ANHANG VI RL 98/8/EG

GEMEINSAME GRUNDSÄTZE FÜR DIE BEWERTUNG VON UNTERLAGEN FÜR BIOZID-PRODUKTE

INHALT

Begriffsbestimmungen

Einleitung

Bewertung

Allgemeine Grundsätze

Auswirkungen auf Menschen

Auswirkungen auf Tiere

Auswirkungen auf die Umwelt

Unannehmbare Auswirkungen

Wirksamkeit

Zusammenfassung

Entscheidungsprozeß

Allgemeine Grundsätze

Auswirkungen auf Menschen

Auswirkungen auf Tiere

Auswirkungen auf die Umwelt

Unannehmbare Auswirkungen

Wirksamkeit

Zusammenfassung

Zusammenfassung der Schlußfolgerungen

BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

a)
Ermittlung schädlicher Wirkungen

Ermittlung schädlicher Wirkungen, die von einem Biozid-Produkt ausgehen können.

b)
Ermittlung der Dosis (Konzentration)/Wirkung-Beziehung

Ermittlung der Beziehung zwischen Dosis oder Ausmaß der Exposition gegenüber einem Wirkstoff oder bedenklichen Stoff in einem Biozid-Produkt und Häufigkeit und Schwere einer schädlichen Wirkung.

c)
Ermittlung der Exposition

Feststellung der Emissionen, der Ausbreitungswege und -geschwindigkeit eines Wirkstoffs oder bedenklichen Stoffs in einem Biozid-Produkt sowie seiner Umwandlung bzw. seines Abbaus, um die Konzentrationen/Dosen abzuschätzen, denen Bevölkerungsgruppen, Tiere oder Umweltbereiche ausgesetzt sind oder sein können.

d)
Risikobeschreibung

Abschätzung der Häufigkeit und der Schwere schädlicher Wirkungen, die in einer Bevölkerungsgruppe, bei Tieren oder in einem Umweltbereich infolge einer tatsächlichen bzw. vorhergesagten Exposition gegenüber einem Wirkstoff oder bedenklichen Stoff in einem Biozid-Produkt wahrscheinlich auftreten. Die Risikobeschreibung kann eine Risikoeinschätzung im Sinne einer Quantifizierung dieser Wahrscheinlichkeit einschließen.

e)
Umwelt

Gewässer, einschließlich des Sediments, Luft, Boden sowie wildlebende Arten von Pflanzen und Tieren und ihre gegenseitigen Beziehungen sowie die Beziehungen zwischen ihnen und allen lebenden Organismen.

EINLEITUNG

1. In diesem Anhang werden Grundsätze festgelegt, mit denen sichergestellt werden soll, daß die Bewertungen und Entscheidungen eines Mitgliedstaats über die Zulassung eines Biozid-Produkts, sofern es sich um eine chemische Zubereitung handelt, zu einem harmonisierten hohen Schutzniveau für Menschen, Tiere und die Umwelt gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b) führen.

2. Um ein harmonisiertes hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Menschen und Tieren sowie für die Umwelt sicherzustellen, ist es notwendig, alle Risiken zu erfassen, die sich aus der Verwendung eines Biozid-Produkts ergeben. Zu diesem Zweck wird eine Risikobewertung durchgeführt, um die Annehmbarkeit oder aber alle bei der vorgeschlagenen normalen Verwendung des Biozid-Produkts festgestellten Risiken festzulegen. Hierzu wird eine Bewertung der Risiken vorgenommen, die von den einzelnen relevanten Bestandteilen des Biozid-Produkts ausgehen.

3. Eine Risikobewertung des Wirkstoffs bzw. der Wirkstoffe des Biozid-Produkts ist immer erforderlich. Findet Anhang I, Anhang IA oder Anhang IB Anwendung, so ist diese Bewertung bereits durchgeführt worden. Diese Risikobewertung umfaßt die Ermittlung schädlicher Wirkungen und gegebenenfalls eine Bewertung der Dosis(Konzentration)/Wirkung-Beziehung, eine Expositionsabschätzung und eine Risikobeschreibung. Sofern eine quantitative Risikobewertung nicht möglich ist, wird eine qualitative Bewertung durchgeführt.

4. Zusätzliche Risikobewertungen werden in der oben beschriebenen Art für alle sonstigen in dem Biozid-Produkt enthaltenen bedenklichen Stoffe durchgeführt, sofern dies für die Verwendung des Produkts relevant ist.

5. Zur Durchführung einer Risikobewertung sind Daten erforderlich. Diese Daten sind in den Anhängen II, III und IV im einzelnen aufgeführt. Angesichts der zahlreichen Produktarten sind diese Datenanforderungen entsprechend der Produktart und den damit verbundenen Risiken flexibel. Die erforderlichen Daten sind die Mindestvoraussetzungen für eine angemessene Risikobewertung. Die Mitgliedstaaten berücksichtigen die Anforderungen der Artikel 12 und 13 entsprechend, um eine doppelte Datenvorlage zu vermeiden. Die für einen Wirkstoff in einem Biozid-Produkt erforderlichen Mindestdaten müssen jedoch mit den Bestimmungen in Anhang VIIA der Richtlinie 67/548/EWG im Einklang sein; ist eine Risikobewertung im Hinblick auf die Eintragung des Wirkstoffs in Anhang I, IA oder IB der vorliegenden Richtlinie vorgenommen worden, so wurden diese Daten bereits übermittelt und bewertet. Daten können auch für einen in einem Biozid-Produkt enthaltenen bedenklichen Stoff verlangt werden.

6. Die Ergebnisse der Risikobewertungen für einen in einem Biozid-Produkt enthaltenen Wirkstoff und bedenklichen Stoff werden in die Gesamtbewertung des Biozid-Produkts integriert.

7. Bei der Durchführung von Bewertungen und bei den Entscheidungen über die Zulassung eines Biozid-Produkts:
a)
berücksichtigt der Mitgliedstaat sonstige einschlägige technische oder wissenschaftliche Angaben, die ihm normalerweise über die Eigenschaften des Biozid-Produkts, seine Bestandteile, Stoffwechselprodukte oder Rückstände zur Verfügung stehen;
b)
bewertet der Mitgliedstaat etwaige Begründungen des Antragstellers für fehlende Daten.

8. Der Mitgliedstaat wird den Anforderungen der gegenseitigen Anerkennung nach Artikel 4 Absätze 1, 2 und 6 gerecht.

9. Bekanntlich unterscheidet sich die Zusammensetzung zahlreicher Biozid-Produkte nur geringfügig voneinander. Dies ist bei der Bewertung der Unterlagen zu berücksichtigen. Das Konzept der „Rahmenformulierungen” kommt hier zum Tragen.

10. Bekanntlich wird bei einigen Biozid-Produkten davon ausgegangen, daß sie lediglich ein niedriges Risiko darstellen; sofern die betreffenden Biozid-Produkte die Anforderungen dieses Anhangs erfüllen, wird auf sie wie in Artikel 3 im einzelnen dargelegt, ein vereinfachtes Verfahren angewendet.

11. Die Anwendung dieser gemeinsamen Grundsätze soll dazu führen, daß der Mitgliedstaat entscheidet, ob ein Biozid-Produkt zugelassen werden kann. Eine solche Zulassung kann Anwendungsbeschränkungen oder sonstige Auflagen enthalten. In bestimmten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, daß weitere Angaben vorzulegen sind, bevor eine Entscheidung über die Zulassung getroffen werden kann.

12. Während des Bewertungs- und Entscheidungsprozesses arbeiten Mitgliedstaaten und Antragsteller zusammen, um alle Fragen über die erforderlichen Angaben rasch zu klären, oder in einem frühen Stadium festzustellen, ob gegebenenfalls zusätzliche Untersuchungen erforderlich sind, um ferner vorgeschlagene Anwendungsbedingungen für das Biozid-Produkt zu ändern oder um seine Art bzw. Zusammensetzung so abzuändern, daß die vollständige Übereinstimmung mit den Anforderungen dieses Anhangs oder dieser Richtlinie sichergestellt ist. Die verwaltungsmäßige Belastung, insbesondere für die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), soll so gering wie möglich sein, ohne das Schutzniveau für Menschen, Tiere und die Umwelt zu beeinträchtigen.

13. Die Schlußfolgerungen der Mitgliedstaaten während des Bewertungs- und Entscheidungsprozesses müssen auf wissenschaftlichen Grundsätzen beruhen, die vorzugsweise auf internationaler Ebene anerkannt sind und sich auf Empfehlungen von Experten stützen.

BEWERTUNG

Allgemeine Grundsätze

14. Die einem Mitgliedstaat mit einem Antrag auf Zulassung eines Biozid-Produkts vorgelegten Angaben müssen von ihm auf Vollständigkeit und wissenschaftliche Gültigkeit geprüft werden. Nach Annahme dieser Daten nimmt der Mitgliedstaat eine Risikobewertung auf der Grundlage der vorgeschlagenen Verwendung des Biozid-Produkts an Hand dieser Daten vor.

15. In jedem Fall wird eine Risikobewertung für den in dem Biozid-Produkt enthaltenen Wirkstoff durchgeführt. Sofern in dem Biozid-Produkt außerdem bedenkliche Stoffe enthalten sind, wird ferner eine Risikobewertung für jeden dieser Stoffe vorgenommen. Die Risikobewertung deckt die vorgeschlagene normale Verwendung des Biozid-Produkts sowie ein realistisches Worst-case-Szenario ab; dies schließt alle einschlägigen Herstellungs- und Entsorgungsfragen sowohl in bezug auf das Biozid-Produkt selbst als auch auf alle mit ihm behandelten Materialien ein.

16. Für jeden in dem Biozid-Produkt enthaltenen Wirkstoff und bedenklichen Stoff umfaßt die Risikobewertung, die Ermittlung schädlicher Wirkungen und gegebenenfalls die Festlegung eines geeigneten NOAEL-Wertes (no-observed-adverse-effect-levels). Darüber hinaus schließt sie gegebenenfalls eine Ermittlung der Dosis(Konzentration)/Wirkung-Beziehung und eine Ermittlung der Exposition sowie eine Risikobeschreibung ein.

17. Die Ergebnisse eines Vergleichs der Belastung mit NEL-Konzentrationen (no-effect-level) für jeden Wirkstoff und jeden bedenklichen Stoff werden in die Gesamtrisikobewertung des Biozid-Produkts integriert. Sofern keine quantitativen Ergebnisse vorliegen, werden die Ergebnisse der qualitativen Bewertungen in ähnlicher Weise integriert.

18. Mit der Risikobewertung wird bestimmt:
a)
das Risiko für Menschen und Tiere;
b)
das Risiko für die Umwelt;
c)
die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz von Menschen, Tieren und der Umwelt sowohl bei der vorgeschlagenen normalen Verwendung des Biozid-Produkts als auch in einer realistischen Worst-case-Situation.

19. In bestimmten Fällen kann entschieden werden, daß weitere Angaben erforderlich sind, bevor eine Risikobewertung abgeschlossen werden kann. Diese zusätzlich geforderten Angaben stellen die Mindestangaben dar, die notwendig sind, um eine solche Risikobewertung abzuschließen.

Auswirkungen auf Menschen

20. Die Risikobewertung berücksichtigt folgende potentiellen Auswirkungen, die sich aus der Verwendung des Biozid-Produkts ergeben sowie ferner die wahrscheinlich exponierten Bevölkerungsgruppen.

21. Die obengenannten Wirkungen ergeben sich aus den Eigenschaften der im Produkt enthaltenen Wirkstoffe und bedenklichen Stoffe, und zwar

akute und chronische Toxizität,

Reizung,

ätzende Wirkung,

Sensibilisierung

Toxizität bei wiederholter Verabreichung,

Mutagenität,

Karzinogenität,

Fortpflanzungstoxizität (Reproduktionstoxizität),

Neurotoxizität,

etwaige andere besondere Eigenschaften, des Wirkstoffs oder bedenklichen Stoffs,

sonstige Wirkungen aufgrund physikalisch-chemischer Eigenschaften.

22. Bei den obengenannten Bevölkerungsgruppen handelt es sich um:

berufsmäßige Verwender,

nichtberufsmäßige Verwender,

durch die Umwelt indirekt exponierte Personen.

23. Bei der Ermittlung schädlicher Wirkungen werden die Eigenschaften und die potentiellen schädlichen Wirkungen der im Biozid-Produkt enthaltenen Wirkstoffe bzw. bedenklichen Stoffe berücksichtigt. Sofern dies zu einer Einstufung des Biozid-Produkts gemäß den Anforderungen des Artikels 20 führt, sind eine Ermittlung der Dosis(Konzentration)/Wirkung-Beziehung, eine Ermittlung der Exposition und eine Risikobeschreibung erforderlich.

24. In den Fällen, da der für die Ermittlung schädlicher Wirkungen in bezug auf eine besondere potentielle Wirkung eines in einem Biozid-Produkt enthaltenen Wirkstoffs oder bedenklichen Stoffs geeignete Test durchgeführt wurde, die Ergebnisse jedoch nicht zu einer Einstufung des Biozid-Produkts geführt haben, ist eine Risikobeschreibung im Zusammenhang mit jener Wirkung nicht notwendig, außer wenn sonstige begründete Bedenken vorliegen, beispielsweise nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt oder unannehmbare Rückstände.

25. Der Mitgliedstaat geht bei der Durchführung der Ermittlung der Dosis(Konzentration)/Wirkung-Beziehung für einen in einem Bio-Produkt enthaltenen Wirkstoff oder bedenklichen Stoff nach den Nummern 26 bis 29 vor.

26. Für die Toxizität bei wiederholter Verabreichung und die Reproduktionstoxizität werden die Dosis (Konzentration)/Wirkung-Beziehung für jeden Wirkstoff oder jeden bedenklichen Stoff bewertet und ein NOAEL-Wert (no-observed-adverse-effect-level), wo dies möglich ist, bestimmt. Sofern die Bestimmung eines NOAEL-Werts nicht möglich ist, wird ein LOAEL-Wert (lowest-observed-adverse-effect-level) bestimmt.

27. Für akute Toxizität, ätzende Wirkung und Reizung ist es normalerweise nicht möglich, einen NOAEL-oder LOAEL-Wert auf der Grundlage der im Einklang mit den Anforderungen der Richtlinie durchgeführten Tests abzuleiten. Für akute Toxizität, den LD50-Wert (mittlere letale Dosis) oder LC50-Wert (mittlere letale Konzentration) oder bei Anwendung der „Fixed-Dose-” Methode wird die kritische Dosis abgeleitet. Für die anderen Wirkungen genügt es festzustellen, ob solche Wirkungen bei der Verwendung des Produkts durch den Wirkstoff oder durch den bedenklichen Stoff verursacht werden können.

28. Für Mutagenität und Karzinogenität genügt es festzustellen, ob der Wirkstoff oder der bedenkliche Stoff von sich aus bei der Verwendung des Biozid-Produkts solche Wirkungen herbeiführen kann. Wenn allerdings nachgewiesen werden kann, daß ein als karzinogen ermittelter Wirkstoff oder bedenklicher Stoff nicht gentoxisch ist, sollte gemäß den Ausführungen in Nummer 26 ein N(L)OAEL-Wert ermittelt werden.

29. Sofern in bezug auf die Sensibilisierung von Haut und Atemwegen keine Einigung über die mögliche Festlegung einer Dosis/Konzentration besteht, unter der bei Personen, die gegenüber dem betreffenden Stoff bereits sensibilisiert sind, wahrscheinlich keine schädlichen Wirkungen auftreten, genügt es festzustellen, ob durch den Wirkstoff oder durch den bedenklichen Stoff solche Wirkungen bei der Verwendung des Biozid-Produkts verursacht werden können.

30. Sofern aus Beobachtungen der Exposition des Menschen (z. B. Informationen aus der Herstellung, aus Giftnotrufzentren oder epidemiologischen Erhebungen) hergeleitete Toxizitätsdaten vorliegen, sind diese bei der Durchführung der Risikobewertung besonders zu berücksichtigen.

31. Eine Ermittlung der Exposition wird für alle Bevölkerungsgruppen (berufsmäßige Verwender, nichtberufsmäßige Verwender und durch die Umwelt indirekt exponierte Personen) durchgeführt, bei denen eine Belastung durch ein Biozid-Produkt vorliegt oder realistischerweise vorhergesehen werden kann. Ziel der Ermittlung ist eine quantitative oder qualitative Abschätzung der Dosis/Konzentration jedes Wirkstoffs oder bedenklichen Stoffs, dem eine Bevölkerungsgruppe bei der Verwendung des Biozid-Produkts ausgesetzt ist bzw. sein kann.

32. Die Ermittlung der Exposition basiert auf den Angaben in den technischen Unterlagen gemäß Artikel 8 sowie auf allen sonstigen verfügbaren und einschlägigen Informationen. Besonders zu berücksichtigen sind gegebenenfalls:

in geeigneter Weise gemessene Expositionsdaten;

die Form, in der das Produkt in den Verkehr gebracht wird;

Art des Biozid-Produkts;

Verwendungsmethode und -rate;

physikalisch-chemische Eigenschaften des Produkts;

wahrscheinliche Expositionswege und Resorptionspotential;

Häufigkeit und Dauer der Exposition;

Art und Umfang von besonderen exponierten Bevölkerungsgruppen, sofern solche Informationen vorliegen.

33. Sofern in geeigneter Weise gemessene repräsentative Expositionsdaten vorliegen, werden diese bei der Ermittlung der Exposition speziell berücksichtigt. Werden für die Bewertung der Expositionshöhe Berechnungsmethoden angewendet, müssen geeignete Modelle herangezogen werden. Diese Modelle müssen:

unter Berücksichtigung realistischer Parameter und Annahmen eine bestmögliche Bewertung aller einschlägigen Verfahren liefern;

einer Analyse unterzogen werden, bei der mögliche Unsicherheiten berücksichtigt werden;

auf verläßliche Weise durch Messungen validiert sein, die unter Bedingungen durchgeführt wurden, die für die Verwendung des Modells relevant sind;

für die Bedingungen des Verwendungsbereichs relevant sein.

Einschlägige Überwachungsdaten über Stoffe mit analogen Anwendungs- und Expositionsmustern bzw. Eigenschaften werden ebenfalls berücksichtigt.

34. Sofern für die Wirkungen gemäß Nummer 21 ein NOAEL- oder LOAEL-Wert bestimmt wurde, wird im Rahmen der Risikobeschreibung ein Vergleich der NOAEL- oder LOAEL-Werte mit der geschätzten Dosis/Konzentration, der die Bevölkerungsgruppe ausgesetzt ist, vorgenommen. Sofern ein NOAEL-oder LOAEL-Wert nicht bestimmt werden kann, wird ein qualitativer Vergleich durchgeführt.

Auswirkungen auf Tiere

35. Der Mitgliedstaat bewertet die Risiken, die von einem Biozid-Produkt für Tiere ausgehen, indem er die gleichen einschlägigen Grundsätze, die im Kapitel über die Auswirkungen auf Menschen beschrieben sind, anwendet.

Auswirkungen auf die Umwelt

36. Die Risikobewertung berücksichtigt alle schädlichen Wirkungen, die sich für alle drei Umweltmedien — Luft, Boden und Gewässer (einschließlich Sediment) und auf die belebte Natur — bei Verwendung des Biozid-Produkts ergeben.

37. Bei der Ermittlung schädlicher Wirkungen werden die Eigenschaften und potentiellen negativen Wirkungen der in dem Biozid-Produkt vorhandenen Wirkstoffe und gegebenenfalls bedenklichen Stoffe untersucht. Sofern dies zu einer Einstufung des Biozid-Produkts gemäß den Anforderungen der Richtlinie führt, sind die Ermittlung der „Dosis-(Konzentration-)/Wirkung-Beziehung” , die Ermittlung der Exposition und eine Risikobeschreibung erforderlich.

38. In den Fällen, in denen der geeignete Test für die Ermittlung schädlicher Wirkungen in bezug auf eine spezielle potentielle Wirkung eines in einem Biozid-Produkt vorhandenen Wirkstoffs oder bedenklichen Stoffs durchgeführt wurde, die Ergebnisse jedoch nicht zu einer Einstufung des Biozid-Produkts geführthaben, ist eine Risikobeschreibung für diese Wirkung nicht erforderlich, außer wenn sonstige begründete Bedenken vorliegen. Derartige Bedenken können mit den Eigenschaften und Wirkungen aller in dem Biozid-Produkt vorhandenen Wirkstoffe oder bedenklichen Stoffe zusammenhängen insbesondere mit:

allen Hinweisen auf ein Bioakkumulationspotential;

Persistenzmerkmalen;

dem Verlauf der Toxizitäts-/Zeit-Kurve bei Ökotoxizitätstests;

Hinweisen auf sonstige schädliche Wirkungen auf der Grundlage von Toxizitätsstudien (z. B. Einstufung als mutagen);

Daten über Stoffe mit analoger Struktur;

endokrine Wirkungen.

39. Die Ermittlung der „Dosis-(Konzentration-)/Wirkung-Beziehung” wird vorgenommen, um Vorhersagen über die Konzentration zu ermöglichen, unter der schädliche Auswirkungen auf die gefährdeten Umweltmedien nicht zu erwarten sind. Sie ist für die in dem Biozid-Produkt vorhandenen Wirkstoffe und bedenklichen Stoffe durchzuführen. Diese Konzentration ist als PNEC (Predicted no-effect concentration) bekannt. Allerdings kann es in bestimmten Fällen unmöglich sein, eine PNEC festzulegen. In dem Fall ist eine qualitative Bewertung der „Dosis-(Konzentration-)/Wirkung-Beziehung” erforderlich.

40. Die PNEC wird aufgrund von Daten über die Auswirkungen auf Organismen und von im Einklang mit den Bestimmungen von Artikel 8 der Richtlinie vorgelegten Ökotoxizitätsstudien festgelegt. Sie wird unter Anwendung eines Extrapolationsfaktors auf die Werte berechnet, die sich aus den Tests an Organismen ergeben, z. B. LD50 (mittlere letale Dosis), LC50 (mittlere letale Konzentration), EC50 (mittlere wirksame Konzentration), IC50 (Konzentration, die 50 % Inhibition eines bestimmten Parameters, beispielsweise des Wachstums, bewirkt), NOEL(C) (No-observed-effect-level (Konzentration)), oder LOEL(C) (Lowest-observed-effect-level (Konzentration)).

41. Ein Extrapolationsfaktor ist Ausdruck des Unsicherheitsgrades bei der Extrapolation von Testdaten über eine begrenzte Anzahl von Spezies auf die reale Umwelt. Daher gilt in der Regel: je umfassender die Daten und je länger die Testdauer, desto geringer der Unsicherheitsgrad und die Größe des Extrapolationsfaktors. Einzelheiten für die Extrapolationsfaktoren werden in den technischen Hinweisen festgelegt; sie werden sich insbesondere auf die Richtlinie 93/67/EWG der Kommission vom 20. Juli 1993 zur Festlegung von Grundsätzen für die Bewertung der Risiken für Mensch und Umwelt gemäß der Richtlinie 67/548/EWG des Rates notifizierten Stoffen(*) stützen.

42. Für jedes Umweltmedium wird die Ermittlung der Exposition durchgeführt, um die wahrscheinliche Konzentration jedes im Biozid-Produkt vorhandenen Wirkstoffs oder bedenklichen Stoffs vorherzusagen. Diese Konzentration ist als PEC (Predicted environmental concentration) bekannt. In bestimmten Fällen kann es jedoch unmöglich sein, eine PEC zu bestimmen. In dem Fall ist eine qualitative Expositionsbewertung erforderlich.

43. Eine PEC oder gegebenenfalls qualitative Expositionsabschätzung ist nur für Umweltmedien zu bestimmen, für die Emissionen, Einleitungen, Einträge über den Abfallpfad oder Einträge aufgrund von Verteilungsvorgängen einschließlich relevanter Beiträge durch Biozid-behandeltes Material bekannt oder realistischerweise vorhersehbar sind.

44. Die PEC oder die qualitative Expositionsabschätzung wird insbesondere und, falls dafür geeignet, unter Berücksichtigung folgender Parameter bestimmt:

in geeigneter Weise gemessene Expositionsdaten;

Form, in der das Produkt in den Verkehr gebracht wird;

Art des Biozid-Produkts;

Verwendungsmethode und -rate;

physikalisch-chemische Eigenschaften;

Abbau-/Umwandlungsprodukte;

wahrscheinlicher Eintragspfad und Adsorptions-/Desorptions- und Abbaupotential;

Häufigkeit und Dauer der Exposition.

45. Sofern auf geeignete Weise gemessene repräsentative Expositionsdaten vorliegen, werden diese bei der Durchführung der Expositionsermittlung besonders berücksichtigt. Werden für die Abschätzung der Exposition Berechnungsmethoden angewendet, werden geeignete Modelle herangezogen. Die Charakteristika dieser Modelle müssen die gleichen sein wie in Nummer 33. Gegebenenfalls werden von Fall zu Fall einschlägige Überwachungsdaten über Stoffe mit analogen Verwendungs- und Expositionsmustern oder analogen Eigenschaften berücksichtigt.

46. Die Risikobeschreibung umfaßt soweit möglich für alle Umweltmedien einen Vergleich der PEC mit dem PNEC-Wert, so daß ein PEC/PNEC-Verhältnis abgeleitet werden kann.

47. Wenn es nicht möglich war, ein PEC/PNEC-Verhältnis abzuleiten, wird im Rahmen der Risikobeschreibung eine qualitative Beurteilung der Wahrscheinlichkeit, daß eine Wirkung unter den derzeitigen Expositionsbedingungen eintritt oder unter den erwarteten Expositionsbedingungen eintreten wird, vorgenommen.

Unannehmbare Auswirkungen

48. Den Mitgliedstaaten werden Angaben zur Prüfung vorgelegt, um abzuschätzen, ob die Wirkung des Biozid-Produkts bei Zielwirbeltieren kein unnötiges Leiden verursacht. Dazu gehören eine Beurteilung des Mechanismus, durch den die Wirkung erzielt wird, sowie die beobachteten Auswirkungen auf das Verhalten und die Gesundheit der Zielwirbeltiere; sofern die beabsichtigte Wirkung der Tod des Zielwirbeltiers, ist, werden die für die Tötung des Zielwirbeltiers erforderliche Zeit und die Bedingungen, unter denen der Tod eintritt, bewertet.

49. Der Mitgliedstaat prüft gegebenenfalls die Möglichkeit, daß der Zielorganismus eine Resistenz gegen einen Wirkstoff im Biozid-Produkt entwickelt.

50. Gibt es Hinweise dafür, daß andere unannehmbare Auswirkungen auftreten können, prüft der Mitgliedstaat diese Möglichkeit. Ein Beispiel für solche unannehmbaren Auswirkungen wäre eine negative Reaktion auf Befestigungen und Armaturen auf Holz nach der Anwendung eines Holzschutzmittels.

Wirksamkeit

51. Es sind Daten vorzulegen und daraufhin zu prüfen, um festzustellen, ob die Wirksamkeitsansprüche des Biozid-Produkts nachgewiesen werden können. Vom Antragsteller vorgelegte oder im Besitz des Mitgliedstaats befindliche Daten müssen die Wirksamkeit des Biozid-Produkts gegen die Zielorganismen demonstrieren, wenn sie normal nach den Zulassungsbedingungen verwendet werden.

52. Eine Prüfung sollte nach den Leitlinien der Gemeinschaft durchgeführt werden, sofern diese verfügbar und anwendbar sind. Gegebenenfalls können auch andere Verfahren angewendet werden, wie in nachstehender Liste aufgeführt. Liegen annehmbare relevante Felddaten vor, so können diese benutzt werden.

ISO-, CEN- oder sonstige internationale Standardverfahren;

einzelstaatliche Normen;

Standardindustrieverfahren (vom Mitgliedstaat akzeptiert);

Standardverfahren der individuellen Hersteller (vom Mitgliedstaat akzeptiert);

Daten aus der Entwicklung des Biozid-Produkts (vom Mitgliedstaat akzeptiert).

Zusammenfassung

53. In jedem Bereich, in dem Risikobewertungen durchgeführt wurden, d. h. Auswirkungen auf Menschen, Tiere und die Umwelt, faßt der Mitgliedstaat die Ergebnisse für den Wirkstoff mit den Ergebnissen für andere bedenkliche Stoffe zusammen, um eine Gesamtbewertung für das Biozid-Produkt selbst zu erhalten. Diese sollte etwaige synergistische Auswirkungen des Wirkstoffs und der bedenklichen Stoffe im Biozid-Produkt berücksichtigen.

54. Für Biozid-Produkte mit mehr als einem Wirkstoff werden etwaige schädliche Auswirkungen zusammengefaßt, um eine Gesamtauswirkung für das Biozid-Produkt selbst zu erhalten.

ENTSCHEIDUNGSPROZESS

Allgemeine Grundsätze

55. Vorbehaltlich der Nummer 96 entscheidet der Mitgliedstaat über die Zulassung eines Biozid-Produkts, und zwar unter Berücksichtigung der Risiken der einzelnen Wirkstoffe zusammen mit den Risiken der einzelnen im Biozid-Produkt enthaltenen bedenklichen Stoffe. Die Risikobewertung erfaßt die normale Verwendung des Biozid-Produkts sowie ein realistisches Worst-case-Szenario und schließt auch alle einschlägigen Fragen im Zusammenhang mit der Entsorgung des Biozid-Produkts selbst oder von mit ihm behandelten Material ein.

56. Bei der Entscheidung über die Zulassung gelangt der Mitgliedstaat zu einer der nachstehenden Schlußfolgerungen für jeden Produkttyp und für jeden Anwendungsbereich des Biozid-Produkts, für das ein Antrag gestellt wurde:
1.
das Biozid-Produkt kann nicht zugelassen werden;
2.
das Biozid-Produkt kann vorbehaltlich besonderer Bedingungen/Einschränkungen zugelassen werden;
3.
vor einer Entscheidung über die Zulassung sind weitere Daten erforderlich.

57. Gelangt der Mitgliedstaat zu der Schlußfolgerung, daß zusätzliche Daten oder Informationen erforderlich sind, bevor eine Zulassungsentscheidung getroffen werden kann, ist die Notwendigkeit solcher Informationen oder Daten zu begründen. Diese zusätzlichen Informationen oder Daten sollen die für eine weitere angemessene Risikobewertung mindestens notwendigen Daten sein.

58. Der Mitgliedstaat hält die Grundsätze der gegenseitigen Anerkennung gemäß Artikel 4 ein.

59. Der Mitgliedstaat wendet die Vorschriften bezüglich des Konzepts von „Rahmenformulierungen” an, wenn er eine Zulassungsentscheidung für ein Biozid-Produkt trifft.

60. Der Mitgliedstaat wendet die Vorschriften bezüglich des Konzepts von Produkten mit niedrigem Risikopotential an, wenn er eine Zulassungsentscheidung für ein Biozid-Produkt trifft.

61. Der Mitgliedstaat gewährt eine Zulassung nur für solche Biozid-Produkte, die bei Verwendung entsprechend ihren Zulassungsbedingungen kein unannehmbares Risiko für Menschen, Tiere oder die Umwelt darstellen, wirksam sind und Wirkstoffe enthalten, die auf Gemeinschaftsebene zur Verwendung in diesen Biozid-Produkten zulässig sind.

62. Der Mitgliedstaat legt gegebenenfalls bei der Erteilung der Zulassung Bedingungen oder Beschränkungen fest. Deren Art und Umfang wird aufgrund der Art und des Ausmaßes der erwarteten Vorteile und etwaigen Risiken einer Verwendung des Biozid-Produkts festgelegt.

63. Beim Entscheidungsprozeß berücksichtigt der Mitgliedstaat folgende Elemente:

die Ergebnisse der Risikobewertung, insbesondere die Beziehung zwischen Exposition und Auswirkung;

Art und Schwere der Auswirkung;

anwendbare Risikominderungsmaßnahmen;

Verwendungsbereich des Biozid-Produkts;

Wirksamkeit des Biozid-Produkts;

physikalische Eigenschaften des Biozid-Produkts;

Nutzen einer Verwendung des Biozid-Produkts.

64. Der Mitgliedstaat berücksichtigt bei seiner Entscheidung über die Zulassung des Biozid-Produkts die Unsicherheit, die sich aus der Variabilität der zur Bewertung und beim Entscheidungsprozeß verwendeten Daten ergibt.

65. Der Mitgliedstaat schreibt vor, daß Biozid-Produkte ordnungsgemäß verwendet werden. Ordnungsgemäße Verwendung bedeutet u. a. die Anwendung in wirksamer Dosis und eine möglichst geringe Verwendung von Biozid-Produkten.

66. Der Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, daß der Antragsteller für das Biozid-Produkt ein Etikett und gegebenenfalls ein Sicherheitsdatenblatt vorschlägt, das

die Anforderungen der Artikel 20 und 21 der Richtlinie erfüllt;

die nach den Gemeinschaftsvorschriften zum Schutz der Arbeitnehmer erforderlichen Informationen über den Schutz der Verwender enthält;

insbesondere die Bedingungen oder Beschränkungen angibt, unter denen das Biozid-Produkt verwendet werden darf.

Vor Erteilung einer Zulassung versichert der Mitgliedstaat, daß diese Auflagen erfüllt sein müssen.

67. Der Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, daß der Antragsteller eine Verpackung und gegebenenfalls Verfahren zur Vernichtung oder Dekontaminierung des Biozid-Produkts und seiner Verpackung oder sonstiger einschlägiger mit dem Biozid-Produkt in Zusammenhang stehender Materialien vorschlägt, die den einschlägigen Rechtsvorschriften entsprechen.

Auswirkungen auf Menschen

68. Der Mitgliedstaat läßt ein Biozid-Produkt nicht zu, wenn die Risikobewertung bestätigt, daß das Produkt bei vorhersehbarer Verwendung sowie bei Berücksichtigung eines realistischen Worst-case-Szenarios ein unannehmbares Risiko für Menschen darstellt.

69. Bei der Entscheidung über die Zulassung eines Biozid-Produkts berücksichtigt der Mitgliedstaat mögliche Auswirkungen auf alle Bevölkerungsgruppen, d. h. berufliche, nichtberufliche Verwender und direkt oder indirekt durch die Umwelt exponierte Personen.

70. Der Mitgliedstaat prüft das Verhältnis zwischen der Exposition und der Wirkung und benutzt diese im Entscheidungsprozeß. Bei der Prüfung dieses Verhältnisses ist eine Reihe von Faktoren zu berücksichtigen, in erster Linie die Art der schädlichen Auswirkungen des Stoffes. Diese Auswirkungen umfassen die akute Toxizität, Reizung, ätzende Wirkung, Sensibilisierung, Toxizität bei wiederholter Verabreichung, Mutagenität, Karzinogenität, Neurotoxizität, Reproduktionstoxizität zusammen mit den physikalisch-chemischen Eigenschaften und sonstige schädliche Eigenschaften des Wirkstoffs oder bedenklichen Stoffs.

71. Der Mitgliedstaat vergleicht möglichst die Ergebnisse mit denjenigen früherer Risikobewertungen für eine gleiche oder ähnliche schädliche Wirkung und legt eine geeignete Sicherheitsspanne (MOS) bei seiner Zulassungsentscheidung fest. Eine geeignete Sicherheitsspanne liegt typischerweise bei 100, jedoch können auch höhere oder niedrigere Sicherheitsspannen geeignet sein, was unter anderem von der Art der kritischen toxikologischen Wirkung abhängt.

72. Der Mitgliedstaat verlangt gegebenenfalls als Vorsaussetzung für die Zulassung das Tragen einer persönlichen Schutzausrüstung wie Atemgeräte, Atemschutzmasken, Overalls, Handschuhe und Schutzbrillen, um die Exposition für berufliche Verwender zu verringern. Eine solche Ausrüstung muß ihnen zur Verfügung stehen und leicht zugänglich sein.

73. Das Produkt wird normalerweise nicht zugelassen, wenn für nichtberufliche Verwender das Tragen einer persönlichen Schutzausrüstung das einzige mögliche Verfahren zur Verringerung der Exposition wäre.

74. Kann die Beziehung zwischen der Exposition und der Wirkung nicht auf ein annehmbares Niveau reduziert werden, so erteilt der Mitgliedstaat keine Zulassung für das Biozid-Produkt.

75. Kein Biozid-Produkt, das nach Artikel 20 Absatz 1 als toxisch, sehr toxisch oder als karzinogen der Kategorie 1 oder 2 oder als mutagen oder toxisch für die Reproduktion Kategorie 1 oder 2 eingestuft ist, darf zur Verwendung durch die Öffentlichkeit zugelassen werden.

Auswirkungen auf Tiere

76. Der Mitgliedstaat darf ein Biozid-Produkt nicht zulassen, wenn die Risikobewertung bestätigt, daß das Biozid-Produkt bei normaler Verwendung ein unannehmbares Risiko für Nichtzieltiere darstellt.

77. Unter Anwendung der gleichen einschlägigen Kriterien wie im Abschnitt über die Auswirkungen auf Menschen berücksichtigt der Mitgliedstaat die Risiken des Biozid-Produkts für Tiere, wenn er eine Zulassungsentscheidung trifft.

Auswirkungen auf die Umwelt

78. Der Mitgliedstaat läßt ein Biozid-Produkt nicht zu, wenn die Risikobewertung bestätigt, daß der Wirkstoff oder ein bedenklicher Stoff oder ein Abbau- oder Reaktionsprodukt ein unannehmbares Risiko in einem der Umweltmedien Wasser (einschließlich Sediment), Boden oder Luft darstellt. Dies schließt die Bewertung von Risiken für Nichtzielorganismen in diesen Medien ein. Bei der Prüfung der Frage, ob ein unannehmbares Risiko vorliegt, berücksichtigen die Mitgliedstaaten die Kriterien der Nummern 81 bis 89, bevor sie eine endgültige Entscheidung gemäß Nummer 96 treffen.

79. Die Entscheidungsgrundlage ist das PEC/PNEC-Verhältnis oder, wenn dies nicht ableitbar ist, eine qualitative Abschätzung. Dabei soll die Genauigkeit dieses Verhältnisses berücksichtigt werden, das von der Variabilität der Daten sowohl bei den Konzentrationsmessungen als auch bei den Abschätzungen abhängig ist. Zur PEC-Bestimmung sollte das Modell verwandt werden, das bei Berücksichtigung von Verbleib und Verhalten des Biozid-Produktes in der Umwelt das am meisten geeignete ist.

80. Wenn bei den einzelnen Umweltmedien das PEC/PNEC-Verhältnis gleich oder weniger als 1 ist, bedeutet das für die Risikobeschreibung, daß keine weiteren Informationen und/oder Prüfungen notwendig sind. Ist das Verhältnis PEC/PNEC größer als 1, beurteilt der Mitgliedstaat aufgrund der Größe dieses Verhältnisses und anderer einschlägiger Faktoren, ob weitere Informationen und/oder Prüfungen notwendig sind, um das Ausmaß der Gefährdung abzuklären, oder ob Maßnahmen zur Verringerung des Risikos notwendig sind oder ob das Produkt überhaupt zugelassen werden kann. Zu berücksichtigende einschlägige Faktoren sind die gleichen wie in Nummer 38.

Wasser

81. Der Mitgliedstaat läßt ein Biozid-Produkt nicht zu, wenn unter den vorgeschlagenen Verwendungsbedingungen die voraussichtliche Konzentration des Wirkstoffs oder bedenklichen Stoffs oder einschlägiger Stoffwechsel- oder Abbau- bzw. Reaktionsprodukte in Gewässern (oder ihren Sedimenten) unannehmbare Auswirkungen auf Nichtzielarten in der Gewässer-, Meeres- oder Ästuarumwelt hat, es sei denn, es ist wissenschaftlich nachgewiesen, daß es unter den relevanten Feldbedingungen keine unannehmbaren Auswirkungen gibt.

82. Der Mitgliedstaat läßt ein Biozid-Produkt nicht zu, wenn unter den vorgeschlagenen Verwendungsbedingungen die voraussichtliche Konzentration des Wirkstoffs oder bedenklichen Stoffs oder einschlägiger Stoffwechsel- oder Abbau- bzw. Reaktionsprodukte im Grundwasser den niedrigeren Wert der folgenden Konzentrationen übersteigt:
a)
die höchstzulässige Konzentration gemäß der Richtlinie 80/778/EWG oder
b)
die Höchstkonzentration, die im Anschluß an das Verfahren zur Aufnahme des Wirkstoffs in die Anhänge I, IA oder IB der vorliegenden Richtlinie aufgrund der entsprechenden Daten, insbesondere der toxikologischen Daten, festgelegt wird,
außer wenn wissenschaftlich nachgewiesen wird, daß die niedrigere Konzentration unter relevanten Feldbedingungen nicht überschritten wird.

83. Der Mitgliedstaat läßt das betreffende Biozid-Produkt nicht zu, wenn die vorhersehbare Konzentration des Wirkstoffs oder eines bedenklichen Stoffs oder einschlägiger Stoffwechsel-, Abbau- oder Reaktionsprodukte nach Verwendung des Biozid-Produkts unter den vorgeschlagenen Verwendungsbedingungen in Oberflächenwasser oder seinen Sedimenten

an der Stelle, an der das Oberflächenwasser in oder aus dem Bereich der geplanten Verwendung zur Entnahme von Trinkwasser bestimmt ist, die unter

der Richtlinie 75/440/EWG des Rates vom 16. Juni 1975 über die Qualitätsanforderungen an Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung in den Mitgliedstaaten(**)

der Richtlinie 80/778/EWG

festgelegten Werte übersteigt oder

eine für unannehmbar gehaltene Wirkung auf Nichtzielarten hat,

außer wenn wissenschaftlich nachgewiesen wird, daß diese Konzentration unter relevanten Feldbedingungen nicht überschritten wird.

84. Die vorgeschlagenen Anweisungen für die Verwendung des Biozid-Produkts, einschließlich der Verfahren zur Reinigung der Ausbringungsgeräte, sind so zu gestalten, daß die Wahrscheinlichkeit einer unbeabsichtigten Kontamination des Wassers oder seiner Sedimente möglichst gering ist.

Boden

85. Ist eine unannehmbare Kontamination des Bodens wahrscheinlich, so läßt der Mitgliedstaat das betreffende Biozid-Produkt nicht zu, wenn der darin enthaltene Wirkstoff oder bedenkliche Stoff nach Verwendung des Biozid-Produkts

bei Feldversuchen länger als ein Jahr im Boden bleibt oder

bei Laborversuchen nichtextrahierbare Rückstände in Mengen von mehr als 70 % der ursprünglichen Dosis nach 100 Tagen mit einer Mineralisierungsrate von weniger als 5 % in 100 Tagen zur Folge hat,

für Nichtzielorganismen unannehmbare Folgen oder Wirkungen hat,

außer wenn wissenschaftlich nachgewiesen wird, daß unter Feldbedingungen keine unannehmbare Akkumulierung im Boden besteht.

Luft

86. Der Mitgliedstaat läßt ein Biozid-Produkt nicht zu, wenn eine vorhersehbare Möglichkeit unannehmbarer Auswirkungen auf das Medium Luft besteht, außer wenn wissenschaftlich nachgewiesen wird, daß unter relevanten Feldbedingungen keine unannehmbaren Wirkungen auftreten.

Wirkungen auf Nichtzielorganismen

87. Der Mitgliedstaat erteilt keine Zulassung für ein Biozid-Produkt, wenn eine vernünftigerweise vorhersehbare Möglichkeit besteht, daß Nichtzielorganismen dem Biozid-Produkt ausgesetzt sind, wenn bei einem Wirkstoff oder bedenklichen Stoff

das PEC/PNEC-Verhältnis über 1 liegt, es sei denn, es ist eindeutig in der Risikobewertung nachgewiesen, daß unter Feldbedingungen nach Verwendung des Biozid-Produkts gemäß den vorgeschlagenen Verwendungsbedingungen keine unannehmbaren Wirkungen auftreten;

der Biokonzentrationsfaktor (BCF) im Zusammenhang mit den Fettgeweben in Nichtzielwirbeltieren über 1 liegt, es sei denn, es ist eindeutig in der Risikobewertung nachgewiesen, daß unter Feldbedingungen nach Verwendung des Produkts gemäß den vorgeschlagenen Verwendungsbedingungen weder direkt noch indirekt unannehmbare Wirkungen auftreten.

88. Der Mitgliedstaat läßt ein Biozid-Produkt nicht zu, wenn eine einigermaßen vorhersehbare Möglichkeit besteht, daß Wasserorganismen einschließlich in Meeres- und Ästuargewässern lebender Organismen dem Biozid-Produkt ausgesetzt sind, wenn bei einem darin enthaltenen Wirkstoff oder bedenklichen Stoff:

das PEC/PNEC-Verhältnis > 1 ist, es sei denn, es ist eindeutig in der Risikobewertung nachgewiesen, daß unter Feldbedingungen die Lebensfähigkeit der Wasserorganismen einschließlich in Meeres- und Ästuargewässern lebender Organismen durch die Verwendung des Biozid-Produkts gemäß den vorgeschlagenen Verwendungsbedingungen nicht bedroht ist oder

der Biokonzentrationsfaktor (BCF) größer als 1000 bei Stoffen ist, die ohne weiteres biologisch abbaubar sind, oder größer als 100 bei Stoffen, die nicht leicht biologisch abbaubar sind, es sei denn, es ist eindeutig in der Risikobewertung nachgewiesen, daß unter Feldbedingungen nach Verwendung des Biozid-Produkts gemäß den vorgeschlagenen Verwendungsbedingungen keine unannehmbare Wirkung unmittelbar oder mittelbar im Zusammenhang mit der Lebensfähigkeit der exponierten Organismen einschließlich in Meeres- und Ästuargewässern lebender Organismen auftritt.

Abweichend von diesem Absatz können die Mitgliedstaaten jedoch auf hochseetüchtigen Stabsschiffen und hochseetüchtigen Schiffen der Fischerei- und Handelsflotte und der Kriegsmarine verwendete Antifoulingprodukte für einen Zeitraum bis zu zehn Jahren nach Inkrafttreten der Richtlinie zulassen, wenn eine gleichwertige Foulingkontrolle nicht mit anderen praktikablen Mitteln erreicht werden kann. Bei Anwendung dieser Bestimmung tragen die Mitgliedstaaten gegebenenfalls den einschlägigen Entschließungen und Empfehlungen der Internationalen Seeschiffahrtsorganisation (IMO) Rechnung.

89. Der Mitgliedstaat läßt ein Biozid-Produkt nicht zu, wenn eine vernünftigerweise vorhersehbare Möglichkeit besteht, daß Mikroorganismen in Kläranlagen dem Biozid-Produkt ausgesetzt werden, wenn das PEC/PNEC-Verhältnis für einen Wirkstoff, einen bedenklichen Stoff oder einschlägige Stoffwechsel-, Abbau- oder Reaktionsprodukte über 1 liegt, es sei denn, es ist eindeutig in der Risikobewertung nachgewiesen, daß unter Feldbedingungen keine unannehmbare Wirkung unmittelbar oder mittelbar im Zusammenhang mit der Lebensfähigkeit dieser Mikroorganismen auftritt.

Unannehmbare Auswirkungen

90. Wenn sich eine Resistenz gegen den Wirkstoff im Biozid-Produkt entwickelt, ergreift der Mitgliedstaat Maßnahmen, um die Folgen dieser Resistenz möglichst gering zu halten. Das kann die Änderung der Zulassungsbedingungen oder sogar die Ablehnung einer Zulassung bedeuten.

91. Eine Zulassung für ein Biozid-Produkt zur Bekämpfung von Wirbeltieren darf nur gegeben werden, wenn

der Tod gleichzeitig mit dem Verlust des Bewußtseins eintritt oder

der Tod sofort eintritt oder

die Lebensfunktionen allmählich ohne Zeichen offentsichtlichen Leidens reduziert werden.

Bei Repellentien muß die beabsichtigte Wirkung ohne unnötige Leiden oder Schmerzen für das Zielwirbeltier erreicht werden können.

Wirksamkeit

92. Die Mitgliedstaaten erteilen keine Zulassung für ein Biozid-Produkt, das keine annehmbare Wirksamkeit aufweist, wenn es gemäß den auf der vorgeschlagenen Kennzeichnung angegebenen Bedingungen oder gemäß anderen Zulassungsbedingungen verwendet wird.

93. Grad, Art und Dauer der Schutzwirkung, der Bekämpfung oder anderer beabsichtigter Wirkungen müssen zumindest ähnlich sein wie bei der Verwendung geeigneter Referenzprodukte — falls derartige Referenzprodukte existieren — oder anderer Möglichkeiten der Bekämpfung. Gibt es keine Referenzprodukte, muß das Biozidprodukt einen bestimmten Grad der Schutz- oder der Bekämpfungswirkung für die Bereiche der vorgeschlagenen Verwendung aufweisen. Schlußfolgerungen in bezug auf die Leistungsfähigkeit des Biozid-Produkts müssen für alle Bereiche der vorgeschlagenen Verwendung und für alle Gebiete des jeweiligen Mitgliedstaats gelten, es sei denn, daß die vorgeschlagene Kennzeichnung eine Angabe enthält, wonach das Biozid-Produkt für den Einsatz unter speziellen Umständen bestimmt ist. Um zu ermitteln, ob die empfohlene Dosis die zur Erreichung des gewünschten Zwecks notwendige Mindestmenge darstellt, prüfen die Mitgliedstaaten die Daten zur Dosis-Wirkung-Beziehung, die bei Versuchen (zu denen eine unbehandelte Kontrolle gehören muß) ermittelt werden, wobei auch Aufwandmengen, die geringer sind als die empfohlene Menge, einbezogen werden.

Zusammenfassung

94. In jedem Bereich, in dem Risikobewertungen durchgeführt wurden, d. h. im Fall von Wirkungen auf Menschen, Tiere und die Umwelt, faßt der Mitgliedstaat die für den Wirkstoff oder den bedenklichen Stoff erreichten Schlußfolgerungen zusammen, um eine Gesamtschlußfolgerung für das Biozid-Produkt selbst zu ziehen. Auch die Wirksamkeitsbewertung und die unannehmbaren Wirkungen sind zusammenzufassen. Das Ergebnis soll folgendes umfassen:

eine Zusammenfassung der Wirkungen des Biozid-Produkts auf Menschen,

eine Zusammenfassung der Wirkungen des Biozid-Produkts auf Tiere,

eine Zusammenfassung der Wirkungen des Biozid-Produkts auf die Umwelt,

eine Zusammenfassung der Wirksamkeitsbewertung,

eine Zusammenfassung der unannehmbaren Wirkungen.

ZUSAMMENFASSUNG DER SCHLUSSFOLGERUNGEN

95. Der Mitgliedstaat faßt die einzelnen Schlußfolgerungen mit Bezug auf die Auswirkungen des Biozid-Produkts auf die drei Einzelbereiche Menschen, Tiere und die Umwelt zusammen, um zu einer generellen Schlußfolgerung für die Gesamtwirkung des Biozid-Produkts zu gelangen.

96. Der Mitgliedstaat berücksichtigt dann alle einschlägigen unannehmbaren Auswirkungen, die Wirksamkeit des Biozid-Produkts und den Nutzen einer Verwendung des Biozid-Produkts, bevor eine Zulassungsentscheidung über das Biozid-Produkt gefällt wird.

97. Der Mitgliedstaat entscheidet schließlich, ob das Biozid-Produkt zugelassen werden kann, und ob diese Zulassung gemäß diesem Anhang und der Richtlinie Beschränkungen oder Bedingungen unterliegt.

Fußnote(n):

(*)

ABl. L 227 vom 8.9.1993, S. 9.

(**)

ABl. L 194 vom 25.7.1975, S. 26. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 91/692/EWG (ABl. L 377 vom 31.12.1991, S. 48).

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