Artikel 61 RL 2018/1972/EU

Befugnisse und Zuständigkeiten der nationalen Regulierungsbehörden und anderen zuständigen Behörden in Bezug auf Zugang und Zusammenschaltung

(1) Die nationalen Regulierungsbehörden oder, im Falle des Absatzes 2 Unterabsatz 1 Buchstaben b und c des vorliegenden Artikels, die nationalen Regulierungsbehörden oder die anderen zuständigen Behörden fördern gegebenenfalls entsprechend dieser Richtlinie bei ihren Maßnahmen zur Verwirklichung der in Artikel 3 festgelegten Ziele einen angemessenen Zugang und eine geeignete Zusammenschaltung sowie die Interoperabilität der Dienste und stellen diese sicher und nehmen ihre Zuständigkeit in einer Weise wahr, die Effizienz und nachhaltigen Wettbewerb, den Aufbau von Netzen mit sehr hoher Kapazität, effiziente Investitionen und Innovation fördert und den Endnutzern größtmöglichen Nutzen bringt.

Sie geben Orientierungshilfe und machen die für den Zugang und die Zusammenschaltung geltenden Verfahren öffentlich zugänglich, damit kleine und mittlere Unternehmen und Betreiber mit begrenzter geografischer Reichweite von den auferlegten Verpflichtungen profitieren können.

(2) Unbeschadet etwaiger Maßnahmen gemäß Artikel 68 in Bezug auf Unternehmen, die als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft wurden, können die nationalen Regulierungsbehörden oder, im Falle der Buchstaben b und c des vorliegenden Unterabsatzes, die nationalen Regulierungsbehörden oder die anderen zuständigen Behörden insbesondere folgende Maßnahmen treffen:

a)
In dem zur Gewährleistung der durchgehenden Konnektivität erforderlichen Umfang können sie den Unternehmen, die einer Allgemeingenehmigung unterliegen und den Zugang zu den Endnutzern kontrollieren, Verpflichtungen auferlegen, wozu in begründeten Fällen auch die Verpflichtung gehören kann, ihre Netze zusammenzuschalten, sofern dies noch nicht geschehen ist.
b)
In begründeten Fällen und in dem erforderlichen Umfang können sie den Unternehmen, die einer Allgemeingenehmigung unterliegen und den Zugang zu den Endnutzern kontrollieren, Verpflichtungen auferlegen, ihre Dienste interoperabel zu machen.
c)
In begründeten Fällen, in denen die durchgehende Konnektivität zwischen Endnutzern wegen mangelnder Interoperabilität zwischen interpersonellen Kommunikationsdiensten bedroht ist, und in dem zur Gewährleistung der durchgehenden Konnektivität zwischen Endnutzern erforderlichen Umfang können sie den betreffenden Anbietern nummernunabhängiger interpersoneller Kommunikationsdienste, die eine nennenswerte Abdeckung und Nutzerbasis aufweisen, Verpflichtungen auferlegen, ihre Dienste interoperabel zu machen.
d)
In dem zur Gewährleistung des Zugangs der Endnutzer zu vom Mitgliedstaat festgelegten digitalen Hörfunk- und Fernsehdiensten und damit verbundenen ergänzenden Diensten erforderlichen Umfang können sie die Betreiber dazu verpflichten, zu fairen, ausgewogenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen den Zugang zu den in Anhang II Teil II aufgeführten anderen Einrichtungen zu gewähren.

Die in Unterabsatz 1 Buchstabe c genannten Verpflichtungen dürfen nur auferlegt werden,

i)
soweit sie den zur Sicherstellung der Interoperabilität von interpersonellen Kommunikationsdiensten notwendigen Umfang nicht überschreiten; dies kann auch verhältnismäßige Verpflichtungen für die Anbieter dieser Dienste einschließen, die Anwendung, Änderung und Weiterverbreitung einschlägiger Informationen durch die Behörden oder andere Anbieter zu veröffentlichen und zu genehmigen oder Normen oder Spezifikationen gemäß Artikel 39 Absatz 1 oder andere einschlägige europäische oder internationale Normen anzuwenden oder umzusetzen,
ii)
wenn die Kommission nach Konsultation des GEREK und unter weitestmöglich Berücksichtigung seiner Stellungnahme festgestellt hat, dass die durchgehende Konnektivität zwischen Endnutzern in der gesamten Union oder in mindestens drei Mitgliedstaaten in nennenswertem Ausmaß bedroht ist, und wenn sie Durchführungsmaßnahmen erlassen hat, in denen Art und Umfang der auferlegbaren Verpflichtungen festgelegt werden.

Die Durchführungsmaßnahmen gemäß Unterabsatz 2 Buchstabe ii werden gemäß dem in Artikel 118 Absatz 4 genannten Prüfverfahren erlassen.

(3) Insbesondere können die nationalen Regulierungsbehörden unbeschadet der Absätze 1 und 2 auf angemessenen Antrag auf Zugang zu Verkabelungen und zugehörigen Einrichtungen in Gebäuden oder bis zum von der betreffenden nationalen Regulierungsbehörde festgelegten ersten Konzentrations- oder Verteilerpunkt, sofern dieser außerhalb des Gebäudes liegt, Verpflichtungen auferlegen. Wenn dies dadurch gerechtfertigt ist, dass eine Replizierung dieser Netzbestandteile wirtschaftlich ineffizient oder praktisch unmöglich wäre, können diese Verpflichtungen Betreibern elektronischer Kommunikationsnetze oder den Eigentümern solcher Verkabelungen und zugehörigen Einrichtungen auferlegen, wenn es sich bei diesen Eigentümern nicht um Betreiber elektronischer Kommunikationsnetze handelt. Die auferlegten Zugangsbedingungen können konkrete Bestimmungen bezüglich Zugang zu solchen Netzelementen und zugehörigen Einrichtungen und zugehörigen Diensten, Transparenz und Nichtdiskriminierung sowie der Umlegung der Kosten des Zugangs enthalten, die zur Berücksichtigung von Risikofaktoren gegebenenfalls angepasst werden.

Gelangt eine nationale Regulierungsbehörde gegebenenfalls unter Berücksichtigung der sich aus einschlägigen Marktanalysen ergebenden Verpflichtungen zu dem Schluss, dass die gemäß Unterabsatz 1 auferlegten Verpflichtungen nicht ausreichen, um die beträchtlichen und anhaltenden wirtschaftlichen oder physischen Hindernisse für eine Replizierung zu beseitigen, die einer bestehenden oder sich abzeichnenden Marktsituation, bei der die Wettbewerbsergebnisse für die Endnutzer erheblich beeinträchtigt werden, zugrunde liegen, kann die nationale Regulierungsbehörde zu fairen und angemessenen Bedingungen Zugangsverpflichtungen auferlegen, die sich über den ersten Konzentrations- oder Verteilerpunkt hinaus bis zu einem Punkt erstrecken, den sie als den den Endnutzern am nächsten gelegenen Punkt bestimmt, bei dem es möglich ist, effizienten Zugangsnachfragern auf wirtschaftlich tragfähige Weise eine ausreichende Anzahl an Endnutzeranschlüssen bereitzustellen. Bei der Festlegung des Umfangs der Ausdehnung über den ersten Konzentrations- oder Verteilerpunkt hinaus, berücksichtigt die nationale Regulierungsbehörde weitestmöglich die einschlägigen Leitlinien des GEREK. Falls dies aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen gerechtfertigt ist, können die nationalen Regulierungsbehörden aktive oder virtuelle Zugangsverpflichtungen auferlegen.

Die nationalen Regulierungsbehörden erlegen den Betreibern elektronischer Kommunikationsnetze die in Unterabsatz 2 genannten Verpflichtungen nicht auf, wenn sie feststellen, dass

a)
der Betreiber die Merkmale gemäß Artikel 80 Absatz 1 aufweist und Unternehmen mittels Zugang zu einem Netz mit sehr hoher Kapazität zu fairen, nichtdiskriminierenden und angemessenen Bedingungen einen tragfähigen und vergleichbaren alternativen Zugangsweg zu Endnutzern zur Verfügung stellt; die nationalen Regulierungsbehörden können diese Ausnahmeregelung auf andere Anbieter ausweiten, die zu fairen, nichtdiskriminierenden und angemessenen Bedingungen Zugang zu einem Netz mit sehr hoher Kapazität gewähren; oder
b)
die Auferlegung von Verpflichtungen die wirtschaftliche oder finanzielle Tragfähigkeit des Aufbaus neuer Netze insbesondere im Rahmen kleiner lokaler Projekte gefährden würde.

Abweichend von Unterabsatz 3 Buchstabe a können die nationalen Regulierungsbehörden Betreibern elektronischer Kommunikationsnetze, die die Kriterien jenes Buchstaben erfüllen, Verpflichtungen auferlegen, wenn das betreffende Netz mit öffentlichen Mitteln finanziert wird.

Zur Förderung einer einheitlichen Anwendung des vorliegenden Absatzes veröffentlicht das GEREK bis zum 21. Dezember 2020 Leitlinien, in denen die einschlägigen Kriterien zur Festlegung von Folgendem enthalten sind:

a)
dem ersten Konzentrations- oder Verteilerpunkt;
b)
dem über den ersten Konzentrations- oder Verteilerpunkt hinaus gelegenen Punkt, bei dem es möglich ist, eine ausreichende Anzahl an Endnutzeranschlüssen bereitzustellen, damit ein effizientes Unternehmen die festgestellten erheblichen Hindernisse für eine Replizierung beseitigen kann;
c)
der Frage, welcher Aufbau von Netzen als neu angesehen werden kann;
d)
der Frage, welches Projekt als klein angesehen werden kann; und
e)
der Frage, welche wirtschaftlichen oder physischen Hindernisse für eine Replizierung beträchtlich und anhaltend sind.

(4) Unbeschadet der Absätze 1 und 2 sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass die zuständigen Behörden befugt sind, Unternehmen, die elektronische Kommunikationsnetze bereitstellen oder zu deren Bereitstellung berechtigt sind, im Einklang mit dem Unionsrecht Verpflichtungen in Bezug auf die gemeinsame Nutzung von passiven Infrastrukturen oder Verpflichtungen über den Abschluss lokaler Roamingzugangsvereinbarungen aufzuerlegen, sofern dies in beiden Fällen für die Bereitstellung von auf Funkfrequenzen gestützter Dienste auf lokaler Ebene unmittelbar erforderlich ist und sofern keinem Unternehmen tragfähige und vergleichbare alternative Zugangswege zu den Endnutzern zu fairen und angemessenen Bedingungen zur Verfügung gestellt werden. Die zuständigen Behörden können derartige Verpflichtungen nur dann auferlegen, wenn diese Möglichkeit bei der Erteilung der Frequenznutzungsrechte ausdrücklich vorgesehen wurde und wenn dies dadurch gerechtfertigt ist, dass in dem Gebiet, für das diese Verpflichtungen gelten, unüberwindbare wirtschaftliche oder physische Hindernisse für den marktgesteuerten Ausbau der Infrastruktur zur Bereitstellung funkfrequenzgestützter Netze oder Dienste bestehen, weshalb Endnutzer äußerst lückenhaften oder gar keinen Zugang zu Netzen oder Diensten haben. Lässt sich mithilfe des Zugangs zu und der gemeinsamen Nutzung passiver Infrastruktur allein keine Abhilfe schaffen, können die nationalen Regulierungsbehörden vorschreiben, dass aktive Infrastruktur gemeinsam genutzt wird.

Die zuständigen Regulierungsbehörden berücksichtigen Folgendes:

a)
das Erfordernis, die Netzanbindung in der gesamten Union, entlang wichtiger Verkehrswege und in bestimmten Gebieten zu maximieren, und die Möglichkeit, eine wesentlich größere Auswahl und höhere Dienstqualität für die Endnutzer zu erreichen;
b)
die effiziente Nutzung von Funkfrequenzen;
c)
die technische Durchführbarkeit der gemeinsamen Nutzung und die diesbezüglichen Bedingungen;
d)
den Stand des Infrastruktur- und des Dienstleistungswettbewerbs;
e)
technische Innovationen;
f)
die vorrangige Notwendigkeit, im Hinblick auf den Ausbau der Infrastruktur zunächst Anreize für den Bereitsteller zu schaffen.

Im Falle einer Streitbeilegung können die zuständigen Behörden dem Begünstigten der die gemeinsame Nutzung oder den Zugang betreffenden Verpflichtung unter anderem vorschreiben, Funkfrequenzen mit dem Bereitsteller der Infrastruktur in dem betreffenden Gebiet gemeinsam zu nutzen.

(5) Die gemäß den Absätzen 1 bis 4 des vorliegenden Artikels auferlegten Verpflichtungen und Bedingungen müssen objektiv, transparent, verhältnismäßig und nichtdiskriminierend sein; für ihre Anwendung gelten die Verfahren der Artikel 23, 32 und 33. Die nationalen Regulierungsbehörden und anderen zuständigen Behörden, die diese Verpflichtungen und Bedingungen auferlegt haben, prüfen innerhalb von fünf Jahren nach Erlass der im Zusammenhang mit denselben Unternehmen beschlossenen vorherigen Maßnahme, zu welchen Ergebnissen diese Verpflichtungen und Bedingungen geführt haben und ob deren Änderung oder Aufhebung angesichts der sich wandelnden Umstände angemessen wäre. Diese Behörden geben die Ergebnisse ihrer Prüfung nach den Verfahren gemäß den Artikeln 23, 32 und 33 bekannt.

(6) Zum Zwecke der Absätze 1 und 2 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die nationale Regulierungsbehörde befugt ist, in begründeten Fällen aus eigener Initiative tätig zu werden, um entsprechend der vorliegenden Richtlinie und insbesondere mit den Verfahren der Artikel 23 und 32 die Beachtung der in Artikel 3 aufgeführten politischen Ziele zu gewährleisten.

(7) Um zu einer einheitlichen Festlegung der Lage der Netzabschlusspunkte durch die nationalen Regulierungsbehörden beizutragen, verabschiedet das GEREK nach Konsultation der Interessenträger und in enger Zusammenarbeit mit der Kommission bis zum 21. Juni 2020 Leitlinien zu gemeinsamen Vorgehensweisen bei der Bestimmung des Netzabschlusspunkts für verschiedene Netztopologien. Die nationalen Regulierungsbehörden tragen diesen Leitlinien bei der Festlegung der Lage der Netzabschlusspunkte weitestmöglich Rechnung.

© Europäische Union 1998-2021

Tipp: Verwenden Sie die Pfeiltasten der Tastatur zur Navigation zwischen Normen.