Artikel 48 MiFID2 (RL 2014/65/EU)

Belastbarkeit der Systeme, Notfallsicherungen ( „circuit breakers” ) und elektronischer Handel

(1) Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass ein geregelter Markt über wirksame Systeme, Verfahren und Vorkehrungen verfügt, um sicherzustellen, dass seine Handelssysteme belastbar sind und über ausreichende Kapazitäten für Spitzenvolumina an Aufträgen und Mitteilungen verfügen, in der Lage sind, unter extremen Stressbedingungen auf den Märkten einen ordnungsgemäßen Handel zu gewährleisten, vollständig geprüft sind um zu gewährleisten, dass diese Bedingungen erfüllt sind, und wirksamen Notfallvorkehrungen unterliegen, um im Fall von Störungen in seinen Handelssystemen die Kontinuität seines Geschäftsbetriebs zu gewährleisten.

(2) Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass ein geregelter Markt über

a)
schriftliche Vereinbarungen mit allen Wertpapierfirmen, die eine Market-Making-Strategie an dem geregelten Markt verfolgen, und
b)
Systeme, durch die sichergestellt wird, dass an diesen Vereinbarungen eine ausreichende Zahl an Wertpapierfirmen teilnimmt, die feste Kurse zu wettbewerbsfähigen Preisen abgeben, wodurch dem Markt regelmäßig und vorhersehbar Liquidität zugeführt wird, wenn eine solche Anforderung der Art und dem Umfang der Handelstätigkeit an diesem geregelten Markt angemessen ist, verfügt.

(3) In der im Absatz 2 genannten schriftlichen Vereinbarung ist mindestens Folgendes festgelegt:

a)
die Verpflichtungen der Wertpapierfirma im Zusammenhang mit der Zuführung von Liquidität und gegebenenfalls sonstige Verpflichtungen, die sich aus der Teilnahme an dem in Absatz 2 genannten System ergeben;
b)
etwaige Anreize in Form von Rabatten oder sonstigem, die vom geregelten Markt einer Wertpapierfirma dafür angeboten werden, dass sie dem Markt regelmäßig und vorhersehbar Liquidität zuführt, und gegebenenfalls sonstige Rechte, die die Wertpapierfirma aufgrund ihrer Teilnahme an dem in Absatz 2 genannten System erwirbt.

Es obliegt dem geregelten Markt, zu überwachen und dafür zu sorgen, dass die Wertpapierfirmen den Anforderungen dieser rechtlich bindenden schriftlichen Vereinbarungen nachkommen. Der geregelte Markt teilt der zuständigen Behörde den Inhalt der rechtlich bindenden Vereinbarung mit und legt der zuständigen Behörde auf Anfrage alle weiteren Informationen vor, die erforderlich sind, damit die zuständige Behörde prüfen kann, ob der geregelte Markt diesen Absatz einhält.

(4) Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass ein geregelter Markt über wirksame Systeme, Verfahren und Vorkehrungen verfügt, um Aufträge abzulehnen, die die im Voraus festgelegten Grenzen für Volumina und Kurse überschreiten oder eindeutig irrtümlich zustande kamen.

(5) Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass ein geregelter Markt in der Lage sein muss, den Handel vorübergehend einzustellen oder zu beschränken, wenn eine Notfallsituation vorliegt oder es kurzfristig zu einer erheblichen Preisbewegung bei einem Finanzinstrument auf diesem Markt oder einem benachbarten Markt kommt, und dass er bei Ausnahmefällen in der Lage sein muss, jedwedes Geschäft zu stornieren, zu ändern oder zu berichtigen. Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass ein geregelter Markt sicherzustellen hat, dass die Parameter für die Einstellung oder Beschränkung des Handels in geeigneter Weise so austariert werden, dass der Liquidität der einzelnen Kategorien und Teilkategorien von Vermögenswerten, der Art des Marktmodells und der Art der Nutzer Rechnung getragen wird, und die Möglichkeit besteht, wesentliche Störungen eines ordnungsgemäßen Handels zu unterbinden.

Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass ein geregelter Markt die Parameter für die Einstellung des Handels und wesentliche Änderungen an ihnen der zuständigen Behörde auf kohärente und vergleichbare Weise meldet und dass die zuständige Behörde sie ihrerseits der ESMA meldet. Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass bei Einstellung des Handels in einem Mitgliedstaat durch einen geregelten Markt, der für die Liquidität in Bezug auf dieses Finanzinstrument maßgeblich ist, dieser Handelsplatz über die Systeme und Verfahren verfügt, die notwendig sind um sicherzustellen, dass er die zuständigen Behörden benachrichtigt, damit diese eine marktweite Reaktion koordinieren und entscheiden können, ob es angemessen ist, den Handel an anderen Handelsplätzen, an denen das Finanzinstrument gehandelt wird, einzustellen, bis der Handel am ursprünglichen Markt wieder aufgenommen wird.

Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass ein geregelter Markt auf seiner Website Angaben zu den Umständen, die zur Einstellung oder Beschränkung des Handels führen, und die Grundsätze für die Festlegung der wichtigsten technischen Parameter, die dazu verwendet werden, veröffentlicht.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Behörden geeignete Maßnahmen ergreifen können, um das normale Funktionieren der Märkte wiederherzustellen, was auch die Nutzung der in Artikel 69 Absatz 2 Buchstaben m bis p genannten Aufsichtsbefugnisse einschließt, wenn ein geregelter Markt den Handel gemäß Unterabsatz 1 trotz erheblicher Kursbewegungen, die ein Finanzinstrument oder damit zusammenhängende Finanzinstrumente betreffen und zu marktstörenden Handelsbedingungen auf einem oder mehreren Märkten geführt haben, nicht einstellt oder beschränkt.

(6) Die Mitgliedstaaten setzen voraus, dass ein geregelter Markt über wirksame Systeme, Verfahren und Vorkehrungen verfügt, einschließlich der Anforderung, dass Mitglieder oder Teilnehmer angemessene Tests von Algorithmen durchführen und ein Umfeld schaffen, um solche Tests zu vereinfachen, um sicherzustellen, dass algorithmischen Handelssysteme keine marktstörenden Handelsbedingungen auf dem Markt schaffen oder zu solchen beitragen, und um etwaige marktstörende Handelsbedingungen, die sich aus algorithmischen Handelssystemen ergeben, zu kontrollieren, einschließlich Systeme zur Begrenzung des Verhältnisses nicht ausgeführter Handelsaufträge zu Geschäften, die von einem Mitglied oder Teilnehmer in das System eingegeben werden können, mit dem Ziel das Auftragsaufkommen zu verlangsamen, wenn das Risiko besteht, dass seine Systemkapazität erreicht wird, und die kleinstmögliche Tick-Größe zu begrenzen und durchzusetzen, die auf dem Markt ausgeführt werden kann.

(7) Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass ein geregelter Markt, der einen direkten elektronischen Zugang gestattet, über wirksame Systeme, Verfahren und Vorkehrungen verfügt um sicherzustellen, dass die Mitglieder oder Teilnehmer eine solche Dienstleistung nur erbringen dürfen, wenn es sich dabei um in Einklang mit dieser Richtlinie zugelassene Wertpapierfirmen oder im Einklang mit der Richtlinie 2006/48/EG zugelassene Kreditinstitute handelt, dass angemessene Kriterien in Bezug auf die Eignung der Personen festgelegt sind und angewandt werden, die einen solchen Zugang erhalten können, und dass die Verantwortung für Aufträge und Geschäfte, die über diesen Dienst abgeschlossen werden, in Bezug auf die Anforderungen dieser Richtlinie bei dem Mitglied oder Teilnehmer verbleibt.

Die Mitgliedstaaten schreiben auch vor, dass der geregelte Markt angemessene Standards in Bezug auf Risikokontrollen und Schwellen für den Handel über einen solchen Zugang festlegt und in der Lage ist, zwischen Aufträgen und Geschäften zu unterscheiden, die von einer Person über einen direkten elektronischen Zugang abgeschlossen werden und sonstigen Aufträgen und Geschäften, die von Mitgliedern oder Teilnehmern ausgeführt werden, und diese Aufträge und Geschäfte gegebenenfalls einzustellen.

Der geregelte Markt muss über Vorkehrungen verfügen, um die Bereitstellung des direkten elektronischen Zugangs durch ein Mitglied oder einen Teilnehmer für einen Kunden im Falle der Nichteinhaltung dieses Absatzes auszusetzen oder einzustellen.

(8) Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass ein geregelter Markt gewährleistet, dass seine Bestimmungen über Kollokationsdienste transparent, gerecht und nichtdiskriminierend sind.

(9) Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass ein geregelter Markt sicherstellt, dass seine Gebührenstrukturen, einschließlich Ausführungsgebühren, Nebengebühren und möglichen Rabatten, transparent, gerecht und diskriminierungsfrei sind und keine Anreize schaffen, Aufträge so zu platzieren, zu ändern oder zu stornieren bzw. Geschäfte so zu tätigen, dass dies zu marktstörenden Handelsbedingungen oder Marktmissbrauch beiträgt. Insbesondere verlangen die Mitgliedstaaten von einem geregelten Markt, im Austausch für gewährte Rabatte Market-Making-Pflichten in Bezug auf einzelne Aktien oder Aktienportfolios aufzuerlegen.

Die Mitgliedstaaten geben einem geregelten Markt die Möglichkeit, seine Gebühren für stornierte Aufträge an die Zeitspanne anzupassen, in der der Auftrag aufrechterhalten wurde, und austarierte Gebühren für jedes Finanzinstrument festzulegen, für das sie gelten.

Die Mitgliedstaaten können einem geregelten Markt erlauben, höhere Gebühren für die Erteilung von Aufträgen, die später storniert werden, oder Teilnehmern, bei denen der Anteil stornierter Aufträge hoch ist, oder solchen Teilnehmern zu berechnen, die eine Methode des algorithmischen Hochfrequenzhandels anwenden, um der zusätzlichen Belastung der Systemkapazität Rechnung zu tragen.

(10) Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass ein geregelter Markt in der Lage sein muss, mittels Kennzeichnung durch die Mitglieder oder Teilnehmer die durch algorithmischen Handel erzeugten Aufträge, die verschiedenen für die Auftragserstellung verwendeten Algorithmen sowie die Personen, die diese Aufträge initiiert haben, kenntlich zu machen. Diese Informationen werden den zuständigen Behörden auf deren Ersuchen hin zugänglich gemacht.

(11) Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass der geregelte Markt den zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats auf deren Anfrage Daten in Bezug auf das Auftragsbuch zur Verfügung stellt bzw. den zuständigen Behörden Zugang zu dem Auftragsbuch gibt, so dass diese in der Lage sind, die Geschäfte zu überwachen.

(12) Die ESMA arbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards aus,

a)
um die Anforderungen festzulegen, die sicherstellen, dass die Handelssysteme eines geregelten Markts belastbar sind und über ausreichende Kapazität verfügen;
b)
um das in Absatz 6 genannte Verhältnis unter Berücksichtigung von Faktoren festzulegen, wie etwa des Wertes nicht ausgeführter Aufträge im Verhältnis zum Wert ausgeführter Geschäfte;
c)
um Kontrollen für einen direkten elektronischen Zugang so festzulegen, dass sichergestellt ist, dass auf geförderten Zugang angewandte Kontrollen denjenigen, die auf direkten Marktzugang angewandt werden, zumindest gleichwertig sind;
d)
um die Anforderungen festzulegen, die sicherstellen, dass Kollokationsdienste und Gebührenstrukturen gerecht und nichtdiskriminierend sind und dass die Gebührenstrukturen keine Anreize für marktstörende Handelsbedingungen oder Marktmissbrauch schaffen;
e)
um zu bestimmen, wann ein geregelter Markt für die Liquidität in Bezug auf dieses Finanzinstrument maßgeblich ist;
f)
um die Anforderungen festzulegen, die sicherstellen, dass Market-Making-Systeme fair und nichtdiskriminierend sind, und die Mindestanforderungen festzulegen, die geregelte Märkte bei der Entwicklung eines Market-Making-Systems vorsehen müssen, sowie um festzulegen, unter welchen Bedingungen es je nach der Art und dem Umfang des Handels auf diesem geregelten Markt nicht angemessen ist, die Einrichtung eines solchen Systems vorzuschreiben, wobei auch zu berücksichtigen ist, ob der geregelte Markt algorithmischen Handel über seine Systeme erlaubt oder ermöglicht;
g)
um dafür zu sorgen, dass angemessene Tests durchgeführt werden um sicherzustellen, dass die algorithmischen Handelssysteme, einschließlich hochfrequenter algorithmischer Handelssysteme, keine marktstörenden Handelsbedingungen auf dem Markt schaffen können;
h)
um die Grundsätze festzulegen, die geregelte Märkte bei der Einrichtung ihrer Mechanismen zur Einstellung oder Beschränkung des Handels gemäß Absatz 5 berücksichtigen müssen, wobei die Liquidität der verschiedenen Anlageklassen und -unterklassen, die Art des Marktmodells und die Arten von Nutzern zu berücksichtigen sind und der Ermessensspielraum der geregelten Märkte bei der Festlegung dieser Mechanismen unberührt bleibt;
i)
um die Informationen zu bestimmen, die geregelte Märkte offenlegen müssen, einschließlich der Parameter für die Einstellung des Handels, die geregelte Märkte den zuständigen Behörden gemäß Absatz 5 melden müssen.

Die ESMA übermittelt der Kommission diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 29. März 2025.

Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die vorliegende Richtlinie durch Erlass der in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu ergänzen.

(13) Die ESMA arbeitet bis zum 3. Januar 2016 Leitlinien zur geeigneten Kalibrierung von Handelseinstellungen nach Absatz 5 unter Berücksichtigung der in jenem Absatz genannten Faktoren aus.

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