Präambel RL 2020/1687/EU

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf den Rahmenbeschluss 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels(1), insbesondere auf Artikel 1a und 8a,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Der gemäß Artikel 5c Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1920/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates(2) erweiterte Wissenschaftliche Ausschuss der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA, im Folgenden „Beobachtungsstelle” ) hat am 26. Mai 2020 gemäß Artikel 5c der genannten Verordnung einen Risikobewertungsbericht über die neue psychoaktive Substanz N, N–Diethyl-2-[[4-(1-methylethoxy)-phenyl]methyl]-5-nitro-1-H-benzimidazol-1-ethanamin (Isotonitazen) erstellt. Die Beobachtungsstelle legte den Risikobewertungsbericht der Kommission und den Mitgliedstaaten am 29. Mai 2020 vor.
(2)
Bei Isotonitazen handelt es sich um ein synthetisches Opioidanalgetikum, das eng mit den Substanzen Etonitazen und Clonitazen verwandt ist, die beide gemäß dem Einheits-Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1961 über Suchtstoffe in der durch das Protokoll von 1972 geänderten Fassung internationaler Kontrolle unterliegen.
(3)
Isotonitazen ist mindestens seit April 2019 in der Union verfügbar und wurde in fünf Mitgliedstaaten sowie im Vereinigten Königreich festgestellt. Insgesamt wurden 24 Beschlagnahmen von vier Mitgliedstaaten gemeldet; darüber hinaus meldete ein Mitgliedstaat eine biologische Probe und das Vereinigte Königreich meldete bei der Obduktion festgestellte Proben. Da aufgrund der Neuartigkeit des Stoffes auf dem Markt keine routinemäßigen Kontrollen zu diesem Stoff erfolgen, ist generell von einer höheren Dunkelziffer auszugehen. In den meisten Fällen wurde der Stoff als Pulver beschlagnahmt, aber auch in flüssiger Form identifiziert. Die gefundenen Mengen sind relativ gering. Sie sollten jedoch vor dem Hintergrund der hohen Wirksamkeit von Isotonitazen bewertet werden.
(4)
Bisher wurden von Deutschland und dem Vereinigten Königreich zwei Todesfälle im Zusammenhang mit Isotonitazen gemeldet. Die Todesfälle ereigneten sich 2019. Für den Todesfall in Deutschland liegen keine detaillierten Informationen vor. In dem vom Vereinigten Königreich gemeldeten Fall wurden in den biologischen Proben der Obduktion(3) mehrere andere Stoffe identifiziert. Bisher wurden keine akuten Vergiftungen im Zusammenhang mit Isotonitazen gemeldet. Wie bei anderen synthetischen Opioiden dürfte Naloxon als Gegenmittel bei einer Vergiftung durch Isotonitazen wirken. Sowohl bei Vergiftungen als auch bei Todesfällen ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, da in beiden Fällen keine routinemäßigen Kontrollen zu dem Stoff erfolgen und dieser erst kürzlich auf dem Unionsmarkt festgestellt wurde.
(5)
Es gibt keine direkten Hinweise auf die Beteiligung der organisierten Kriminalität an der Herstellung, dem Vertrieb, dem Handel und der Beschaffung von Isotonitazen in der Union. Die verfügbaren Informationen deuten darauf hin, dass Isotonitazen von chemischen Unternehmen mit Sitz außerhalb der Union hergestellt wird.
(6)
Isotonitazen wird anscheinend sowohl in Kleinhandels- als auch in Großhandelsmengen online vertrieben, hauptsächlich als Pulver, aber auch als gebrauchsfertige Nasensprays. Die Hinweise aufgrund von Sicherstellungen deuten darauf hin, dass Isotonitazen möglicherweise auch auf dem illegalen Markt für Opioide verkauft wurde. Daher wissen Nutzer möglicherweise nicht, dass sie Isotonitazen verwenden.
(7)
Es bestehen keine anerkannten Einsatzmöglichkeiten von Isotonitazen zu human- oder veterinärmedizinischen Zwecken in der Union und vermutlich auch nicht anderswo. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Substanz neben ihrem Einsatz als analytischer Referenzstandard und in der wissenschaftlichen Forschung zu anderen Zwecken genutzt werden könnte.
(8)
Der Risikobewertungsbericht zeigt, dass viele mit Isotonitazen im Zusammenhang stehende Fragen, die der Mangel an Informationen zu den Risiken für die Gesundheit von Einzelpersonen sowie die öffentliche Gesundheit und die Gesellschaft aufwirft, durch weitere Forschung geklärt werden könnten. Zu den sozialen Risiken im Zusammenhang mit Isotonitazen liegen keine spezifischen Informationen vor. Die verfügbaren Nachweise und Informationen über die von dem Stoff ausgehenden Gesundheitsrisiken, auch angesichts der Tatsache, dass der Stoff relativ unbekannt ist, bieten jedoch ausreichenden Grund für die Einbeziehung von Isotonitazen in die Definition von Drogen.
(9)
Isotonitazen ist nicht auf der Liste der Substanzen verzeichnet, die gemäß dem Einheits-Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1961 über Suchtstoffe in der durch das Protokoll von 1972 geänderten Fassung oder dem Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1971 über psychotrope Stoffe Kontrollmaßnahmen unterliegen. Isotonitazen wird derzeit keiner Bewertung im Rahmen des Systems der Vereinten Nationen unterzogen.
(10)
Vier Mitgliedstaaten haben Isotonitazen gesetzlichen Kontrollmaßnahmen im Rahmen ihrer nationalen Drogenkontrollgesetze unterworfen, und ein Mitgliedstaat sowie das Vereinigte Königreich und Norwegen kontrollieren Isotonitazen im Rahmen sonstiger legislativer Maßnahmen; die Aufnahme dieser Substanz in die Kategorie Drogen und somit ihre Erfassung vom Anwendungsbereich der gemäß der Definition des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI festgelegten Bestimmungen in Bezug auf Straftatbestände und Sanktionen würde daher dazu beitragen, Probleme bei der grenzüberschreitenden Strafverfolgung und justiziellen Zusammenarbeit zu vermeiden und vor den mit der Verfügbarkeit und dem Konsum der Substanz verbundenen Risiken zu schützen.
(11)
Durch Artikel 1a des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI wird der Kommission die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte zu erlassen, damit auf Unionsebene zügig und fachkompetent auf von den Mitgliedstaaten ermittelte und gemeldete neue psychoaktive Substanzen reagiert werden kann, indem der Anhang des Rahmenbeschlusses dahin gehend geändert wird, dass die betreffenden Stoffe in die Definition von Drogen aufgenommen werden.
(12)
Die verfügbaren Informationen deuten darauf hin, dass der Konsum von Isotonitazen Gesundheitsschäden verursacht, die mit seiner akuten Toxizität und seinem Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial zusammenhängen. Diese Gesundheitsschädigung gilt als lebensbedrohlich. Darüber hinaus besteht das Potenzial für schwere körperliche oder geistige Beeinträchtigung oder eine erhebliche Ausbreitung von Krankheiten einschließlich der Übertragung von Viren durch Blut. Diese Auswirkungen, einschließlich der Abhängigkeit, sind mit anderen Opioidanalgetika vergleichbar, die internationalen Kontrollmaßnahmen unterliegen.
(13)
Da die Bedingungen für die Ausübung der Befugnis zum Erlass eines delegierten Rechtsakts erfüllt sind und das Verfahren eingehalten wurde, sollte eine delegierte Richtlinie erlassen werden, um Isotonitazen in den Anhang des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI aufzunehmen und diese Substanz folglich den strafrechtlichen Bestimmungen der Union über den illegalen Drogenhandel zu unterwerfen.
(14)
Irland ist durch den Rahmenbeschluss 2004/757/JI, geändert durch die Richtlinie (EU) 2017/2103 des Europäischen Parlaments und des Rates(4), gebunden und beteiligt sich daher an der Annahme und Anwendung des vorliegenden Beschlusses.
(15)
Dänemark ist durch den Rahmenbeschluss 2004/757/JI in der bis zum 21. November 2018 geltenden Fassung, nicht aber durch die Richtlinie (EU) 2017/2103 gebunden. Dänemark beteiligt sich daher nicht an der Annahme und Anwendung dieser Richtlinie und ist weder durch diese Richtlinie gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet.
(16)
Gemäß der Gemeinsamen Politischen Erklärung vom 28. September 2011 der Mitgliedstaaten und der Kommission zu erläuternden Dokumenten(5) haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, in begründeten Fällen zusätzlich zur Mitteilung ihrer Umsetzungsmaßnahmen ein oder mehrere Dokumente zu übermitteln, in denen der Zusammenhang zwischen den Bestandteilen einer Richtlinie und den entsprechenden Teilen nationaler Umsetzungsinstrumente erläutert wird.
(17)
Der Rahmenbeschluss 2004/757/JI sollte daher entsprechend geändert werden —

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8.

(2)

Verordnung (EG) Nr. 1920/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 1).

(3)

Todesfälle wurden auch in Kanada (drei Fälle) und in den Vereinigten Staaten (18 Fälle) berichtet.

(4)

Richtlinie (EU) 2017/2103 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. November 2017 zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates zur Aufnahme neuer psychoaktiver Substanzen in die Drogendefinition und zur Aufhebung des Beschlusses 2005/387/JI des Rates (ABl. L 305 vom 21.11.2017, S. 12).

(5)

ABl. C 369 vom 17.12.2011, S. 14.

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