Präambel RL 91/674/EWG

DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 54,

auf Vorschlag der Kommission(1),

in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament(2),

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses(3),

in Erwägung nachstehender Gründe:

Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages verlangt, soweit erforderlich, eine Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten.

Die Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen(4), zuletzt geändert durch die Richtlinie 90/605/EWG(5), braucht bis zu einer späteren Koordinierung auf Versicherungsgesellschaften (nachstehend als „Versicherungsunternehmen” bezeichnet) nicht angewandt zu werden. Angesichts der großen Bedeutung der Versicherungsunternehmen in der Gemeinschaft duldet diese Koordinierung seit der Anwendbarkeit jener Richtlinie keinen weiteren Aufschub.

Die Siebente Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13. Juni 1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den konsolidierten Abschluß(6), zuletzt geändert durch die Richtlinie 90/605/EWG, sieht Abweichungen hinsichtlich der Versicherungsunternehmen nur bis zum Auslaufen der für die Anwendung dieser Richtlinie vorgesehenen Fristen vor. Deshalb muß diese Richtlinie auch besondere Bestimmungen für die Versicherungsunternehmen über den konsolidierten Abschluß enthalten.

Die Dringlichkeit der Koordinierung ergibt sich aus der Tatsache, daß sich immer mehr Versicherungsunternehmen über die Grenzen hinweg betätigen. Für Gläubiger, Schuldner, Gesellschafter, Versicherungsnehmer, ihre Berater und die Öffentlichkeit ganz allgemein ist daher eine bessere Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse und der konsolidierten Abschlüsse dieser Unternehmen von wesentlicher Bedeutung.

In den Mitgliedstaaten stehen Versicherungsunternehmen unterschiedlicher Rechtsform miteinander im Wettbewerb; Unternehmen, die das Direktversicherungsgeschäft betreiben, können in der Regel auch Rückversicherungen übernehmen und stehen dann im Wettbewerb mit professionellen Rückversicherern. Es erscheint deshalb sinnvoll, die Koordinierung nicht auf die von der Richtlinie 78/660/EWG erfaßten Rechtsformen zu beschränken, sondern den Anwendungsbereich auf den der Ersten Richtlinie 73/239/EWG des Rates vom 24. Juli 1973 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung)(7), zuletzt geändert durch die Richtlinie 90/618/EWG(8), und den der Ersten Richtlinie 79/267/EWG des Rates vom 5. März 1979 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Direktversicherung (Lebensversicherung)(9), zuletzt geändert durch die Richtlinie 90/619/EWG(10), auszudehnen und darüber hinaus einige aus dem Anwendungsbereich dieser Richtlinien ausgeklammerte Unternehmen sowie Rückversicherungsunternehmen mit einzubeziehen.

Wenn angesichts der Besonderheiten der Versicherungsunternehmen eine selbständige Richtlinie über die Jahresabschlüsse und die konsolidierten Abschlüsse für diese Unternehmen erlassen wird, so kann dies nicht bedeuten, daß damit ein von den Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG unabhängiges Normenwerk geschaffen wird; dies wäre weder zweckmäßig noch mit dem Grundgedanken der Koordinierung des Gesellschaftsrechts zu vereinbaren, da die Versicherungsunternehmen als bedeutender Bestandteil der Wirtschaft der Gemeinschaft nicht außerhalb des für alle Unternehmen konzipierten Normenrahmens stehen dürfen. Aus diesem Grunde ist nur den branchenspezifisch bedingten Besonderheiten der Versicherungsunternehmen in der Weise Rechnung zu tragen, daß diese Richtlinie lediglich die Abweichungen von den Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG regelt.

Bedeutende Unterschiede bestehen hinsichtlich Aufbau und Inhalt der Bilanzen der Versicherungsunternehmen der einzelnen Mitgliedstaaten. Diese Richtlinie hat deshalb für die Bilanzen aller Versicherungsunternehmen der Gemeinschaft den gleichen Aufbau und die gleichen Postenbezeichnungen vorzusehen.

Die Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse und der konsolidierten Abschlüsse setzt voraus, daß einige grundlegende Fragen der Bilanzierung einzelner Geschäfte geregelt werden.

Im Interesse einer besseren Vergleichbarkeit ist es ferner erforderlich, daß der Inhalt einzelner Bilanzposten genau bestimmt wird.

Es kann zweckmäßig sein, zwischen den Verbindlichkeiten des Versicherers und den Verbindlichkeiten des Rückversicherers zu unterscheiden, indem der Anteil der Rückversicherer an den versicherungstechnischen Rückstellungen aktiviert wird.

Ferner sind auch die Struktur der Gewinn- und Verlustrechnung festzulegen und deren einzelne Posten abzugrenzen.

In Anbetracht der Spezifizität des Versicherungssektors kann es zweckmäßig sein, die nicht realisierten Gewinne und Verluste in der Gewinn- und Verlustrechnung zu berücksichtigen.

Die Vergleichbarkeit von Zahlen aus den Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen hängt darüber hinaus wesentlich davon ab, zu welchen Werten Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten in die Bilanz eingestellt werden; um eine zutreffende Vorstellung von der finanziellen Situation eines Versicherungsunternehmens zu vermitteln, muß sowohl der Zeit- als auch der Anschaffungswert der Kapitalanlagen offengelegt werden. Allerdings dient die Auflage, zumindest im Anhang zum Jahresabschluß den Zeitwert der Kapitalanlagen anzugeben, ausschließlich der Vergleichbarkeit und der Transparenz und soll nicht zu einer Änderung der steuerlichen Behandlung von Versicherungsunternehmen führen.

Die Berechnung der Rückstellungen im Lebensversicherungsgeschäft kann mit Hilfe der auf dem Markt normalerweise angewandten oder von den Versicherungsaufsichtsbehörden zugelassenen versicherungsmathematischen Methoden erfolgen. Diese Methoden können gemäß den gegebenenfalls im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Bedingungen von jedem Versicherungsmathematiker oder Sachverständigen unter Wahrung der anerkannten versicherungsmathematischen Grundsätze im Rahmen der derzeitigen und künftigen Koordinierung der Grundregeln für die Versicherungsaufsicht und die finanzielle Überwachung der Aktivitäten im Bereich der Direktversicherungen (Lebensversicherungen) angewandt werden.

Hinsichtlich der Berechnung der Rückstellung für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle sind einerseits aus Gründen der Vorsicht und der Transparenz verdeckte Diskontabschläge zu untersagen und andererseits die Bedingungen für die Anwendung offener Diskontabschläge genau festzulegen.

Gewisse Änderungen sind mit Rücksicht auf den besonderen Charakter der Versicherungsunternehmen auch für den Anhang zum Jahresabschluß und zum konsolidierten Abschluß erforderlich.

Da die Richtlinie für alle unter die Richtlinien 73/239/EWG und 79/267/EWG fallenden und außerdem noch für einige andere Versicherungsunternehmen gelten soll, sind die in der Richtlinie 78/660/EWG zugestandenen Abweichungen für kleine und mittlere Versicherungsunternehmen nicht vorgesehen; doch sollten einige kleine Unternehmen auf Gegenseitigkeit, die auch schon aus dem Anwendungsbereich der genannten Richtlinien 73/239/EWG und 79/267/EWG ausgeklammert wurden, nicht erfaßt werden.

Aus den gleichen Gründen wurde die in der Richtlinie 83/349/EWG vorgesehene Möglichkeit der Mitgliedstaaten, Mutterunternehmen von Gesamtheiten von zu konsolidierenden Unternehmen, die eine gewisse Größe nicht überschreiten, von der Verpflichtung zur Konsolidierung auszunehmen, für Versicherungsunternehmen nicht übernommen.

Für die als „Lloyd's” bekannte Vereinigung von Einzelversicherern sind angesichts ihres besonderen Charakters spezielle Bestimmungen notwendig.

Diese Richtlinie sollte auch für den konsolidierten Abschluß eines Mutterunternehmens gelten, bei dem es sich um eine Beteiligungsgesellschaft handelt und dessen Tochterunternehmen ausschließlich oder hauptsächlich Versicherungsunternehmen sind.

Es ist erforderlich, daß die Probleme auf dem von dieser Richtlinie geregelten Gebiet, insbesondere Fragen ihrer Anwendung, von Vertretern der Mitgliedstaaten und der Kommission gemeinsam in einem Kontaktausschuß behandelt werden. Um die Zahl derartiger Ausschüsse in Grenzen zu halten, sollte diese Zusammenarbeit im Rahmen des mit Artikel 52 der Richtlinie 78/660/EWG eingesetzten Ausschusses erfolgen, wobei dieser Ausschuß jedoch, sofern Probleme der Versicherungsunternehmen zu behandeln sind, entsprechend zusammengesetzt sein sollte.

Angesichts der Vielschichtigkeit der Materie ist es erforderlich, den unter diese Richtlinie fallenden Versicherungsunternehmen eine angemessene Frist für die Anwendung ihrer Vorschriften einzuräumen. Diese Frist ist zu verlängern, damit die erforderlichen Anpassungen einerseits in bezug auf die als „Lloyd's” bekannte Vereinigung von Einzelversicherern und andererseits in bezug auf die Unternehmen, die im für die Umsetzung dieser Richtlinie vorgeschriebenen Zeitpunkt ihre Anlagen noch nach ihrem Anschaffungswert bewerten, vorgenommen werden können.

Es ist zweckmäßig vorzusehen, daß einige Bestimmungen dieser Richtlinie nach einer Anwendungszeit von fünf Jahren im Hinblick auf die Zielsetzung einer größeren Transparenz und einer stärkeren Harmonisierung überprüft werden —

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. Nr. C 131 vom 18. 4. 1987, S. 1.

(2)

ABl. Nr. C 96 vom 17. 4. 1989, S. 93, und ABl. Nr. C 326 vom 16. 12. 1991.

(3)

ABl. Nr. C 319 vom 30. 11. 1987, S. 13.

(4)

ABl. Nr. L 222 vom 14. 8. 1978, S. 11.

(5)

ABl. Nr. L 317 vom 16. 11. 1990, S. 60.

(6)

ABl. Nr. L 193 vom 18. 7. 1983, S. 1.

(7)

ABl. Nr. L 228 vom 16. 8. 1973, S. 3.

(8)

ABl. Nr. L 330 vom 29. 11. 1990, S. 44.

(9)

ABl. Nr. L 63 vom 13. 3. 1979, S. 1.

(10)

ABl. Nr. L 330 vom 29. 11. 1990, S. 50.

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