Artikel 22 RL 2014/24/EU
Vorschriften über die Kommunikation
(1) Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die gesamte Kommunikation und der gesamte Informationsaustausch nach dieser Richtlinie, insbesondere die elektronische Einreichung von Angeboten, unter Anwendung elektronischer Kommunikationsmittel gemäß den Anforderungen dieses Artikels erfolgen. Die für die elektronische Kommunikation zu verwendenden Instrumente und Vorrichtungen sowie ihre technischen Merkmale müssen nichtdiskriminierend und allgemein verfügbar sowie mit den allgemein verbreiteten Erzeugnissen der IKT kompatibel sein und dürfen den Zugang der Wirtschaftsteilnehmer zum Vergabeverfahren nicht einschränken.
Ungeachtet des Unterabsatzes 1 sind die öffentlichen Auftraggeber in folgenden Fällen nicht verpflichtet, elektronische Kommunikationsmittel bei der Einreichung von Angeboten zu verlangen:
- a)
- Aufgrund der besonderen Art der Auftragsvergabe würde die Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel spezifische Instrumente, Vorrichtungen oder Dateiformate erfordern, die nicht allgemein verfügbar sind oder nicht von allgemein verfügbaren Anwendungen unterstützt werden.
- b)
- Die Anwendungen, die Dateiformate unterstützen, die sich für die Beschreibung der Angebote eignen, verwenden Dateiformate, die nicht mittels anderer offener oder allgemein verfügbarer Anwendungen verarbeitet werden können, oder sind durch Lizenzen geschützt und können vom öffentlichen Auftraggeber nicht für das Herunterladen oder einen Fernzugang zur Verfügung gestellt werden.
- c)
- Die Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel würde spezielle Bürogeräte erfordern, die öffentlichen Auftraggebern nicht generell zur Verfügung stehen.
- d)
- In den Auftragsunterlagen wird die Einreichung von physischen oder maßstabsgetreuen Modellen verlangt, die nicht elektronisch übermittelt werden können.
Bei Kommunikationsvorgängen, bei denen nach Unterabsatz 2 elektronische Kommunikationsmittel nicht genutzt werden, erfolgt die Kommunikation per Post oder einem anderen geeigneten Weg oder durch eine Kombination aus Post oder einem anderen geeigneten Weg und elektronischen Mitteln.
Ungeachtet des Unterabsatzes 1 des vorliegenden Absatzes sind öffentliche Auftraggeber nicht verpflichtet, die Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel im Einreichungsverfahren zu verlangen, insofern die Verwendung anderer als elektronischer Kommunikationsmittel entweder aufgrund einer Verletzung der Sicherheit der elektronischen Kommunikationsmittel oder zum Schutz der besonderen Empfindlichkeit von Informationen erforderlich ist, die ein derart hohes Schutzniveau verlangen, dass dieser nicht angemessen durch die Nutzung elektronischer Instrumente und Vorrichtungen gewährleistet werden kann, die entweder den Wirtschaftsteilnehmern allgemein zur Verfügung stehen oder ihnen durch alternative Zugangsmittel im Sinne des Absatzes 5 zur Verfügung gestellt werden können.
Es obliegt den öffentlichen Auftraggebern, die gemäß Unterabsatz 2 des vorliegenden Absatzes andere als elektronische Kommunikationsmittel im Einreichungsverfahren verlangen, in dem Vergabevermerk gemäß Artikel 84 die Gründe dafür anzugeben. Gegebenenfalls müssen die öffentlichen Auftraggeber in dem Vergabevermerk die Gründe dafür angeben, dass die Verwendung anderer als elektronischer Kommunikationsmittel in Anwendung des Unterabsatzes 4 des vorliegenden Absatzes für erforderlich erachtet wurde.
(2) Ungeachtet des Absatzes 1 kann die Kommunikation mündlich erfolgen, sofern die Kommunikation keine wesentlichen Bestandteile eines Vergabeverfahrens betrifft und sofern der Inhalt der mündlichen Kommunikation ausreichend dokumentiert wird. Zu diesem Zweck umfassen die wesentlichen Bestandteile eines Vergabeverfahrens die Auftragsunterlagen, Teilnahmeanträge, Interessensbestätigungen und Angebote. Insbesondere muss die mündliche Kommunikation mit Bietern, die einen wesentlichen Einfluss auf den Inhalt und die Bewertung des Angebots haben könnte, in hinreichendem Umfang und in geeigneter Weise dokumentiert werden, z. B. durch Niederschrift oder Tonaufzeichnungen oder Zusammenfassungen der wichtigsten Elemente der Kommunikation.
(3) Bei der gesamten Kommunikation sowie beim Austausch und der Speicherung von Informationen stellen die öffentlichen Auftraggeber sicher, dass die Integrität der Daten und die Vertraulichkeit der Angebote und der Teilnahmeanträge gewährleistet ist. Sie überprüfen den Inhalt der Angebote und der Teilnahmeanträge erst nach Ablauf der Frist für ihre Einreichung.
(4) Für öffentliche Bauaufträge und Wettbewerbe können die Mitgliedstaaten die Nutzung spezifischer elektronischer Instrumente, wie z. B. elektronischer Instrumente für die Gebäudedatenmodellierung oder dergleichen, verlangen. In diesem Fall bieten die öffentlichen Auftraggeber alternative Zugänge gemäß Absatz 5 bis zu dem Zeitpunkt, zu dem diese Instrumente im Sinne von Absatz 1 Unterabsatz 1 Satz 2 allgemein zur Verfügung stehen.
(5) Öffentliche Auftraggeber können erforderlichenfalls die Verwendung von Instrumenten und Vorrichtungen vorschreiben, die nicht allgemein verfügbar sind, sofern die öffentlichen Auftraggeber einen alternativen Zugang bieten.
In allen nachfolgend genannten Situationen wird davon ausgegangen, dass öffentliche Auftraggeber geeignete alternative Zugänge anbieten, wenn sie
- a)
- ab dem Datum der Veröffentlichung der Bekanntmachung gemäß Anhang VIII oder ab dem Versanddatum der Aufforderung zur Interessensbestätigung unentgeltlich einen uneingeschränkten und vollständigen direkten Zugang anhand elektronischer Mittel zu diesen Instrumenten und Vorrichtungen anbieten. Der Text der Bekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung muss die Internet-Adresse, über die diese Instrumente und Vorrichtungen zugänglich sind, enthalten;
- b)
- gewährleisten, dass Bieter ohne Zugang zu den betreffenden Instrumenten und Vorrichtungen und ohne Möglichkeit, diese innerhalb der einschlägigen Fristen zu beschaffen, sofern das Fehlen des Zugangs nicht dem betreffenden Bieter zuzuschreiben ist, Zugang zum Vergabeverfahren mittels provisorischer Token haben, die online unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden; oder
- c)
- einen alternativen Kanal für die elektronische Einreichung von Angeboten unterstützen.
(6) Zusätzlich zu den Anforderungen des Anhangs IV gelten für die Instrumente und Vorrichtungen zur elektronischen Übermittlung und für den elektronischen Eingang von Angeboten sowie für die Instrumente und Vorrichtungen für den elektronischen Eingang der Teilnahmeanträge die folgenden Vorschriften:
- a)
- Die Informationen über die Spezifikationen für die elektronische Einreichung der Angebote und Teilnahmeanträge, einschließlich Verschlüsselung und Zeitstempelung, müssen den Interessenten zugänglich sein.
- b)
- Die Mitgliedstaaten oder die öffentlichen Auftraggeber, die innerhalb eines von dem betreffenden Mitgliedstaat festgelegten Rahmenkonzepts handeln, legen das für die elektronischen Kommunikationsmittel in den verschiedenen Phasen des jeweiligen Vergabeverfahrens erforderliche Sicherheitsniveau fest; dieses Niveau steht im Verhältnis zu den verbundenen Risiken.
- c)
-
Für den Fall, dass Mitgliedstaaten oder öffentliche Auftraggeber, die innerhalb eines von dem betreffenden Mitgliedstaat festgelegten Rahmenkonzepts handeln, zu dem Schluss gelangen, dass das gemäß Buchstabe b des vorliegenden Absatzes eingeschätzte Risikoniveau dergestalt ist, dass fortgeschrittene elektronische Signaturen im Sinne der Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(1) erforderlich sind, akzeptieren die öffentlichen Auftraggeber fortgeschrittene elektronische Signaturen, die sich auf ein qualifiziertes Zertifikat stützen, wobei berücksichtigt wird, ob diese Zertifikate von einem Zertifizierungsdiensteanbieter angeboten werden, der auf einer Vertrauensliste gemäß dem Beschluss 2009/767/EG der Kommission(2) geführt wird, die mit oder ohne sichere Signaturerstellungseinheit erstellt werden, sofern die folgenden Bedingungen eingehalten werden:
- i)
-
die öffentlichen Auftraggeber müssen das geforderte Format der fortgeschrittenen Signatur auf der Grundlage der im Beschluss 2011/130/EU der Kommission(3) festgelegten Formate erstellen und die erforderlichen Maßnahmen treffen, um diese Formate technisch bearbeiten zu können; wird eine elektronische Signatur in einem anderen Format verwendet, muss die elektronische Signatur oder der elektronische Dokumententräger Informationen über die bestehenden Validierungsmöglichkeiten enthalten; zuständig hierfür ist der Mitgliedstaat. Die Validierungsmöglichkeiten müssen es dem öffentlichen Auftraggeber erlauben, die erhaltene elektronische Signatur online, kostenlos und in einer für Nichtmuttersprachler verständlichen Weise als fortgeschrittene elektronische Signatur, die durch ein qualifiziertes Zertifikat unterstützt ist, zu validieren.
Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission Informationen über den Erbringer der Validierungsdienste; die Kommission macht die von den Mitgliedstaaten erhaltenen Informationen dann im Internet öffentlich zugänglich;
- ii)
- wird ein Angebot mit einem auf einer Vertrauensliste registrierten qualifizierten Zertifikat unterzeichnet, so schreiben die öffentlichen Auftraggeber keine zusätzlichen Anforderungen fest, die die Bieter an der Verwendung dieser Signaturen hindern.
In Bezug auf im Rahmen eines Vergabeverfahrens verwendete Dokumente, die durch eine zuständige Behörde eines Mitgliedstaats oder durch eine andere ausstellende Stelle unterzeichnet sind, kann die zuständige ausstellende Behörde oder Stelle das geforderte Format der fortgeschrittenen Signatur gemäß den Anforderungen in Artikel 1 Absatz 2 des Beschlusses 2011/130/EU festlegen. Sie ergreift die Maßnahmen, die erforderlich sind, damit diese Formate technisch verarbeitet werden können, indem sie die für die Verarbeitung der Signatur erforderlichen Informationen in das betreffende Dokument aufnimmt. Diese Dokumente müssen in der elektronischen Signatur oder im elektronischen Dokumententräger Informationen über die bestehenden Validierungsmöglichkeiten enthalten, die es erlauben, die erhaltene elektronische Signatur online, kostenlos und in einer für Nichtmuttersprachler verständlichen Weise zu validieren.
(7) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 87 delegierte Rechtsakte im Hinblick auf die Änderung der technischen Einzelheiten und Merkmale des Anhangs IV zu erlassen, um technischen Entwicklungen Rechnung zu tragen.
Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 87 delegierte Rechtsakte im Hinblick auf die Änderung der Liste in Absatz 1 Unterabsatz 2 Buchstaben a bis d des vorliegenden Artikels zu erlassen, wenn technische Entwicklungen weiter bestehende Ausnahmen von der Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel unangemessen erscheinen lassen oder — in Ausnahmefällen — wenn aufgrund technischer Entwicklungen neue Ausnahmen vorgesehen werden müssen.
Um die Interoperabilität technischer Formate sowie der Standards für die Verfahren und Mitteilungen vor allem auch im grenzüberschreitenden Zusammenhang zu gewährleisten, wird der Kommission die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 87 delegierte Rechtsakte im Hinblick auf die zwingende Anwendung solcher technischen Standards zu erlassen; dies gilt insbesondere hinsichtlich der elektronischen Einreichung von Unterlagen, der elektronischen Kataloge und der Mittel für die elektronische Authentifizierung, jedoch nur dann, wenn die technischen Standards gründlich erprobt wurden und ihre Praxistauglichkeit unter Beweis gestellt wurde. Bevor ein technischer Standard vorgeschrieben wird, prüft die Kommission auch sorgfältig die damit gegebenenfalls verbundenen Kosten, insbesondere hinsichtlich eventuell erforderlicher Anpassungen bestehender Lösungen für das elektronische Beschaffungswesen, einschließlich Infrastrukturen, Verfahren oder Software.
Fußnote(n):
- (1)
Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen (ABl. L 13 vom 19.1.2000, S. 12).
- (2)
2009/767/EG: Entscheidung der Kommission vom 16. Oktober 2009 über Maßnahmen zur Erleichterung der Nutzung elektronischer Verfahren über „einheitliche Ansprechpartner” gemäß der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. L 274 vom 20.10.2009, S. 36).
- (3)
2011/130/EU: Beschluss der Kommission vom 25. Februar 2011 über Mindestanforderungen für die grenzüberschreitende Verarbeitung von Dokumenten, die gemäß der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt von zuständigen Behörden elektronisch signiert worden sind (ABl. L 53 vom 26.2.2011, S. 66).
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