Artikel 23 RL 2019/1023/EU
Ausnahmeregelungen
(1) Abweichend von den Artikeln 20 bis 22 behalten die Mitgliedstaaten Bestimmungen bei oder führen Bestimmungen ein, mit denen der Zugang zur Entschuldung verwehrt oder beschränkt wird, die Vorteile der Entschuldung widerrufen werden oder längere Fristen für eine volle Entschuldung beziehungsweise längere Verbotsfristen vorgesehen werden, wenn der insolvente Unternehmer bei seiner Verschuldung — während des Insolvenzverfahrens oder während der Begleichung der Schulden — gegenüber den Gläubigern oder sonstigen Interessenträgern unredlich oder bösgläubig im Sinne der nationalen Rechtsvorschriften gehandelt hat, unbeschadet der nationalen Vorschriften zur Beweislast.
(2) Abweichend von den Artikeln 20 bis 22 können die Mitgliedstaaten Bestimmungen beibehalten oder einführen, mit denen unter bestimmten genau festgelegten Umständen der Zugang zur Entschuldung verwehrt oder beschränkt wird, die Entschuldung widerrufen wird oder längere Fristen für eine volle Entschuldung beziehungsweise längere Verbotsfristen vorgesehen werden, wenn solche Ausnahmeregelungen ausreichend gerechtfertigt sind, etwa wenn:
- a)
- der insolvente Unternehmer gegen im Tilgungsplan vorgesehene Verpflichtungen oder gegen eine andere rechtliche Verpflichtung zum Schutz der Interessen der Gläubiger, einschließlich der Verpflichtung, die Gläubiger bestmöglich zu befriedigen, in erheblichem Maße verstoßen hat,
- b)
- der insolvente Unternehmer den Informationspflichten oder Verpflichtungen zur Zusammenarbeit gemäß dem Unionsrecht und den nationalen Rechtsvorschriften nicht nachgekommen ist,
- c)
- Entschuldungsverfahren missbräuchlich beantragt werden,
- d)
- innerhalb eines bestimmten Zeitraums, nachdem dem insolventen Unternehmer eine volle Entschuldung gewährt oder aufgrund eines schweren Verstoßes gegen die Informationspflichten oder die Verpflichtungen zur Zusammenarbeit verweigert worden ist, eine weitere Entschuldung beantragt wird,
- e)
- die Kosten des zur Entschuldung führenden Verfahrens nicht gedeckt sind oder
- f)
- eine Ausnahmeregelung erforderlich ist, um einen Ausgleich zwischen den Rechten des Schuldners und den Rechten eines oder mehrerer Gläubiger zu gewährleisten.
(3) Abweichend von Artikel 21 können die Mitgliedstaaten längere Entschuldungsfristen für den Fall festlegen, dass
- a)
- eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde Schutzmaßnahmen billigt oder anordnet, um die Hauptwohnung des insolventen Unternehmers und gegebenenfalls der Familie des Unternehmers oder die für die Fortsetzung der gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder freiberuflichen Tätigkeit des Unternehmers unverzichtbaren Vermögenswerte zu schützen, oder
- b)
- die Hauptwohnung des insolventen Unternehmers und gegebenenfalls seiner Familie nicht verwertet wird.
(4) Die Mitgliedstaaten können bestimmte Schuldenkategorien von der Entschuldung ausschließen, den Zugang zur Entschuldung beschränken oder eine längere Entschuldungsfrist festlegen, wenn solche Ausschlüsse, Beschränkungen oder längeren Fristen ausreichend gerechtfertigt sind, etwa im Falle von
- a)
- besicherten Schulden,
- b)
- aus strafrechtlichen Sanktionen entstandenen oder damit in Verbindung stehenden Schulden,
- c)
- aus deliktischer Haftung entstandenen Schulden,
- d)
- Schulden bezüglich Unterhaltspflichten, die auf einem Familien-, Verwandtschafts- oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen,
- e)
- Schulden, die nach dem Antrag auf ein zu einer Entschuldung führendes Verfahren oder nach dessen Eröffnung entstanden sind, und
- f)
- Schulden, die aus der Verpflichtung, die Kosten des zur Entschuldung führenden Verfahrens zu begleichen, entstanden sind.
(5) Abweichend von Artikel 22 können die Mitgliedstaaten längere oder unbestimmte Verbotsfristen festlegen, wenn der insolvente Unternehmer einem Berufsstand angehört:
- a)
- für den besondere ethische Regeln oder besondere Regeln bezüglich der Reputation oder der Sachkunde gelten, und der Unternehmer gegen diese Regeln verstoßen hat, oder
- b)
- der sich mit der Verwaltung des Eigentums Dritter befasst.
Unterabsatz 1 gilt auch wenn ein insolventer Unternehmer beantragt, sich einem in Unterabsatz 1 Buchstabe a oder b genannten Berufsstand anzuschließen.
(6) Die vorliegende Richtlinie berührt nicht die nationalen Vorschriften zu anderen als den in Artikel 22 genannten Tätigkeitsverboten, die von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde angeordnet werden.
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