Präambel RL 2019/1929/EU

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Richtlinie 2009/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über die Sicherheit von Spielzeug(1), insbesondere auf Artikel 46 Absatz 2,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Die Richtlinie 2009/48/EG enthält bestimmte Vorschriften für chemische Stoffe, die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates(2) als karzinogen, mutagen oder reproduktionstoxisch eingestuft sind. In Anhang II Anlage C der Richtlinie sind spezifische Grenzwerte für chemische Stoffe festgelegt, die in Spielzeug verwendet werden, das für Kinder unter 36 Monaten bestimmt ist, bzw. in anderem Spielzeug, das dazu bestimmt ist, in den Mund genommen zu werden.
(2)
Formaldehyd (CAS-Nummer 50-00-0) ist derzeit nicht in Anhang II Anlage C der Richtlinie 2009/48/EG aufgeführt. Es ist gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 als karzinogener Stoff (Kategorie 1B) eingestuft. Formaldehyd kann gemäß Anhang II Teil III Nummer 4 Buchstabe a der Richtlinie 2009/48/EG bis zu einer Konzentration von 0,1 % verwendet werden, was einem Gehalt von 1000 mg/kg (Gehaltsgrenzwert) entspricht.
(3)
Die Kommission hat die Sachverständigengruppe für die Sicherheit von Spielzeug(3) eingesetzt, um sich bei der Ausarbeitung von Legislativvorschlägen und politischen Initiativen im Bereich der Spielzeugsicherheit beraten zu lassen. Ihre Untergruppe „Arbeitsgruppe Chemikalien in Spielzeug” (im Folgenden „Untergruppe Chemikalien” ) hat den Auftrag, die Sachverständigengruppe für die Sicherheit von Spielzeug in Bezug auf chemische Stoffe, die in Spielzeug verwendet werden können, zu beraten.
(4)
Formaldehyd wird als Monomer bei der Herstellung von polymeren Materialien verwendet. Polymere Materialien werden häufig in Spielzeug verwendet. Kinder könnten daher Formaldehyd aufnehmen, wenn sie Spielzeug, das polymere Materialien enthält, in den Mund nehmen. Die duldbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) für Formaldehyd wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO)(4) festgelegt und vom Wissenschaftlichen Gremium für Lebensmittelzusatzstoffe, Aromastoffe, Verarbeitungshilfsstoffe und Materialien, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen (AFC) der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit(5) bestätigt. Die TDI beträgt 0,15 mg/kg Körpergewicht pro Tag. Bei einer Zuteilung von 10 % der TDI auf die Aufnahme von Formaldehyd aus Spielzeug(6), sollte ein Kind mit einem Körpergewicht von 10 kg daher nicht mehr als 0,15 mg Formaldehyd pro Tag aufnehmen. Unter der Annahme einer täglichen oralen Aufnahme von Formaldehyd in 100 ml Speichel empfahl die Untergruppe Chemikalien in ihrer Sitzung vom 26. September 2017(7) einen Formaldehyd-Migrationsgrenzwert von 1,5 mg/l in polymeren Materialien, wenn die Migration von Formaldehyd nach der Prüfmethode in den Normen EN 71-10:2005(8) und EN 71-11:2005(9) bestimmt wird.
(5)
Formaldehyd wird auch bei der Herstellung von Holzerzeugnissen aus Kunstharzpressholz verwendet, z. B. Spanplatten, Grobspanplatten (OSB), Faserplatten mit hoher Dichte (HDF), Faserplatten mit mittlerer Dichte (MDF) und Sperrholz. Formaldehyd-Harze enthalten Phenol-Formaldehyd (PF), Harnstoff-Formaldehyd (UF), Melamin-Formaldehyd und Harze aus Polyacetal (Polyoxymethylen-POM). POM werden in der Regel nur für kleine interne Komponenten und nicht für ganze Spielzeuge verwendet. Die Untergruppe Chemikalien empfahl in ihrer Sitzung vom 26. September 2017 einen Grenzwert für Formaldehyd-Emissionen von 0,1 ml/m3, wenn die Emissionen von Formaldehyd in solchen Materialien nach der Prüfmethode in der Norm EN 717-1:2004(10) bestimmt werden. Dieser Grenzwert entspricht dem Raumluftgrenzwert, den die WHO eingeführt hat, um sowohl eine sensorische Reizung der Bevölkerung als auch Krebs zu verhindern(11).
(6)
Formaldehyd kann auch in Textilmaterialien für Spielzeug enthalten sein, weil es bei der Herstellung von Textilien verwendet wird. Gemäß einem 2002 veröffentlichten Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) liegt die niedrigste Konzentrationsschwelle für allergisches Kontaktekzem aufgrund von Formaldehyd bei 30 mg/kg(12). Auf dieser Grundlage und zum Schutz der am stärksten sensibilisierten Personen empfahl die Untergruppe Chemikalien in ihrer Sitzung vom 26. September 2017 einen Formaldehydgehalt von 30 mg/kg, wenn der Formaldehydgehalt gemäß dem Wasser-Extraktions-Verfahren nach der Norm EN ISO 14184-1:2011(13) bestimmt wird.
(7)
Formaldehyd kann auch in Ledermaterialien für Spielzeug enthalten sein, weil es bei der Herstellung von Leder verwendet wird. Da Ledermaterialien für Spielzeug zu einer ähnlichen Exposition wie Textilmaterialien für Spielzeug führen können, empfahl die Untergruppe Chemikalien in ihrer Sitzung vom 26. September 2017 einen Formaldehydgehalt von 30 mg/kg, wenn der Formaldehydgehalt gemäß der Norm EN ISO 17226-1:2008(14) bestimmt wird.
(8)
Gemäß der Empfehlung der Untergruppe Chemikalien in ihrer Sitzung vom 26. September 2017 sollte Formaldehyd in Papiermaterialien für Spielzeug einen Gehaltsgrenzwert von 30 mg/kg aufweisen, wenn der Formaldehydgehalt gemäß dem Wasser-Extraktions-Verfahren nach der Norm EN 645:1993(15) und der Norm EN 1541:2001(16) bestimmt wird. Diese Schlussfolgerung stützte sich auf die Überlegung, dass Papiermaterialien für Spielzeug zu einer ähnlichen Exposition wie Textil- und Ledermaterialien für Spielzeug führen können.
(9)
Formaldehyd kann aufgrund seiner Funktion als Konservierungsstoff in wasserbasierten Materialien für Spielzeug enthalten sein. Er könnte in wasserbasierten Materialien für Spielzeug verwendet werden, z. B. in Seifenblasen oder in Farben von Filzstiften und auch in trockenem Material, das vor der Verwendung mit Wasser vermischt werden soll. Auf der Grundlage der Stellungnahme des Wissenschaftlichen Ausschusses „Gesundheits- und Umweltrisiken” (SCHER), wonach krebserzeugende, erbgutverändernde oder fortpflanzungsgefährdende Verbindungen nicht in Spielzeug enthalten sein sollten(17), empfahl die Untergruppe Chemikalien in ihrer Sitzung vom 3. Mai 2018(18) einen Formaldehydgrenzwert von 10 mg/kg in wasserbasierten Materialien für Spielzeug, wenn der Formaldehydgehalt gemäß der von der Europäischen Direktion für die Arzneimittelqualität und Gesundheitsfürsorge des Europarats zur Bestimmung von freiem Formaldehyd in kosmetischen Mitteln veröffentlichten Prüfmethode(19) bestimmt wird. Der empfohlene Grenzwert liegt nahe beim niedrigsten Wert, der durch die EDQM-Methode zuverlässig bestimmt werden kann, und berücksichtigt Spuren von Formaldehyd, das bestimmte andere Konservierungsstoffe freisetzen könnte.
(10)
Die Sachverständigengruppe für die Sicherheit von Spielzeug hat auf ihrer Sitzung vom 19. Dezember 2017(20) die Empfehlungen ihrer Untergruppe „Chemikalien” in Bezug auf die Grenzwerte für Formaldehyd in verschiedenen Spielzeugmaterialien zur Kenntnis genommen. Sie brachte ihre Unterstützung zum Ausdruck und schlug eine Reihe von Verbesserungen für Berücksichtigung durch die Kommission vor.
(11)
Gemäß Artikel 46 Absatz 2 der Richtlinie 2009/48/EG sind die in der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 festgelegten Verpackungsvorschriften für Lebensmittel bei der Festlegung spezifischer Grenzwerte für Chemikalien in Anlage C jener Richtlinie zu berücksichtigen. Die grundlegenden Annahmen, die dem spezifischen Migrationsgrenzwert für Formaldehyd als Monomer in Lebensmittelkontaktmaterialien aus Kunststoff(21) zugrunde liegen, weichen jedoch von den grundlegenden Annahmen für den empfohlenen Grenzwert für Formaldehyd als Monomer in Spielzeug ab. Daher ist es nicht möglich, die Verpackungsvorschriften für Lebensmittel zu berücksichtigen, wenn ein Grenzwert für Formaldehyd als Monomer in Spielzeug festgelegt wird.
(12)
Angesichts der verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse und der Empfehlungen der Sachverständigengruppe für die Sicherheit von Spielzeug und ihrer Untergruppe „Chemikalien” ist es erforderlich, die empfohlenen Grenzwerte für Formaldehyd in verschiedenen Spielzeugmaterialien festzulegen.
(13)
Anhang II Anlage C der Richtlinie 2009/48/EG sollte daher entsprechend geändert werden.
(14)
Die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Ausschusses für die Sicherheit von Spielzeug, der gemäß Artikel 47 der Richtlinie 2009/48/EG eingerichtet wurde —

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 170 vom 30.6.2009, S. 1.

(2)

Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1).

(3)

Register der Expertengruppen der Kommission, Sachverständigengruppe für die Sicherheit von Spielzeug (E01360),

http://ec.europa.eu/transparency/regexpert/index.cfm?do=groupDetail.groupDetail&groupID=1360

(4)

WHO (1993) „Guidelines for drinking-water quality” (Leitlinien für die Trinkwasserqualität), Second Edition (Zweite Auflage). World Health Organisation (Weltgesundheitsorganisation). Genf, S. 98.

(5)

https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2007.415. Bezugnahme in der Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) für die Untergruppe Chemikalien EXP/WG/2016/041.

(6)

Wissenschaftlicher Ausschuss „Toxizität, Ökotoxizität und Umwelt” (Scientific Committee on Toxicity, Ecotoxicity and the Environment, CSTEE), Stellungnahme „Assessment of the bioavailability of certain elements in toys” (Bewertung der Bioverfügbarkeit bestimmter chemischer Elemente in Spielzeug), angenommen am 22. Juni 2004.

http://ec.europa.eu/health/archive/ph_risk/committees/sct/documents/out235_en.pdf

Wissenschaftlicher Ausschuss „Gesundheits- und Umweltrisiken” (Scientific Committee on Health and Environmental Risks, SCHER). Stellungnahme „Risk from organic CMR substances in toys” (Risiken durch organische krebserzeugende, erbgutverändernde oder fortpflanzungsgefährdende Stoffe in Spielzeug), angenommen am 18. Mai 2010.

Wissenschaftlicher Ausschuss „Gesundheits- und Umweltrisiken” (SCHER), Opinion on „Evaluation of the migration limits for chemical elements in Toys” (Stellungnahme zur Evaluierung der Migrationswerte für chemische Elemente im Spielzeug), angenommen am 1. Juli 2010.

(7)

Register der Expertengruppen der Kommission, Sachverständigengruppe für die Sicherheit von Spielzeug (E01360), Registerkarte „Sitzungen” http://ec.europa.eu/transparency/regexpert/index.cfm?do=groupDetail.groupMeeting&meetingId=4151. Der Grenzwert wurde in das Sitzungsdokument EXP/WG/2017/023 aufgenommen.

(8)

Sicherheit von Spielzeug — Teil 10: Organisch-chemische Verbindungen — Probenvorbereitung und Extraktion.

(9)

Sicherheit von Spielzeug — Teil 11: Organische chemische Verbindungen — Analysenverfahren.

(10)

Holzwerkstoffe — Bestimmung der Formaldehydabgabe — Teil 1: Formaldehydabgabe nach der Prüfkammer-Methode.

(11)

World Health Organisation (WHO) 2010, WHO guidelines for indoor air quality: selected pollutants ( „WHO-Leitlinien für Luftqualität in geschlossenen Räumen — ausgewählte Schadstoffe” ) S. 140-142. http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0009/128169/e94535.pdf

(12)

EXP/WG/2016/058.

(13)

Textilien — Bestimmung des Gehaltes an Formaldehyd — Teil 1: Freier und hydrolisierter Formaldehyd (Wasser-Extraktions-Verfahren) (ISO 14184-1:2011).

(14)

Leder — Chemische Bestimmung des Formaldehydgehalts — Teil 1: Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie (ISO 17226-1:2008).

(15)

Papier und Pappe vorgesehen für den Kontakt mit Lebensmitteln; Herstellung eines Kaltwasserextraktes.

(16)

Papier und Pappe, vorgesehen für den Kontakt mit Lebensmitteln — Bestimmung von Formaldehyd in einem wässrigen Extrakt.

(17)

Wissenschaftlicher Ausschuss „Gesundheits- und Umweltrisiken” (SCHER), Die Reaktion des CEN auf die Stellungnahme des CSTEE zur Bewertung des CEN-Berichts über die Risikobewertung von organischen Chemikalien in Spielzeug. Angenommen am 29.5.2007.

http://ec.europa.eu/health/archive/ph_risk/committees/04_scher/docs/scher_o_056.pdf

(18)

Register der Expertengruppen der Kommission, Sachverständigengruppe für die Sicherheit von Spielzeug (E01360), Registerkarte „Sitzungen” http://ec.europa.eu/transparency/regexpert/index.cfm?do=groupDetail.groupMeeting&meetingId=6870.

(19)

https://www.edqm.eu/en/cosmetics-testing

(20)

Register der Expertengruppen der Kommission, Sachverständigengruppe für die Sicherheit von Spielzeug (E01360), Registerkarte „Sitzungen”

http://ec.europa.eu/transparency/regexpert/index.cfm?do=groupDetail.groupMeeting&meetingId=1485

(21)

Eintrag 15 in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 (ABl. L 12 vom 15.1.2011, S. 1).

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