Präambel RL 94/45/EG
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
gestützt auf das Abkommen über die Sozialpolitik im Anhang zu Protokoll (Nr. 14) zum Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ist, insbesondere auf Artikel 2 Absatz 2,
auf Vorschlag der Kommission(1),
nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses(2),
gemäß dem Verfahren des Artikels 189c des Vertrags(3),
in Erwägung nachstehender Gründe:
In Anbetracht des Protokolls über die Sozialpolitik im Anhang des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft haben das Königreich Belgien, das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Griechische Republik, das Königreich Spanien, die Französische Republik, Irland, die Italienische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande und die Portugiesische Republik (im folgenden „die Mitgliedstaaten” genannt) in dem Wunsch, die Sozialcharta von 1989 umzusetzen, miteinander ein Abkommen über die Sozialpolitik geschlossen.
Gemäß Artikel 2 Absatz 2 dieses Abkommens kann der Rat im Wege von Richtlinien Mindestvorschriften erlassen.
Gemäß Artikel 1 des genannten Abkommens haben die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten das Ziel, den sozialen Dialog zu fördern.
Nach Nummer 17 der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer müssen u.a. „Unterrichtung, Anhörung und Mitwirkung der Arbeitnehmer in geeigneter Weise, unter Berücksichtigung der in den verschiedenen Mitgliedstaaten herrschenden Gepflogenheiten, weiterentwickelt werden.” „Dies gilt insbesondere für Unternehmen und Unternehmensgruppen mit Betriebsstätten bzw. Unternehmen in mehreren Mitgliedstaaten.”
Trotz der breiten Übereinstimmung zwischen der Mehrzahl der Mitgliedstaaten war der Rat nicht in der Lage, zu einer Entscheidung in bezug auf den Vorschlag für eine Richtlinie über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen(4) in der geänderten Fassung vom 3. Dezember 1991(5) zu gelangen.
Die Kommission hat gemäß Artikel 3 Absatz 2 des Abkommens über die Sozialpolitik die Sozialpartner auf Gemeinschaftsebene zu der Frage angehört, wie eine Gemeinschaftsaktion im Bereich der Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen gegebenenfalls ausgerichtet werden sollte.
Die Kommission war nach dieser Anhörung der Auffassung, daß eine Gemeinschaftsaktion wünschenswert ist, und hat gemäß Artikel 3 Absatz 3 des genannten Abkommens die Sozialpartner erneut zum Inhalt des in Aussicht genommenen Vorschlags angehört. Die Sozialpartner haben der Kommission ihre Stellungnahme übermittelt.
Nach dieser zweiten Anhörung haben die Sozialpartner der Kommission nicht mitgeteilt, ob sie beabsichtigen, das in Artikel 4 des Abkommens vorgesehene Verfahren einzuleiten, das zum Abschluß einer Vereinbarung führen könnte.
Im Rahmen des Binnenmarkts findet ein Prozeß der Unternehmenszusammenschlüsse, grenzübergreifenden Fusionen, Übernahmen und Joint-ventures und damit einhergehend eine länderübergreifende Strukturierung von Unternehmen und Unternehmensgruppen statt. Wenn die wirtschaftlichen Aktivitäten sich in harmonischer Weise entwickeln sollen, so müssen Unternehmen und Unternehmensgruppen, die in mehreren Mitgliedstaaten tätig sind, die Vertreter ihrer von den Unternehmensentscheidungen betroffenen Arbeitnehmer unterrichten und anhören.
Die Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer nach den Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten werden häufig nicht an die länderübergreifende Struktur der Unternehmen angepaßt, welche die Arbeitnehmer berührende Entscheidungen treffen. Dies kann zu einer Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer führen, die von Entscheidungen ein und desselben Unternehmens bzw. ein und derselben Unternehmensgruppe betroffen sind.
Es sind geeignete Vorkehrungen zu treffen, damit die Arbeitnehmer gemeinschaftsweit operierender Unternehmen oder Unternehmensgruppen angemessen informiert und konsultiert werden, wenn Entscheidungen, die sich auf sie auswirken, außerhalb des Mitgliedstaats getroffen werden, in dem sie beschäftigt sind.
Um zu gewährleisten, daß die Arbeitnehmer von Unternehmen und Unternehmensgruppen, die in mehreren Arbeitsgruppen tätig sind, in angemessener Weise unterrichtet und angehört werden, muß ein Europäischer Betriebsrat eingerichtet oder müssen andere geeignete Verfahren zur länderübergreifenden Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer geschaffen werden.
Hierzu ist eine Definition des Begriffs „herrschendes Unternehmen” erforderlich, die sich ausschließlich auf diese Richtlinie bezieht und nicht die Definitionen der Begriffe „Unternehmensgruppe” und „beherrschender Einfluß” präjudiziert, die in künftigen Texten angenommen werden könnten.
Die Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in derartigen Unternehmen oder Unternehmensgruppen müssen unabhängig davon, ob sich die zentrale Leitung des Unternehmens oder, im Fall einer Unternehmensgruppe, des herrschenden Unternehmens außerhalb der Gemeinschaft befindet, für alle in der Gemeinschaft angesiedelten Betriebe oder gegebenenfalls Unternehmen von Unternehmensgruppen gelten.
Getreu dem Grundsatz der Autonomie der Sozialpartner legen die Arbeitnehmervertreter und die Leitung des Unternehmens oder des herrschenden Unternehmens einer Unternehmensgruppe die Art, Zusammensetzung, Befugnisse, Arbeitsweise, Verfahren und finanzielle Ressourcen des Europäischen Betriebsrats oder anderer Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer einvernehmlich dergestalt fest, daß diese den jeweiligen besonderen Umständen entsprechen.
Nach dem Grundsatz der Subsidiarität obliegt es den Mitgliedstaaten, die Arbeitnehmervertreter zu bestimmen und insbesondere — falls sie dies für angemessen halten — eine ausgewogene Vertretung der verschiedenen Arbeitnehmerkategorien vorzusehen.
Für den Fall, daß die zentrale Leitung die Aufnahme von Verhandlungen ablehnt oder bei den Verhandlungen kein Einvernehmen erzielt wird, ist es jedoch angezeigt, bestimmte subsidiäre Vorschriften vorzusehen, die auf Beschluß der Parteien in diesen Fällen Anwendung finden.
Die Arbeitnehmervertreter können entweder vereinbaren, auf die Einrichtung eines Europäischen Betriebsrats zu verzichten, oder die Sozialpartner können andere Verfahren zur länderübergreifenden Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer beschließen.
Unbeschadet des Rechts der Parteien, anderslautende Vereinbarungen zu treffen, ist der Europäische Betriebsrat, der in Ermangelung einer Vereinbarung zwischen ihnen zur Erreichung des Ziels dieser Richtlinie eingesetzt wird, in bezug auf die Tätigkeiten des Unternehmens oder der Unternehmensgruppe zu unterrichten und anzuhören, damit er mögliche Auswirkungen auf die Interessen der Arbeitnehmer in mindestens zwei Mitgliedstaaten abschätzen kann. Deshalb sollte das Unternehmen oder das herrschende Unternehmen verpflichtet sein, den Arbeitnehmervertretern allgemeine Informationen, die die Interessen der Arbeitnehmer berühren, sowie Informationen, die sich konkret auf diejenigen Aspekte der Tätigkeiten des Unternehmens oder der Unternehmensgruppe beziehen, welche die Interessen der Arbeitnehmer berühren, mitzuteilen. Der Europäische Betriebsrat muß eine Stellungnahme abgeben können.
Bevor bestimmte Beschlüsse mit erheblichen Auswirkungen auf die Interessen der Arbeitnehmer ausgeführt werden, sind die Arbeitnehmervertreter unverzüglich zu unterrichten und anzuhören.
Es ist vorzusehen, daß die Arbeitnehmervertreter, die im Rahmen der Richtlinie handeln, bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben den gleichen Schutz und gleichartige Sicherheiten genießen wie die Arbeitnehmervertreter nach den Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten des Landes, in dem sie beschäftigt sind. Sie dürfen nicht aufgrund der gesetzlichen Ausübung ihrer Tätigkeit diskriminiert werden und müssen angemessen gegen Entlassungen und andere Sanktionen geschützt werden.
In Unternehmen oder herrschenden Unternehmen im Fall einer Unternehmensgruppe, deren zentrale Leitung sich außerhalb der Gemeinschaft befindet, sind die in dieser Richtlinie festgelegten Bestimmungen über die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer von dem gegebenenfalls benannten Vertreter des Unternehmens in der Gemeinschaft oder, in Ermangelung eines solchen Vertreters, von dem Betrieb oder dem kontrollierten Unternehmen mit der größten Anzahl von Arbeitnehmern in der Gemeinschaft durchzuführen.
Es ist zweckmäßig, besondere Bestimmungen für die gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen vorzusehen, in denen zum Zeitpunkt des Beginns der Anwendung dieser Richtlinie eine für alle Arbeitnehmer geltende Vereinbarung über eine länderübergreifende Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer besteht.
Werden die sich aus dieser Richtlinie ergebenden Verpflichtungen nicht eingehalten, so müssen die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen treffen —
HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
Fußnote(n):
- (1)
ABl. Nr. C 135 vom 18. 5. 1994, S. 8, und
ABl. Nr. C 199 vom 21. 7. 1994, S. 10.
- (2)
Stellungnahme vom 1. Juni 1994 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) (SIC! ABl. Nr. C 295 vom 22. 10. 1994, S. 64).
- (3)
Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 4. Mai 1994 (ABl. Nr. C 205 vom 25. 7. 1994), Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 18. Juli 1994 (ABl. Nr. C 244 vom 31. 8. 1994, S. 37).
- (4)
ABl. Nr. C 39 vom 15. 2. 1991, S. 10.
- (5)
ABl. Nr. C 336 vom 31. 12. 1991, S. 11.
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