Präambel RL 2021/802/EU

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf den Rahmenbeschluss 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels(1), insbesondere auf Artikel 1a Absatz 1,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Im Einklang mit Artikel 5c der Verordnung (EG) 1920/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates(2) wurden von dem nach dem Verfahren des Artikels 5c Absatz 4 dieser Verordnung erweiterten Wissenschaftlichen Ausschuss der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht Risikobewertungsberichte über die neuen psychoaktiven Substanzen Methyl 3,3-dimethyl-2-{[1-(pent-4-en-1-yl)-1H-indazol-3-carbonyl]amino}Butanoat (MDMB-4en-PINACA) und Methyl 2-{[1-(4-fluorobutyl)-1H-indol-3-carbonyl]amino}-3,3-Dimethylbutanoat (4F-MDMB-BICA) erstellt. Die Beobachtungsstelle legte die Risikobewertungsberichte der Kommission und den Mitgliedstaaten am 9. Dezember 2020 vor.
(2)
MDMB-4en-PINACA und 4F-MDMB-BICA sind synthetische Cannabinoid-Rezeptor-Agonisten (synthetische Cannabinoide). Sie wirken ähnlich wie Tetrahydrocannabinol (THC), das für die wichtigsten psychoaktiven Wirkungen von Cannabis verantwortlich ist, jedoch mit zusätzlicher lebensbedrohlicher Toxizität. Die hohe Wirksamkeit der beiden Stoffe stellt ein hohes Vergiftungsrisiko dar.
(3)
MDMB-4en-PINACA ist seit mindestens 2017 in der Union verfügbar und wurde in 20 Mitgliedstaaten entdeckt, wobei die Zahl der Mitgliedstaaten, die den Stoff erstmals im Jahr 2019 nachgewiesen haben, stark zugenommen hat. Im Jahr 2020 nahm die Menge des vom Zoll beschlagnahmten Stoffs MDMB-4en-PINACA stark zu. Insgesamt wurden 389 Beschlagnahmen von 20 Mitgliedstaaten gemeldet;(3) darüber hinaus meldeten sechs Mitgliedstaaten 15 Proben und ein Mitgliedstaat 28 biologische Proben. Da bei MDMB-4en-PINACA in einigen Labors keine routinemäßigen Kontrollen erfolgen, ist generell von einer höheren Dunkelziffer auszugehen. In den meisten Fällen wurde der Stoff als Pulver und in Räuchermischungen beschlagnahmt, aber auch als imprägniertes Papier, einschließlich Blotter, in flüssiger Form und in anderen nicht spezifizierten Formen identifiziert.
(4)
Zwölf Todesfälle, die mit MDMB-4en-PINACA in Verbindung stehen, wurden von zwei Mitgliedstaaten gemeldet. Da in einigen Labors keine routinemäßigen Kontrollen erfolgen, ist von einer höheren Dunkelziffer sowohl für Vergiftungen als auch für Todesfälle auszugehen.
(5)
4F-MDMB-BICA ist seit mindestens März 2020 in der Union verfügbar und wurde bisher in elf Mitgliedstaaten entdeckt. Insgesamt wurden 94 Beschlagnahmen von elf Mitgliedstaaten gemeldet;(4) darüber hinaus meldete ein Mitgliedstaat eine und ein Mitgliedstaat 126 biologische Proben. Da aufgrund der Neuartigkeit von 4F-MDMB-BICA auf dem Markt keine routinemäßigen Kontrollen zu diesem Stoff erfolgen, ist generell von einer höheren Dunkelziffer auszugehen. In den meisten Fällen wurde der Stoff als Pulver, in Räuchermischungen und als Blotter beschlagnahmt, er wurde aber auch in flüssiger Form und in anderen nicht spezifizierten Formen identifiziert.
(6)
Zwischen Mai und August 2020 wurden in einem Mitgliedstaat einundzwanzig Todesfälle gemeldet, die mit 4F-MDMB-BICA in Verbindung stehen. Sowohl bei Vergiftungen als auch bei Todesfällen ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, da in beiden Fällen keine routinemäßigen Kontrollen zu dem Stoff erfolgen und dieser erst kürzlich auf dem Unionsmarkt festgestellt wurde.
(7)
MDMB-4en-PINACA und 4F-MDMB-BICA werden anscheinend in kleinen und Großhandelsmengen als „legaler” Ersatz für Cannabis und kontrollierte synthetische Cannabinoide im Internet verkauft, vor allem als Endprodukt, z. B. in Räuchermischungen, E-Flüssigkeiten oder auf imprägniertem Papier.
(8)
Es gibt keine direkten Beweise für die Beteiligung der organisierten Kriminalität an der Herstellung, dem Vertrieb, dem illegalen Handel und der Beschaffung von MDMB-4en-PINACA und 4F-MDMB-BICA in der Union.
(9)
Es bestehen keine anerkannten Einsatzmöglichkeiten von MDMB-4en-PINACA und 4F-MDMB-BICA zu human- oder veterinärmedizinischen Zwecken in der Union und vermutlich auch nicht anderswo. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Substanz neben ihrem Einsatz als analytischer Referenzstandard und in der wissenschaftlichen Forschung zu anderen Zwecken genutzt werden könnte.
(10)
Die Risikobewertungsberichte zeigen, dass viele mit MDMB-4en-PINACA und 4F-MDMB-BICA in Zusammenhang stehende Fragen, die der Mangel an Informationen zu den Risiken für die Gesundheit von Einzelpersonen sowie die öffentliche Gesundheit und die Gesellschaft aufwirft, durch weitere Forschung geklärt werden könnten. Die verfügbaren Informationen deuten darauf hin, dass der Konsum von MDMB-4en-PINACA und 4F-MDMB-BICA Gesundheitsschäden verursacht, die mit ihrer akuten Toxizität und ihrem Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial zusammenhängen. Diese Gesundheitsschädigung gilt als lebensbedrohlich. Zu den sozialen Risiken im Zusammenhang mit IMDMB-4en-PINACA und 4F-MDMB-BICA liegen keine spezifischen Informationen vor. Daher besteht ein hinreichender Grund, MDMB-4en-PINACA und 4F-MDMB-BICA in die Definition von Drogen einzubeziehen.
(11)
MDMB-4en-PINACA und 4F-MDMB-BICA sind nicht auf der Liste der Substanzen verzeichnet, die gemäß dem Einheits-Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1961 über Suchtstoffe in der durch das Protokoll von 1972 geänderten Fassung oder dem Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1971 über psychotrope Stoffe Kontrollmaßnahmen unterliegen. 4F-MDMB-BICA wird derzeit nicht vom System der Vereinten Nationen bewertet, während MDMB-4en-PINACA auch für die Aufnahme in die Anhänge des Systems der Vereinten Nationen empfohlen wurde. Es liegen jedoch hinreichende Beweise dafür vor, dass dieser Stoff dringend in die Definition von Drogen aufzunehmen ist; dies gilt auch für das EU-Recht.
(12)
Neun Mitgliedstaaten kontrollieren MDMB-4en-PINACA im Rahmen nationaler Drogenkontrollvorschriften, vier Mitgliedstaaten kontrollieren es im Rahmen von Rechtsvorschriften über neue psychoaktive Substanzen und ein Mitgliedstaat kontrolliert es im Rahmen anderer Rechtsvorschriften. Sieben Mitgliedstaaten kontrollieren 4F-MDMB-BICA im Rahmen nationaler Drogenkontrollvorschriften, vier Mitgliedstaaten kontrollieren es im Rahmen von Rechtsvorschriften über neue psychoaktive Substanzen, und ein Mitgliedstaat kontrolliert es im Rahmen anderer Rechtsvorschriften. Da diese nationalen Kontrollmaßnahmen bereits bestehen, würde die Aufnahme von MDMB-4en-PINACA und 4F-MDMB-BICA in die Definition von Drogen und somit in den Anwendungsbereich der Bestimmungen in Bezug auf Straftatbestände und Sanktionen im Sinne des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI dazu beitragen, Probleme bei der grenzüberschreitenden Strafverfolgung und justiziellen Zusammenarbeit zu vermeiden und vor den mit der Verfügbarkeit und dem Konsum der Substanzen verbundenen Risiken zu schützen.
(13)
Da die Bedingungen für die Ausübung der Befugnis zum Erlass eines delegierten Rechtsakts erfüllt sind und das Verfahren eingehalten wurde, sollte eine delegierte Richtlinie erlassen werden, um MDMB-4en-PINACA und 4F-MDMB-BICA in den Anhang des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI aufzunehmen und diese Substanzen folglich den strafrechtlichen Bestimmungen der Union über den illegalen Drogenhandel zu unterwerfen.
(14)
Irland ist durch den Rahmenbeschluss 2004/757/JI, geändert durch die Richtlinie (EU) 2017/2103 des Europäischen Parlaments und des Rates(5), gebunden und beteiligt sich daher an der Annahme und Anwendung des vorliegenden Beschlusses.
(15)
Dänemark ist durch den Rahmenbeschluss 2004/757/JI in der bis zum 21. November 2018 geltenden Fassung, nicht aber durch die Richtlinie (EU) 2017/2103 gebunden. Dänemark beteiligt sich daher nicht an der Annahme und Anwendung dieser Richtlinie, die weder für Dänemark bindend noch Dänemark gegenüber anwendbar ist.
(16)
Gemäß der Gemeinsamen Politischen Erklärung vom 28. September 2011 der Mitgliedstaaten und der Kommission zu erläuternden Dokumenten(6) haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, in begründeten Fällen zusätzlich zur Mitteilung ihrer Umsetzungsmaßnahmen ein oder mehrere Dokumente zu übermitteln, in denen der Zusammenhang zwischen den Bestandteilen einer Richtlinie und den entsprechenden Teilen nationaler Umsetzungsinstrumente erläutert wird.
(17)
Der Rahmenbeschluss 2004/757/JI sollte daher entsprechend geändert werden —

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8.

(2)

Verordnung (EG) Nr. 1920/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 1).

(3)

Darüber hinaus meldeten das Vereinigte Königreich 380 Beschlagnahmen, Norwegen eine Beschlagnahme und die Türkei 663 Beschlagnahmen.

(4)

Darüber hinaus meldete das Vereinigte Königreich 17 Beschlagnahmen.

(5)

Richtlinie (EU) 2017/2103 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. November 2017 zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates zur Aufnahme neuer psychoaktiver Substanzen in die Drogendefinition und zur Aufhebung des Beschlusses 2005/387/JI des Rates (ABl. L 305 vom 21.11.2017, S. 12).

(6)

ABl. C 369 vom 17.12.2011, S. 14.

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