Präambel RL 2016/943/EU

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 114,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(1),

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren(2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Unternehmen und nicht kommerzielle Forschungseinrichtungen investieren in den Erwerb, die Entwicklung und die Anwendung von Know-how und Informationen — die Währung der wissensbasierten Wirtschaft, die einen Wettbewerbsvorteil schafft. Diese Investition in die Schaffung und Anwendung intellektuellen Kapitals ist ein bestimmender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit und den Markterfolg der Unternehmen durch Innovation und damit ihre Rendite, die letztlich die Motivation für ihre Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten darstellt. Unternehmen wenden unterschiedliche Mittel an, um sich die Ergebnisse ihrer Tätigkeiten im Innovationsbereich anzueignen, wenn eine freie Zugänglichkeit nicht die volle Nutzung ihrer Investitionen in Forschung und Innovation erlaubt. Eines dieser Mittel ist die Nutzung von Rechten des geistigen Eigentums in Form von Patenten, Geschmacksmusterrechten oder Urheberrechten. Ein weiteres Mittel, um sich die Ergebnisse der Innovation anzueignen, ist der Schutz des Zugangs zu Wissen und die Verwertung von Wissen, das für das betreffende Unternehmen von Wert und nicht allgemein bekannt ist. Solch wertvolles Know-how und solche wertvollen Geschäftsinformationen, die nicht offengelegt werden und vertraulich zu behandeln sind, werden als Geschäftsgeheimnis bezeichnet.
(2)
Unternehmen schätzen — unabhängig von ihrer Größe — Geschäftsgeheimnisse als genauso wichtig wie Patente und andere Formen von Rechten des geistigen Eigentums ein. Sie nutzen Vertraulichkeit als Managementinstrument für unternehmerische Wettbewerbsfähigkeit und Forschungsinnovationen; dabei geht es um ein breites Spektrum von Informationen, das über das technologische Wissen hinausgeht und auch Geschäftsdaten wie Informationen über Kunden und Lieferanten, Businesspläne sowie Marktforschung und -strategien einschließt. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) schätzen Geschäftsgeheimnisse in besonderem Maße und sind stärker auf sie angewiesen. Durch den Schutz eines derart breiten Spektrums von Know-how und Geschäftsinformationen, die eine Ergänzung von oder auch eine Alternative zu Rechten des geistigen Eigentums darstellen können, ermöglichen Geschäftsgeheimnisse den Urhebern und Innovatoren, einen Nutzen aus ihrer schöpferischen Tätigkeit oder ihren Innovationen zu ziehen; sie sind daher von außerordentlicher Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sowie für Forschung und Entwicklung und für die Leistung durch Innovation.
(3)
Offene Innovation ist ein Katalysator für neue Ideen, mit denen die Verbraucherbedürfnisse befriedigt und gesellschaftliche Herausforderungen bewältigt werden, der dafür sorgt, dass diese Ideen auf den Markt gelangen. Eine solche Innovation ist ein wichtiger Hebel für die Schaffung neuen Wissens und fördert die Entstehung neuer und innovativer Geschäftsmodelle, die sich auf die Nutzung gemeinsam geschaffenen Wissens stützen. Kooperative Forschung, einschließlich einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, ist insbesondere wichtig, um den Umfang von Forschung und Entwicklung der Unternehmen im Binnenmarkt zu erhöhen. Die Weitergabe von Wissen und Informationen sollte als grundlegend für die Sicherstellung von dynamischen, positiven und gleichen Geschäftsentwicklungsmöglichkeiten, insbesondere für KMU, angesehen werden. In einem Binnenmarkt, in dem Hindernisse für eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit auf ein Minimum reduziert werden und in dem die Zusammenarbeit nicht beeinträchtigt wird, sollten geistige Schöpfungen und Innovationen, Investitionen in innovative Prozesse, Dienstleistungen und Produkte fördern. Ein derartiges Umfeld, das geistige Schöpfungen und Innovationen begünstigt, und in dem die Mobilität der Arbeitnehmer nicht beeinträchtigt wird, ist auch für das Beschäftigungswachstum und für die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft in der Union wichtig. Geschäftsgeheimnisse spielen eine wichtige Rolle für den Schutz des Wissensaustauschs zwischen Unternehmen — insbesondere KMU — und Forschungseinrichtungen sowohl innerhalb des Binnenmarkts als auch über dessen Grenzen hinaus im Forschungs- und Entwicklungskontext und in der Innovation. Geschäftsgeheimnisse sind eine der gebräuchlichsten Formen des Schutzes geistiger Schöpfungen und innovativen Know-hows durch Unternehmen, doch werden sie gleichzeitig durch den bestehenden Rechtsrahmen der Union am wenigsten vor rechtswidrigem Erwerb oder rechtswidriger Nutzung oder Offenlegung durch andere Parteien geschützt.
(4)
Innovative Unternehmen sind zunehmend unlauteren Praktiken ausgesetzt, die auf eine rechtswidrige Aneignung von Geschäftsgeheimnissen abzielen, wie Diebstahl, unbefugtes Kopieren, Wirtschaftsspionage oder Verletzung von Geheimhaltungspflichten, und ihren Ursprung innerhalb oder außerhalb der Union haben können. Neuere Entwicklungen, wie die Globalisierung, das zunehmende Outsourcing, längere Lieferketten und der verstärkte Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien, tragen zu einer Erhöhung des von derartigen Praktiken ausgehenden Risikos bei. Der rechtswidrige Erwerb und die rechtswidrige Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses beeinträchtigen die Fähigkeit der rechtmäßigen Inhaber von Geschäftsgeheimnissen, Vorreiterrenditen aus ihren Innovationsanstrengungen zu erzielen. Ohne wirksame und vergleichbare rechtliche Mittel zum unionsweiten Schutz von Geschäftsgeheimnissen werden Anreize zur Aufnahme grenzüberschreitender Innovationstätigkeiten im Binnenmarkt zunichtegemacht und kann das Potenzial von Geschäftsgeheimnissen als Triebkräfte für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung nicht ausgeschöpft werden. Auf diese Weise werden Innovation und Kreativität behindert und gehen die Investitionen zurück, wobei der Binnenmarkt nicht mehr reibungslos funktioniert und sein wachstumsförderndes Potenzial ausgehöhlt wird.
(5)
Die auf internationaler Ebene im Rahmen der Welthandelsorganisation unternommenen Anstrengungen zur Lösung dieses Problems haben zum Abschluss des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte des geistigen Eigentums (im Folgenden „TRIPS-Abkommen” ) geführt. Das TRIPS-Abkommen enthält unter anderem Bestimmungen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb und rechtswidriger Nutzung oder Offenlegung durch Dritte; dabei handelt es sich um gemeinsame internationale Standards. Alle Mitgliedstaaten wie auch die Union als Ganzes sind an dieses durch den Beschluss 94/800/EG des Rates(3) gebilligte Übereinkommen gebunden.
(6)
Ungeachtet des TRIPS-Abkommens bestehen zwischen den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten erhebliche Unterschiede hinsichtlich des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb und rechtswidriger Nutzung oder Offenlegung durch andere Personen. Beispielsweise haben nicht alle Mitgliedstaaten nationale Definitionen der Begriffe „Geschäftsgeheimnis” oder „rechtswidriger Erwerb” , „rechtswidrige Nutzung” oder „rechtswidrige Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses” eingeführt, so dass sich der Umfang des Schutzes nicht ohne weiteres erschließt und von einem Mitgliedstaat zum anderen variiert. Außerdem fehlt es an Kohärenz hinsichtlich der zivilrechtlichen Rechtsbehelfe, die im Falle eines rechtswidrigen Erwerbs oder der rechtswidrigen Nutzung oder Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen zur Verfügung stehen, da nicht in allen Mitgliedstaaten die Möglichkeit einer Unterlassungsverfügung gegen Dritte besteht, die nicht Wettbewerber des rechtmäßigen Inhabers des Geschäftsgeheimnisses sind. Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten existieren auch bei der Behandlung von Dritten, die das Geschäftsgeheimnis in gutem Glauben erworben haben, aber später — bei der erstmaligen Nutzung — erfahren, dass das betreffende Geschäftsgeheimnis zuvor von einer anderen Partei unrechtmäßig erworben wurde.
(7)
Zudem unterscheiden sich die nationalen Vorschriften auch danach, ob die rechtmäßigen Inhaber von Geschäftsgeheimnissen die Vernichtung von Produkten, die von Dritten unter rechtswidriger Nutzung von Geschäftsgeheimnissen hergestellt wurden, oder die Rückgabe oder Vernichtung aller Dokumente, Dateien oder Materialien verlangen können, die das rechtswidrig erworbene oder genutzte Geschäftsgeheimnis enthalten oder verkörpern. Darüber hinaus tragen die anwendbaren nationalen Vorschriften zur Schadensersatzberechnung nicht immer dem immateriellen Charakter von Geschäftsgeheimnissen Rechnung, was es schwierig macht, den tatsächlich entgangenen Gewinn oder die unlautere Bereicherung des Rechtsverletzers zu belegen, wenn kein Marktwert für die fraglichen Informationen bestimmt werden kann. Nur wenige Mitgliedstaaten gestatten die Anwendung abstrakter Regeln zur Schadensberechnung auf der Grundlage einer angemessenen Lizenzgebühr, die im Falle einer Lizenzerteilung für die Nutzung des Geschäftsgeheimnisses zu entrichten gewesen wäre. Hinzu kommt, dass viele nationale Vorschriften keinen angemessenen Schutz der Vertraulichkeit eines Geschäftsgeheimnisses für den Fall vorsehen, dass der Inhaber des Geschäftsgeheimnisses eine Klage wegen angeblichen rechtswidrigen Erwerbs oder angeblicher rechtswidriger Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses durch einen Dritten erhebt, wodurch die Attraktivität der bestehenden Maßnahmen und Rechtsbehelfe gemindert und der gebotene Schutz geschwächt wird.
(8)
Die Unterschiede bei dem von den Mitgliedstaaten vorgesehenen rechtlichen Schutz von Geschäftsgeheimnissen zeigen, dass Geschäftsgeheimnisse nicht überall in der Union gleichermaßen geschützt sind, was eine Fragmentierung des Binnenmarkts in diesem Bereich und eine Schwächung des allgemeinen Abschreckungseffekts der einschlägigen Vorschriften zur Folge hat. Der Binnenmarkt wird insofern in Mitleidenschaft gezogen, als durch solche Unterschiede die Anreize für Unternehmen reduziert werden, innovationsbezogenen grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Tätigkeiten, einschließlich Forschungs- oder Herstellungskooperationen mit Partnern, Outsourcing oder Investitionen in anderen Mitgliedstaaten, nachzugehen, bei denen man auf die Nutzung der als Geschäftsgeheimnis geschützten Informationen angewiesen ist. Grenzüberschreitende, vernetzte Forschung und Entwicklung sowie innovationsbezogene Tätigkeiten, einschließlich des damit zusammenhängenden Herstellungsprozesses und des sich anschließenden grenzüberschreitenden Handels, verlieren in der Union an Attraktivität und werden erschwert, was auch unionsweit zu Innovationsineffizienzen führt.
(9)
Darüber hinaus besteht in Mitgliedstaaten mit einem vergleichsweise geringen Schutzniveau ein höheres Geschäftsrisiko, da es leichter ist, Geschäftsgeheimnisse zu stehlen oder auf andere unrechtmäßige Weise zu erwerben. Das führt zu einer ineffizienten Kapitalallokation für wachstumsfördernde Innovationen im Binnenmarkt aufgrund der höheren Ausgaben für Schutzmaßnahmen zur Kompensation des unzureichenden rechtlichen Schutzes in einigen Mitgliedstaaten. Auch leistet es Aktivitäten unfairer Wettbewerber Vorschub, die nach dem rechtswidrigen Erwerb von Geschäftsgeheimnissen die aus diesem Erwerb gewonnenen Produkte im gesamten Binnenmarkt verbreiten könnten. Die Unterschiede zwischen den gesetzlichen Regelungen erleichtern auch die Einfuhr von Produkten aus Drittländern in die Union über Einfuhrstellen mit geringerem Schutzniveau in Fällen, in denen Konzeption, Herstellung oder Vermarktung der Produkte auf gestohlenen oder anderen unrechtmäßig erworbenen Geschäftsgeheimnissen beruhen. Insgesamt sind derartige Unterschiede dem ordnungsgemäßen Funktionieren des Binnenmarkts abträglich.
(10)
Es ist angezeigt, auf Unionsebene Vorschriften zur Annäherung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten vorzusehen, damit im gesamten Binnenmarkt ein ausreichender und kohärenter zivilrechtlicher Schutz für den Fall des rechtswidrigen Erwerbs oder der rechtswidrigen Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses besteht. Diese Regeln sollten die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, einen weitergehenden Schutz vor rechtswidrigem Erwerb oder vor rechtswidriger Nutzung oder Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen vorzuschreiben, sofern die in dieser Richtlinie ausdrücklich festgelegten Regelungen zum Schutz der Interessen anderer Parteien eingehalten werden.
(11)
Diese Richtlinie sollte die Anwendung unionsweiter oder nationaler Rechtsvorschriften, nach denen Informationen, darunter Geschäftsgeheimnisse, gegenüber der Öffentlichkeit oder staatlichen Stellen offengelegt werden müssen, unberührt lassen. Ebenso sollte sie die Anwendung der Rechtsvorschriften unberührt lassen, nach denen es staatlichen Stellen gestattet ist, zur Erledigung ihrer Aufgaben Informationen zu erheben, oder der Rechtsvorschriften, nach denen diese staatlichen Stellen einschlägige Informationen an die Öffentlichkeit weitergeben dürfen oder müssen. Dazu gehören insbesondere Rechtsvorschriften über die Offenlegung geschäftsbezogener Informationen durch Organe und Einrichtungen der Union oder nationale Behörden, über die diese gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates(4), der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates(5) sowie der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(6) oder gemäß anderen Bestimmungen über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten oder über Transparenzverpflichtungen der nationalen Behörden verfügen.
(12)
Diese Richtlinie sollte das Recht der Sozialpartner, — falls nach dem Arbeitsrecht vorgesehen — Kollektivverträge einzugehen, hinsichtlich der Verpflichtung zur Nichtoffenlegung von Geschäftsgeheimnissen oder zur Beschränkung ihrer Nutzung und hinsichtlich der Konsequenzen eines Verstoßes gegen diese Verpflichtung durch die Partei, die ihnen unterworfen ist, nicht berühren. Dies sollte an die Bedingung geknüpft sein, dass ein derartiger Kollektivvertrag nicht die in dieser Richtlinie enthaltenen Ausnahmen einschränkt, wenn ein Antrag auf in dieser Richtlinie vorgesehene Maßnahmen, Verfahren oder Rechtsbehelfe wegen des angeblichen Erwerbs oder der angeblichen Nutzung und Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen zurückzuweisen ist.
(13)
Diese Richtlinie sollte nicht als Einschränkung der Niederlassungsfreiheit, der Freizügigkeit der Arbeitnehmer oder der Mobilität der Arbeitnehmer, wie sie im Unionsrecht niedergelegt sind, verstanden werden. Außerdem soll sie die Möglichkeit des Abschlusses von Vereinbarungen über ein Wettbewerbsverbot zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemäß dem geltenden Recht unberührt lassen.
(14)
Es ist wichtig, eine homogene Definition des Begriffs „Geschäftsgeheimnis” festzulegen, ohne den vor widerrechtlicher Aneignung zu schützenden Bereich einzuengen. Eine solche Definition sollte daher so beschaffen sein, dass sie Know-how, Geschäftsinformationen und technologische Informationen abdeckt, bei denen sowohl ein legitimes Interesse an ihrer Geheimhaltung besteht als auch die legitime Erwartung, dass diese Vertraulichkeit gewahrt wird. Darüber hinaus sollten solches Know-how oder solche Informationen einen — realen oder potenziellen — Handelswert verkörpern. Solches Know-how oder solche Informationen sollten so verstanden werden, dass sie einen Handelswert verkörpern, zum Beispiel wenn ihr unbefugter Erwerb oder ihre unbefugte Nutzung oder Offenlegung die Interessen der Person, die rechtmäßig die Kontrolle über sie ausübt, aller Voraussicht nach dadurch schädigt, dass das wissenschaftliche oder technische Potenzial, die geschäftlichen oder finanziellen Interessen, die strategische Position oder die Wettbewerbsfähigkeit dieser Person untergraben werden. Die Definition eines Geschäftsgeheimnisses schließt belanglose Informationen und die Erfahrungen und Qualifikationen, die Beschäftigte im Zuge der Ausübung ihrer üblichen Tätigkeiten erwerben, sowie Informationen aus, die den Personenkreisen, die üblicherweise mit derartigen Informationen umgehen, generell bekannt sind bzw. für sie leicht zugänglich sind.
(15)
Auch ist es wichtig, die Umstände festzulegen, unter denen ein rechtlicher Schutz von Geschäftsgeheimnissen gerechtfertigt ist. Aus diesem Grund muss definiert werden, welches Verhalten und welche Praktiken als rechtswidriger Erwerb oder rechtswidrige Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses zu betrachten sind.
(16)
Im Interesse von Innovation und Wettbewerbsförderung sollten die Bestimmungen dieser Richtlinie keine Exklusivrechte an als Geschäftsgeheimnis geschütztem Know-how oder als solchem geschützten Informationen begründen. Auf diese Weise sollte die unabhängige Entdeckung desselben Know-hows oder derselben Informationen möglich bleiben. Das „Reverse Engineering” bei einem rechtmäßig erworbenen Produkt sollte als ein rechtlich zulässiges Mittel zum Erwerb von Informationen angesehen werden, es sei denn, dass vertraglich etwas anderes vereinbart wurde. Die Freiheit zum Abschluss derartiger vertraglicher Vereinbarungen kann jedoch rechtlich beschränkt werden.
(17)
In einigen Industriezweigen, in denen Urheber und Innovatoren keine Exklusivrechte genießen und in denen sich Innovationen traditionell auf Geschäftsgeheimnisse stützen, ist es mittlerweile ein Leichtes, in Verkehr gebrachte Erzeugnisse mithilfe von „Reverse Engineering” nachzukonstruieren. In diesen Fällen können die genannten Urheber und Innovatoren von Praktiken wie Produktpiraterie oder sklavischen Nachahmungen betroffen sein, die von ihrem Ansehen und ihre Innovationsanstrengungen profitieren. In einigen nationalen Rechtsvorschriften über unlauteren Wettbewerb wird auf diese Praktiken eingegangen. Diese Richtlinie hat zwar nicht zum Ziel, das Recht des unlauteren Wettbewerbs insgesamt zu reformieren oder zu harmonisieren, jedoch sollte die Kommission sorgfältig prüfen, ob in diesem Bereich auf Unionsebene Handlungsbedarf besteht.
(18)
Ferner sollten Erwerb, Nutzung oder Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen immer dann, wenn sie rechtlich vorgeschrieben oder zulässig sind, als rechtmäßig im Sinne dieser Richtlinie gelten. Das betrifft insbesondere den Erwerb und die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen im Rahmen der Inanspruchnahme des Rechts der Arbeitnehmervertreter auf Information, Anhörung und Mitwirkung gemäß dem Unionsrecht und dem Recht oder den Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten sowie im Rahmen der kollektiven Vertretung der Interessen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber einschließlich der Mitbestimmung und den Erwerb oder die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen im Rahmen von Pflichtprüfungen, die gemäß dem Unionsrecht oder dem nationalen Recht durchgeführt werden. Allerdings sollte diese Einstufung des Erwerbs eines Geschäftsgeheimnisses als rechtmäßig die Geheimhaltungspflicht in Bezug auf das Geschäftsgeheimnis oder jegliche Beschränkung der Nutzung des Geschäftsgeheimnisses, die Rechtsvorschriften der Union oder der Mitgliedstaaten dem Empfänger der Information auferlegen, unberührt lassen. Insbesondere sollte diese Richtlinie die Behörden nicht von ihrer Pflicht zur Geheimhaltung von Informationen, die ihnen von Inhabern von Geschäftsgeheimnissen übermittelt werden, entbinden, und zwar unabhängig davon, ob diese Pflichten in Rechtsvorschriften der Union oder der Mitgliedstaaten festgelegt sind. Diese Geheimhaltungspflicht umfasst unter anderem die Pflichten im Zusammenhang mit Informationen, die öffentlichen Auftraggebern im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge übermittelt werden, wie sie beispielsweise in der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates(7), der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates(8) und der Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates(9) festgelegt sind.
(19)
Diese Richtlinie sieht zwar Maßnahmen und Rechtsbehelfe vor, die darin bestehen können, dass die Offenlegung von Informationen verhindert wird, um Geschäftsgeheimnisse zu schützen, doch darf die Ausübung des Rechts auf Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, das sich gemäß Artikel 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta” ) auch auf die Freiheit der Medien und ihre Pluralität erstreckt, keinesfalls eingeschränkt werden, insbesondere was den investigativen Journalismus und den Schutz der journalistischen Quellen anbelangt.
(20)
Die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe sollten nicht dazu dienen, Whistleblowing-Aktivitäten einzuschränken. Daher sollte sich der Schutz von Geschäftsgeheimnissen nicht auf Fälle erstrecken, in denen die Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses insoweit dem öffentlichen Interesse dient, als ein regelwidriges Verhalten, ein Fehlverhalten oder eine illegale Tätigkeit von unmittelbarer Relevanz aufgedeckt wird. Das sollte nicht so verstanden werden, dass die zuständigen Gerichte daran gehindert seien, Ausnahmen von der Anwendung der Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe in den Fällen zuzulassen, in denen der Antragsgegner allen Grund hatte, in gutem Glauben davon auszugehen, dass sein Verhalten den in dieser Richtlinie festgelegten angemessenen Kriterien entspricht.
(21)
Im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sollten die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen darauf zugeschnitten sein, das Ziel eines reibungslos funktionierenden Binnenmarkts für Forschung und Innovation zu erreichen, indem sie insbesondere vor dem rechtswidrigen Erwerb und der rechtswidrigen Nutzung und Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses abschrecken. Eine solche Zuschneidung dieser Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe sollte die Grundrechte und Grundfreiheiten oder das Gemeinwohl, etwa die öffentliche Sicherheit, den Verbraucherschutz, die öffentliche Gesundheit und den Umweltschutz, nicht gefährden oder untergraben und die Mobilität der Arbeitnehmer nicht beeinträchtigen. Deshalb bezwecken die in dieser Richtlinie festgelegten Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zu gewährleisten, dass die zuständigen Gerichte Faktoren wie dem Wert eines Geschäftsgeheimnisses, der Schwere des Verhaltens, das zum rechtswidrigen Erwerb oder zur rechtswidrigen Nutzung oder Offenlegung geführt hat, sowie den Auswirkungen dieses Verhaltens Rechnung tragen. Auch sollte sichergestellt sein, dass die zuständigen Gerichte über das Ermessen verfügen, die Interessen der an einem Rechtsstreit beteiligten Parteien und die Interessen Dritter, gegebenenfalls auch der Verbraucher, gegeneinander abzuwägen.
(22)
Das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts würde unterminiert, wenn die vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe dazu genutzt würden, nicht legitime, mit den Zielen dieser Richtlinie unvereinbare Absichten zu verfolgen. Daher ist es wichtig, dass den Gerichten die Befugnis erteilt wird, angemessene Maßnahmen gegenüber Antragstellern zu treffen, die missbräuchlich oder unredlich handeln und offensichtlich unbegründete Anträge stellen, beispielsweise zu dem Zweck, den Marktzugang des Antragsgegners in unbilliger Weise zu verzögern oder zu beschränken oder ihn auf andere Weise einzuschüchtern oder ihm Schwierigkeiten zu bereiten.
(23)
Im Interesse der Rechtssicherheit und angesichts der Tatsache, dass von rechtmäßigen Inhabern von Geschäftsgeheimnissen erwartet wird, dass sie in Bezug auf die Wahrung der Vertraulichkeit ihrer wertvollen Geschäftsgeheimnisse und auf die Überwachung von deren Nutzung eine Sorgfaltspflicht wahrnehmen, ist es angemessen, materielle Ansprüche oder die Möglichkeit einer Klageerhebung zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen auf einen bestimmten Zeitraum zu beschränken. In den nationalen Rechtsvorschriften sollte zudem klar und unmissverständlich festgelegt werden, wann dieser Zeitraum beginnen und unter welchen Umständen er unterbrochen oder ausgesetzt werden soll.
(24)
Angesichts der Möglichkeit, dass die Vertraulichkeit eines Geschäftsgeheimnisses im Verlauf von Gerichtsverfahren nicht gewahrt bleibt, schrecken die rechtmäßigen Inhaber von Geschäftsgeheimnissen häufig davor zurück, zum Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse ein Gerichtsverfahren einzuleiten; dies stellt die Wirksamkeit der vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe infrage. Daher bedarf es — vorbehaltlich geeigneter Schutzmaßnahmen, die das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein faires Verfahren garantieren — spezifischer Anforderungen, die darauf abstellen, die Vertraulichkeit eines Geschäftsgeheimnisses, das Gegenstand eines Gerichtsverfahrens ist, im Verlauf des Verfahrens zu wahren. Der entsprechende Schutz sollte auch nach Abschluss des Gerichtsverfahrens und so lange weiterbestehen, wie die Informationen, die Gegenstand des Geschäftsgeheimnisses sind, nicht öffentlich verfügbar sind.
(25)
Diese Anforderungen sollten zumindest die Möglichkeit vorsehen, den zum Zugang zu Beweismitteln oder Anhörungen berechtigten Personenkreis zu beschränken — wobei zu bedenken ist, dass alle diese Personen den Geheimhaltungsvorschriften dieser Richtlinie unterliegen sollten — und ausschließlich die nicht vertraulichen Teile von Gerichtsentscheidungen zu veröffentlichen. In Anbetracht der Tatsache, dass Gerichtsverfahren unter anderem hauptsächlich dazu dienen, die Art der Informationen zu bewerten, die Gegenstand eines Rechtsstreits sind, muss dabei sichergestellt werden, dass die Geschäftsgeheimnisse wirksam geschützt werden und gleichzeitig das Recht der Verfahrensparteien auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein faires Verfahren gewahrt bleibt. Der beschränkte Personenkreis sollte daher aus mindestens einer natürlichen Person jeder Partei sowie den jeweiligen Rechtsanwälten der Parteien und gegebenenfalls sonstigen Vertretern bestehen, die nach dem nationalen Recht ausreichend qualifiziert sind, um eine Partei in einem unter diese Richtlinie fallenden Gerichtsverfahren zu verteidigen, zu vertreten oder ihre Interessen wahrzunehmen; all diese Personen sollten Zugang zu den betreffenden Beweismitteln oder Anhörungen haben. Ist eine der Parteien eine juristische Person, so sollte sie eine oder mehrere natürliche Personen, die diesem Personenkreis angehören sollen, vorschlagen können, damit sichergestellt ist, dass sie angemessen vertreten wird, wobei allerdings durch eine ausreichende gerichtliche Kontrolle verhindert werden muss, dass das Ziel, den Zugang zu Beweismitteln und Anhörungen zu beschränken, unterlaufen wird. Diese Schutzklauseln sollten nicht so verstanden werden, dass sich die Parteien im Verlauf des Gerichtsverfahrens von einem Rechtsanwalt oder einem anderen Vertreter vertreten lassen müssen, wenn das nach nationalem Recht nicht erforderlich ist. Auch sollten sie nicht so verstanden werden, dass die Zuständigkeit der Gerichte, gemäß den geltenden Vorschriften und Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die zuständigen Gerichtsbediensteten zur Erfüllung ihrer Aufgaben ebenfalls uneingeschränkt Zugang zu den Beweismitteln und Anhörungen erhalten, beschnitten wird.
(26)
Der rechtswidrige Erwerb, die rechtswidrige Nutzung oder die rechtswidrige Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses durch einen Dritten könnte verheerende Folgen für den rechtmäßigen Inhaber des Geschäftsgeheimnisses haben, da dieser nach der Offenlegung den Zustand vor dem Verlust des Geschäftsgeheimnisses nicht wiederherstellen kann. Folglich kommt es entscheidend darauf an, rasche, wirksame und zugängliche vorläufige Maßnahmen zur unverzüglichen Beendigung des rechtswidrigen Erwerbs oder der rechtswidrigen Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses zu treffen, auch in dem Fall, dass es zur Erbringung von Dienstleistungen genutzt wird. Es kommt entscheidend darauf an, dass eine solche Abhilfe zur Verfügung steht, ohne dass eine Sachentscheidung abgewartet werden muss, wobei das Recht auf Verteidigung und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden müssen und die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. In bestimmten Fällen sollte es zulässig sein, es dem mutmaßlichen Rechtsverletzer vorbehaltlich der Hinterlegung einer oder mehrerer Sicherheiten zu gestatten, das Geschäftsgeheimnis insbesondere dann weiterhin zu nutzen, wenn nur geringe Gefahr besteht, dass es in die Öffentlichkeit gelangt. Es sollte außerdem möglich sein, Sicherheiten in ausreichender Höhe zu verlangen, um die dem Antragsgegner durch einen unbegründeten Antrag entstehenden Kosten und Schäden zu decken, insbesondere dann, wenn dem rechtmäßigen Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses durch eine zeitliche Verzögerung ein nicht wiedergutzumachender Schaden entstünde.
(27)
Aus dem gleichen Grund ist es wichtig, endgültige Maßnahmen vorzusehen, die eine rechtswidrige Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses auch in dem Fall verhindern, dass das Geschäftsgeheimnis zur Erbringung von Dienstleistungen genutzt wird. Damit solche Maßnahmen wirksam und verhältnismäßig sind, sollten sie — sofern die Umstände eine Befristung erforderlich machen — lange genug gelten, um etwaige geschäftliche Vorteile zu beseitigen, die der betreffende Dritte möglicherweise aus dem rechtswidrigen Erwerb oder der rechtswidrigen Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses gezogen hat. Maßnahmen dieser Art sollten in keinem Fall vollstreckbar werden, wenn die ursprünglich dem Geschäftsgeheimnis unterliegenden Informationen aus Gründen, die nicht der Antragsgegner zu vertreten hat, allgemein zugänglich geworden sind.
(28)
Es besteht die Möglichkeit, dass ein Geschäftsgeheimnis auf rechtswidrige Weise für die Entwicklung, Herstellung oder Vermarktung von Produkten oder deren Bestandteilen genutzt werden könnte, die dann im Binnenmarkt Verbreitung finden könnten; dadurch würde den geschäftlichen Interessen des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses und dem Funktionieren des Binnenmarkts geschadet. In diesen Fällen ebenso wie in Fällen, in denen das Geschäftsgeheimnis sich erheblich auf die Qualität, den Wert oder den Preis der aus dieser rechtswidrigen Nutzung gewonnenen Endprodukte auswirkt oder die Kosten der Prozesse für ihre Herstellung oder Vermarktung senkt oder diese Prozesse erleichtert oder beschleunigt, ist es wichtig, die Gerichte zu ermächtigen, effektive und geeignete Maßnahmen anzuordnen, um sicherzustellen, dass die betreffenden Produkte nicht auf den Markt gebracht bzw. vom Markt genommen werden. In Anbetracht der globalen Natur des Handels ist es auch erforderlich, dass diese Maßnahmen ein Verbot der Einfuhr dieser Produkte in die Union oder ihrer Lagerung zum Zwecke einer Vermarktung beinhalten. Entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sollten Abhilfemaßnahmen nicht unbedingt die Vernichtung der Produkte zur Folge haben, wenn andere gangbare Möglichkeiten bestehen, wie etwa die Beseitigung der rechtsverletzenden Eigenschaft des Produkts oder eine Verwertung der Produkte außerhalb des Marktes, beispielsweise in Form von Spenden an wohltätige Organisationen.
(29)
Eine Person könnte ein Geschäftsgeheimnis ursprünglich in gutem Glauben erworben haben, aber erst zu einem späteren Zeitpunkt — zum Beispiel aufgrund einer entsprechenden Mitteilung des ursprünglichen Inhabers des Geschäftsgeheimnisses — erfahren, dass ihre Kenntnis des betreffenden Geschäftsgeheimnisses auf Quellen zurückgeht, die dieses Geschäftsgeheimnis auf unrechtmäßige Weise genutzt oder offengelegt haben. Damit in solchen Fällen die vorgesehenen gerichtlichen Abhilfemaßnahmen oder Anordnungen der betreffenden Person keinen unverhältnismäßig großen Schaden zufügen, sollten die Mitgliedstaaten für entsprechende Fälle als alternative Maßnahme die Möglichkeit einer finanziellen Entschädigung für die geschädigte Partei vorsehen. Diese Entschädigung sollte jedoch nicht den Betrag der Lizenzgebühren übersteigen, die bei einer genehmigten Nutzung des betreffenden Geschäftsgeheimnisses für den Zeitraum angefallen wären, für den der ursprüngliche Inhaber des Geschäftsgeheimnisses dessen Nutzung hätte verhindern können. Würde die rechtswidrige Nutzung des Geschäftsgeheimnisses jedoch einen Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften als die in dieser Richtlinie enthaltenen darstellen oder zu einer Gefahr für die Verbraucher werden, sollte eine solche rechtswidrige Nutzung nicht gestattet werden.
(30)
Damit eine Person, die wusste oder begründeterweise hätte wissen müssen, dass sie ein Geschäftsgeheimnis auf unrechtmäßige Weise erwirbt, nutzt oder offenlegt, aus einem solchen Verhalten keinen Vorteil ziehen kann und gewährleistet ist, dass für den geschädigten Inhaber des Geschäftsgeheimnisses so weit wie möglich die Situation wiederhergestellt wird, in der er sich befunden hätte, wenn es nicht zu einem solchen Verhalten gekommen wäre, ist eine angemessene Entschädigung für den infolge des rechtswidrigen Verhaltens erlittenen Schaden vorzusehen. Die Höhe des dem geschädigten Inhaber des Geschäftsgeheimnisses zuerkannten Schadensersatzes sollte allen relevanten Faktoren Rechnung tragen, so einem Einkommensverlust des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses oder einem unlauteren Gewinn des Rechtsverletzers und gegebenenfalls etwaigen dem Inhaber des Geschäftsgeheimnisses entstandenen immateriellen Schäden. In Fällen, in denen es beispielsweise angesichts des immateriellen Charakters von Geschäftsgeheimnissen schwierig wäre, die Höhe des tatsächlich erlittenen Schadens zu bestimmen, käme als Alternative in Betracht, die Schadenshöhe aus Größen herzuleiten wie etwa den Lizenzgebühren, die angefallen wären, wenn der Rechtsverletzter um eine Genehmigung zur Nutzung des betreffenden Geschäftsgeheimnisses ersucht hätte. Bezweckt wird mit dieser alternativen Methode nicht die Einführung einer Verpflichtung zu einem als Strafe angelegten Schadensersatz, sondern die Gewährleistung einer Entschädigung für den Inhaber des Geschäftsgeheimnisses auf objektiver Grundlage unter Berücksichtigung der ihm entstandenen Kosten, z. B. im Zusammenhang mit der Feststellung der Rechtsverletzung und den Nachforschungen. Diese Richtlinie sollte die Mitgliedstaaten jedoch nicht daran hindern, in ihrem nationalen Recht vorzusehen, dass die Schadenshaftung von Arbeitnehmern bei nicht vorsätzlichem Handeln beschränkt wird.
(31)
Zur zusätzlichen Abschreckung für potenzielle Rechtsverletzer und zur Sensibilisierung der breiten Öffentlichkeit ist es zweckmäßig, Entscheidungen in Fällen, bei denen es um den rechtswidrigen Erwerb oder die rechtswidrige Nutzung oder Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen geht, gegebenenfalls durch öffentlichkeitswirksame Anzeigen zu veröffentlichen, sofern die Veröffentlichung weder mit einer Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses verbunden ist noch der Privatsphäre und der Reputation natürlicher Personen auf unverhältnismäßige Weise abträglich ist.
(32)
Die Wirksamkeit der Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe, die den Inhabern von Geschäftsgeheimnissen zur Verfügung stehen, könnte im Falle einer Nichtbefolgung der von den zuständigen Gerichten getroffenen Entscheidungen unterminiert werden. Daher ist sicherzustellen, dass die betreffenden Behörden über geeignete Sanktionsbefugnisse verfügen.
(33)
Zur Erleichterung der einheitlichen Anwendung der in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe ist es angezeigt, Mechanismen für eine Zusammenarbeit und einen Informationsaustauch zwischen den Mitgliedstaaten einerseits und zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission andererseits vorzusehen, insbesondere durch die Schaffung eines Netzes von Korrespondenzstellen, die von den Mitgliedstaaten benannt werden. Um zu prüfen, ob die Maßnahmen ihren Zweck erfüllen, sollte die Kommission darüber hinaus — gegebenenfalls mit Unterstützung des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum — die Anwendung dieser Richtlinie und die Wirksamkeit der nationalen Maßnahmen überprüfen.
(34)
Diese Richtlinie wahrt die Grundrechte und die Grundsätze, die insbesondere in der Charta anerkannt wurden, namentlich das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, das Recht auf Schutz personenbezogener Daten, das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, die Berufsfreiheit und das Recht zu arbeiten, die unternehmerische Freiheit, das Eigentumsrecht, das Recht auf eine gute Verwaltung, und insbesondere das Recht auf Zugang zu Dokumenten bei gleichzeitiger Wahrung des Geschäftsgeheimnisses, das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein faires Verfahren und die Verteidigungsrechte.
(35)
Wichtig ist, dass das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und den Schutz der personenbezogenen Daten aller Personen gewahrt bleibt, deren personenbezogene Daten vom Inhaber des Geschäftsgeheimnisses bei Maßnahmen zum Schutz eines Geschäftsgeheimnisses eventuell verarbeitet werden oder die an einem Rechtsstreit über den rechtswidrigen Erwerb bzw. die rechtswidrige Nutzung oder Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen gemäß dieser Richtlinie beteiligt sind und deren personenbezogene Daten verarbeitet werden. Für die im Rahmen dieser Richtlinie unter Aufsicht der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und insbesondere der von ihnen bezeichneten unabhängigen öffentlichen Stellen durchgeführte Verarbeitung personenbezogener Daten gilt die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(10). Daher sollte diese Richtlinie die in der Richtlinie 95/46/EG niedergelegten Rechte und Pflichten — insbesondere das Recht der betroffenen Person auf Zugang zu ihren personenbezogenen Daten, die verarbeitet werden, sowie auf Berichtigung, Löschung oder Sperrung unvollständiger oder unrichtiger Daten sowie gegebenenfalls die Pflicht zur Verarbeitung sensibler Daten gemäß Artikel 8 Absatz 5 der Richtlinie 95/46/EG — nicht berühren.
(36)
Da das Ziel dieser Richtlinie, nämlich ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts durch die Schaffung eines ausreichenden und vergleichbaren Rechtsschutzes im Binnenmarkt in Fällen des rechtswidrigen Erwerbs oder der rechtswidrigen Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses, von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann, sondern vielmehr wegen seines Umfangs und seiner Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das für die Verwirklichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.
(37)
Diese Richtlinie zielt nicht darauf ab, die Vorschriften im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit, der gerichtlichen Zuständigkeit oder der Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen in Zivil- und Handelssachen zu harmonisieren oder darauf, Fragen des anwendbaren Rechts zu behandeln. Andere Unionsinstrumente, durch die derartige Angelegenheiten ganz allgemein geregelt werden, sollten grundsätzlich weiterhin für den von dieser Richtlinie abgedeckten Bereich gelten.
(38)
Diese Richtlinie sollte die Anwendung der Wettbewerbsvorschriften, insbesondere der Artikel 101 und 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), unberührt lassen. Die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe sollten nicht dazu verwendet werden, den Wettbewerb entgegen den Vorschriften des AEUV in unzulässiger Weise einzuschränken.
(39)
Diese Richtlinie sollte die Anwendung etwaiger sonstiger relevanter Rechtsvorschriften in anderen Bereichen, einschließlich der Rechte des geistigen Eigentums und des Vertragsrechts, unberührt lassen. Im Falle einer Überschneidung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlament und des Rates(11) mit dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie geht diese Richtlinie als Lex specialis der anderen Richtlinie vor.
(40)
Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde gemäß Artikel 28 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates(12) angehört und hat seine Stellungnahme am 12. März 2014 abgegeben —

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. C 226 vom 16.7.2014, S. 48.

(2)

Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 14.April 2016 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 27. Mai 2016.

(3)

Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. L 336 vom 23.12.1994, S. 1).

(4)

Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145 vom 31.5.2001, S. 43).

(5)

Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft (ABl. L 264 vom 25.9.2006, S. 13).

(6)

Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABl. L 41 vom 14.2.2003, S. 26).

(7)

Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 1).

(8)

Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 zur öffentlichen Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65).

(9)

Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 243).

(10)

Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31).

(11)

Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. L 157 vom 30.4.2004, S. 45).

(12)

Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr (ABl. L 8 vom 12.1.2001, S. 1).

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