Präambel RL 95/21/EG

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 84 Absatz 2,

auf Vorschlag der Kommission(1),

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses(2),

gemäß dem Verfahren des Artikels 189c des Vertrags(3),

in Erwägung nachstehender Gründe:

Schiffsunfälle und die Ölverschmutzung der Meere und Küsten der Mitgliedstaaten erfüllen die Gemeinschaft mit ernster Sorge.

Ebenso ist die Gemeinschaft um die Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord von Schiffen besorgt.

Auf seiner Tagung vom 25. Januar 1993 nahm der Rat Schlußfolgerungen an, in denen die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten dringend aufgefordert wurden, für eine wirkungsvollere Anwendung und Durchsetzung angemessener internationaler Normen für die Sicherheit im Seeverkehr und für den Schutz der Meeresumwelt zu sorgen und die neuen Vorschriften, sobald sie erlassen worden sind, umzusetzen.

In seiner Entschließung vom 8. Juni 1993 über eine gemeinsame Politik im Bereich der Sicherheit im Seeverkehr(4) forderte der Rat die Kommission dringend auf, ihm so bald wie möglich spezifische Maßnahmen zu empfehlen und förmliche Vorschläge zu Kriterien für die Überprüfung von Schiffen, einschließlich der Harmonisierung der Vorschriften für das Festhalten von Schiffen und der Möglichkeit einer Veröffentlichung der Überprüfungsergebnisse sowie der Verweigerung des Zugangs zu Häfen in der Gemeinschaft, zu unterbreiten.

Sicherheit, Verhütung von Verschmutzung sowie Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord lassen sich durch drastische Verringerung der Anzahl unternormiger Schiffe in Gemeinschaftsgewässern wirkungsvoll verbessern, wenn die internationalen Übereinkommen, Codes und Entschließungen strikt eingehalten werden.

Die Kontrolle, ob Schiffe international vereinbarte Normen für die Sicherheit, die Verhütung von Verschmutzung und die Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord einhalten, soll nach wie vor in erster Linie die Aufgabe des Flaggenstaats sein. Allerdings weist die Umsetzung und Durchsetzung internationaler Normen durch eine wachsende Zahl von Flaggenstaaten ernsthafte Mängel auf. Deshalb müssen künftig auch die Hafenstaaten die Einhaltung international vereinbarter Normen für die Sicherheit, die Verhütung von Verschmutzung und die Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord kontrollieren.

Durch ein einheitliches Konzept der Mitgliedstaaten für die wirkungsvolle Durchsetzung dieser internationalen Normen an Bord von Schiffen, die in den Hoheitsgewässern der Mitgliedstaaten fahren und deren Häfen anlaufen, werden Wettbewerbsverzerrungen vermieden.

Ein gemeinschaftsrechtlicher Rahmen für die Harmonisierung der Überprüfungsverfahren ist von grundlegender Bedeutung, um die einheitliche Anwendung der Grundsätze der Sicherheit im Seeverkehr und der Verhütung von Verschmutzung sicherzustellen, die zu den Grundlagen der Verkehrs- und Umweltpolitik der Gemeinschaft gehören.

Die Meeresverschmutzung ist ihrer Natur nach grenzübergreifend. Im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip werden entsprechende Schutzmaßnahmen in den Seegewässern der Mitgliedstaaten am besten auf Gemeinschaftsebene beschlossen, da die Mitgliedstaaten getrennt keine angemessenen und wirkungsvollen Maßnahmen treffen können.

Der Erlaß einer Richtlinie des Rates ist das geeignete Verfahren, um den rechtlichen Rahmen und einheitliche Regeln und Kriterien für die Hafenstaatkontrolle festzulegen.

Die Erfahrungen mit der Anwendung der am 26. Januar 1982 in Paris unterzeichneten Vereinbarung über die Hafenstaatkontrolle (Pariser Vereinbarung) sollten genutzt werden.

Die Tatsache, daß jeder Mitgliedstaat mindestens 25 v. H. der ausländischen Schiffe, die seine Häfen in einem bestimmten Jahr anlaufen, überprüft, bedeutet, daß eine große Anzahl von Schiffen, die in Gemeinschaftsgewässern fahren, irgendwann überprüft worden ist.

Es sollten weitere Anstrengungen zur Entwicklung eines verbesserten Systems für die gezielte Auswahl von Schiffen zur Überprüfung unternommen werden.

Die Regeln und Verfahren für Überprüfungen durch den Hafenstaat einschließlich der Kriterien für das Festhalten von Schiffen müssen vereinheitlicht werden, um in allen Häfen ein gleiches Maß an Wirkung zu sichern und so das gezielte Anlaufen bestimmter Häfen, mit dem das Netz ordnungsgemäßer Kontrollen umgangen werden soll, drastisch zu verringern.

Die Unfall-, Festhalte- und Mängelstatistiken, die in der Mitteilung der Kommission über „Eine gemeinsame Politik im Bereich der Sicherheit im Seeverkehr” und im Jahresbericht der Pariser Vereinbarung veröffentlicht worden sind, zeigen, daß bestimmte Schiffsarten einer erweiterten Überprüfung unterzogen werden müssen.

Mängel, die auf der Nichtbeachtung der Bestimmungen der Übereinkommen beruhen, müssen beseitigt werden. Schiffe, die zur Behebung aufgefordert werden, müssen — wenn diese Mängel eindeutig eine Gefahr für die Sicherheit, Gesundheit oder Umwelt darstellen — so lange festgehalten werden, bis die Mängel behoben sind.

Es ist ein Recht auf Widerspruch gegen ein von den zuständigen Behörden verfügtes Festhalten vorzusehen, um unangemessene Anordnungen zu verhindern, die ein unzulässiges Festhalten und Verzögerungen bewirken könnten.

Die Reparaturmöglichkeiten im Überprüfungshafen können so beschaffen sein, daß die zuständige Behörde dem Schiff die Erlaubnis zur Weiterfahrt zu einer geeigneten Reparaturwerft erteilen muß, sofern die Voraussetzungen für eine solche Fahrt erfüllt sind. Schiffe, die den Vorschriften nicht entsprechen, würden weiterhin eine Gefahr für die Sicherheit, Gesundheit oder Umwelt darstellen und wirtschaftliche Vorteile genießen, wenn sie nicht gemäß den einschlägigen Vorschriften der Übereinkommen umgebaut werden, weshalb ihnen der Zugang zu allen Häfen in der Gemeinschaft verweigert werden soll.

Unter bestimmten Umständen kann einem Schiff, dem der Zugang zu Häfen in der Gemeinschaft verweigert wurde, die Genehmigung zum Einlaufen erteilt werden. Unter diesen Umständen sollte diesem Schiff der Zugang zu einem bestimmten Hafen nur dann genehmigt werden, falls alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden, damit es sicher einlaufen kann.

Die vielseitigen Anforderungen der Übereinkommen an den Bau, die Ausrüstung und die Besatzung eines Schiffes und die schwerwiegenden Folgen der Entscheidungen, die von den Besichtigern getroffen werden, sowie die Notwendigkeit, daß die Besichtiger völlig unparteiische Entscheidungen treffen, verlangen, daß Überprüfungen nur von Besichtigern vorgenommen werden, die ordnungsgemäß ermächtigte öffentliche Bedienstete oder andere ordnungsgemäß ermächtigte Personen mit hervorragenden Kenntnissen und großer Erfahrung sind.

Lotsen und Hafenbehörden können nützliche Informationen über Mängel von Schiffen und Besatzungen liefern.

Die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und sonstigen Behörden oder Organisationen ist für eine wirksame Nachprüfung von Schiffen, denen trotz Mängel das Auslaufen erlaubt worden ist, und für den Austausch von Informationen über Schiffe in Häfen erforderlich.

Das „SIRENAC E” genannte Informationssystem, das im Rahmen der Pariser Vereinbarung eingerichtet worden ist, liefert eine Fülle zusätzlicher Informationen, die für die Anwendung dieser Richtlinie benötigt werden.

Die Veröffentlichung von Angaben über Schiffe, welche die internationalen Normen für die Sicherheit, die Gesundheit und den Schutz der Meeresumwelt nicht einhalten, kann ein wirkungsvolles Abschreckungsmittel sein, das Verlader davon abhält, solche Schiffe zu benutzen, und ein Anreiz für die Eigentümer dieser Schiffe, von sich aus Abhilfemaßnahmen zu treffen.

Sämtliche Kosten für Schiffsüberprüfungen, die ein Festhalten rechtfertigen, sollten dem Eigentümer oder dem Betreiber des Schiffes in Rechnung gestellt werden.

Im Rahmen dieser Richtlinie ist es zweckmäßig, den Ausschuß nach Artikel 12 der Richtlinie 93/75/EWG des Rates vom 13. September 1993 über Mindestanforderungen an Schiffe, die Seehäfen der Gemeinschaft anlaufen oder aus ihnen auslaufen und gefährliche oder umweltschädliche Güter befördern(5), heranzuziehen, der die Kommission bei der Wahrnehmung der Aufgabe unterstützen sollte, die Überprüfungspflichten der Mitgliedstaaten anhand der gesammelten Erfahrungen und unter Berücksichtigung der Entwicklungen in der Pariser Vereinbarung zu ändern und die Anlagen dieser Richtlinie unter Berücksichtigung der Änderungen der Übereinkommen, Protokolle, Codes und Entschließungen der einschlägigen internationalen Organisationen und der Pariser Vereinbarung erforderlichenfalls anzupassen —

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. Nr. C 107 vom 15. 4. 1994, S. 14, und ABl. Nr. C 347 vom 8. 12. 1994, S. 15.

(2)

ABl. Nr. C 393 vom 31. 12. 1994, S. 50.

(3)

Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 27. Oktober 1994 (ABl. Nr. C 347 vom 8. 12. 1994, S. 15), gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 14. März 1995 (ABl. Nr. C 93 vom 13. 4. 1995, S. 25) und Beschluß des Europäischen Parlaments vom 18. Mai 1995 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(4)

ABl. Nr. C 271 vom 7. 10. 1993, S. 1.

(5)

ABl. Nr. L 247 vom 5. 10. 1993, S. 19.

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