Artikel 2 RL 92/13/EWG
Anforderungen an die Nachprüfungsverfahren
(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, daß für die in Artikel 1 genannten Nachprüfungsverfahren die erforderlichen Befugnisse vorgesehen werden, damit
- a)
- so schnell wie möglich im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufige Maßnahmen ergriffen werden können, um den behaupteten Rechtsverstoß zu beseitigen oder weitere Schädigungen der betroffenen Interessen zu verhindern; dazu gehören Maßnahmen, um das Auftragsvergabeverfahren oder die Durchführung jeder Entscheidung der öffentlichen Auftraggeber auszusetzen oder die Aussetzung zu veranlassen;
- b)
- die Aufhebung rechtswidriger Entscheidungen, einschließlich der Streichung diskriminierender technischer, wirtschaftlicher oder finanzieller Spezifikationen in der Vergabebekanntmachung, in der regelmäßigen Bekanntmachung, in der Bekanntmachung eines Qualifikationssystems, in der Aufforderung zur Angebotsabgabe, in den Verdingungsunterlagen oder in jedem sonstigen sich auf das betreffende Vergabeverfahren beziehenden Dokument vorgenommen oder veranlaßt werden kann;
- c)
-
so schnell wie möglich — möglichst im Wege der einstweiligen Verfügung oder falls erforderlich im endgültigen Verfahren zur Sache — andere als die unter den Buchstaben a) und b) vorgesehenen Maßnahmen ergriffen werden können, um den festgestellten Rechtsverstoß zu beseitigen und Schädigungen der betroffenen Interessen zu verhindern, insbesondere damit eine Aufforderung zur Zahlung eines Geldbetrags in bestimmter Höhe für den Fall ergehen kann, daß der Rechtsverstoß nicht beseitigt oder verhindert wird.
Die Mitgliedstaaten können diese Wahl entweder für alle Auftraggeber oder anhand von objektiven Kriterien für bestimmte Kategorien von Auftraggebern treffen, wobei in jedem Fall die Wirksamkeit der Maßnahmen zur Verhinderung einer Schädigung der betreffenden Interessen gewahrt bleiben muß;
- d)
- in beiden vorgenannten Fällen denjenigen, die durch den Rechtsverstoß geschädigt worden sind, Schadenersatz zuerkannt werden kann.
entweder
oder
Die Mitgliedstaaten können vorschreiben, daß bei Schadenersatzansprüchen, die auf die Rechtswidrigkeit einer Entscheidung gestützt werden, diese Entscheidung zunächst aufgehoben oder für rechtswidrig erklärt worden sein muß, sofern ihr innerstaatliches Rechtssystem dies erforderlich macht und über die mit den dafür erforderlichen Befugnissen ausgestatteten Instanzen verfügt.
(2) Die in Absatz 1 und in den Artikeln 2d und 2e genannten Befugnisse können getrennt mehreren Stellen übertragen werden, die für das Nachprüfungsverfahren unter verschiedenen Gesichtspunkten zuständig sind.
(3) Wird eine von dem Auftraggeber unabhängige Stelle in erster Instanz mit der Nachprüfung einer Zuschlagsentscheidung befasst, so sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass der Auftraggeber den Vertragsschluss nicht vornehmen kann, bevor die Nachprüfungsstelle eine Entscheidung über einen Antrag auf vorläufige Maßnahmen oder eine Entscheidung in der Hauptsache getroffen hat. Diese Aussetzung endet frühestens mit Ablauf der Stillhaltefrist nach Artikel 2a Absatz 2 und Artikel 2d Absätze 4 und 5.
(3a) Außer in den Fällen nach Absatz 3 und Artikel 1 Absatz 5 haben die Nachprüfungsverfahren als solche nicht notwendigerweise einen automatischen Suspensiveffekt auf die betreffenden Vergabeverfahren.
(4) Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die Nachprüfungsstelle die voraussehbaren Folgen der vorläufigen Maßnahmen im Hinblick auf alle möglicherweise geschädigten Interessen sowie das Interesse der Allgemeinheit berücksichtigen kann und dass sie beschließen kann, diese Maßnahmen nicht zu ergreifen, wenn deren nachteilige Folgen die damit verbundenen Vorteile überwiegen könnten.
Die Ablehnung der vorläufigen Maßnahmen beeinträchtigt nicht die sonstigen Rechte des Antragstellers.
(5) Der gemäß Absatz 1 Buchstabe c) zu zahlende Betrag ist so hoch anzusetzen, daß er ausreicht, um den Auftraggeber davon abzuhalten, einen Rechtsverstoß zu begehen oder darauf zu beharren. Die Zahlung dieses Geldbetrags kann von einer endgültigen Entscheidung abhängig gemacht werden, aus der hervorgeht, daß der Rechtsverstoß tatsächlich begangen worden ist.
(6) Außer in den in den Artikeln 2d bis 2f genannten Fällen richten sich die Wirkungen der Ausübung der in Absatz 1 des vorliegenden Artikels genannten Befugnisse auf den nach der Zuschlagsentscheidung geschlossenen Vertrag nach dem einzelstaatlichen Recht.
Abgesehen von dem Fall, in dem eine Entscheidung vor Zuerkennung von Schadensersatz aufgehoben werden muss, kann ein Mitgliedstaat ferner vorsehen, dass nach dem Vertragsschluss in Übereinstimmung mit Artikel 1 Absatz 5, Absatz 3 des vorliegenden Artikels oder den Artikeln 2a bis 2f die Befugnisse der Nachprüfungsstelle darauf beschränkt werden, einer durch einen Verstoß geschädigten Person Schadensersatz zuzuerkennen.
(7) Wird Schadenersatz für die Kosten der Vorbereitung eines Angebots oder für die Kosten der Teilnahme an einem Auftragsvergabeverfahren verlangt, so hat die Schadenersatz fordernde Person lediglich nachzuweisen, daß ein Verstoß gegen die Gemeinschaftsvorschriften für die Auftragsvergabe oder gegen einzelstaatliche Vorschriften zur Umsetzung dieser Vorschriften vorliegt und daß sie eine echte Chance gehabt hätte, den Zuschlag zu erhalten, die aber durch den Rechtsverstoß beeinträchtigt wurde.
(8) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, daß die Entscheidungen der für Nachprüfungsverfahren zuständigen Instanzen wirksam durchgesetzt werden können.
(9) Eine für Nachprüfungsverfahren zuständige Instanz, die kein Gericht ist, muß ihre Entscheidung stets schriftlich begründen. Ferner ist in diesem Falle sicherzustellen, daß eine behauptete rechtswidrige Maßnahme der Nachprüfungsinstanz oder ein behaupteter Verstoß bei der Ausübung der ihr übertragenen Befugnisse zum Gegenstand einer gerichtlichen Nachprüfung oder einer Nachprüfung bei einer anderen gegenüber dem Auftraggeber und der Nachprüfungsinstanz unabhängigen Instanz, die ein Gericht im Sinne des Artikels 234 des Vertrags ist, gemacht werden kann.
Für Ernennung und Ende der Amtszeit der Mitglieder dieser unabhängigen Instanz gelten bezüglich der für ihre Ernennung zuständigen Behörde, der Dauer ihrer Amtszeit und ihrer Absetzbarkeit die gleichen Bedingungen wie für Richter. Zumindest der Vorsitzende dieser unabhängigen Instanz muß die juristischen und beruflichen Qualifikationen eines Richters besitzen. Die unabhängige Instanz trifft ihre Entscheidungen in einem Verfahren, in dem beide Seiten gehört werden; ihre Entscheidungen sind in der von den Mitgliedern jeweils zu bestimmenden Weise rechtsverbindlich.
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