Artikel 1 RL 2020/1057/EU

Besondere Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern

(1) Dieser Artikel legt besondere Regeln für bestimmte Aspekte der Richtlinie 96/71/EG, die die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor betreffen, sowie der Richtlinie 2014/67/EU, die Verwaltungsanforderungen und Kontrollmaßnahmen für die Entsendung dieser Kraftfahrer betreffen, fest.

(2) Diese besonderen Regeln gelten für Kraftfahrer, die bei in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Unternehmen beschäftigt sind, die die länderübergreifende Maßnahme nach Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe a der Richtlinie 96/71/EG treffen.

(3) Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 1 der Richtlinie 96/71/EG gilt ein Kraftfahrer nicht als entsandt im Sinne der Richtlinie 96/71/EG, wenn er bilaterale Beförderungen von Gütern durchführt.

Für die Zwecke dieser Richtlinie bedeutet eine bilaterale Beförderung von Gütern die Verbringung von Gütern auf der Grundlage eines Beförderungsvertrags vom Niederlassungsmitgliedstaat im Sinne des Artikels 2 Nummer 8 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 in einen anderen Mitgliedstaat oder ein Drittland oder von einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittland in den Niederlassungsmitgliedstaat.

Ab dem 2. Februar 2022, welcher dem Tag entspricht, ab dem Kraftfahrer die Daten über den Grenzübertritt gemäß Artikel 34 Absatz 7 der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 manuell aufzeichnen müssen, wenden die Mitgliedstaaten die Ausnahme für bilaterale Beförderungen von Gütern im Sinne der Unterabsätze 1 und 2 des vorliegenden Absatzes auch dann an, wenn der Kraftfahrer über eine bilaterale Beförderung hinaus in den Mitgliedstaaten oder Drittländern, durch die er fährt, eine Tätigkeit der Be- und/oder Entladung vornimmt, sofern der Fahrer die Waren nicht in demselben Mitgliedstaat lädt und entlädt.

Erfolgt im Anschluss an eine bilaterale Beförderung, die im Niederlassungsmitgliedstaat beginnt und während der keine zusätzliche Tätigkeit ausgeführt wird, eine bilaterale Beförderung in den Niederlassungsmitgliedstaat, so gilt die Ausnahmeregelung für zusätzliche Tätigkeiten gemäß Unterabsatz 3 für höchstens zwei zusätzliche Be- und/oder Entladungen gemäß den Voraussetzungen des Unterabsatzes 3.

Die Ausnahmeregelung für zusätzliche Tätigkeiten gemäß den Unterabsätzen 3 und 4 des vorliegenden Absatzes gilt nur bis zu dem Tag, ab dem Fahrzeuge, die in einem Mitgliedstaat erstmals zugelassen werden, gemäß Artikel 8 Absatz 1 Unterabsatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 mit intelligenten Fahrtenschreibern ausgerüstet sein müssen, die die Anforderungen an die Aufzeichnung von Grenzüberschreitungen und zusätzlichen Tätigkeiten gemäß Artikel 8 Absatz 1 Unterabsatz 1 derselben Verordnung erfüllen. Ab diesem Tag gelten die Ausnahmeregelungen für zusätzliche Tätigkeiten gemäß den Unterabsätzen 3 und 4 des vorliegenden Absatzes nur noch für Kraftfahrer, die Fahrzeuge nutzen, die mit intelligenten Fahrtenschreibern gemäß den Artikeln 8, 9 und 10 der genannten Verordnung ausgestattet sind.

(4) Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 1 der Richtlinie 96/71/EG, ist ein Kraftfahrer nicht als „entsandt” im Sinne der Richtlinie 96/71/EG anzusehen, wenn er bilaterale Beförderungen von Fahrgästen ausführt.

Für die Zwecke dieser Richtlinie ist eine bilaterale Beförderung von Fahrgästen im grenzüberschreitenden Gelegenheits- oder Linienverkehr im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1073/2009 dann gegeben, wenn ein Kraftfahrer eine der folgenden Tätigkeiten ausführt:

a)
Fahrgäste im Niederlassungsmitgliedstaat aufnimmt und in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittland wieder absetzt;
b)
Fahrgäste in einem Mitgliedstaat oder in einem Drittland aufnimmt und sie im Niederlassungsmitgliedstaat wieder absetzt oder
c)
Fahrgäste im Niederlassungsmitgliedstaat aufnimmt und wieder absetzt, um örtliche Ausflüge in einen anderen Mitgliedstaat oder in ein Drittland gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1073/2009 durchzuführen.

Ab dem 2. Februar 2022, was dem Zeitpunkt entspricht, ab dem Kraftfahrer gemäß Artikel 34 Absatz 7 der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 Angaben zu Grenzübertritten manuell aufzeichnen müssen, wenden die Mitgliedstaaten die Ausnahmeregelung auf bilaterale Beförderungen von Fahrgästen nach den Unterabsätzen 1 und 2 des vorliegenden Absatzes auch an, wenn der Kraftfahrer zusätzlich zu einer bilateralen Beförderung einmal Fahrgäste aufnimmt; und/oder einmal in den Mitgliedstaaten oder Drittländern, durch die er fährt, Fahrgäste wieder absetzt, sofern Kraftfahrer keine Beförderung von Fahrgästen zwischen zwei Orten innerhalb des Durchfuhrmitgliedstaats anbietet. Dasselbe gilt für die Rückfahrt.

Die Ausnahmeregelung für zusätzliche Tätigkeiten gemäß Unterabsatz 3 des vorliegenden Absatzes gilt nur bis zu dem Tag, ab dem Fahrzeuge, die in einem Mitgliedstaat erstmals zugelassen werden, mit einem den in Artikel 8 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 genannten Spezifikationen entsprechenden intelligenten Fahrtenschreiber ausgerüstet sein müssen, der die in Artikel 8 Absatz 1 Unterabsatz 4 derselben Verordnung genannten Anforderungen an die Aufzeichnung von Grenzüberschreitungen und zusätzlichen Tätigkeiten erfüllt. Ab diesem Tag gilt die Ausnahmeregelung für zusätzliche Tätigkeiten nach Unterabsatz 3 des vorliegenden Absatzes nur noch für Kraftfahrer, die Fahrzeuge nutzen, die mit intelligenten Fahrtenschreibern im Sinne der Artikel 8, 9 und 10 der genannten Verordnung ausgestattet sind.

(5) Abweichend von Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 96/71/EG gilt ein Kraftfahrer nicht als für die Zwecke der Richtlinie 96/71/EG entsandt, wenn der Kraftfahrer das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats im Transit durchfährt, ohne Güter zuzuladen oder zu entladen und ohne Fahrgäste aufzunehmen oder abzusetzen.

(6) Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 1 der Richtlinie 96/71/EG gilt ein Kraftfahrer nicht als entsandt im Sinne der Richtlinie 96/71/EG, wenn Kraftfahrer im kombinierten Verkehr im Sinne der Richtlinie 92/106/EWG(1) die Zu- oder Ablaufstrecke auf der Straße zurücklegt, sofern die auf der Straße zurückgelegte Teilstrecke selbst aus bilateralen Beförderungen im Sinne von Absatz 3 des vorliegenden Artikels besteht.

(7) Ein Kraftfahrer, der eine Kabotagebeförderung im Sinne der Verordnungen (EG) Nr. 1072/2009 und (EG) Nr. 1073/2009 durchführt, gilt als entsandt im Sinne der Richtlinie 96/71/EG.

(8) Eine Entsendung gilt für die Zwecke des Artikels 3 Absatz 1a der Richtlinie 96/71/EG als beendet, wenn der Kraftfahrer den Aufnahmemitgliedstaat im Rahmen einer grenzüberschreitenden Güter- oder Personenbeförderung verlässt. Dieser Entsendezeitraum darf nicht mit früheren Entsendezeiträumen im Zusammenhang mit solchen grenzüberschreitenden Beförderungen desselben Kraftfahrers oder eines anderen Kraftfahrers, den er ersetzt, kumuliert werden.

(9) Die Mitgliedstaaten sorgen entsprechend der Richtlinie 2014/67/EU dafür, dass die in Artikel 3 der Richtlinie 96/71/EG genannten Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, die in nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder in Tarifverträgen oder Schiedssprüchen festgelegt sind, die in ihrem Hoheitsgebiet für allgemein verbindlich erklärt wurden oder in anderer Weise gemäß Artikel 3 Absätze 1 und 8 der Richtlinie 96/71/EG gelten, den Verkehrsunternehmen aus anderen Mitgliedstaaten und den entsandten Kraftfahrern in zugänglicher und transparenter Weise zur Verfügung gestellt werden. Die einschlägigen Informationen beziehen sich insbesondere auf alle die Entlohnung ausmachenden Bestandteile der Vergütung, die durch solche Instrumente, gegebenenfalls auch durch Tarifverträge, die allgemein für alle vergleichbaren Unternehmen in dem betreffenden geografischen Gebiet gelten, verbindlich gemacht worden sind.

(10) Verkehrsunternehmen mit Sitz in einem Nicht-Mitgliedstaat werden nicht günstiger behandelt als Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat, auch wenn sie Beförderungen im Rahmen bilateraler oder multilateraler Übereinkünfte durchführen, die ihnen Zugang zum Unionsmarkt oder Teilen davon gewähren.

(11) Abweichend von Artikel 9 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 2014/67/EU dürfen die Mitgliedstaaten nur die folgenden Verwaltungsanforderungen und Kontrollmaßnahmen für die Entsendung von Kraftfahrern vorschreiben:

a)
die Verpflichtung für das in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Unternehmen, spätestens bei Beginn der Entsendung den zuständigen nationalen Behörden des Mitgliedstaats, in den der Kraftfahrer entsendet wird, unter Verwendung eines mehrsprachigen Standardformulars der öffentlichen Schnittstelle des — durch die Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 geschaffenen — Binnenmarkt-Informationssystems (IMI) eine Entsendemeldung zu übermitteln. Die Entsendemeldung enthält folgende Angaben:

i)
die Identität des Unternehmens‚ zumindest in Form der Nummer der Gemeinschaftslizenz, sofern diese verfügbar ist;
ii)
die Kontaktangaben eines Verkehrsleiters oder einer anderen Person im Niederlassungsmitgliedstaat, der/die als Ansprechpartner für die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaates, in dem die Dienstleistungen erbracht werden, zur Verfügung steht und Dokumente oder Mitteilungen versendet und in Empfang nimmt;
iii)
die Identität‚ die Wohnanschrift und die Führerscheinnummer des Kraftfahrers;
iv)
den Beginn des Arbeitsvertrags des Kraftfahrers und das auf diesen Vertrag anwendbare Recht;
v)
das geplante Datum des Beginns und des Endes der Entsendung;
vi)
die amtlichen Kennzeichen der Kraftfahrzeuge;
vii)
ob es sich bei den Verkehrsdienstleistungen um Güterbeförderung, Personenbeförderung, grenzüberschreitende Beförderung oder Kabotage handelt;

b)
die Verpflichtung des Unternehmens, dafür zu sorgen, dass dem Kraftfahrer folgende Unterlagen in Papier- oder elektronischer Form zur Verfügung stehen‚ und die Verpflichtung des Kraftfahrers, die folgenden Unterlagen mit sich zu führen und nach Aufforderung bei der Straßenkontrolle zur Verfügung zu stellen:

i)
eine Kopie der über das IMI übermittelten Entsendemeldung;
ii)
Nachweise darüber, dass die Beförderungen im Aufnahmemitgliedstaat erfolgen, z. B. einen elektronischen Frachtbrief (e-CMR) oder die in Artikel 8 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 genannten Belege;
iii)
die Aufzeichnungen des Fahrtenschreibers, insbesondere die Ländersymbole der Mitgliedstaaten, in denen sich der Kraftfahrer bei grenzüberschreitenden Beförderungen und Kabotagebeförderungen aufgehalten hat, gemäß den Vorschriften über die Aufzeichnung und Aufbewahrung der Verordnungen (EG) Nr. 561/2006 und (EU) Nr. 165/2014;

c)
die Verpflichtung des Unternehmens, nach dem Entsendezeitraum auf direkte Aufforderung der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, in die die Entsendung erfolgte, über die mit dem IMI verbundene öffentliche Schnittstelle Kopien der Unterlagen nach Buchstabe b Ziffern ii und iii des vorliegenden Absatzes sowie Unterlagen über die Entlohnung des Kraftfahrers, im Entsendezeitraum, den Arbeitsvertrag oder gleichwertige Unterlagen im Sinne des Artikels 3 der Richtlinie 91/533/EWG des Rates(2), Zeiterfassungsbögen, die sich auf die Arbeit des Kraftfahrers beziehen, und Zahlungsbelege zu übermitteln.

Das Unternehmen sendet die Dokumentation über die mit dem IMI verbundene öffentliche Schnittstelle spätestens acht Wochen nach dem Tag der Aufforderung. Legt das Unternehmen die angeforderten Unterlagen nicht innerhalb dieser Zeitspanne vor, so können die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in den die Entsendung erfolgte, über das IMI die zuständigen Behörden des Niederlassungsmitgliedstaats gemäß den Artikeln 6 und 7 der Richtlinie 2014/67/EU um Unterstützung ersuchen. Im Falles eines solchen Amtshilfeersuchens müssen die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem das Unternehmen niedergelassen ist, auf die Entsendemeldung und andere sachdienliche Angaben, die das Unternehmen über die mit dem IMI verbundene öffentliche Schnittstelle übermittelt hat, zugreifen können.

Die zuständigen Behörden des Niederlassungsmitgliedstaats sorgen dafür, dass sie die angeforderten Unterlagen den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in den die Entsendung erfolgte, innerhalb von 25 Arbeitstagen nach dem Zeitpunkt des Amtshilfeersuchens über das IMI bereitstellen.

Um festzustellen, ob ein Kraftfahrer gemäß den Absätzen 3 und 4 des vorliegenden Artikels nicht als entsandt gilt, dürfen die Mitgliedstaaten als einzige Kontrollmaßnahme dem Kraftfahrer die Verpflichtung auferlegen, die Nachweise der maßgeblichen grenzüberschreitenden Beförderung, z. B. einen elektronischen Frachtbrief (e-CMR) oder die in Artikel 8 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 genannten Belege, sowie die in Buchstabe b Ziffer iii des vorliegenden Absatzes genannten Aufzeichnungen des Fahrtenschreibers in Papierform oder in elektronischem Format mit sich zu führen und bei der Straßenkontrolle nach Aufforderung zur Verfügung zu stellen.

(12) Zu Kontrollzwecken hält das Unternehmen die Entsendemeldungen gemäß Absatz 11 Buchstabe a an der mit dem IMI verbundenen öffentlichen Schnittstelle auf dem neuesten Stand.

(13) Die Informationen aus den Entsendemeldungen werden für einen Zeitraum von 24 Monaten im IMI-Speicher für Kontrollzwecke gespeichert.

Ein Mitgliedstaat kann der zuständigen Behörde gestatten, den nationalen Sozialpartnern die im IMI verfügbaren einschlägigen Informationen gemäß den nationalen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten anders als über das IMI zur Verfügung zu stellen, soweit das erforderlich ist, um die Einhaltung der Entsendevorschriften zu überprüfen, sofern

a)
sich die Informationen auf eine Entsendung in das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats beziehen;
b)
die Informationen ausschließlich zum Zweck der Durchsetzung der Entsendevorschriften genutzt werden und
c)
die Datenverarbeitung gemäß der Verordnung (EU) 2016/679 erfolgt.

(14) Bis zum 2. Februar 2021 legt die Kommission im Wege eines Durchführungsrechtsakts die Funktionalitäten der mit dem IMI verbundenen öffentlichen Schnittstelle fest. Dieser Durchführungsrechtsakt wird gemäß dem in Artikel 4 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

(15) Die Mitgliedstaaten vermeiden bei der Durchführung der Kontrollmaßnahmen unnötige Verzögerungen, die sich auf die Dauer und den Zeitpunkt der Entsendung auswirken könnten.

(16) Vorbehaltlich der Bedingungen der Richtlinie 2014/67/EU und der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 arbeiten die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten eng zusammen, leisten sich gegenseitig Amtshilfe und tauschen alle maßgeblichen Informationen aus.

Fußnote(n):

(1)

Richtlinie 92/106/EWG des Rates vom 7. Dezember 1992 über die Festlegung gemeinsamer Regeln für bestimmte Beförderungen im kombinierten Güterverkehr zwischen Mitgliedstaaten (ABl. L 368 vom 17.12.1992, S. 38).

(2)

Richtlinie 91/533/EWG des Rates vom 14. Oktober 1991 über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen (ABl. L 288 vom 18.10.1991, S. 32).

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