Artikel 32 BRRD (RL 2014/59/EU)

Voraussetzungen für eine Abwicklung

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Abwicklungsbehörden nur dann eine Abwicklungsmaßnahme in Bezug auf ein Institut im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a treffen, wenn die Abwicklungsbehörde der Ansicht ist, dass alle im Folgenden genannten Voraussetzungen erfüllt sind:

a)
Die zuständige Behörde hat nach Anhörung der Abwicklungsbehörde bzw. — unter den Voraussetzungen nach Absatz 2 — die Abwicklungsbehörde hat nach Anhörung der zuständigen Behörde festgestellt, dass das Institut ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt.
b)
Bei Berücksichtigung zeitlicher Zwänge und anderer relevanter Umstände besteht nach vernünftigem Ermessen keine Aussicht, dass der Ausfall des Instituts innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens durch alternative Maßnahmen der Privatwirtschaft, darunter Maßnahmen im Rahmen von institutsbezogenen Sicherungssystemen, oder der Aufsichtsbehörden, darunter Frühinterventionsmaßnahmen oder die Herabschreibung oder Umwandlung relevanter Kapitalinstrumente und berücksichtigungsfähiger Verbindlichkeiten gemäß Artikel 59 Absatz 2, die in Bezug auf das Institut getroffen werden, abgewendet werden kann.
c)
Eine Abwicklungsmaßnahme ist gemäß Absatz 5 im öffentlichen Interesse erforderlich.

(2) Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass nicht nur die zuständige Behörde, sondern auch die Abwicklungsbehörde nach Anhörung der zuständigen Behörde die Feststellung nach Absatz 1 Buchstabe a treffen kann, dass das Institut ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt, wenn den Abwicklungsbehörden nach nationalem Recht die erforderlichen Instrumente zur Verfügung stehen, um diese Feststellung treffen zu können, einschließlich eines angemessenen Zugangs zu den einschlägigen Informationen. Die zuständige Behörde stellt der Abwicklungsbehörde unverzüglich alle einschlägigen Informationen zur Verfügung, die diese zur unverzüglichen Vornahme ihrer Bewertung anfordert.

(3) Der vorherige Erlass von Frühinterventionsmaßnahmen gemäß Artikel 27 ist keine Voraussetzung für Abwicklungsmaßnahmen.

(4) Für die Zwecke von Absatz 1 Buchstabe a gilt ein Institut als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend, wenn eine oder mehrere der nachstehenden Voraussetzungen erfüllt sind:

a)
Das Institut verstößt gegen die an eine dauerhafte Zulassung geknüpften Anforderungen in einer Weise, die den Entzug der Zulassung durch die zuständige Behörde rechtfertigen würde, oder es liegen objektive Anhaltspunkte dafür vor, dass dies in naher Zukunft der Fall sein wird, beispielsweise aufgrund der Tatsache, dass das Institut Verluste erlitten hat oder voraussichtlich erleiden wird, durch die seine gesamten Eigenmittel oder ein wesentlicher Teil seiner Eigenmittel aufgebraucht wird.
b)
Die Vermögenswerte des Instituts unterschreiten die Höhe seiner Verbindlichkeiten, oder es liegen objektive Anhaltspunkte dafür vor, dass dies in naher Zukunft der Fall sein wird.
c)
Das Institut ist nicht in der Lage, seine Schulden oder sonstigen Verbindlichkeiten bei Fälligkeit zu begleichen, oder es liegen objektive Anhaltspunkte dafür vor, dass dies in naher Zukunft der Fall sein wird.
d)
Eine außerordentliche finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln wird benötigt, es sei denn, die außerordentliche finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln erfolgt zur Abwendung einer schweren Störung der Volkswirtschaft eines Mitgliedstaats und zur Wahrung der Finanzstabilität in Form

i)
einer staatlichen Garantie für Liquiditätsfazilitäten, die von Zentralbanken zu ihren Bedingungen bereitgestellt werden,
ii)
einer staatlichen Garantie für neu emittierte Verbindlichkeiten oder
iii)
einer Zuführung von Eigenmitteln oder des Kaufs von Kapitalinstrumenten zu Preisen und Bedingungen, die das Institut nicht begünstigen, wenn weder die Voraussetzungen nach Buchstaben a, b oder c dieses Absatzes noch die Voraussetzungen nach Artikel 59 Absatz 3 zu dem Zeitpunkt gegeben sind, in dem die Unterstützung aus öffentlichen Mitteln gewährt wird.

In jedem der in Unterabsatz 1 Buchstabe d Ziffern i, ii, und iii genannten Fälle sind die dort genannten Garantie- oder gleichwertigen Maßnahmen solventen Instituten vorbehalten und nach dem Rechtsrahmen der Union für staatliche Beihilfen genehmigungspflichtig. Diese Maßnahmen müssen vorbeugend, vorübergehend und geeignet sein, den Folgen schwerer Störungen abzuhelfen; sie dienen nicht dem Ausgleich von Verlusten, die das Institut erlitten hat oder in naher Zukunft voraussichtlich erleiden wird.

Die Unterstützungsmaßnahmen nach Unterabsatz 1 Buchstabe d Ziffer iii beschränken sich auf Kapitalzuführungen zum Schließen von Kapitallücken, die in Stresstests auf der Ebene der Mitgliedstaaten, der Union oder des einheitlichen Aufsichtsmechanismus, bei der Bewertung der Qualität der Vermögenswerte oder vergleichbaren Prüfungen durch die Europäische Zentralbank, die EBA oder einzelstaatliche Behörden, festgestellt und gegebenenfalls durch die zuständige Behörde bestätigt wurden.

Bis zum 3. Januar 2015 gibt die EBA gemäß Artikel 16 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 Leitlinien zu den Arten der zuvor genannten Tests, Bewertungen oder Prüfungen heraus, die eine solche Unterstützungsmaßnahme auslösen können.

Bis zum 31. Dezember 2015 prüft die Kommission, ob weiterhin Bedarf für die Zulassung von Unterstützungsmaßnahmen nach Unterabsatz 1 Buchstabe d Ziffer iii besteht und welche Voraussetzungen für eine Weiterführung gelten sollen, und erstattet dem Europäischen Parlament und dem Rat darüber Bericht. Falls zweckmäßig, wird diesem Bericht ein Gesetzgebungsvorschlag beigefügt.

(5) Für die Zwecke von Absatz 1 Buchstabe c dieses Artikels ist eine Abwicklungsmaßnahme als im öffentlichen Interesse liegend zu betrachten, wenn sie für die Erreichung eines oder mehrerer der in Artikel 31 genannten Abwicklungsziele erforderlich und mit Blick auf diese Ziele verhältnismäßig ist und wenn dies bei einer Liquidation des Instituts im Wege eines regulären Insolvenzverfahrens nicht im selben Umfang der Fall wäre.

(6) Die EBA gibt bis zum 3. Juli 2015 im Einklang mit Artikel 16 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 Leitlinien heraus, um die Konvergenz der Aufsichts- und Abwicklungspraktiken bezüglich der Interpretation der Umstände, unter denen ein Institut als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend zu betrachten ist, zu fördern.

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