Präambel RL 2023/946/EU
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 100 Absatz 2,
auf Vorschlag der Europäischen Kommission,
nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,
nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(1),
nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,
gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren(2),
in Erwägung nachstehender Gründe:
- (1)
- Die Richtlinie 2003/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(3) legt ein einheitliches Niveau besonderer Stabilitätsanforderungen für Ro-Ro-Fahrgastschiffe fest, wodurch — in Verbindung mit den Anforderungen des Internationalen Übereinkommens zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (im Folgenden „SOLAS-Übereinkommen” ) in der zum Zeitpunkt der Annahme der Richtlinie geltenden Fassung (im Folgenden „SOLAS-90-Norm” ) — die Überlebensfähigkeit dieser Art Schiffe im Fall von Kollisionsschäden verbessert und ein hohes Sicherheitsniveau für Fahrgäste und Besatzung sichergestellt wird.
- (2)
- Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (International Maritime Organization, IMO) hat am 15. Juni 2017 die Entschließung MSC.421(98) zur Änderung des SOLAS-Übereinkommens und zur Festlegung überarbeiteter Stabilitätsanforderungen für Fahrgastschiffe in beschädigtem Zustand angenommen. Diese Anforderungen gelten auch für Ro-Ro-Fahrgastschiffe. Es ist notwendig, dieser Entwicklung auf internationaler Ebene Rechnung zu tragen und die Vorschriften und Anforderungen der Union für Ro-Ro-Fahrgastschiffe auf Auslandsfahrt an die des SOLAS-Übereinkommens anzugleichen.
- (3)
- Die IMO-Entschließung 14 der SOLAS-Konferenz von 1995 gestattet es den Mitgliedern der IMO, regionale Übereinkommen zu schließen, wenn sie der Auffassung sind, dass der vorherrschende Seegang und andere örtliche Bedingungen in einem bestimmten Seegebiet besondere Stabilitätsanforderungen notwendig machen.
- (4)
- Die in Anhang I der Richtlinie 2003/25/EG festgelegten Anforderungen an die Leckstabilität von Ro-Ro-Fahrgastschiffen sind deterministischer Natur. Sie unterscheiden sich somit von der neuen internationalen probabilistischen Regelung in Kapitel II-1 des SOLAS-Übereinkommens und insbesondere von neuen Anforderungen, mit denen die Sicherheit eines Ro-Ro-Fahrgastschiffs anhand der Wahrscheinlichkeit gemessen wird, dass ein Zusammenstoß überlebt wird. Um die Anforderungen der Union mit diesen neuen internationalen Anforderungen in Einklang zu bringen, sollte die Richtlinie 2003/25/EG entsprechend geändert werden.
- (5)
- Die Anforderungen der Richtlinie 2009/45/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(4) gelten für Ro-Ro-Fahrgastschiffe auch weiterhin. Die Bewertung des durch die Anforderungen des SOLAS-Übereinkommens, zuletzt geändert durch die Entschließung MSC.421(98) (im Folgenden „SOLAS-2020-Norm” ), gewährleisteten Sicherheitsniveaus für unterschiedliche Größen von Ro-Ro-Fahrgastschiffen hat gezeigt, dass die Anwendung der Stabilitätsanforderungen gemäß der SOLAS-2020-Norm die Risiken für Ro-Ro-Fahrgastschiffe, die für die Beförderung von mehr als 1350 Personen an Bord zugelassen sind, gegenüber dem Sicherheitsniveau, das durch die Anwendung der Anforderungen der Richtlinie 2003/25/EG gewährleistet wird, erheblich verringern würde.
- (6)
- Die in dieser Richtlinie für Ro-Ro-Fahrgastschiffe, die für die Beförderung von bis zu 1350 Personen an Bord zugelassen sind, festgelegten Stabilitätsanforderungen könnten bei bestimmten Schiffskonstruktionen nur schwer umgesetzt werden. Daher sollten Unternehmen, die solche Schiffe besitzen oder im Linienverkehr innerhalb der Union einsetzen, die Option haben, die vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinie geltenden Stabilitätsanforderungen anzuwenden. Die Mitgliedstaaten sollten der Kommission die Inanspruchnahme dieser Option zusammen den Angaben zu den betreffenden Schiffen mitteilen. Zehn Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie sollte die Kommission die Inanspruchnahme der Option prüfen, um zu entscheiden, ob eine erneute Überarbeitung der Richtlinie erforderlich ist.
- (7)
- Für Ro-Ro-Fahrgastschiffe, die für die Beförderung von bis zu 1350 Personen an Bord zugelassen sind, sollte die optionale Anwendung der Anforderungen der SOLAS-2020-Norm davon abhängig sein, dass der Unterteilungsgrad R den in der SOLAS-2020-Norm festgelegten Wert überschreitet, damit ein angemessenes Sicherheitsniveau erreicht wird.
- (8)
- Um das erforderliche Sicherheitsniveau sicherzustellen, sollten besondere Leckstabilitätsanforderungen auch für vorhandene Ro-Ro-Fahrgastschiffe gelten, die nie nach der Richtlinie 2003/25/EG zugelassen wurden und im Linienverkehr in der Union eingesetzt werden sollen.
- (9)
- Die Hafenstaaten sollten bei der Erstellung der in dieser Richtlinie genannten Liste der Seegebiete möglichst umfassend zusammenarbeiten, wobei der Hoheitsgewalt von Staaten über in ihr Hoheitsgebiet fallende Seegebiete und den allgemeinen Grundsätzen des Seerechts Rechnung zu tragen ist.
- (10)
- Die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) unterstützt die Kommission bereits bei der wirksamen Umsetzung der Richtlinie 2003/25/EG und sollte sich bemühen, eine solche Unterstützung auch weiterhin im Einklang mit der Verordnung (EG) Nr. 1406/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates(5) zu bieten.
- (11)
- Damit die Kommission die Umsetzung dieser Richtlinie bewerten und dem Europäischen Parlament und dem Rat darüber berichten kann, sollten die Mitgliedstaaten Angaben zu jedem neuen Ro-Ro-Fahrgastschiff vorlegen, das für die Beförderung von 1350 oder weniger Personen im Linienverkehr gemäß den Stabilitätsanforderungen dieser Richtlinie zugelassen ist. Diese Angaben sollten in der in Anhang II dargelegten Form bereitgestellt werden. Sie sollten für alle neuen Ro-Ro-Fahrgastschiffe verfügbar sein, da diese die probabilistischen Stabilitätsanforderungen gemäß der SOLAS-2020-Norm erfüllen müssen.
- (12)
- Da die Richtlinie 2009/16/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(6) durch die Richtlinie (EU) 2017/2110 des Europäischen Parlaments und des Rates(7) geändert und die Richtlinie 1999/35/EG des Rates(8) durch die genannte Richtlinie aufgehoben wurde, ist der Begriff „Aufnahmestaat” nicht mehr relevant und sollte daher durch den Begriff „Hafenstaat” ersetzt werden.
- (13)
- Um den Binnenmitgliedstaaten, die weder über Seehäfen noch über ihre Flagge führende und in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/25/EG fallende Ro-Ro-Fahrgastschiffe verfügen, keinen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand aufzuerlegen, sollte diesen Mitgliedstaaten gestattet werden, von den Bestimmungen der Richtlinie 2003/25/EG abzuweichen. Das bedeutet, dass diese Mitgliedstaaten nicht zur Umsetzung dieser Richtlinie verpflichtet sind, solange diese Bedingungen erfüllt sind.
- (14)
- Die Richtlinie 2003/25/EG sollte daher entsprechend geändert werden —
HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
Fußnote(n):
- (1)
ABl. C 323 vom 26.8.2022, S. 119.
- (2)
Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 14. März 2023 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 24. April 2023.
- (3)
Richtlinie 2003/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. April 2003 über besondere Stabilitätsanforderungen für Ro-Ro-Fahrgastschiffe (ABl. L 123 vom 17.5.2003, S. 22).
- (4)
Richtlinie 2009/45/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über Sicherheitsvorschriften und -normen für Fahrgastschiffe (ABl. L 163 vom 25.6.2009, S. 1).
- (5)
Verordnung (EG) Nr. 1406/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2002 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (ABl. L 208 vom 5.8.2002, S. 1).
- (6)
Richtlinie 2009/16/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über die Hafenstaatkontrolle (ABl. L 131 vom 28.5.2009, S. 57).
- (7)
Richtlinie (EU) 2017/2110 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. November 2017 über ein System von Überprüfungen im Hinblick auf den sicheren Betrieb von Ro-Ro-Fahrgastschiffen und Fahrgast-Hochgeschwindigkeitsfahrzeugen im Linienverkehr und zur Änderung der Richtlinie 2009/16/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/35/EG des Rates (ABl. L 315 vom 30.11.2017, S. 61).
- (8)
Richtlinie 1999/35/EG des Rates vom 29. April 1999 über ein System verbindlicher Überprüfungen im Hinblick auf den sicheren Betrieb von Ro-Ro-Fahrgastschiffen und Fahrgast-Hochgeschwindigkeitsfahrzeugen im Linienverkehr (ABl. L 138 vom 1.6.1999, S. 1).
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