Präambel RL 96/48/EG

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 129d, Absatz 3,

auf Vorschlag der Kommission(1),

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses(2),

nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen(3),

gemäß dem Verfahren des Artikels 189c des Vertrags(4),

in Erwägung nachstehender Gründe:

Um den Bürgern der Union, den Wirtschaftsteilnehmern sowie den regionalen und lokalen Gebietskörperschaften in vollem Umfang die Vorteile zugute kommen zu lassen, die sich aus der Schaffung eines Raums ohne Binnengrenzen ergeben, müssen insbesondere die Verknüpfung und Interoperabilität der einzelstaatlichen Hochgeschwindigkeitsbahnnetze sowie der Zugang zu diesen Netzen gefördert werden.

Eine hochrangige Arbeitsgruppe, die sich aus Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten, der europäischen Eisenbahnen und der europäischen Eisenbahnindustrie zusammensetzt und von der Kommission gemäß dem vom Rat in seiner Entschließung vom 4. und 5. Dezember 1989 geäußerten Wunsch einberufen worden war, hat einen Leitplan für ein transeuropäisches Hochgeschwindigkeitsbahnnetz ausgearbeitet.

Die Kommission hat dem Rat im Dezember 1990 eine Mitteilung über dieses Hochgeschwindigkeitsbahnnetz zugeleitet. Der Rat hat diese Mitteilung in seiner Entschließung vom 17. Dezember 1990(5) begrüßt.

Nach Artikel 129c des Vertrags führt die Gemeinschaft jede Aktion durch, die sich gegebenenfalls als notwendig erweist, um die Interoperabilität der Netze zu gewährleisten, insbesondere im Bereich der Harmonisierung der technischen Normen.

Voraussetzung für den Betrieb von Hochgeschwindigkeitszügen ist eine hervorragende Kohärenz von Infrastruktur- und Fahrzeugkennwerten. Von dieser Kohärenz hängen das Leistungs-, Sicherheits- und Qualitätsniveau der angebotenen Verkehrsdienste sowie deren Kosten ab, und auf ihr beruht vor allem die Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems.

Die Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft(6) impliziert, daß die Eisenbahnunternehmen einen besseren Zugang zu den Eisenbahnnetzen der Mitgliedstaaten erhalten müssen, was die Interoperabilität der Fahrwege, Anlagen und Fahrzeuge erfordert.

Es obliegt den Mitgliedstaaten, sich zu vergewissern, daß die für Eisenbahnnetze generell geltenden Sicherheits-, Gesundheits- und Verbraucherschutzvorschriften bei der Planung, dem Bau, der Inbetriebnahme und dem Betrieb beachtet werden. Darüber hinaus haben sie und die örtlichen Behörden boden-, raumordnungs- und umweltschutzrechtliche Aufgaben. Das gilt insbesondere für Hochgeschwindigkeitsbahnnetze.

Die Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten(7) schreibt eine Umweltverträglichkeitsprüfung für den Bau von Eisenbahn-Fernverkehrsstrecken vor.

Die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten sowie die internen Regelungen der Eisenbahnunternehmen und die von ihnen angewandten technischen Spezifikationen weisen große Unterschiede auf. Diese einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und internen Regelungen sind Ausdruck der technischen Besonderheiten der Industrie des jeweiligen Landes. Sie schreiben ganz bestimmte Abmessungen, Vorkehrungen und besondere Merkmale vor. Dieser Sachverhalt steht einem flüssigen Verkehr vor allem von Hochgeschwindigkeitszügen im gesamten Gebiet der Gemeinschaft entgegen.

Aufgrund dieses Sachverhalts haben sich im Laufe der Jahre sehr enge Bindungen zwischen den Eisenbahnindustrien und den Eisenbahnunternehmen des jeweiligen Landes herausgebildet, die einer tatsächlichen Öffnung der Märkte abträglich sind. Diese Industrien brauchen einen offenen und wettbewerbsorientierten Markt in Europa, damit sie ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt verbessern können.

Für die gesamte Gemeinschaft sind daher grundlegende Anforderungen für das transeuropäische Hochgeschwindigkeitsbahnsystem festzulegen.

Aus praktischen Gründen hat es sich als notwendig erwiesen, das transeuropäische Hochgeschwindigkeitsbahnsystem aufgrund seines Umfangs und seiner komplexen Struktur in Teilsysteme zu untergliedern, für die gemeinschaftsweit geltende grundlegende Anforderungen sowie die erforderlichen Eckwerte und technischen Spezifikationen, insbesondere für die Komponenten und Schnittstellen, vorgeschrieben werden müssen. Für einige Teilsysteme (Umwelt, Fahrgäste und Betrieb) wird es jedoch nur insoweit technische Spezifikationen für die Interoperabilität (TSI) geben, als sich dies als notwendig erweist, um die Interoperabilität in den Bereichen Infrastruktur, Energie, Zugsteuerung und -sicherung, Signalgebung und Fahrzeuge sicherzustellen.

Die Durchführung der Bestimmungen über die Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems darf nicht dazu führen, daß unter Kosten-Nutzen-Aspekten die Aufrechterhaltung der Kohärenz des bestehenden Eisenbahnnetzes in den einzelnen Mitgliedstaaten unzulässig beeinträchtigt wird; dabei soll jedoch an dem Ziel festgehalten werden, den Verkehr von Hochgeschwindigkeitszügen im gesamten Gebiet der Gemeinschaft zu ermöglichen.

In besonderen Fällen ist den betroffenen Mitgliedstaaten die Möglichkeit einzuräumen, bestimmte technische Interoperabilitätsspezifikationen nicht anzuwenden, und es sind Verfahren vorzusehen, mit denen sichergestellt wird, daß diese Abweichungen gerechtfertigt sind. Nach Artikel 129c des Vertrags ist die Gemeinschaft gehalten, bei ihren Maßnahmen im Bereich der Interoperabilität die potentielle wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Vorhaben zu berücksichtigen.

Um den einschlägigen Bestimmungen in bezug auf die Vergabe von Aufträgen im Eisenbahnbereich, insbesondere der Richtlinie 93/38/EWG(8), zu entsprechen, müssen die Auftraggeber die technischen Spezifikationen in die allgemeinen Unterlagen oder in die Vertragsunterlagen für jeden einzelnen Auftrag aufnehmen. Es ist notwendig, eine Reihe von europäischen Spezifikationen auszuarbeiten, auf die in diesen technischen Spezifikationen Bezug genommen wird.

Eine europäische Spezifikation im Sinne der Richtlinie 93/38/EWG ist eine gemeinsame technische Spezifikation, eine europäische technische Zulassung oder eine nationale Norm zur Umsetzung einer Europäischen Norm. Eine harmonisierte Europäische Norm wird von einer europäischen Normungsorganisation, d. h. dem Europäischen Komitee für Normung (CEN), dem Europäischen Komitee für elektrotechnische Normung (CENELEC) oder dem Europäischen Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI) im Auftrag der Kommission ausgearbeitet; ihre Fundstelle wird im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht.

Die Gemeinschaft hat ein Interesse an einem internationalen Normungssystem, mit dem Normen aufgestellt werden können, die von den internationalen Handelspartnern tatsächlich angewendet werden und die den Anforderungen der Gemeinschaftspolitik entsprechen. Die europäischen Normungsorganisationen müssen daher ihre Zusammenarbeit mit den internationalen Normungsorganisationen fortsetzen.

Die Auftraggeber bestimmen die zusätzlichen Spezifikationen, die zur Ergänzung der europäischen Spezifikationen oder anderer Normen erforderlich sind. Diese Spezifikationen dürfen die Einhaltung der grundlegenden Anforderungen, die auf Gemeinschaftsebene harmonisiert worden sind und denen das transeuropäische Hochgeschwindigkeitsbahnsystem entsprechen muß, nicht beeinträchtigen.

Die Verfahren der Konformitäts- oder Gebrauchstauglichkeitsbewertung von Komponenten müssen auf Modulen beruhen, die im Beschluß 93/465/EWG(9) festgelegt wurden. Um die Entwicklung der betreffenden Industrien zu fördern, sind die Verfahren der Qualitätssicherung so weit wie möglich weiterzuentwickeln. Unter Komponenten sind materielle, aber auch immaterielle Produkte wie Software zu verstehen.

Die Bewertung der Gebrauchstauglichkeit erstreckt sich auf Komponenten, die für die Sicherheit, die Funktionstüchtigkeit oder den Aufbau des Systems von besonders kritischer Bedeutung sind.

In den Vertragsunterlagen für jeden Auftrag schreiben die Auftraggeber unter Bezugnahme auf europäische Spezifikationen insbesondere für Komponenten vor, welche Merkmale von den Herstellern vertraglich einzuhalten sind. Für die Konformität der Komponenten ist daher vor allem das Verwendungsgebiet maßgebend, damit nicht nur der freie Verkehr auf dem Gemeinschaftsmarkt, sondern auch die Interoperabilität des Systems sichergestellt und gewährleistet ist.

Infolgedessen braucht der Hersteller auf Komponenten, die den Bestimmungen dieser Richtlinie unterliegen, die CE-Kennzeichnung nicht anzubringen, da die Konformitätserklärung des Herstellers ausreicht, wenn die Konformitäts- und/oder Gebrauchstauglichkeitsbewertung nach den Verfahren dieser Richtlinie vorgenommen worden ist. Die Verpflichtung der Hersteller, auf bestimmten Komponenten die CE-Kennzeichnung anzubringen, die die Konformität mit anderen Gemeinschaftsvorschriften bestätigt, bleibt davon unberührt.

Die Teilsysteme des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems sind einer Prüfung zu unterziehen. Diese muß den Genehmigungsbehörden für die Inbetriebnahme die Gewähr bieten, daß die Ergebnisse auf der Planungs-, Bau- und Inbetriebnahmestufe den ordnungsrechtlichen, technischen und betrieblichen Vorschriften entsprechen. Der Hersteller muß auch von der Gleichbehandlung in allen Ländern ausgehen können. Daher ist ein Modul mit den Grundsätzen und Bedingungen der EG-Prüfung von Teilsystemen festzulegen.

Das EG-Prüfverfahren beruht auf den TSI. Diese TSI werden im Auftrag der Kommission von einem gemeinsamen Gremium ausgearbeitet, in dem die Infrastrukturbetreiber, die Eisenbahnunternehmen und die Industrie vertreten sind. Die Bezugnahme auf die TSI ist zwingend vorgeschrieben, um die Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems sicherzustellen; diese TSI unterliegen Artikel 18 der Richtlinie 93/38/EWG.

Die benannten Stellen, die mit der Durchführung der Konformitäts- und Gebrauchstauglichkeitsbewertung sowie mit dem Prüfverfahren für die Teilsysteme betraut sind, müssen ihre Entscheidungen insbesondere dann, wenn europäische Spezifikationen fehlen, so eng wie möglich aufeinander abstimmen.

Die Richtlinie 91/440/EWG schreibt hinsichtlich der Rechnungsführung eine Trennung des Betriebs der Eisenbahninfrastruktur und der Erbringung von Verkehrsleistungen vor. Entsprechend müssen die als benannte Stellen gemeldeten Fachdienststellen der Infrastrukturbetreiber den für diese Stellen geltenden Kriterien genügen. Es können auch andere Fachstellen benannt werden, wenn sie diese Kriterien erfüllen.

Die Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems hat eine Gemeinschaftsdimension. Die Mitgliedstaaten sind auf sich allein gestellt nicht in der Lage, die erforderlichen Maßnahmen zur Verwirklichung dieser Interoperabilität zu treffen. Daher ist diese Maßnahme unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips auf Gemeinschaftsebene zu treffen —

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. Nr. C 134 vom 17. 5. 1994, S. 6.

(2)

ABl. Nr. C 397 vom 31. 12. 1994, S. 8.

(3)

ABl. Nr. C 210 vom 14. 8. 1995, S. 38.

(4)

Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 19. Januar 1995 (ABl. Nr. C 43 vom 20. 2. 1995, S. 60), gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 8. Dezember 1995 (ABl. Nr. C 356 vom 30. 12. 1995, S. 43) und Beschluß des Europäischen Parlaments vom 16. April 1996 (ABl. Nr. C 141 vom 13. 5. 1996, S. 48).

(5)

ABl. Nr. C 33 vom 8. 2. 1991, S. 1.

(6)

ABl. Nr. L 237 vom 24. 8. 1991, S. 25.

(7)

ABl. Nr. L 175 vom 5. 7. 1985, S. 40.

(8)

Richtline 93/38/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl. Nr. L 199 vom 9. 8. 1993, S. 84), geändert durch die Beitrittsakte von 1994.

(9)

Beschluß 93/465/EWG des Rates vom 22. Juli 1993 über die in den technischen Harmonisierungsrichtlinien zu verwendenden Module für die verschiedenen Phasen der Konformitätsbewertungsverfahren und die Regeln für die Anbringung und Verwendung der CE-Konformitätskennzeichnung (ABl. Nr. L 220 vom 30. 8. 1993, S. 23).

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