Artikel 30 RL 2016/97/EU

Beurteilung der Eignung und Zweckmäßigkeit sowie Berichtspflicht gegenüber Kunden

(1) Unbeschadet des Artikels 20 Absatz 1 beschafft sich der Versicherungsvermittler bzw. das Versicherungsunternehmen, wenn er bzw. es eine Beratung zu einem Versicherungsanlageprodukt erbringt, auch die notwendigen Informationen über die Kenntnisse und Erfahrung des Kunden oder potenziellen Kunden im Anlagebereich in Bezug auf den speziellen Produkttyp oder den speziellen Typ der Dienstleistung, die finanziellen Verhältnisse dieser Person, einschließlich die Fähigkeit dieser Person, Verluste zu tragen, und ihre Anlageziele, einschließlich der Risikotoleranz dieser Person, um dem Versicherungsvermittler bzw. Versicherungsunternehmen zu ermöglichen, dem Kunden oder potenziellen Kunden die Versicherungsanlageprodukte zu empfehlen, die für ihn geeignet sind und insbesondere seiner Risikotoleranz und seiner Fähigkeit, Verluste zu tragen, entsprechen.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in dem Fall, dass ein Versicherungsvermittler oder Versicherungsunternehmen eine Anlageberatung erbringt, bei der ein Paket von Dienstleistungen oder Produkten empfohlen wird, die gemäß Artikel 24 gebündelt sind, das gesamte gebündelte Paket für den Kunden geeignet ist.

(2) Unbeschadet des Artikels 20 Absatz 1 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass Versicherungsvermittler bzw. Versicherungsunternehmen bei anderen Versicherungsvertriebstätigkeiten, als den in Absatz 1 dieses Artikels genannten Tätigkeiten, die ohne Beratung stattfinden, den Kunden oder potenziellen Kunden um Informationen über die Kenntnisse und die Erfahrung dieser Person im Anlagebereich in Bezug auf den speziellen Typ der angebotenen oder angeforderten Produkte oder Dienstleistungen bitten, um beurteilen zu können, ob die in Betracht gezogene Versicherungsdienstleistung oder das in Betracht gezogene Versicherungsprodukt für den Kunden angemessen sind. Wird ein Bündel von Dienstleistungen oder Produkten gemäß Artikel 24 in Betracht gezogen, wird bei der Beurteilung berücksichtigt, ob das gesamte gebündelte Paket angemessen ist.

Ist der Versicherungsvermittler bzw. das Versicherungsunternehmen aufgrund der gemäß Unterabsatz 1 erhaltenen Informationen der Auffassung, dass das Produkt für den Kunden oder potenziellen Kunden unangemessen ist, warnt er bzw. es den Kunden oder potenziellen Kunden diesbezüglich. Diese Warnung kann in einem standardisierten Format erfolgen.

Erteilt der Kunde oder potenzielle Kunde die in Unterabsatz 1 genannten Informationen nicht oder macht er unzureichende Angaben zu seinen Kenntnissen und seiner Erfahrung, warnt ihn der Versicherungsvermittler bzw. das Versicherungsunternehmen, dass er bzw. es nicht beurteilen kann, ob das in Betracht gezogene Produkt für ihn angemessen ist. Diese Warnung kann in einem standardisierten Format erfolgen.

(3) Unbeschadet des Artikels 20 Absatz 1 können die Mitgliedstaaten, wenn keine Beratung über Versicherungsanlageprodukte erfolgt, von der in Absatz 2 dieses Artikels erwähnten Verpflichtung absehen und Versicherungsvermittlern bzw. Versicherungsunternehmen gestatten, Versicherungsvertriebstätigkeiten in ihrem Hoheitsgebiet auszuüben, ohne sich die in Absatz 2 des vorliegenden Artikels vorgesehenen Informationen beschaffen oder die dort vorgesehene Beurteilung vornehmen zu müssen, wenn sämtliche folgenden Bedingungen erfüllt sind:

a)
Die Tätigkeiten beziehen sich auf eines der folgenden Versicherungsanlageprodukte:

i)
Verträge, die ausschließlich Anlagerisiken aus Finanzinstrumenten mit sich bringen, die nicht als komplexe Finanzinstrumente im Sinne der Richtlinie 2014/65/EU gelten und keine Struktur aufweisen, die es dem Kunden erschwert, die mit der Anlage einhergehenden Risiken zu verstehen, oder
ii)
andere nicht-komplexe Versicherungsanlagen für die Zwecke dieses Absatzes.

b)
Die Vertriebstätigkeit erfolgt auf Veranlassung des Kunden bzw. potenziellen Kunden.
c)
Der Kunde oder potenzielle Kunde wurde eindeutig darüber informiert, dass der Versicherungsvermittler oder das Versicherungsunternehmen bei der Erbringung der Versicherungsvertriebstätigkeit die Angemessenheit der Versicherungsanlageprodukte oder Versicherungsvertriebstätigkeit, die erbracht oder angeboten werden, nicht prüfen muss, und dass der Kunde oder potenzielle Kunde nicht in den Genuss des Schutzes der einschlägigen Wohlverhaltensregeln kommt. Eine derartige Warnung kann in standardisierter Form erfolgen.
d)
Der Versicherungsvermittler bzw. das Versicherungsunternehmen kommt seinen Pflichten gemäß den Artikeln 27 und 28 nach.

Alle Versicherungsvermittler bzw. Versicherungsunternehmen, einschließlich derjenigen, die im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit oder der Niederlassungsfreiheit arbeiten, müssen beim Abschluss von Versicherungsverträgen mit Kunden, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Niederlassung in einem Mitgliedstaat haben, der nicht von der in diesem Absatz erwähnten Ausnahmeregelung Gebrauch macht, die in diesem Mitgliedstaat geltenden Vorschriften einhalten.

(4) Der Versicherungsvermittler bzw. das Versicherungsunternehmen erstellt eine Aufzeichnung, die das Dokument oder die Dokumente mit den Vereinbarungen zwischen ihm und dem Kunden enthält, die die Rechte und Pflichten der Parteien sowie die sonstigen Bedingungen festlegen, zu denen der Versicherungsvermittler bzw. das Versicherungsunternehmen Dienstleistungen für den Kunden erbringt. Die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien können durch einen Verweis auf andere Dokumente oder Rechtstexte aufgenommen werden.

(5) Der Versicherungsvermittler bzw. das Versicherungsunternehmen muss dem Kunden angemessene Berichte über die erbrachten Dienstleistungen mittels eines dauerhaften Datenträgers zur Verfügung stellen. Diese Berichte enthalten regelmäßige Mitteilungen an die Kunden, in denen der Art und der Komplexität der jeweiligen Versicherungsanlageprodukte sowie der Art der für den Kunden erbrachten Dienstleistung Rechnung getragen wird, und gegebenenfalls die Kosten, die mit den im Namen des Kunden getätigten Geschäften und den erbrachten Dienstleistungen verbunden sind.

Erbringt der Versicherungsvermittler bzw. das Versicherungsunternehmen eine Beratungsleistung zu einem Versicherungsanlageprodukt, stellt er bzw. es dem Kunden vor Vertragsabschluss mittels eines dauerhaften Datenträgers eine Geeignetheitserklärung zur Verfügung, in der die erbrachte Beratungsleistung und die Art und Weise, in der diese den Präferenzen, Zielen und anderen kundenspezifischen Merkmalen entspricht, aufgeführt sind. Es gelten die Bedingungen nach Artikel 23 Absätze 1 bis 4.

Wenn der Vertrag unter Verwendung eines Fernkommunikationsmittels abgeschlossen wird und die vorherige Aushändigung der Angemessenheitserklärung somit nicht möglich ist, kann der Versicherungsvermittler bzw. das Versicherungsunternehmen dem Kunden die Angemessenheitserklärung mittels eines dauerhaften Datenträgers zur Verfügung stellen, unmittelbar nachdem dieser sich vertraglich gebunden hat, sofern die beiden folgenden Bedingungen erfüllt sind:

a)
Der Kunde hat der Aushändigung der Angemessenheitserklärung unverzüglich nach Vertragsabschluss zugestimmt, und
b)
der Versicherungsvermittler bzw. das Versicherungsunternehmen hat dem Kunden die Möglichkeit angeboten, den Vertragsabschluss zu verschieben, um die Angemessenheitserklärung vorher zu erhalten.

Wenn ein Versicherungsvermittler oder ein Versicherungsunternehmen dem Kunden mitgeteilt hat, dass er bzw. es eine regelmäßige Beurteilung der Eignung vornehmen werde, muss der regelmäßige Bericht eine aktualisierte Erklärung dazu enthalten, wie das Versicherungsanlageprodukt den Präferenzen, Zielen und anderen kundenspezifischen Merkmalen entspricht.

(6) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 38 zu erlassen um die Einzelheiten dazu festzulegen, wie Versicherungsvermittler und -unternehmen bei der Ausübung von Versicherungsvertriebstätigkeiten gegenüber ihren Kunden die in diesem Artikel festgelegten Grundsätze einzuhalten haben, einschließlich der Auskünfte, die einzuholen sind, wenn die Eignung und Angemessenheit der Versicherungsanlageprodukte für ihre Kunden beurteilt wird, die Kriterien, anhand derer nichtkomplexe Versicherungsanlageprodukte für die Zwecke des Absatzes 3 Buchstabe a Ziffer ii dieses Artikels ermittelt werden, und der Inhalt und das Format der Aufzeichnungen und Vereinbarungen für die Erbringung von Dienstleistungen für Kunden und die Erstellung regelmäßiger Berichte für Kunden über die erbrachten Dienstleistungen. In diesen delegierten Rechtsakten sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:

a)
die Art der den Kunden oder potenziellen Kunden angebotenen oder für diese erbrachten Dienstleistungen unter Berücksichtigung von Typ, Gegenstand, Umfang und Häufigkeit der Geschäfte;
b)
die Art der angebotenen oder in Betracht gezogenen Produkte, einschließlich der unterschiedlichen Arten von Versicherungsanlageprodukten;
c)
die Tatsache, ob es sich bei den Kunden oder potenziellen Kunden um Kleinanleger oder professionelle Anleger handelt.

(7) Bis zum 23. August 2017 arbeitet die EIOPA Leitlinien aus, anhand derer Versicherungsanlageprodukte ermittelt werden können, die eine Struktur aufweisen, die es dem Kunden erschwert, die mit der Anlage einhergehenden Risiken zu verstehen, wie sie in Absatz 3 Buchstabe a Ziffer i erwähnt sind, und aktualisiert sie anschließend regelmäßig.

(8) Die EIOPA kann Leitlinien für die Bewertung von Versicherungsanlageprodukten, die als nichtkomplex für die Zwecke des Absatzes 3 Buchstabe a Ziffer ii eingestuft werden, unter Berücksichtigung der nach Absatz 6 erlassenen delegierten Rechtsakte ausarbeiten und sie danach regelmäßig aktualisieren.

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