Präambel RL 89/552/EWG

DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 57 Absatz 2 und Artikel 66,

auf Vorschlag der Kommission(1),

in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament(2),

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses(3),

in Erwägung nachstehender Gründe:

Die im Vertrag niedergelegten Ziele der Gemeinschaft umfassen einen immer engeren Zusammenschluß der europäischen Völker und engere Beziehungen zwischen den Staaten der Gemeinschaft, die Sicherung des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts der Länder durch gemeinsames Handeln, das auf die Beseitigung der Europa trennenden Schranken gerichtet ist, die stetige Besserung der Lebensbedingungen ihrer Völker sowie die Wahrung und Festigung von Frieden und Freiheit.

Der Vertrag schreibt die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes vor; dazu gehören die Beseitigung der Hindernisse für den freien Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und die Schaffung eines Systems, das den Wettbewerb vor Verzerrungen schützt.

Grenzüberschreitende Sendungen, die mit Hilfe unterschiedlicher Technologien realisiert werden, sind eines der Mittel zur Verfolgung der Ziele der Gemeinschaft. Es sind Maßnahmen zu treffen, die den Übergang von den nationalen Märkten zu einem gemeinsamen Markt für die Herstellung und Verbreitung von Programmen sichern und die unbeschadet der Funktion des Fernsehens, das Allgemeininteresse zu wahren, faire Wettbewerbsbedingungen gewährleisten.

Der Europarat hat das Europäische Übereinkommen über grenzüberschreitendes Fernsehen angenommen.

Der Vertrag sieht den Erlaß von Richtlinien zur Koordinierung der Rechtsvorschriften vor, die zu einer Erleichterung der Aufnahme und Ausübung selbstständiger Tätigkeiten führen.

Die Fernsehtätigkeit stellt unter normalen Umständen eine Dienstleistung im Sinne des Vertrages dar.

Der Vertrag sieht den freien Verkehr aller in der Regel gegen Entgelt erbrachten Dienstleistungen vor, und zwar unbeschadet ihres kulturellen oder sonstigen Inhalts und ohne Beschränkungen für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind.

Dieses Recht ist in seiner Anwendung auf die Ausstrahlung und Verbreitung von Fernsehsendungen auch eine spezifische gemeinschaftsrechtliche Ausprägung eines allgemeineren Prinzips, nämlich der Freiheit der Meinungsäußerung, wie sie in Artikel 10 Absatz 1 der von allen Mitgliedstaaten ratifizierten Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten verankert ist. Daher muß durch den Erlaß von Richtlinien betreffend die Ausstrahlung und Verbreitung von Fernsehprogrammen sichergestellt werden, daß diese Tätigkeit im Lichte dieses Artikels und nur mit den in Absatz 2 desselben Artikels und in Artikel 56 Absatz 1 des Vertrages vorgesehenen Beschränkungen ungehindert ausgeübt werden können.

Die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Tätigkeiten des Fernsehveranstalters und des Kabelbetreibers weisen Unterschiede auf, von denen einige den freien Verkehr von Sendungen innerhalb der Gemeinschaft behindern und den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes verzerren könnten.

Alle diese Beschränkungen der Freiheit, innerhalb der Gemeinschaft Sendungen auszustrahlen, sind gemäß dem Vertrag aufzuheben.

Eine derartige Aufhebung muß mit einer Koordinierung der geltenden Rechtsvorschriften einhergehen. Zweck dieser Koordinierung muß es sein, die Ausübung der betreffenden Berufstätigkeiten und allgemein den freien Verkehr von Informationen und Ideen innerhalb der Gemeinschaft zu erleichtern.

Daher ist es notwendig und ausreichend, daß alle Fernsehsendungen dem Recht des Mitgliedstaats entsprechen, in dem sie ihren Ursprung haben.

Diese Richtlinie regelt das notwendige Mindestmaß, um den freien Sendeverkehr zu verwirklichen. Sie berührt daher nicht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und ihrer Untergliederung für die Organisation — einschließlich der gesetzlichen oder behördlichen Zulassungen oder der Besteuerung — und die Finanzierung der Sendungen sowie die Programminhalte. Eigenständige kulturelle Entwicklungen in den Mitgliedstaaten und die Bewahrung der kulturellen Vielfalt in der Gemeinschaft bleiben deshalb wie bisher möglich.

Im Gemeinsamen Markt müssen alle Fernsehsendungen, die ihren Ursprung in der Gemeinschaft haben und für den Empfang in der Gemeinschaft bestimmt sind, speziell diejenigen, welche für den Empfang in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt sind, dem auf die zum Empfang durch die Allgemeinheit im Ursprungsmitgliedstaat bestimmten Fernsehsendungen anwendbaren Recht dieses Mitgliedstaats ebenso wie dieser Richtlinie entsprechen.

Die Verpflichtung des Sendestaats, die Einhaltung des durch diese Richtlinie koordinierten nationalen Rechts sicherzustellen, reicht nach dem Gemeinschaftsrecht aus, um den freien Verkehr von Fernsehsendungen zu gewährleisten, ohne daß eine zweite Kontrolle aus den gleichen Gründen in jedem der Empfangsstaaten stattfinden muß. Der Empfangstaat kann jedoch ausnahmsweise und unter besonderen Bedingungen die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen vorübergehend aussetzen.

Es ist unerläßlich, daß die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, daß Handlungen unterbleiben, die den freien Fluß von Fernsehsendungen beeinträchtigen bzw. die Entstehung beherrschender Stellungen begünstigen könnten, welche zu Beschränkungen des Pluralismus und der Freiheit der Fernsehinformation sowie der Information in ihrer Gesamtheit führen würden.

Diese Richtlinie, die sich auf spezifisch für das Fernsehen geltende Regelungen beschränkt, läßt bestehende oder künftige Rechtsangleichungsmaßnahmen der Gemeinschaft unberührt, mit denen insbesondere zwingenden Erfordernissen zum Schutz der Verbraucher, der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Wettbewerbs entsprochen werden soll.

Eine Koordinierung ist hingegen erforderlich, um Personen und Industrien, die kulturelle Fernsehprogramme herstellen, die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit zu erleichtern.

Mindestanforderungen für alle öffentlichen oder privaten Fernsehprogramme in der Gemeinschaft im Hinblick auf europäische audiovisuelle Produktionen sind ein Mittel zur Förderung der Herstellung, der unabhängigen Hersteller und der Verbreitung in den vorgenannten Industrien und ergänzen andere Instrumente, die bereits vorgeschlagen wurden oder noch vorgeschlagen werden, um dasselbe Ziel zu fördern.

Es ist daher notwendig, die Bildung von Märkten für Fernsehproduktionen in den Mitgliedstaaten zu begünstigen, die groß genug sind, um die erforderlichen Investitionen zu amortisieren, indem nicht nur gemeinsame Regeln zur Öffnung der nationalen Märkte eingeführt werden, sondern auch im Rahmen des praktisch Durchführbaren und mit angemessenen Mitteln darauf geachtet wird, daß europäische Produktionen einen Hauptanteil der Sendezeit in den Fernsehprogrammen der Mitgliedstaaten haben. Um die Einhaltung dieser Regeln bzw. die Verfolgung dieser Ziele aufmerksam verfolgen zu können, unterbreiten die Mitgliedstaaten der Kommission einen Bericht über die Durchführung der in dieser Richtlinie enthaltenen Bestimmungen über die Anteile an der Sendezeit, die europäischen Werken und unabhängigen Produktionen vorbehalten sind. Bei der Berechnung dieses Anteils ist die besondere Lage der Griechischen Republik und der Portugiesischen Republik zu berücksichtigen. Die Kommission bringt diese Berichte den übrigen Mitgliedstaaten zur Kenntnis, gegebenenfalls zusammen mit einer Stellungnahme, in der insbesondere den gegenüber den Vorjahren erzielten Fortschritten, dem Anteil von Erstausstrahlungen bei der Programmgestaltung, den besonderen Gegebenheiten bei den Fernsehunternehmen sowie der besonderen Lage der Länder mit niedriger Produktionskapazität oder begrenztem Sprachraum Rechnung getragen wird.

Für die genannten Zwecke ist der Begriff „europäische Werke” zu definieren, unbeschadet der Möglichkeit der Mitgliedstaaten, diese Definition unter Einhaltung des Gemeinschaftsrechts und unter Berücksichtigung der Ziele dieser Richtlinie für Fernsehveranstalter, die nach Artikel 3 Absatz 1 ihrer Rechtshoheit unterworfen sind, zu präzisieren.

Es ist wichtig, zur Verwirklichung dieser Ziele nach angemessenen und in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht stehenden Instrumenten und Verfahren zu suchen, um geeignete Maßnahmen zur Förderung der Tätigkeit und der Entwicklung der Produktion europäischer audiovisueller Werke und insbesondere in den Mitgliedstaaten mit niedriger Produktionskapazität oder begrenztem Sprachraum zu ergreifen.

Einzelstaatliche Bestimmungen über die Unterstützung der Entwicklung der europäischen Produktion können angewandt werden, sofern sie dem Gemeinschaftsrecht entsprechen.

Durch die Zusage, im Rahmen des praktisch Durchführbaren einen bestimmten Anteil der Sendezeit für unabhängige, außerhalb der Fernsehveranstalter hergestellte Produktionen vorzusehen, wird die Entsendung neuer Quellen für Fernsehproduktionen gefördert, insbesondere von Klein- und Mittelbetrieben. Damit werden neue Gelegenheiten und Möglichkeiten für die Nutzung schöpferischer Begabungen sowie Beschäftigungsmöglichkeiten für die kulturschaffenden Berufe und die im Kulturbereich tätigen Arbeitnehmer eröffnet. In der von den Mitgliedstaaten festgelegten Begriffsbestimmung des unabhängigen Produzenten muß diesem Ziel dadurch Rechnung getragen werden, daß kleine und mittlere Produzenten gebührend berücksichtigt werden und die finanzielle Beteiligung von Koproduktionsfilialen von Fernsehveranstaltern zugelassen wird.

Es sind Maßnahmen erforderlich, damit die Mitgliedstaaten dafür sorgen, daß zwischen der ersten Kinovorführung eines Werks und der Erstausstrahlung im Fernsehen ein gewisser zeitlicher Abstand liegt.

Um eine aktive Politik zugunsten einer bestimmten Sprache zu ermöglichen, muß es den Mitgliedstaaten freistehen, ausführlichere oder strengere Bestimmungen festzulegen, die insbesondere an Sprachkriterien ausgerichtet sind, sofern diese Bestimmungen mit den Gemeinschaftsbestimmungen vereinbar sind und insbesondere nicht für die Weiterverbreitung von Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten gelten.

Um sicherzustellen, daß die Interessen der Verbraucher als Zuschauer umfassend und angemessen geschützt werden, muß die Fernsehwerbung einer Reihe von Mindestnormen und Kriterien unterworfen werden; die Mitgliedstaaten müssen das Recht behalten, ausführlichere oder strengere Bestimmungen und in bestimmten Fällen unterschiedliche Bedingungen für die ihrer Rechtshoheit unterworfenen Fernsehveranstalter einzuführen.

Die Mitgliedstaaten können unter Einhaltung des Gemeinschaftsrechts in bezug auf Sendungen, die ausschließlich für ihr eigenes Hoheitsgebiet bestimmt sind und weder unmittelbar noch mittelbar in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten empfangen werden können, andere Bedingungen für die Plazierung der Werbung und andere Grenzen für den Umfang der Werbung vorsehen, um diese Art von Sendungen zu erleichtern.

Fernsehwerbung für Zigaretten und Tabakwaren muß ganz verboten werden, einschließlich indirekter Formen der Werbung, die zwar nicht direkt das Tabakerzeugnis erwähnen, aber das Werbeverbot durch Benutzung von Markennamen, Symbolen oder anderen Kennzeichen von Tabakerzeugnissen oder von Unternehmen, die bekanntermaßen oder hauptsächlich solche Erzeugnisse herstellen bzw. verkaufen, zu umgehen suchen.

Ferner ist es erforderlich, jede Fernsehwerbung für Arzneimittel und ärztliche Behandlungen zu untersagen, die in dem Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit der Fernsehveranstalter unterworfen ist, nur auf ärztliche Verordnung erhältlich sind; die Fernsehwerbung für alkoholische Erzeugnisse muß strengen Kriterien unterworfen werden.

Angesichts der wachsenden Bedeutung des Sponsoring für die Finanzierung der Programme sollten geeignete diesbezügliche Regeln festgelegt werden.

Es ist ferner notwendig, Regeln zum Schutz der körperlichen, geistigen und sittlichen Entwicklung Minderjähriger für die Programme und die Fernsehwerbung vorzusehen.

Wenngleich die Fernsehveranstalter normalerweise darauf achten müssen, daß Tatsachen und Ereignisse in den Sendungen korrekt dargestellt werden, müssen ihnen dennoch klare Verpflichtungen in bezug auf das Recht auf Gegendarstellung oder gleichwertige Maßnahmen auferlegt werden, damit gewährleistet ist, daß jeder, der durch eine Tatsachenbehauptung im Rahmen einer Fernsehsendung in seinen berechtigten Interessen verletzt wurde, seine Rechte wirksam geltend machen kann —

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. Nr. C 179 vom 17.7.1986, S. 4.

(2)

ABl. Nr. C 49 vom 22.2.1988, S. 53, und ABl. Nr. C 158 vom 26. 6. 1989.

(3)

ABl. Nr. C 232 vom 31.8.1987, S. 29.

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