Präambel RL 2018/645/EU
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 91,
auf Vorschlag der Europäischen Kommission,
nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,
nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(1),
nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,
gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren(2),
in Erwägung nachstehender Gründe:
- (1)
- In ihrem Weißbuch vom 28. März 2011 mit dem Titel „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum — Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem” legt die Kommission ihr Ziel einer „Vision Null” dar, wonach die Union darauf hinarbeiten sollte, die Zahl der Unfalltoten im Straßenverkehr bis 2050 auf nahe null zu senken.
- (2)
- Die Kommission hat in ihrer Mitteilung über die Leitlinien für die Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit 2011-2020 mit dem Titel „Ein europäischer Raum der Straßenverkehrssicherheit: Leitlinien für die Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit 2011-2020” das Ziel vorgeschlagen, eine erneute Halbierung der Gesamtzahl der Unfalltoten im Straßenverkehr in der Union bis 2020 ab dem Jahr 2010 anzustreben. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Kommission sieben strategische Ziele festgelegt, darunter die Verbesserung der Verkehrserziehung und der Ausbildung der Straßenverkehrsteilnehmer sowie den Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmer.
- (3)
- Der Europäische Rat hat auf seiner Tagung am 23. und 24. Oktober 2014 das verbindliche Ziel bestätigt, die Treibhausgasemissionen der gesamten Wirtschaft der Union bis 2030 um mindestens 40 % gegenüber 1990 zu reduzieren. Mit diesem Ziel der Emissionsreduktion wird zur Erfüllung der langfristigen Vorgaben aus dem Übereinkommen von Paris beigetragen und alle Wirtschaftszweige sollten hierzu ihren Beitrag leisten. Im Verkehr bedarf es eines umfassenden Ansatzes für die Förderung von Emissionsreduktion und der Energieeffizienz. Fortschritte im Hinblick auf eine emissionsarme Mobilität sollten unter anderem im Wege der Forschung und der Umsetzung bereits verfügbarer technologischer Errungenschaften erzielt werden. Fahrer müssen angemessen geschult werden, damit sie möglichst sparsam fahren.
- (4)
- Im Anschluss an die Bewertung der Umsetzung der Richtlinie 2003/59/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(3) zeigte die Kommission einige Mängel auf. Die wichtigsten Mängel betrafen Schwierigkeiten und Rechtsunsicherheit bei der Auslegung von Ausnahmen, den Inhalt der Ausbildung, die als den Bedürfnissen der Fahrer nur teilweise gerecht werdend angesehen wurde, Schwierigkeiten der Fahrer bezüglich der gegenseitigen Anerkennung der ganz oder teilweise in einem anderen Mitgliedstaat absolvierten Ausbildung sowie Widersprüche hinsichtlich der Anforderungen an das Mindestalter zwischen den Richtlinien 2003/59/EG und 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(4).
- (5)
- Um die Rechtsklarheit in der Richtlinie 2003/59/EG zu verbessern, sollten alle Verweise auf aufgehobene oder ersetzte Rechtsakte der Union gestrichen oder geändert werden.
- (6)
- Im Interesse der Rechtssicherheit und der Kohärenz mit anderen Rechtsakten der Union sollte eine Reihe von Änderungen an den Ausnahmen zur Richtlinie 2003/59/EG vorgenommen werden, unter Berücksichtigung vergleichbarer Ausnahmen im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates(5). Einige dieser Ausnahmen betreffen Situationen, in denen das Führen von Fahrzeugen nicht die Hauptbeschäftigung des Fahrers ist und in denen es eine unverhältnismäßige Belastung für Fahrer darstellen würde, wenn man von ihnen verlangte, die Anforderungen der Richtlinie 2003/59/EG einzuhalten. Generell gilt das Führen von Fahrzeugen nicht als Hauptbeschäftigung des Fahrers, wenn es weniger als 30 % der rollierenden monatlichen Arbeitszeit in Anspruch nimmt.
- (7)
- Sofern das Führen von Fahrzeugen nicht häufig erfolgt, im ländlichen Raum stattfindet und von Fahrern vorgenommen wird, die ihr eigenes Unternehmen versorgen, sollten unter der Voraussetzung, dass die Straßenverkehrssicherheit unverändert gewahrt wird, Ausnahmeregelungen gelten. Aufgrund der mit Blick auf Geografie, Klima und Bevölkerungsdichte unterschiedlichen Bedingungen im ländlichen Raum in der Union sollten die Mitgliedstaaten über einen Ermessensspielraum bei der Entscheidung verfügen, ob das Führen von Fahrzeugen in diesen Fällen als gelegentlich betrachtet werden kann und ob eine solche Ausnahmeregelung beispielsweise aufgrund der Art der Straße, des Verkehrsaufkommens oder der Anwesenheit schwächerer Verkehrsteilnehmer Auswirkungen auf die Straßenverkehrssicherheit nach sich zieht.
- (8)
- Da die Entfernungen, die in der Landwirtschaft, dem Gartenbau, der Forstwirtschaft und der Fischerei tätige und von dieser Richtlinie befreite Personen im Rahmen ihres Berufs zurücklegen müssen, in der Union unterschiedlich sein können, sollten die Mitgliedstaaten in ihren nationalen Rechtsvorschriften die maximal zulässige Entfernung festlegen dürfen, für die die Ausnahmeregelungen gelten, berechnet ab dem Standort des Unternehmens.
- (9)
- Fahrer, die von der Anforderung der Grundqualifikation befreit wurden, sollten, auch wenn sie weiterhin in den Genuss dieser Befreiung kommen, dennoch einer Weiterbildungspflicht unterliegen, um sicherzustellen, dass die für ihren Beruf grundlegenden Kenntnisse auf dem aktuellen Stand bleiben.
- (10)
- Die Mitgliedstaaten sollten in Zusammenarbeit mit der Kommission elektronisch Informationen über Befähigungsnachweise austauschen. Sie sollten — unter Berücksichtigung einer Kosten-Nutzen-Analyse der Kommission — die hierzu erforderliche elektronische Plattform einrichten, wozu auch das gemäß der Richtlinie 2006/126/EG eingerichtete EU-Führerscheinnetz erweitert werden könnte. Neben anderen Vorteilen erhalten die Mitgliedstaaten dadurch einfachen Zugriff auf Informationen über absolvierte Ausbildungsmaßnahmen, die nicht auf dem Führerschein des Fahrers eingetragen sind. Es ist wichtig, dass die Mitgliedstaaten und die Kommission sich um die Weiterentwicklung dieses Instruments bemühen, mit dem Ziel eines Zugriffs in Echtzeit bei Straßenkontrollen.
- (11)
- Um die Entwicklungen im Bereich der Aus- und Weiterbildung zu berücksichtigen und den Beitrag der Richtlinie 2003/59/EG zur Sicherheit im Straßenverkehr sowie die Relevanz der Ausbildung für die Fahrer zu erhöhen, sollten Kenntnisbereiche im Zusammenhang mit der Straßenverkehrssicherheit in den Lehrgängen verstärkt behandelt werden, wie beispielsweise Gefahrenerkennung, Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmer — insbesondere von Fußgängern, Radfahrern und Menschen mit eingeschränkter Mobilität —, kraftstoffsparende Fahrweise, Fahren unter extremen Witterungsbedingungen und Beförderung von Sondergütern. In diesem Zusammenhang sollten die Lehrgänge außerdem intelligente Verkehrssysteme abdecken und zum Zwecke der Anpassung an die technische Entwicklung weiterentwickelt werden.
- (12)
- Die Mitgliedstaaten sollten die eindeutige Option erhalten, einen Teil der Ausbildungspraxis durch die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT)-Instrumenten, z. B. E-Learning und integriertes Lernen, unter gleichzeitiger Sicherung der Qualität der Ausbildung zu verbessern und zu modernisieren. Bei der Verbesserung und Modernisierung der Ausbildungspraxis unter Nutzung von IKT-Instrumenten ist es wichtig zu berücksichtigen, dass für bestimmte Ausbildungsinhalte eine praktische Ausbildung erforderlich ist und diese mit den genannten Lerninstrumenten nicht wirksam behandelt werden können, wie zum Beispiel das Anlegen von Schneeketten, das Sichern der Ladung oder andere Ausbildungsinhalte, die praktisch geübt werden müssen. Die praktische Ausbildung könnte — muss aber nicht — im Führen von Fahrzeugen bestehen. Ein großer Teil der im Rahmen dieser Richtlinie geforderten Ausbildung sollte in einer zugelassenen Ausbildungsstätte stattfinden.
- (13)
- Um die Kohärenz zwischen den verschiedenen nach Unionsrecht vorgeschriebenen Formen der Ausbildung zu wahren, sollten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, verschiedene Arten relevanter Ausbildung zu kombinieren: Beispielsweise sollten sie die Ausbildung für die Beförderung gefährlicher Güter, zur Sensibilisierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen oder für den Transport von Tieren, mit der in der Richtlinie 2003/59/EG vorgesehenen Ausbildung kombinieren können.
- (14)
- Damit durch die unterschiedliche Praxis in den Mitgliedstaaten die Verfahren der gegenseitigen Anerkennung nicht behindert werden und das Recht der Kraftfahrer auf Weiterbildung in dem Mitgliedstaat, in dem sie arbeiten, nicht eingeschränkt wird, sollten die Behörden der Mitgliedstaaten immer dann, wenn absolvierte Ausbildungsmaßnahmen nicht auf dem Führerschein vermerkt werden können, dazu verpflichtet werden, für jeden Fahrer, der die Anforderungen der Richtlinie 2003/59/EG erfüllt, einen für die gegenseitige Anerkennung erforderlichen Fahrerqualifizierungsnachweis in der durch die Standardmodelle vorgeschriebenen Form auszustellen.
- (15)
- Für Fahrer aus Drittländern könnte es ein Hindernis darstellen, wenn sie die Erfüllung der Ausbildungsanforderungen anhand einer Fahrerbescheinigung nachweisen müssen, der Verkehrsunternehmer aber den ausstellenden Behörden diese Bescheinigung zurückgegeben hat, insbesondere dann, wenn diese Fahrer eine Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat aufnehmen möchten. Damit Fahrer in diesem Fall bei der Aufnahme einer neuen Beschäftigung ihre Ausbildung nicht wiederholen müssen, sollten die Mitgliedstaaten dazu angehalten werden, zusammenzuarbeiten und Informationen über die Qualifikation von Fahrern auszutauschen.
- (16)
- Im Interesse eines reibungslosen Übergangs sollten gültige Fahrerbescheinigungen und gültige Fahrerqualifizierungsnachweise, die gemäß den Vorschriften ausgestellt wurden, die vor der Anwendbarkeit der gemäß dieser Richtlinie geänderten Bestimmungen galten, bis zum Ablauf ihrer Gültigkeitsdauer anerkannt werden. Eine vor der Anwendbarkeit dieser Änderungen absolvierte Ausbildung sowie die zur Bescheinigung dieser Ausbildung ausgestellten Führerscheine verlieren durch die Änderungen nicht ihre Gültigkeit.
- (17)
- Im Interesse der Rechtssicherheit und zur Sicherstellung harmonisierter Anforderungen an das Mindestalter für die Zwecke der Richtlinie 2003/59/EG sollte in der Richtlinie 2006/126/EG eine klare Ausnahme festgelegt werden, wonach eine Fahrerlaubnis bei Erreichen der in der Richtlinie 2003/59/EG vorgesehenen Mindestaltersgrenzen erteilt werden darf. Diese Klarstellung betrifft das allgemeine Mindestalter für Fahrer bestimmter Fahrzeugklassen, die einen Befähigungsnachweis besitzen, und bedeutet keine Änderung bestehender Optionen für eine Senkung des erforderlichen Mindestalters oder für die Festlegung von Ausnahmeregelungen hierzu.
- (18)
- Die Richtlinie 2006/126/EG sollte nur insofern geändert werden, als ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Überarbeitung der Richtlinie 2003/59/EG und der Förderung des Einsatzes von Fahrzeugen mit alternativem Antrieb besteht. Eine eingehendere Analyse der Umsetzung und Anwendung der Richtlinie 2006/126/EG, einschließlich der Abgrenzung zwischen bestimmten Fahrzeugklassen, erscheint wünschenswert und sollte in eine mögliche zukünftige Überarbeitung der Richtlinie 2006/126/EG einfließen.
- (19)
- Um im Wege der Förderung des Einsatzes von Fahrzeugen mit alternativem Antrieb zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen und zur Verbesserung der Luftqualität beizutragen, sollte den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt werden, den Inhabern eines Führerscheins der Klasse B auf ihrem Hoheitsgebiet das Führen von Fahrzeugen bestimmter Typen mit alternativem Antrieb zu gestatten, deren zulässige Gesamtmasse mehr als 3500 kg, aber höchstens 4250 kg beträgt. Die Möglichkeit, 3500 kg zu überschreiten, sollte der Bedingung unterliegen, dass die zusätzliche gestattete Masse ausschließlich dem zusätzlichen Gewicht des alternativen Antriebssystems geschuldet ist und sollte zudem Einschränkungen und Bedingungen unterliegen, mit denen abträgliche Auswirkungen auf die Straßenverkehrssicherheit abgewendet werden sollen.
- (20)
- Da das Ziel dieser Richtlinie, nämlich die Verbesserung einer unionsweit geltenden Grundqualifikation und Weiterbildung für Fahrer bestimmter Kraftfahrzeuge für den Güter- oder Personenkraftverkehr, von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann, sondern vielmehr wegen des grenzüberschreitenden Charakters des Kraftverkehrs und der Probleme, die mit dieser Richtlinie angegangen werden sollen, auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das für die Verwirklichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.
- (21)
- Die Richtlinien 2003/59/EG und 2006/126/EG sollten daher entsprechend geändert werden —
HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
Fußnote(n):
- (1)
ABl. C 288 vom 31.8.2017, S. 115.
- (2)
Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 13. März 2018 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 12. April 2018.
- (3)
Richtlinie 2003/59/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2003 über die Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer bestimmter Kraftfahrzeuge für den Güter- oder Personenkraftverkehr und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates und der Richtlinie 91/439/EWG des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 76/914/EWG des Rates (ABl. L 226 vom 10.9.2003, S. 4).
- (4)
Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (ABl. L 403 vom 30.12.2006, S. 18).
- (5)
Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates (ABl. L 102 vom 11.4.2006, S. 1).
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