zu einer erheblichen Herausforderung entwickelt und sind in der Europäischen Union sowie weltweit in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Nationale Steuereinahmen werden durch nicht gemeldete und nicht besteuerte Einkünfte beträchtlich geschmälert. Daher muss die Steuererhebung effizienter und wirksamer werden. Der automatische Austausch von Informationen ist in dieser Hinsicht ein wichtiges Instrument, und die Kommission hat in ihrer Mitteilung vom 6. Dezember 2012 mit einem Aktionsplan zur Verstärkung der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung betont, dass der automatische Austausch von Informationen als künftiger europäischer und internationaler Standard für Transparenz und Informationsaustausch in Steuerfragen nachdrücklich gefördert werden muss.
- (2)
- Die Bedeutung des automatischen Austauschs von Informationen zur Bekämpfung von grenzüberschreitendem Steuerbetrug und grenzüberschreitender Steuerhinterziehung wurde vor kurzem auch auf internationaler Ebene anerkannt (G20 und G8). Im Anschluss an die Verhandlungen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und verschiedenen anderen Ländern — einschließlich aller Mitgliedstaaten — über bilaterale Vereinbarungen in Bezug auf den automatischen Informationsaustausch zur Umsetzung des US-amerikanischen Gesetzes „Foreign Account Tax Compliance Act” (üblicherweise als „FATCA” bezeichnet) wurde die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) von der G20 beauftragt, auf der Grundlage dieser Vereinbarungen einen einheitlichen globalen Standard für den automatischen Informationsaustausch in Steuerfragen zu erarbeiten.
- (3)
- Der Europäische Rat forderte am 22. Mai 2013, den automatischen Informationsaustausch auf der Unionsebene und weltweit zu erweitern, um Steuerbetrug, Steuerhinterziehung und aggressive Steuerplanung einzudämmen. Der Europäische Rat begrüßte auch die Anstrengungen zur Erarbeitung eines globalen Standards für den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten in Steuersachen, die derzeit im Rahmen der G20, der G8 und der OECD unternommen werden.
- (4)
- Die OECD hat im Februar 2014 die wichtigsten Eckpunkte des globalen Standards für den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten in Steuersachen veröffentlicht, nämlich ein Muster für eine Vereinbarung zwischen zuständigen Behörden, und einen gemeinsamen Meldestandard, die anschließend von den Finanzministern und Zentralbankgouverneuren der G20 gebilligt wurden. Im Juli 2014 hat die OECD den gesamten globalen Standard, einschließlich der verbleibenden Elemente, nämlich der Kommentare zum Muster für eine Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden und zum gemeinsamen Meldestandard und die Modalitäten für die Informationstechnik zur Umsetzung des globalen Standards, veröffentlicht. Das gesamte Paket zum globalen Standard wurde im September 2014 von den Finanzministern und Zentralbankgouverneuren der G20 gebilligt.
- (5)
- Die Richtlinie 2011/16/EU des Rates(2) sieht für bestimmte Arten von Einkünften und Vermögen überwiegend nicht finanzieller Art, über die Steuerpflichtige in anderen Mitgliedstaaten als ihrem Ansässigkeitsstaat verfügen, bereits einen verpflichtenden automatischen Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten vor. Des Weiteren führt sie ein schrittweises Vorgehen ein, um den automatischen Informationsaustausch durch die stufenweise Ausdehnung auf weitere Arten von Einkünften und Vermögen zu verstärken, und schafft die Bedingung ab, dass nur verfügbare Informationen auszutauschen sind. Angesichts der zunehmenden Möglichkeiten für Investitionen im Ausland in eine große Vielfalt von Finanzprodukten haben die bestehenden Instrumente der Union und der internationalen Verwaltungszusammenarbeit im Bereich der Besteuerung an Wirksamkeit bei der Bekämpfung von grenzüberschreitendem Steuerbetrug und grenzüberschreitender Steuerhinterziehung verloren.
- (6)
- Wie der Europäische Rat in seiner Aufforderung betont hat, ist es angebracht, die bereits in Artikel 8 Absatz 5 der Richtlinie 2011/16/EU vorgesehene Erweiterung des automatischen Informationsaustauschs in Bezug auf in anderen Mitgliedstaaten ansässige Personen voranzubringen. Eine Initiative der Union wird ein kohärentes, einheitliches und umfassendes unionsweites Konzept für den automatischen Informationsaustausch im Binnenmarkt gewährleisten, wodurch die Kosten für Steuerverwaltungen und Wirtschaftsbeteiligte sinken würden.
- (7)
- Die Tatsache, dass Mitgliedstaaten mit den Vereinigten Staaten von Amerika Abkommen bezüglich des FATCA geschlossen haben oder in Kürze schließen werden, bedeutet, dass sie eine umfassendere Zusammenarbeit im Sinne des Artikels 19 der Richtlinie 2011/16/EU eingehen oder eingehen werden, und verpflichtet sind oder sein werden, auch mit anderen Mitgliedstaaten eine solche umfassendere Zusammenarbeit einzugehen.
- (8)
- Der Abschluss paralleler und unkoordinierter Abkommen durch Mitgliedstaaten nach Artikel 19 der Richtlinie 2011/16/EU könnte zu Wettbewerbsverzerrungen führen, die dem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts abträglich wären. Durch einen erweiterten automatischen Informationsaustausch auf der Grundlage eines Rechtsinstruments der Union entfiele für die Mitgliedstaaten die Notwendigkeit, sich auf diesen Artikel zu berufen, um in der Sache bilaterale oder multilaterale Abkommen abzuschließen, die aufgrund des Fehlens einschlägiger Rechtsvorschriften der Union für angebracht erachtet werden können.
- (9)
- Um die Kosten und die Verwaltungslasten sowohl für Steuerverwaltungen als auch für Wirtschaftsbeteiligte gering zu halten, ist es auch unabdingbar zu gewährleisten, dass der erweiterte Geltungsbereich des automatischen Informationsaustauschs innerhalb der Union im Einklang mit internationalen Entwicklungen steht. Um dieses Ziel zu erreichen, sollten die Mitgliedstaaten ihre FINANZINSTITUTE verpflichten, Melde- und Sorgfaltsvorschriften anzuwenden, die mit denen des gemeinsamen Meldestandards der OECD uneingeschränkt in Einklang stehen. Außerdem sollte der Geltungsbereich des Artikels 8 der Richtlinie 2011/16/EU erweitert werden, um dieselben Informationen aufzunehmen, die im Muster für eine Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden und im gemeinsamen Meldestandard der OECD enthalten sind. Voraussichtlich würde jeder Mitgliedstaat nur eine einzige Liste mit innerstaatlich definierten nicht MELDENDEN FINANZINSTITUTEN und AUSGENOMMENEN KONTEN führen, die er sowohl für die Umsetzung dieser Richtlinie als auch die Anwendung anderer Vereinbarungen zur Umsetzung des globalen Standards heranziehen würde.
- (10)
- Mit den von dieser Richtlinie erfassten Kategorien MELDENDER FINANZINSTITUTE und MELDEPFLICHTIGER KONTEN sollen die Möglichkeiten der Steuerpflichtigen eingeschränkt werden, die Meldung zu vermeiden, indem sie Vermögen auf FINANZINSTITUTE verlagern oder in Finanzprodukte investieren, die nicht in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fallen. Allerdings sollten einige FINANZINSTITUTE und Konten, bei denen ein geringes Risiko besteht, dass sie zur Steuerhinterziehung missbraucht werden, vom Geltungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen werden. Es sollten allgemein keine Mindestbeträge in diese Richtlinie aufgenommen werden, da diese leicht umgangen werden könnten, indem Konten auf verschiedene FINANZINSTITUTE aufgeteilt werden. Die Finanzinformationen, die gemeldet und ausgetauscht werden müssen, sollten nicht nur die entsprechenden Einkünfte (Zinsen, Dividenden und ähnliche Einkünfte), sondern auch Kontosalden und Erlöse aus der Veräußerung von FINANZVERMÖGEN betreffen, um Situationen Rechnung zu tragen, in denen ein Steuerpflichtiger Kapital zu verstecken versucht, das selbst Einkünfte oder Vermögen darstellt, die bzw. das Gegenstand einer Steuerhinterziehung sind bzw. ist. Daher ist die Verarbeitung von Informationen im Rahmen dieser Richtlinie notwendig und verhältnismäßig, damit die Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten die betreffenden Steuerpflichtigen korrekt und zweifelsfrei ermitteln, ihr Steuerrecht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten anwenden und durchsetzen, die Wahrscheinlichkeit einer vorliegenden Steuerhinterziehung beurteilen und unnötige weitere Untersuchungen vermeiden können.
- (11)
- MELDENDE FINANZINSTITUTE könnten ihren Informationspflichten gegenüber natürlichen MELDEPFLICHTIGEN PERSONEN erfüllen, indem sie die Modalitäten der Übermittlung, einschließlich der Häufigkeit der Übermittlung, befolgen, die in ihren internen Verfahren im Einklang mit ihrem innerstaatlichen Recht vorgesehen sind.
- (12)
- MELDENDE FINANZINSTITUTE, übermittelnde Mitgliedstaaten und empfangende Mitgliedstaaten sollten in ihrer Eigenschaft als für die Verarbeitung Verantwortliche im Einklang mit dieser Richtlinie verarbeiteten Informationen nicht länger aufbewahren, als dies für die Zwecke dieser Richtlinie erforderlich ist. Angesichts der unterschiedlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten sollte die maximale Vorhaltezeit unter Zugrundelegung der im innerstaatlichen Steuerrecht der einzelnen für die Verarbeitung Verantwortlichen vorgesehenen Verjährungsfristen festgelegt werden.
- (13)
- Bei der Umsetzung dieser Richtlinie sollten die Mitgliedstaaten die von der OECD ausgearbeiteten Kommentare zum Muster für eine Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden und zum gemeinsamen Meldestandard als Referenz oder zur Auslegung sowie zur Gewährleistung der einheitlichen Anwendung in allen Mitgliedstaaten verwenden. Die Maßnahmen der Union in diesem Bereich sollten auch weiterhin insbesondere künftigen Entwicklungen auf OECD-Ebene Rechnung tragen.
- (14)
- Die Bedingung, dass der automatische Informationsaustausch gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 2011/16/EU von der Verfügbarkeit der angeforderten Information abhängt, sollte für die neuen Posten, die mit dieser Richtlinie in die Richtlinie 2011/16/EU eingefügt werden, nicht gelten.
- (15)
- Die Bezugnahme auf einen Mindestbetrag in Artikel 8 Absatz 3 der Richtlinie 2011/16/EU sollte entfallen, da eine solche Schwelle in der Praxis wohl nicht durchführbar ist.
- (16)
- Die für 2017 vorgesehene Überprüfung der Bedingung, dass die Informationen verfügbar sein müssen, sollte auf alle fünf in Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 2011/16/EU genannten Kategorien ausgedehnt werden, damit die Stichhaltigkeit des Informationsaustauschs durch alle Mitgliedstaaten zu diesen Arten von Einkünften und Vermögen geprüft werden könnte.
- (17)
- Diese Richtlinie steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden, darunter auch mit dem Recht auf den Schutz personenbezogener Daten.
- (18)
- Da das Ziel dieser Richtlinie, nämlich die wirksame Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten unter Bedingungen, die mit dem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts vereinbar sind, von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann und sondern vielmehr wegen der erforderlichen Einheitlichkeit und Wirksamkeit auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das zur Verwirklichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.
- (19)
- In Anbetracht bestehender struktureller Unterschiede sollte es Österreich gestattet sein, im Rahmen dieser Richtlinie Informationen erstmals zum 30. September 2018 anstatt zum 30. September 2017 auszutauschen.
- (20)
- Die Richtlinie 2011/16/EU sollte daher entsprechend geändert werden —
HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
Fußnote(n):
- (1)
ABl. C 67 vom 6.3.2014, S. 68.
- (2)
Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG (ABl. L 64 vom 11.3.2011, S. 1).
© Europäische Union 1998-2021
Tipp: Verwenden Sie die Pfeiltasten der Tastatur zur Navigation zwischen Normen.