Präambel RL 2015/412/EU
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 114,
auf Vorschlag der Europäischen Kommission,
nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,
nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(1),
nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen(2),
gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren(3),
in Erwägung nachstehender Gründe:
- (1)
- Mit der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(4) und der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates(5) wurde ein umfassender rechtlicher Rahmen für die Zulassung genetisch veränderter Organismen (im Folgenden „GVO” ) geschaffen, der in vollem Umfang auf GVO Anwendung findet, die als Saatgut oder sonstiges Pflanzenvermehrungsmaterial zu Anbauzwecken in der Union verwendet werden sollen (im Folgenden „für den Anbau bestimmte GVO” ).
- (2)
- In diesem rechtlichen Rahmen werden für den Anbau bestimmte GVO einer individuellen Risikobewertung unterzogen, bevor sie gemäß Anhang II der Richtlinie 2001/18/EG für das Inverkehrbringen in der Union zugelassen werden, wobei den direkten, indirekten, sofortigen und verzögerten Auswirkungen sowie den kumulativen langfristigen Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen und die Umwelt Rechnung zu tragen ist. Im Rahmen dieser Risikobewertung werden wissenschaftliche Empfehlungen verfasst, die in den Entscheidungsprozess einfließen, und anschließend wird eine Risikomanagemententscheidung getroffen. Ziel dieses Zulassungsverfahrens ist es, sicherzustellen, dass das Leben und die Gesundheit des Menschen, die Gesundheit und das Wohlergehen der Tiere, die Belange der Umwelt und die Interessen der Verbraucher in hohem Maße geschützt werden und gleichzeitig das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes gewährleistet wird. Im gesamten Gebiet der Union sollte ein einheitlich hohes Niveau beim Gesundheits-, Umwelt- und Verbraucherschutz erreicht und aufrechterhalten werden. Im Rahmen der Richtlinie 2001/18/EG und bei ihrer anschließenden Durchführung sollte stets dem Vorsorgeprinzip Rechnung getragen werden.
- (3)
- Nach den am 4. Dezember 2008 vom Rat angenommenen Schlussfolgerungen zu genetisch veränderten Organismen (im Folgenden „Schlussfolgerungen des Rates von 2008” ) besteht die Notwendigkeit zu prüfen, wie sich die Umsetzung des Rechtsrahmens für die Zulassung von GVO verbessern lässt. In diesem Zusammenhang sollten die Vorschriften über die Risikobewertung, falls notwendig, regelmäßig aktualisiert werden, um der ständigen Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Erkenntnisse und der Analyseverfahren Rechnung zu tragen, insbesondere im Hinblick auf die langfristigen Umweltauswirkungen genetisch veränderter Kulturpflanzen sowie deren potenzielle Auswirkungen auf Nichtzielorganismen, die besonderen Merkmale der Aufnahmemilieus und der Gebiete, in denen genetisch veränderte Kulturpflanzen angebaut werden dürfen, und die Kriterien und Anforderungen in Bezug auf die Bewertung von pestiziderzeugenden GVO und herbizidtoleranten GVO. Daher sollten die Anhänge der Richtlinie 2001/18/EG entsprechend geändert werden.
- (4)
- Zusätzlich zum Zulassungsverfahren im Hinblick auf das Inverkehrbringen müssen genetisch veränderte Sorten auch den Anforderungen des Unionsrechts für das Inverkehrbringen von Saatgut und Pflanzenvermehrungsmaterial genügen, die insbesondere in den Richtlinien 66/401/EWG(6), 66/402/EWG(7), 68/193/EWG(8), 98/56/EG(9), 1999/105/EG(10), 2002/53/EG(11), 2002/54/EG(12), 2002/55/EG(13), 2002/56/EG(14), 2002/57/EG(15) und 2008/90/EG(16) des Rates festgelegt sind. Innerhalb dieser Gruppe von Richtlinien enthalten die Richtlinien 2002/53/EG und 2002/55/EG Bestimmungen, nach denen es den Mitgliedstaaten gestattet ist, unter bestimmten, genau festgelegten Bedingungen die Verwendung einer Sorte in ihrem gesamten Hoheitsgebiet oder in Teilen davon zu untersagen oder geeignete Bedingungen für den Anbau einer Sorte vorzuschreiben.
- (5)
- Sobald ein GVO gemäß dem Rechtsrahmen der Union für GVO für den Anbau zugelassen ist und in Bezug auf die Sorte, die in Verkehr gebracht werden soll, den Anforderungen des Unionsrechts hinsichtlich des Inverkehrbringens von Saatgut und Pflanzenvermehrungsmaterial genügt, dürfen die Mitgliedstaaten den freien Verkehr damit in ihrem Hoheitsgebiet — außer unter den im Unionsrecht festgelegten Bedingungen — nicht untersagen, beschränken oder behindern.
- (6)
- Die Erfahrung hat gezeigt, dass der Anbau von GVO ein Thema ist, das auf der Ebene der Mitgliedstaaten intensiver behandelt wird. Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen und der Einfuhr von GVO sollten weiterhin auf Unionsebene geregelt werden, um den Binnenmarkt zu schützen. Der Anbau könnte jedoch in bestimmten Fällen mehr Flexibilität erfordern, da es sich um ein Thema mit ausgeprägter nationaler, regionaler und lokaler Bedeutung handelt, weil es mit der Bodennutzung, den örtlichen landwirtschaftlichen Strukturen und dem Schutz oder der Erhaltung von Lebensräumen, Ökosystemen und Landschaften verknüpft ist. Im Einklang mit Artikel 2 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) steht den Mitgliedstaaten die Möglichkeit offen, nach der Zulassung eines GVO für das Inverkehrbringen auf dem Markt der Union verbindliche Rechtsakte zu erlassen, die den Anbau von GVO auf ihrem Hoheitsgebiet beschränken oder untersagen. Das gemeinsame Zulassungsverfahren — insbesondere der Evaluierungsprozess, der hauptsächlich von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (im Folgenden „Behörde” ) durchgeführt wird — sollte jedoch durch diese Flexibilität nicht beeinträchtigt werden.
- (7)
- Um den Anbau von GVO einzuschränken oder zu verbieten, haben einige Mitgliedstaaten in der Vergangenheit die Schutzklauseln und Notfallmaßnahmen gemäß Artikel 23 der Richtlinie 2001/18/EG und Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 angewendet, und zwar je nach Fall aufgrund neuer oder zusätzlicher Informationen, die sie seit dem Tag der Zustimmung erhalten haben und die Auswirkungen auf die Umweltverträglichkeitsprüfung haben, oder aufgrund einer Neubewertung vorliegender Informationen. Andere Mitgliedstaaten haben das Mitteilungsverfahren gemäß Artikel 114 Absätze 5 und 6 AEUV angewendet, nach dem die Vorlage neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in Bezug auf den Schutz der Umwelt oder der Arbeitsumwelt vorgeschrieben ist. Außerdem hat sich der Entscheidungsprozess in Bezug auf den Anbau von GVO als besonders schwierig erwiesen, da nationale Bedenken vorgetragen wurden, die sich nicht nur auf Probleme der Sicherheit von GVO für die Gesundheit oder die Umwelt beziehen.
- (8)
- Vor diesem Hintergrund erscheint es angemessen, den Mitgliedstaaten entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip mehr Flexibilität bei der Entscheidung darüber zu gewähren, ob sie GVO in ihrem Hoheitsgebiet anbauen möchten, unbeschadet der in dem System der Union für die Zulassung von GVO vorgesehenen Risikobewertung entweder während des Zulassungsverfahrens oder danach und unbeschadet der Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten, die GVO anbauen, in Anwendung der Richtlinie 2001/18/EG erlassen dürfen oder müssen, um zu vermeiden, dass GVO versehentlich in andere Erzeugnisse gelangen. Dadurch, dass den Mitgliedstaaten diese Möglichkeit eingeräumt wird, dürfte das Zulassungsverfahren für GVO verbessert und gleichzeitig auch die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher, Landwirte und Wirtschaftsteilnehmer gewahrt werden, während mehr Klarheit für alle Beteiligten hinsichtlich des Anbaus von GVO in der Union geschaffen wird. Diese Richtlinie sollte daher das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erleichtern.
- (9)
- Um unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips sicherzustellen, dass der Anbau von GVO nicht zu deren unbeabsichtigtem Vorhandensein in anderen Erzeugnissen führt, sollte der Vorbeugung von etwaigen grenzüberschreitenden Verunreinigungen von einem Mitgliedstaat, in dem der Anbau erlaubt ist, in einem benachbarten Mitgliedstaat, in dem der Anbau untersagt ist, besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, es sei denn, die betroffenen Mitgliedstaaten sind sich darin einig, dass dies aufgrund besonderer geografischer Gegebenheiten nicht notwendig ist.
- (10)
- Die Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010(17) enthält Leitlinien für die Mitgliedstaaten für die Entwicklung von Koexistenzmaßnahmen, auch in Grenzgebieten. In der Empfehlung wird den Mitgliedstaaten nahegelegt, bei der Durchführung geeigneter Maßnahmen an den Grenzen zwischen Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten, um unbeabsichtigte Folgen einer grenzüberschreitenden Verunreinigung abzuwenden.
- (11)
- Während des Zulassungsverfahrens eines bestimmten GVO sollte ein Mitgliedstaat dazu auffordern können, dass der geografische Geltungsbereich einer/eines gemäß Teil C der Richtlinie 2001/18/EG oder gemäß den Artikeln 5 und 17 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 vorgelegten Anmeldung/Antrags so angepasst wird, dass das Hoheitsgebiet des jeweiligen Mitgliedstaats ganz oder teilweise vom Anbau ausgeschlossen ist. Die Kommission sollte das Verfahren erleichtern, indem sie dem Anmelder/Antragsteller die Aufforderung des Mitgliedstaats unverzüglich unterbreitet, und der Anmelder/Antragsteller sollte auf diese Aufforderung innerhalb einer festgesetzten Frist antworten.
- (12)
- Der geografische Geltungsbereich der Anmeldung bzw. des Antrags sollte entsprechend angepasst werden, es sei denn, der Anmelder bzw. Antragsteller bestätigt den geografischen Geltungsbereich seiner Anmeldung bzw. seines Antrags binnen einer festgesetzten Frist nach Übermittlung dieser Aufforderung durch die Kommission. Eine solche Bestätigung lässt jedoch die Befugnisse der Kommission gemäß Artikel 19 der Richtlinie 2001/18/EG bzw. den Artikeln 7 und 19 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, eine solche Anpassung gegebenenfalls im Lichte der von der Behörde durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung vorzunehmen, unberührt.
- (13)
- Zwar dürften die meisten gemäß dieser Richtlinie erlassenen Beschränkungen oder Verbote während des Zustimmungs-/Zulassungs- oder Erneuerungsverfahrens umgesetzt werden, doch sollte den Mitgliedstaaten darüber hinaus auch die Möglichkeit eingeräumt werden, begründete Maßnahmen zu erlassen, um in ihrem gesamten Hoheitsgebiet oder in Teilen davon den Anbau eines GVO oder einer Gruppe von nach Kulturpflanzen oder Merkmalen festgelegten GVO nach dessen/deren Zulassung aus anderen als und ergänzend zu den in den harmonisierten Unionsvorschriften, d. h. in der Richtlinie 2001/18/EG und in der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 genannten Gründen im Einklang mit dem Unionsrecht zu beschränken oder zu untersagen. Diese Gründe können umweltpolitische oder agrarpolitische Ziele betreffen, oder es kann sich um andere zwingende Gründe wie Stadt- und Raumplanung, Bodennutzung, sozioökonomische Auswirkungen, Koexistenz und öffentliche Ordnung handeln. Diese Gründe können einzeln oder zusammen angeführt werden, je nach den besonderen Gegebenheiten in dem Mitgliedstaat, der Region oder dem Gebiet, in dem die Maßnahmen zur Anwendung kommen sollen.
- (14)
- Das für die Union festgelegte Niveau des Schutzes der Gesundheit von Mensch oder Tier und der Umwelt ermöglicht eine unionsweit einheitliche wissenschaftliche Bewertung, und daran sollte auch diese Richtlinie nichts ändern. Damit es nicht zu einer Überschneidung mit den Befugnissen kommt, die den Stellen für Risikobewertung und Risikomanagement gemäß der Richtlinie 2001/18/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 zugewiesen wurden, sollte ein Mitgliedstaat nur solche Gründe im Zusammenhang mit umweltpolitischen Zielen anführen, die Auswirkungen betreffen, die sich von der Risikobewertung in Bezug auf die Gesundheit und die Umwelt, die im Zusammenhang mit den Zulassungsverfahren gemäß der Richtlinie 2001/18/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 vorgesehen ist, unterscheiden und diese Risikobewertung ergänzen, also Gründe wie die Beibehaltung und Entwicklung landwirtschaftlicher Verfahren, die besser geeignet sind, die Erzeugung mit der Nachhaltigkeit der Ökosysteme in Einklang zu bringen, oder die Erhaltung der örtlichen biologischen Vielfalt — einschließlich bestimmter Lebensräume und Ökosysteme — oder bestimmter Natur- und Landschaftselemente und bestimmter Ökosystemfunktionen und -leistungen.
- (15)
- Die Mitgliedstaaten sollten ihre gemäß der Richtlinie 2001/18/EG getroffenen Entscheidungen auch mit sozioökonomischen Auswirkungen begründen können, die sich aus dem Anbau eines GVO im Hoheitsgebiet des jeweiligen Mitgliedstaats ergeben könnten. Selbst wenn in der Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 auf das Thema Koexistenzmaßnahmen eingegangen wurde, sollte es den Mitgliedstaaten auch möglich sein, Maßnahmen zu ergreifen, mit denen der Anbau zugelassener GVO in ihrem gesamten Hoheitsgebiet oder in Teilen davon gemäß der vorliegenden Richtlinie beschränkt oder untersagt wird. Dies kann damit begründet werden, dass Koexistenzmaßnahmen hohe Kosten verursachen, undurchführbar sind oder aufgrund spezieller geografischer Gegebenheiten, etwa auf kleinen Inseln oder in Berggebieten, nicht umgesetzt werden können, oder dass verhindert werden muss, dass GVO in andere Erzeugnisse — etwa spezifische oder besondere Produkte — gelangen. Ferner hat die Kommission — wie in den Schlussfolgerungen des Rates von 2008 verlangt — dem Europäischen Parlament und dem Rat über die sozioökonomischen Auswirkungen des Anbaus von GVO Bericht erstattet. Die Ergebnisse dieses Berichts können unter Umständen wertvolle Informationen für Mitgliedstaaten enthalten, die in Betracht ziehen, Entscheidungen auf der Grundlage der vorliegenden Richtlinie zu treffen. Als Gründe im Zusammenhang mit agrarpolitischen Zielen können unter anderem angeführt werden, dass die Vielfalt der landwirtschaftlichen Produktion geschützt und die Reinheit des Saatguts und des Pflanzenvermehrungsmaterials gewahrt werden müssen. Den Mitgliedstaaten sollte es auch möglich sein, ihre Maßnahmen auf andere Gründe, wie Bodennutzung, Stadt- und Raumplanung oder andere legitime Faktoren, auch in Bezug auf kulturelle Traditionen, zu stützen.
- (16)
- Die gemäß dieser Richtlinie erlassenen Beschränkungen oder Verbote sollten sich auf den Anbau und nicht auf den freien Verkehr mit und die Einfuhr von genetisch verändertem Saatgut und Pflanzenvermehrungsmaterial als Erzeugnis oder in Erzeugnissen sowie deren Ernteprodukten beziehen und sollten zudem im Einklang mit den Verträgen stehen, insbesondere was das Verbot der Ungleichbehandlung inländischer und nicht inländischer Erzeugnisse, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie Artikel 34, Artikel 36 und Artikel 216 Absatz 2 AEUV betrifft.
- (17)
- Die gemäß dieser Richtlinie von den Mitgliedstaaten erlassenen Maßnahmen sollten einem Kontroll- und Informationsverfahren auf Unionsebene unterliegen. Angesichts des in diesem Verfahren vorgesehenen Umfangs der Kontrolle und Information durch die Union ist es nicht notwendig, darüber hinaus die Anwendung der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(18) vorzusehen. Die Mitgliedstaaten können den Anbau von GVO in ihrem gesamten Hoheitsgebiet oder in Teilen davon ab dem Datum des Inkrafttretens der Unionszulassung und während des gesamten Gültigkeitszeitraums der Zustimmung bzw. Zulassung beschränken oder untersagen, sofern die festgesetzte Stillhaltefrist abgelaufen ist, während der die Kommission Gelegenheit hatte, Bemerkungen zu den vorgeschlagenen Maßnahmen vorzubringen. Der jeweilige Mitgliedstaat sollte der Kommission deshalb einen Entwurf dieser Maßnahmen mindestens 75 Tage vor ihrem Erlass übermitteln, um der Kommission Gelegenheit zu geben, dazu Bemerkungen vorzubringen; während dieser Frist sollte der Mitgliedstaat davon absehen, diese Maßnahmen zu erlassen und durchzuführen. Nach Ablauf der festgesetzten Stillhaltefrist sollte der Mitgliedstaat die Maßnahmen entweder in ihrer ursprünglich vorgeschlagenen Fassung oder in einer geänderten Fassung, die den Bemerkungen der Kommission Rechnung trägt, erlassen können.
- (18)
- Während der festgesetzten Stillhaltefrist sollte der Antragsteller bzw. Inhaber der Zulassung, der von Maßnahmen betroffen wäre, mit denen der Anbau eines GVO in einem Mitgliedstaat beschränkt oder untersagt wird, alle Tätigkeiten in Verbindung mit dem Anbau des jeweiligen GVO in dem betreffenden Mitgliedstaat unterlassen.
- (19)
- Durch die Entscheidungen von Mitgliedstaaten, den Anbau von GVO in ihrem gesamten Hoheitsgebiet oder in Teilen davon zu beschränken oder zu untersagen, sollte nicht verhindert werden, dass biotechnologische Forschungsarbeiten durchgeführt werden, sofern dabei alle Sicherheitsmaßnahmen in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier und den Umweltschutz beachtet werden und sofern die Tätigkeit nicht den Gründen, auf die sich die Beschränkung oder Untersagung stützt, zuwiderläuft. Außerdem sollten die Behörde und die Mitgliedstaaten den Aufbau eines umfassenden Netzes von Wissenschaftsorganisationen anstreben, in dem alle Disziplinen vertreten sind — auch Disziplinen, die sich mit ökologischen Belangen beschäftigen —, und sie sollten zusammenarbeiten, damit potenzielle Divergenzen zwischen wissenschaftlichen Gutachten frühzeitig erkannt werden und strittige wissenschaftliche Fragen beantwortet oder geklärt werden können. Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten Vorkehrungen dafür treffen, dass die erforderlichen Ressourcen für unabhängige Forschung über die potenziellen Risiken, die durch die absichtliche Freisetzung oder das Inverkehrbringen von GVO entstehen, bereitgestellt werden und dass unabhängige Forscher unter Wahrung des Schutzes der Rechte des geistigen Eigentums Zugang zu sämtlichem relevantem Material erhalten können.
- (20)
- Angesichts der Bedeutung wissenschaftlicher Erkenntnisse bei Beschlüssen über das Verbot oder die Zulassung von GVO sollte die Behörde Forschungsergebnisse in Bezug auf von GVO ausgehende Risiken oder Gefahren für die Gesundheit des Menschen oder die Umwelt sammeln und analysieren und die Stellen für Risikomanagement von allen erkennbar werdenden Risiken in Kenntnis setzen. Diese Informationen sollten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
- (21)
- Ein Mitgliedstaat sollte die Möglichkeit haben, die zuständige Behörde oder die Kommission aufzufordern, sein gesamtes Hoheitsgebiet oder Teile davon wieder in den geografischen Geltungsbereich der Zustimmung bzw. Zulassung, von dem es vorher ausgeschlossen wurde, aufzunehmen. In diesem Fall sollte nicht die Notwendigkeit bestehen, das Ersuchen dem Inhaber der Zustimmung bzw. Zulassung zu übermitteln und seine Zustimmung einzuholen. Die zuständige Behörde, die die Zustimmung erteilt hat, bzw. die Kommission gemäß der Richtlinie 2001/18/EG oder der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 sollte den geografischen Geltungsbereich der Zustimmung oder der Entscheidung über die Zulassung entsprechend ändern.
- (22)
- Durch schriftliche Zustimmungen oder Entscheidungen über die Zulassung, die mit einem auf bestimmte Gebiete beschränkten geografischen Geltungsbereich erteilt bzw. getroffen wurden, oder durch Maßnahmen, die Mitgliedstaaten gemäß der vorliegenden Richtlinie erlassen haben, und mit denen der Anbau von GVO beschränkt oder untersagt wird, sollte die Verwendung zugelassener GVO durch andere Mitgliedstaaten nicht verhindert oder beschränkt werden. Zudem sollten diese Richtlinie und die auf ihrer Grundlage erlassenen nationalen Maßnahmen unbeschadet der unionsrechtlichen Anforderungen an das unbeabsichtigte oder zufällige Vorhandensein von GVO in nicht genetisch veränderten Saatgutsorten und Arten von Pflanzenvermehrungsmaterial gelten und sollten den Anbau von Sorten, die diese Anforderungen erfüllen, nicht verhindern.
- (23)
- In der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 ist festgelegt, dass Bezugnahmen in den Teilen A und D der Richtlinie 2001/18/EG auf nach Teil C der genannten Richtlinie zugelassene GVO auch als Bezugnahmen auf nach der genannten Verordnung zugelassene GVO gelten. Demnach sollten Maßnahmen, die von den Mitgliedstaaten gemäß der Richtlinie 2001/18/EG erlassen wurden, auch für GVO gelten, die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 zugelassen wurden.
- (24)
- Diese Richtlinie lässt die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich des freien Verkehrs mit konventionellem Saatgut und Pflanzenvermehrungsmaterial sowie deren Ernteprodukten gemäß dem einschlägigen Unionsrecht und im Einklang mit dem AEUV unberührt.
- (25)
- Die Mitgliedstaaten und die Wirtschaftsteilnehmer sollten, um ein hohes Verbraucherschutzniveau zu wahren, außerdem wirkungsvolle Kennzeichnungs- und Informationsmaßnahmen gemäß den Verordnungen (EG) Nr. 1829/2003 und (EG) Nr. 1830/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates(19) treffen, damit für Transparenz in Bezug auf das Vorhandensein von GVO in Erzeugnissen gesorgt ist.
- (26)
- Um die Ziele dieser Richtlinie mit den rechtmäßigen Interessen von Wirtschaftsteilnehmern im Zusammenhang mit GVO, die vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinie bereits zugelassen waren oder für die bereits das Zulassungsverfahren lief, in Einklang zu bringen, sollten geeignete Übergangsmaßnahmen vorgesehen werden. Übergangsmaßnahmen sind außerdem dadurch gerechtfertigt, dass verhindert werden muss, dass möglicherweise Wettbewerbsverzerrungen entstehen, wenn Inhaber bestehender Zulassungen anders behandelt werden als Personen, die später einen Antrag auf Zulassung stellen. Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte der Zeitraum, in dem solche Übergangsmaßnahmen erlassen werden können, nur so lang sein, wie es zur Sicherstellung eines reibungslosen Übergangs auf die neue Regelung unbedingt erforderlich ist. Diese Übergangsmaßnahmen sollten es daher den Mitgliedstaaten ermöglichen, die Bestimmungen dieser Richtlinie auf Erzeugnisse anzuwenden, die vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinie bereits zugelassen waren oder für die bereits das Zulassungsverfahren lief, sofern zugelassene genetisch veränderter Saatgutsorten und Arten von Pflanzenvermehrungsmaterial, die bereits rechtmäßig angebaut werden, davon nicht berührt werden.
- (27)
- Die Bestimmungen der Artikel 26b und Artikel 26c der Richtlinie 2001/18/EG gelten unbeschadet des Artikels 23 der genannten Richtlinie und des Artikels 34 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003.
- (28)
- Die Richtlinie 2001/18/EG sollte daher entsprechend geändert werden —
HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
Fußnote(n):
- (1)
ABl. C 54 vom 19.2.2011, S. 51.
- (2)
ABl. C 102 vom 2.4.2011, S. 62.
- (3)
Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 5. Juli 2011 (ABl. C 33 E vom 5.2.2013, S. 350) und Standpunkt des Rates in erster Lesung vom 23. Juli 2014 (ABl. C 349 vom 3.10.2014, S. 1). Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 13. Januar 2015 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 2. März 2015.
- (4)
Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl. L 106 vom 17.4.2001, S. 1).
- (5)
Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel (ABl. L 268 vom 18.10.2003, S. 1).
- (6)
Richtlinie 66/401/EWG des Rates vom 14. Juni 1966 über den Verkehr mit Futterpflanzensaatgut (ABl. 125 vom 11.7.1966, S. 2298).
- (7)
Richtlinie 66/402/EWG des Rates vom 14. Juni 1966 über den Verkehr mit Getreidesaatgut (ABl. 125 vom 11.7.1966, S. 2309).
- (8)
Richtlinie 68/193/EWG des Rates vom 9. April 1968 über den Verkehr mit vegetativem Vermehrungsgut von Reben (ABl. L 93 vom 17.4.1968, S. 15).
- (9)
Richtlinie 98/56/EG des Rates vom 20. Juli 1998 über das Inverkehrbringen von Vermehrungsmaterial von Zierpflanzen (ABl. L 226 vom 13.8.1998, S. 16).
- (10)
Richtlinie 1999/105/EG des Rates vom 22. Dezember 1999 über den Verkehr mit forstlichem Vermehrungsgut (ABl. L 11 vom 15.1.2000, S. 17).
- (11)
Richtlinie 2002/53/EG des Rates vom 13. Juni 2002 über einen gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten (ABl. L 193 vom 20.7.2002, S. 1).
- (12)
Richtlinie 2002/54/EG des Rates vom 13. Juni 2002 über den Verkehr mit Betarübensaatgut (ABl. L 193 vom 20.7.2002, S. 12).
- (13)
Richtlinie 2002/55/EG des Rates vom 13. Juni 2002 über den Verkehr mit Gemüsesaatgut (ABl. L 193 vom 20.7.2002, S. 33).
- (14)
Richtlinie 2002/56/EG des Rates vom 13. Juni 2002 über den Verkehr mit Pflanzkartoffeln (ABl. L 193 vom 20.7.2002, S. 60).
- (15)
Richtlinie 2002/57/EG des Rates vom 13. Juni 2002 über den Verkehr mit Saatgut von Öl- und Faserpflanzen (ABl. L 193 vom 20.7.2002, S. 74).
- (16)
Richtlinie 2008/90/EG des Rates vom 29. September 2008 über das Inverkehrbringen von Vermehrungsmaterial und Pflanzen von Obstarten zur Fruchterzeugung (ABl. L 267 vom 8.10.2008, S. 8).
- (17)
Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen (ABl. C 200 vom 22.7.2010, S. 1).
- (18)
Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 204 vom 21.7.1998, S. 37).
- (19)
Verordnung (EG) Nr. 1830/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von genetisch veränderten Organismen und über die Rückverfolgbarkeit von aus genetisch veränderten Organismen hergestellten Lebensmitteln und Futtermitteln sowie zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG (ABl. L 268 vom 18.10.2003, S. 24).
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