Präambel RL 94/19/EG

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 57 Absatz 2 erster und dritter Satz,

auf Vorschlag der Kommission(1),

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses(2),

gemäß dem Verfahren des Artikels 189b des Vertrages(3),

in Erwägung nachstehender Gründe:

Gemäß den Zielen des Vertrages empfiehlt es sich, die harmonische Entwicklung der Tätigkeiten der Kreditinstitute in der Gemeinschaft durch die Aufhebung aller Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs zu fördern und gleichzeitig die Stabilität des Bankensystems und den Schutz der Sparer zu erhöhen.

Werden die Beschränkungen der Tätigkeiten von Kreditinstituten aufgehoben, so ist es zweckmäßig, sich zugleich mit der Situation zu befassen, die im Falle des Nichtverfügbarwerdens der Einlagen in einem Kreditinstitut mit Zweigstellen in anderen Mitgliedstaaten entstehen kann. Ein Mindestmaß an Harmonisierung der Einlagensicherung muß gewährleistet sein ohne Rücksicht darauf, wo in der Gemeinschaft die Einlagen lokalisiert sind. Für die Vollendung des einheitlichen Bankenmarktes ist die Einlagensicherung genauso wichtig wie die aufsichtsrechtlichen Vorschriften.

Im Falle der Schließung eines zahlungsunfähigen Kreditinstituts müssen die Einleger der Zweigstellen, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen gelegen sind, in dem das Kreditinstitut seinen Sitz hat, durch dasselbe Sicherungssystem wie die übrigen Einleger des Instituts geschützt sein.

Die den Kreditinstituten aus der Teilnahme an einem Sicherungssystem erwachsenden Kosten stehen in keinem Verhältnis zu denjenigen, die bei einem massiven Abheben von Einlagen nicht nur bei dem sich in Schwierigkeiten befindlichen Unternehmen, sondern auch bei an sich gesunden Unternehmen entstehen würden, wenn das Vertrauen der Einleger in die Stabilität des Bankensystems erschüttert wird.

Das mit der Empfehlung 87/63/EWG der Kommission vom 22. Dezember 1986 zur Einführung von Einlagensicherungssystemen in der Gemeinschaft(4) angestrebte Ziel wurde durch die von den Mitgliedstaaten im Anschluß daran ergriffenen Maßnahmen nicht vollständig erreicht. Diese Situation kann dem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes abträglich sein.

Die Zweite Richtlinie 89/646/EWG des Rates vom 15. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und zur Änderung der Richtlinie 77/780/EWG(5), die ein System der einzigen Zulassung für Kreditinstitute und der Aufsicht durch die Behörden des jeweiligen Herkunftsmitgliedstaats vorsieht, wird seit dem 1. Januar 1993 angewandt.

In der Tat liefert die Aufhebung der Zulassung der Zweigstellen in den Aufnahmemitgliedstaaten aufgrund der Erteilung einer einzigen gemeinschaftsweit gültigen Zulassung und der Überwachung ihrer Solvenz durch die zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats die Begründung dafür, daß alle in der Gemeinschaft errichteten Zweigstellen desselben Kreditinstituts von einem einzigen Sicherungssystem erfaßt werden. Insbesondere aufgrund des Zusammenhangs zwischen der Überwachung der Solvenz einer Zweigstelle und ihrer Zugehörigkeit zu einem Einlagensicherungssystem kann es sich bei diesem System nur um das System handeln, das für diese Art von Institut in dem Mitgliedstaat, in dem das Kreditinstitut seinen Sitz hat, vorgesehen ist.

Die Harmonisierung muß sich auf die wesentlichen Aspekte der Einlagensicherungssysteme beschränken und die Zahlung der entsprechend der harmonisierten Mindestdeckung berechneten Entschädigung aus der Einlagensicherung innerhalb kürzester Frist gewährleisten.

Die Einlagensicherungssysteme müssen tätig werden, sobald Einlagen nicht verfügbar werden.

Insbesondere sollten Einlagen, die Kreditinstute im eigenen Namen und für eigene Rechnung getätigt haben, von der Sicherung ausgeschlossen sein. Doch sollte hierdurch das Recht der Einlagensicherungssysteme nicht beeinträchtigt werden, die erforderlichen Schritte zur Rettung eines Kreditinstituts zu unternehmen, welches sich in Schwierigkeiten befindet.

Die Harmonisierung der in der Gemeinschaft bestehenden Einlagensicherungssysteme stellt als solche nicht die bereits funktionierenden Systeme in Frage, die den Schutz der Kreditinstitute insbesondere durch Gewährleistung ihrer Solvenz und Liquidität zum Ziel haben, um ein Nichtverfügbarwerden der Einlagen bei diesen Kreditinstituten, einschließlich ihrer Zweigstellen in anderen Mitgliedstaaten, auszuschließen. Diese alternativen Systeme, deren Ziel ein anders gearteter Schutz ist, können unter bestimmten Voraussetzungen von den zuständigen Behörden als mit den Zielen dieser Richtlinie im Einklang stehend anerkannt werden. Es obliegt den zuständigen Behörden zu überprüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt werden.

Mehrere Mitgliedstaaten verfügen über Einlagensicherungssysteme, die Berufsverbänden unterstehen. Andere Mitgliedstaaten verfügen über solche Systeme, die gesetzlich vorgeschrieben sind und verwaltet werden, wieder andere über Systeme, die, obgleich im Wege der Vereinbarung entstanden, teilweise durch Gesetz geregelt werden. Die unterschiedliche Rechtsform dieser Systeme führt jedoch nur in bezug auf die Pflichtmitgliedschaft der Institute und deren Ausschluß von der Einlagensicherung zu Problemen. Daher sind Bestimmungen vorzusehen, die die Befugnisse der Systeme in dieser Hinsicht beschränken.

Die Beibehaltung von Systemen, die den Einlegern eine über der harmonisierten Mindestdeckung liegende Sicherung anbieten, kann in ein und demselben Hoheitsgebiet zu unterschiedlich hohen Entschädigungen und zu unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen für inländische Institute einerseits und Zweigstellen von Instituten aus einem anderen Mitgliedstaat andererseits führen. Zur Abhilfe dieser unliebsamen Begleiterscheinungen ist es angebracht, den Anschluß von Zweigstellen an ein System des Aufnahmemitgliedstaats mit dem Zweck zu genehmigen, es diesen zu ermöglichen, ihren Einlegern die gleiche Sicherung anzubieten, wie sie durch das System des Niederlassungsstaats angeboten wird. Die Kommission sollte nach einigen Jahren Bericht darüber erstatten, inwieweit Zweigstellen von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben und welche Schwierigkeiten sich ihnen oder den Sicherungssystemen bei der Durchführung dieser Bestimmungen möglicherweise gestellt haben. Es wird damit nicht ausgeschlossen, daß das System des Herkunftsmitgliedstaats selbst zu den von ihm festgelegten Bedingungen eine solche zusätzliche Deckung anbietet.

Durch Zweigstellen von Kreditinstituten, die eine höhere Deckung anbieten als die im Aufnahmemitgliedstaat zugelassenen Kreditinstitute könnten Störungen des Marktes verursacht werden. Die Höhe und der Umfang der Deckung, die von Sicherungssystemen angeboten werden, sollten nicht zu einem Instrument des Wettbewerbs werden. Zumindest für eine Anfangszeit ist daher vorzusehen, daß die Höhe und der Umfang der Deckung, die ein System eines Herkunftsstaats den Einlegern von Zweigstellen in einem anderen Mitgliedstaat bietet, die maximale Höhe und den maximalen Umfang der vom entsprechenden System des Aufnahmemitgliedstaats angebotenen Deckung nicht überschreitet. Nach einigen Jahren sollte dann im Lichte der gesammelten Erfahrungen und der Entwicklungen im Bankensektor eine Überprüfung möglicher Störungen des Marktes vorgenommen werden.

Diese Richtlinie sieht grundsätzlich vor, daß alle Kreditinstitute einem Einlagensicherungssystem beitreten müssen. Die Richtlinien für die Zulassung von Kreditinstituten mit Sitz in Drittländern, insbesondere die Erste Richtlinie 77/780/EWG des Rates vom 12. Dezember 1977 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute(6) überlassen den Mitgliedstaaten die Entscheidung darüber, ob und unter welchen Bedingungen sie die Zweigstellen solcher Kreditinstitute zur Ausübung ihrer Geschäfte in ihrem Hoheitsgebiet zulassen. Derartige Zweigstellen kommen nicht in den Genuß der Dienstleistungsfreiheit nach Artikel 59 Absatz 2 des Vertrages und können auch nicht die Niederlassungsfreiheit in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihrer Errichtung nutzen. Ein Mitgliedstaat, der solche Zweigstellen zuläßt, sollte daher entscheiden, wie auf sie die Grundsätze dieser Richtlinie im Einklang mit Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie 77/780/EWG und in Übereinstimmung mit der Notwendigkeit des Schutzes der Einleger und des Erhalts eines intakten Finanzsystems zur Anwendung zu bringen sind. Es ist von wesentlicher Bedeutung, daß Einleger bei solchen Zweigstellen von den für sie geltenden Sicherungsvorkehrungen in vollem Umfang Kenntnis erhalten.

Zum einen sollte das in dieser Richtlinie festzusetzende Mindestdeckungsniveau so festgelegt werden, daß sowohl im Interesse des Verbraucherschutzes als auch der Stabilität des Finanzsystems möglichst viele Einlagen erfaßt werden. Zum anderen wäre es unangebracht, gemeinschaftsweit ein Schutzniveau vorzuschreiben, das in manchen Fällen eine unsolide Geschäftsführung der Kreditinstitute fördern könnte. Die Finanzierungskosten für solche Systeme sollten berücksichtigt werden. Es erscheint zweckmäßig, den harmonisierten Mindestdeckungsbetrag auf 20000 ECU festzusetzen. In beschränktem Maße dürften Übergangsbestimmungen notwendig sein, um es den betreffenden Systemen zu gestatten, diesen Wert einzuhalten.

Einige Mitgliedstaaten bieten den Einlegern einen höheren Einlagenschutz als das von dieser Richtlinie vorgesehene harmonisierte Mindestniveau an. Es ist nicht angebracht, diese zum Teil erst vor kurzem aufgrund der Empfehlung 87/63/EWG eingerichteten Systeme in bezug auf diesen Punkt zu ändern.

Ist ein Mitgliedstaat der Auffassung, daß bestimmte Gruppen von Einlagen oder Einlegern, die ausdrücklich genannt werden müssen, keines besonderen Schutzes bedürfen, so muß er die Möglichkeit haben, sie von der durch die Einlagensicherungssysteme gebotenen Sicherung auszunehmen.

In einigen Mitgliedstaaten wird für nichtverfügbare Einlagen keine Entschädigung in voller Höhe gezahlt, um die Einleger zu veranlassen, die Qualiltät der Kreditinstitute sorgfältig zu prüfen. Diese Praxis sollte jedoch in bezug auf Einlagen, die niedriger sind als der harmonisierte Mindestbetrag, Beschränkungen unterliegen.

Der harmonisierte Mindestbetrag gilt grundsätzlich pro Einleger und nicht pro Einlage. Zu berücksichtigen sind daher auch die Einlagen von Einlegern, die nicht als Inhaber figurieren oder die nicht die ausschließlichen Inhaber sind. Der Schwellenwert gilt daher für jeden identifizierbaren Einleger. Organismen für gemeinsame Anlagen, für die besondere Schutzvorschriften gelten, die auf die vorgenannten Einlagen keine Anwendung finden, sollten allerdings von dieser Regelung ausgenommen werden.

Die Information ist ein wesentlicher Bestandteil des Einlegerschutzes und ist deshalb ebenfalls durch bestimmte Mindestvorschriften zu regeln, die bindend sind. Eine nichtgeregelte Werbung mit Hinweisen auf den Entschädigungsbetrag und den Umfang des Einlagensicherungssystems könnte allerdings die Stabilität des Bankensystems oder das Vertrauen der Einleger beeinträchtigen. Die Mitgliedstaaten sollten daher Vorschriften zur Beschränkung derartiger Hinweise erlassen.

In Einzelfällen kann in bestimmten Mitgliedstaaten, in denen es für bestimmte Kategorien von Kreditinstituten, die nur in geringfügigem Maße Einlagen entgegennehmen, kein Einlagensicherungssystem gibt, die Einführung eines solchen Systems zuweilen mehr Zeit in Anspruch nehmen, als für die Umsetzung dieser Richtlinie vorgesehen. In solchen Fällen läßt sich ein vorübergehendes Abweichen von dem Erfordernis, einem Einlagensicherungssystem anzugehören, rechtfertigen. Sollten jedoch die betreffenden Kreditinstitute Geschäfte im Ausland tätigen, so wären die betreffenden Mitgliedstaaten jedoch berechtigt, ihnen den Beitritt zu dem von ihnen eingerichteten Einlagensicherungssystem vorzuschreiben.

Es ist nicht unbedingt erforderlich, in dieser Richtlinie die Verfahren für die Finanzierung der Sicherungssysteme für die Einlagen oder für die Kreditinstitute selbst zu harmonisieren, da einerseits die Kosten dieser Finanzierung grundsätzlich von den Kreditinstituten selbst getragen werden müssen und andererseits die Finanzierungskapazität dieser Systeme in einem angemessenen Verhältnis zu ihren Verbindlichkeiten stehen muß. Allerdings darf die Stabilität des Bankensystems in dem betreffenden Mitgliedstaat hierdurch nicht gefährdet werden.

Die Mitgliedstaaten oder ihre zuständigen Behörden können aufgrund dieser Richtlinie den Einlegern gegenüber nicht haftbar gemacht werden, wenn sie für die Einrichtung bzw. die amtliche Anerkennung eines oder mehrerer Systeme Sorge getragen haben, die die Einlagen oder die Kreditinstitute selbst absichern und die Zahlung von Entschädigungen oder den Schutz der Einleger nach Maßgabe dieser Richtlinie gewährleisten.

Die Einlagensicherung ist ein wichtiger Aspekt der Vollendung des Binnenmarktes und aufgrund der Solidarität, die sie unter den Kreditinstituten eines Finanzmarktes bei Zahlungsunfähigkeit eines Instituts schafft, eine unentbehrliche Ergänzung des Systems der Bankenaufsicht —

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABI. Nr. C 163 vom 30.6.1992, S. 6, und ABI. Nr. C 178 vom 30.6.1993, S. 14.

(2)

ABI. Nr. C 332 vom 16.12.1992, S. 13.

(3)

ABI. Nr. C 115 vom 26.4.1993, S. 96, und Beschluß des Europäischen Parlaments vom 9. März 1994 (ABI. Nr. C 91 vom 28.3.1994).

(4)

ABI. Nr. L 33 vom 4.2.1987, S. 16.

(5)

ABI. Nr. L 386 vom 30.12.1989, S. 1. Geändert durch die Richtlinie 92/30/EWG (ABI. Nr. L 110 vom 28.4.1992, S. 52).

(6)

ABI. Nr. L 322 vom 17.12.1977, S. 30. Zuletzt geändert durch die Richtlinie 89/646/EWG (ABI. Nr. L 386 vom 30.12.1989, S. 1).

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