Präambel RL 98/8/EG

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 100a,

auf Vorschlag der Kommission(1),

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses(2),

gemäß dem Verfahren des Artikels 189b des Vertrags(3), aufgrund des vom Vermittlungsausschuß am 16. Dezember 1997 gebilligten gemeinsamen Entwurfs,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Der Rat und die im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten haben in ihrer Entschließung vom 1. Februar 1993 über ein Gemeinschaftsprogramm für Umweltpolitik und Maßnahmen im Hinblick auf eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung(4) das allgemeine Konzept und die Strategie des von der Kommission vorgelegten Programms gebilligt; in dem Programm wird die Notwendigkeit eines Risikomanagements im Bereich der nicht landwirtschaftlich genutzten Schädlingsbekämpfungsmittel unterstrichen.
(2)
Der Rat hat sowohl bei der Annahme der 8. Änderung(5) der Richtlinie 76/769/EWG des Rates vom 27. Juli 1976 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung gewisser gefährlicher Stoffe und Zubereitungen(6) im Jahre 1989 als auch bei den Beratungen über die Richtlinie 91/414/EWG über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln(7) Bedenken über den Mangel an harmonisierten Vorschriften der Gemeinschaft für Biozid-Produkte (früher als nicht landwirtschaftlich genutzte Schädlingsbekämpfungsmittel bekannt) geäußert und die Kommission aufgefordert, die Lage in den Mitgliedstaaten und die Möglichkeit von Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene zu prüfen.
(3)
Biozid-Produkte sind notwendig zur Kontrolle von für die menschliche und tierische Gesundheit schädlichen Organismen und zur Kontrolle von Organismen, die natürliche oder gefertigte Erzeugnisse schädigen. Von Biozid-Produkten kann aufgrund ihrer Eigenschaften und der hiermit in Verbindung stehenden Formen der Verwendung ein Risiko für Mensch, Tier und Umwelt ausgehen.
(4)
Die Überprüfung der Kommission hat Unterschiede bei den Regelungen in den Mitgliedstaaten ergeben. Diese Unterschiede stellen Handelshemmnisse nicht nur für Biozid-Produkte, sondern auch für die mit diesen Mitteln behandelten Erzeugnisse dar und beeinträchtigen damit das Funktionieren des Binnenmarktes unmittelbar. Die Kommission hat daher vorgeschlagen, einen Regelungsrahmen für das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten zur Verwendung in den Mitgliedstaaten auszuarbeiten, wobei ein hohes Schutzniveau für Mensch, Tier und Umwelt die Voraussetzung bildet. Entscheidungen auf Gemeinschaftsebene unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips sollten auf diejenigen Entscheidungen beschränkt werden, die für das richtige Funktionieren des Gemeinsamen Marktes notwendig sind und die Doppelarbeit durch die Mitgliedstaaten vermeiden. Eine Richtlinie über Biozid-Produkte bietet die beste Möglichkeit für einen solchen Regelungsrahmen.
(5)
Durch den Regelungsrahmen sollte dafür gesorgt werden, daß Biozid-Produkte zur Verwendung nur in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn die entsprechenden Verfahren dieser Richtlinie eingehalten worden sind.
(6)
Zur Berücksichtigung der besonderen Beschaffenheit einiger Biozid-Produkte und der mit ihrer vorgeschlagenen Verwendung in Verbindung stehenden Risiken ist es angebracht, vereinfachte Genehmigungsverfahren, einschließlich der Registrierung, vorzusehen.
(7)
Es ist angebracht, daß Antragsteller Unterlagen vorlegen, die die Informationen enthalten, die zur Bewertung der durch die vorgeschlagene Verwendung des Produkts entstehenden Gefahren notwendig sind. Es sind gemeinsame Kernangaben für Wirkstoffe und für Biozid-Produkte, in denen diese enthalten sind, erforderlich, um sowohl die um Zulassung nachsuchenden Antragsteller als auch diejenigen zu unterstützen, die die Bewertung für die Entscheidung über die Zulassung vornehmen. Ferner müssen für jede der unter diese Richtlinie fallenden Produktarten spezifische Anforderungen an die Unterlagen ausgearbeitet werden.
(8)
Es ist notwendig, zum Zeitpunkt der Zulassung von Biozid-Produkten sicherzustellen, daß sie bei sachgemäßer Verwendung für den beabsichtigten Zweck hinreichend wirksam sind, keine unannehmbaren Auswirkungen auf ihre Zielorganismen — wie Resistenz oder unannehmbare Toleranz — und im Fall von Wirbeltieren keine unnötigen Leiden oder Schmerzen verursachen und nach den derzeitigen wissenschaftlichen und technischen Kenntnissen keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt und insbesondere auf die Gesundheit von Mensch und Tier haben.
(9)
Zur Gewährleistung eines harmonisierten Konzepts in den Mitgliedstaaten sind gemeinsame Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Biozid-Produkten erforderlich.
(10)
Die Mitgliedstaaten sollten nicht daran gehindert werden, zusätzliche Auflagen für die Verwendung von Biozid-Produkten vorzuschreiben, sofern diese zusätzlichen Auflagen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind und insbesondere nicht den Bestimmungen dieser Richtlinie zuwiderlaufen. Hierdurch sollen die Umwelt sowie die menschliche und die tierische Gesundheit geschützt werden, und zwar beispielsweise im Wege der Seuchenbekämpfung sowie des Nahrungs- und Futtermittelschutzes.
(11)
Da sowohl die Wirkstoffe als auch die Biozid-Produkte, um die es hier geht, eine große Vielfalt aufweisen, sollten die Anforderungen an Unterlagen und Versuche den individuellen Umständen angepaßt sein und zu einer Gesamtrisikobewertung führen.
(12)
Es ist notwendig, eine Gemeinschaftsliste der Wirkstoffe zu erstellen, die in Biozid-Produkten enthalten sein dürfen. Ein gemeinschaftliches Bewertungsverfahren ist vorzusehen, nach dem über die Aufnahme oder Nichtaufnahme eines Wirkstoffs in diese Gemeinschaftsliste entschieden wird, und es ist festzulegen, welche Informationen ein Antragsteller im Hinblick auf die Aufnahme eines Wirkstoffs in die Liste vorlegen muß. Die in der Gemeinschaftsliste aufgeführten Wirkstoffe sollten in regelmäßigen Abständen überprüft und gegebenenfalls miteinander unter spezifischen Bedingungen verglichen werden, um die wissenschaftliche und technologische Entwicklung zu berücksichtigen.
(13)
Um in angemessener Weise zu berücksichtigen, daß von bestimmten Produkten lediglich ein niedriges Risiko ausgeht, sollten deren Wirkstoffe in einen besonderen Anhang aufgenommen werden. Stoffe, deren hauptsächliche Verwendung nicht die Schädlingsbekämpfung ist, die jedoch in geringerem Maße — entweder unmittelbar oder in einem Produkt, das den Wirkstoff sowie ein einfaches Verdünnungsmittel enthält — als Biozid zum Einsatz gelangen, sollten in einen eigenen besonderen Anhang aufgenommen werden.
(14)
Bei der Beurteilung von Wirkstoffen im Hinblick auf deren etwaige Aufnahme in die entsprechenden Anhänge dieser Richtlinie müssen hinsichtlich der Risikobewertung gegebenenfalls die gleichen Aspekte abgedeckt werden wie bei der Beurteilung im Rahmen der Richtlinie 92/32/EWG des Rates vom 30. April 1992 zur siebten Änderung der Richtlinie 67/548/EWG zur Angleichung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe(8) und der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates vom 23. März 1993 zur Bewertung und Kontrolle der Umweltrisiken chemischer Altstoffe(9). Die mit der Herstellung, Verwendung und Entsorgung von Wirkstoffen und hiermit behandelten Materialien verbundenen Risiken müssen daher in ähnlicher Weise geprüft werden, wie dies in den vorgenannten Rechtsakten vorgeschrieben ist.
(15)
Im Interesse des freien Verkehrs von Biozid-Produkten und von mit Biozid-Produkten behandelten Materialien sollte die von einem Mitgliedstaat erteilte Zulassung vorbehaltlich der besonderen Bedingungen dieser Richtlinie von den anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden.
(16)
Selbst wenn harmonisierte Bestimmungen für alle Biozid-Produktarten, einschließlich der Bekämpfungsmittel gegen Wirbeltiere, vorgesehen werden sollten, so kann deren tatsächliche Verwendung zu Bedenken Anlaß geben. Den Mitgliedstaaten sollte daher vorbehaltlich des Vertrags die Möglichkeit gegeben werden, vom Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung bei Biozid-Produkten, die zu drei besonderen Arten von Bioziden gehören und als Bekämpfungsmittel gegen besondere Arten von Wirbeltieren eingesetzt werden, unter der Voraussetzung abzuweichen, daß derartige Ausnahmeregelungen gerechtfertigt sind und den Zweck dieser Richtlinie nicht in Frage stellen.
(17)
Es ist daher wünschenswert, daß ein System zum gegenseitigen Informationsaustausch eingeführt wird und daß die Mitgliedstaaten und die Kommission einander auf Wunsch die in Zulassungsanträgen für Biozid-Produkte vorgelegten Angaben und wissenschaftlichen Unterlagen zur Verfügung stellen.
(18)
Den Mitgliedstaaten muß die Möglichkeit gegeben werden, Biozid-Produkte, die den genannten Voraussetzungen nicht entsprechen, für einen begrenzten Zeitraum zuzulassen, insbesondere im Fall unvorhergesehener Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt, die mit anderen Mitteln nicht eingedämmt werden können. Das Gemeinschaftsverfahren sollte die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, für einen begrenzten Zeitraum Biozid-Produkte in ihrem Gebiet zuzulassen, die einen noch nicht in die Gemeinschaftsliste aufgenommenen Wirkstoff enthalten, sofern sichergestellt ist, daß der Antragsteller den Gemeinschaftsauflagen entsprechende Unterlagen vorlegt und der betreffende Mitgliedstaat der Meinung ist, daß der Wirkstoff und das Biozid-Produkt den von der Gemeinschaft festgelegten Anforderungen entsprechen.
(19)
Es ist wesentlich, daß mit dieser Richtlinie dazu beigetragen wird, die Anzahl von Tests an Tieren auf ein Minimum zu beschränken, und daß die Durchführung von derartigen Tests von dem Einsatzzweck und der Verwendung eines Produktes abhängig gemacht wird.
(20)
Eine enge Abstimmung mit anderen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft, insbesondere mit der Richtlinie 91/414/EWG, den Richtlinien über den Gewässerschutz und den Richtlinien über die Verwendung genetisch veränderter Organismen in geschlossenen Systemen sowie deren absichtliche Freisetzung sollte sichergestellt werden.
(21)
Die Kommission arbeitet technische Anleitungen aus, und zwar insbesondere für die Durchführung der Zulassungsverfahren, für die Aufnahme von Wirkstoffen in die entsprechenden Anhänge, für die Anhänge mit den Anforderungen an die Unterlagen sowie für den Anhang mit den gemeinsamen Grundsätzen.
(22)
Um die Einhaltung der Auflagen für zugelassene Biozid-Produkte beim Inverkehrbringen sicherzustellen, sollten die Mitgliedstaaten Vorkehrungen für eine entsprechende Kontrolle und Prüfung treffen.
(23)
Die Umsetzung dieser Richtlinie, die Anpassung ihrer Anhänge an die Entwicklung der technischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse und die Aufnahme der Wirkstoffe in die entsprechenden Anhänge erfordern eine enge Zusammenarbeit zwischen der Kommission, den Mitgliedstaaten und dem Antragsteller. Das Verfahren des Ständigen Ausschusses für Biozid-Produkte bietet hierfür, falls es zur Anwendung kommt, eine geeignete Grundlage.
(24)
Zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission wurde am 20. Dezember 1994 ein „Modus vivendi” betreffend die Maßnahmen zur Durchführung der nach dem Verfahren des Artikels 189b EG-Vertrag erlassenen Rechtsakte(10) vereinbart.
(25)
Die Kommission wird den „Modus vivendi” anwenden auf die aus dieser Richtlinie folgenden Durchführungsbestimmungen, die sie zu erlassen beabsichtigt, einschließlich derjenigen betreffend die Anhänge IA und IB.
(26)
Die vollständige Umsetzung dieser Richtlinie, insbesondere ihres Überprüfungsprogramms, wird in den nächsten Jahren noch nicht erreicht werden. Die Richtlinie 76/769/EWG bildet daher einen Rahmen, um die Positivliste durch Beschränkung des Inverkehrbringens und der Anwendung bestimmter Wirkstoffe und Produkte sowie Produktgruppen zu ergänzen.
(27)
Bei dem Überprüfungsprogramm für Wirkstoffe müssen sonstige Arbeitsprogramme im Rahmen anderer gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften, die die Prüfung oder Zulassung von Stoffen und Produkten betreffen, oder auch einschlägige internationale Übereinkünfte berücksichtigt werden.
(28)
Die Kosten für die Verfahren in Zusammenhang mit der Durchführung der Richtlinie müssen von denjenigen, die Biozid-Produkte in Verkehr bringen oder deren Inverkehrbringung anstreben, sowie von denjenigen, die die Aufnahme von Wirkstoffen in die entsprechenden Anhänge betreiben, übernommen werden.
(29)
Die Richtlinien über Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz enthalten Mindestvorschriften für den Einsatz von Biozid-Produkten am Arbeitsplatz. Eine Weiterentwicklung der Vorschriften auf diesem Gebiet ist wünschenswert —

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. C 239 vom 3.9.1993, S. 3, ABl. C 261 vom 6.10.1995, S. 5, und ABl. C 241 vom 20.8.1996, S. 8.

(2)

ABl. C 195 vom 18.7.1994, S. 70, und ABl. C 174 vom 17.6.1996, S. 32.

(3)

Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 18. April 1996 (ABl. C 141 vom 13.5.1996, S. 191), gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 20. Dezember 1996 (ABl. C 69 vom 5.3.1997, S. 13) und Beschluß des Europäischen Parlaments vom 13. Mai 1997 (ABl. C 167 vom 2.6.1997, S. 24). Beschluß des Rates vom 18. Dezember 1997. Beschluß des Europäischen Parlaments vom 14. Januar 1998.

(4)

ABl. C 138 vom 17.5.1993, S. 1.

(5)

ABl. L 398 vom 30.12.1989, S. 19.

(6)

ABl. L 262 vom 27.9.1976, S. 201. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richlinie 97/16/EG (ABl. L 116 vom 6.5.1997, S. 31).

(7)

ABl. L 230 vom 19.8.1991, S. 1. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 96/68/EG (ABl. L 277 vom 30.10.1996, S. 25).

(8)

ABl. L 154 vom 5.6.1992, S. 1.

(9)

ABl. L 84 vom 5.4.1993, S. 1.

(10)

ABl. C 102 vom 4.4.1996, S. 1.

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