Artikel 6 RL 2019/1023/EU
Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen
(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Schuldner eine Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen zur Unterstützung der Verhandlungen über einen Restrukturierungsplan im Rahmen eines präventiven Restrukturierungsrahmens in Anspruch nehmen können.
Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass Justiz- oder Verwaltungsbehörden die Gewährung einer Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen verweigern können, wenn eine solche Aussetzung nicht erforderlich ist oder wenn sie das in Unterabsatz 1 genannte nicht Ziel erreichen würde.
(2) Unbeschadet der Absätze 4 und 5 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass eine Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen alle Arten von Forderungen, einschließlich gesicherter Forderungen und bevorrechtigter Forderungen, erfassen kann.
(3) Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass eine Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen allgemein gelten und alle Gläubiger umfassen kann oder auf einen oder mehrere Gläubiger beziehungsweise Gläubigergruppen beschränkt sein kann.
Ist eine Aussetzung beschränkt, so gilt die Aussetzung nur für Gläubiger, die nach Maßgabe des nationalen Rechts über die Verhandlungen gemäß Absatz 1 über den Restrukturierungsplan oder die Aussetzung in Kenntnis gesetzt wurden.
(4) Die Mitgliedstaaten können bestimmte Forderungen oder Forderungskategorien vom Geltungsbereich der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen unter wohldefinierten Umständen ausschließen, wenn ein solcher Ausschluss ausreichend begründet ist und
- a)
- die Vollstreckung die Restrukturierung des Unternehmens nicht gefährden dürfte oder
- b)
- die Gläubiger dieser Forderungen durch die Aussetzung in unangemessener Weise beeinträchtigt würden.
(5) Absatz 2 findet keine Anwendung auf Forderungen von Arbeitnehmern.
Abweichend von Unterabsatz 1 können die Mitgliedstaaten Absatz 2 auf Forderungen von Arbeitnehmern anwenden, sofern und soweit die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Erfüllung solcher Forderungen in präventiven Restrukturierungsrahmen auf einem vergleichbaren Schutzniveau garantiert ist.
(6) Die ursprüngliche Dauer einer Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen ist auf einen Höchstzeitraum von nicht mehr als vier Monaten begrenzt.
(7) Ungeachtet des Absatzes 6 können die Mitgliedstaaten Justiz- oder Verwaltungsbehörden gestatten, auf Antrag des Schuldners, eines Gläubigers oder gegebenenfalls eines Restrukturierungsbeauftragten die Dauer der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen zu verlängern oder eine neue Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen zu gewähren. Eine solche Verlängerung oder neue Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen wird nur gewährt, wenn genau festgelegte Umstände zeigen, dass diese Verlängerung oder neue Aussetzung ausreichend begründet ist, zum Beispiel
- a)
- wenn in den Verhandlungen über den Restrukturierungsplan deutliche Fortschritte erzielt wurden;
- b)
- wenn die Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen die Rechte beziehungsweise Beteiligungen betroffener Parteien nicht in unangemessener Weise beeinträchtigt oder
- c)
- wenn gegen den Schuldner noch kein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, das nach nationalem Recht zur Liquidation des Schuldners führen kann.
(8) Die Gesamtdauer der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen darf einschließlich Verlängerungen und Erneuerungen zwölf Monate nicht überschreiten.
Haben sich Mitgliedstaaten dafür entschieden, diese Richtlinie im Wege eines oder mehrerer Verfahren beziehungsweise einer oder mehrerer Maßnahmen umzusetzen, die die Bedingungen für die Mitteilung nach Anhang A der Verordnung (EU) 2015/848 nicht erfüllen, so ist die Gesamtdauer der Aussetzung im Rahmen dieser Verfahren auf höchstens vier Monate begrenzt, wenn der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten vor Einreichung eines Antrags auf Eröffnung eines präventiven Restrukturierungsverfahrens in einen anderen Mitgliedstaat verlegt wurde.
(9) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Justiz- oder Verwaltungsbehörden eine Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen in folgenden Fällen aufheben können:
- a)
- die Aussetzung erfüllt nicht länger den Zweck, die Verhandlungen über den Restrukturierungsplan zu unterstützen, zum Beispiel, wenn deutlich wird, dass ein Teil der Gläubiger, der nach nationalem Recht die Annahme des Restrukturierungsplans verhindern könnte, die Fortsetzung der Verhandlungen nicht unterstützt;
- b)
- der Schuldner oder der Restrukturierungsbeauftragte beantragt dies;
- c)
- – wenn im nationalen Recht vorgesehen — ein oder mehrere Gläubiger beziehungsweise eine oder mehrere Gläubigerklassen werden oder würden durch die Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen in unangemessener Weise beeinträchtigt; oder
- d)
- – wenn im nationalen Recht vorgesehen — die Aussetzung führt zur Insolvenz eines Gläubigers.
Die Mitgliedstaaten können die Befugnis einer Aufhebung der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen gemäß Unterabsatz 1 auf Fälle beschränken, in denen Gläubiger keine Gelegenheit hatten, sich zu äußern, bevor die Aussetzung in Kraft trat oder eine Verlängerung der Aussetzung von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde gewährt wurde.
Die Mitgliedstaaten können eine Mindestdauer vorsehen, die den in Absatz 6 genannten Zeitraum nicht überschreitet und während der eine Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen nicht aufgehoben werden kann.
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