Präambel RL 77/799/EWG
DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 100,
auf Vorschlag der Kommission,
nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments(1),
nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses(2),
in Erwägung nachstehender Gründe:
Die Praktiken der Steuerhinterziehung und Steuerflucht über die Grenzen der einzelnen Mitgliedstaaten hinaus führen zu Haushaltseinnahmeverlusten, verstoßen gegen den Grundsatz der Steuergerechtigkeit und können Verzerrungen des Kapitalverkehrs und der Wettbewerbsbedingungen bewirken. Sie beeinträchtigen mithin das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes.
Der Rat hat daher am 10. Februar 1975 eine Entschließung über Maßnahmen der Gemeinschaft zur Bekämpfung der internationalen Steuerflucht und Steuerumgehung(3) angenommen.
Da es sich hierbei um ein internationales Problem handelt, sind innerstaatliche Maßnahmen, deren Wirkungen nicht über die Grenzen eines Staates hinausreichen, unzulänglich. Auch die Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungen auf der Grundlage bilateraler Abkommen reicht nicht aus, um die neuen Formen der Steuerhinterziehung und Steuerflucht wirksam einzudämmen, die immer mehr einen multinationalen Charakter annehmen.
Daher erscheint es geboten, die Zusammenarbeit zwischen den Steuerverwaltungen innerhalb der Gemeinschaft nach gemeinsamen Grundsätzen und Regeln zu verstärken.
Die Mitgliedstaaten sollten sich gegenseitig auf Ersuchen Auskünfte in Einzelfällen erteilen. Der um Auskunft ersuchte Staat sollte die notwendigen Ermittlungen zu deren Erlangung durchführen lassen.
Die Mitgliedstaaten sollten sich auch ohne Ersuchen gegenseitig alle Auskünfte erteilen, die für die zu treffende Festsetzung der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen geeignet erscheinen, insbesondere in den Fällen, in denen künstliche Gewinnverlagerungen zwischen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten vorzuliegen scheinen, oder wenn solche Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen zweier Mitgliedstaaten zur Steuerersparnis über ein drittes Land geleitet werden, oder schließlich wenn aus irgendeinem Grunde eine Steuerverkürzung eingetreten ist oder eintreten kann.
Es ist geboten, daß den Bediensteten der Steuerverwaltung eines Mitgliedstaats die Anwesenheit auf dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaats gestattet wird, wenn die beiden betroffenen Staaten dieses wünschen.
Allerdings ist sicherzustellen, daß die im Rahmen einer solchen Zusammenarbeit übermittelten Auskünfte nicht unbefugten Personen zugänglich gemacht werden, damit die grundlegenden Rechte der Bürger und Unternehmen gewahrt bleiben. Dies erfordert, daß die Mitgliedstaaten die empfangenen Auskünfte, ohne Ermächtigung durch den auskunftgebenden Mitgliedstaat, nicht anderweitig verwenden als für steuerliche Zwecke oder zur Erleichterung der Steuerstrafverfolgung von Personen, die sich ihren steuerlichen Verpflichtungen entziehen. Ebenso müssen diese Staaten den empfangenen Auskünften das gleiche Maß an Vertraulichkeit gewähren, das sie im auskunftgebenden Staat genießen, sofern es dieser Staat verlangt.
Es erscheint angebracht, einem Mitgliedstaat das Recht einzuräumen, die Durchführung von Ermittlungen oder die Auskunftsübermittlung zu verweigern, wenn das Recht oder die Verwaltungspraxis des auskunftgebenden Mitgliedstaats seine Steuerverwaltung weder zu Ermittlungen noch zur Beschaffung oder Verwertung solcher Auskünfte für die eigenen steuerlichen Zwecke ermächtigt oder wenn die Übermittlung der öffentlichen Ordnung zuwiderliefe oder zur Preisgabe eines Geschäfts-, Industrie- oder Berufsgeheimnisses oder eines Geschäftsverfahrens führen würde oder schließlich wenn der interessierte Mitgliedstaat aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen zur Übermittlung gleichwertiger Auskünfte nicht in der Lage wäre.
Eine Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission ist notwendig, um die Verfahren der Zusammenarbeit und den Erfahrungsaustausch auf den betreffenden Gebieten, insbesondere auf dem Gebiet der künstlichen Gewinnverlagerung innerhalb von Konzernen, ständig zu überprüfen, damit diese Verfahren verbessert und geeignete Gemeinschaftsregelungen ausgearbeitet werden können —
HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
Fußnote(n):
- (1)
ABl. Nr. C 293 vom 13. 12. 1976, S. 34.
- (2)
ABl. Nr. C 56 vom 7. 3. 1977, S. 66.
- (3)
ABl. Nr. C 35 vom 14. 2. 1975, S. 1.
© Europäische Union 1998-2021
Tipp: Verwenden Sie die Pfeiltasten der Tastatur zur Navigation zwischen Normen.