ANHANG II VO (EG) 2004/854

LEBENDE MUSCHELN

KAPITEL I:
GELTUNGSBEREICH

Dieser Anhang gilt für lebende Muscheln sowie analog für lebende Stachelhäuter, lebende Manteltiere und lebende Meeresschnecken.

KAPITEL II:
AMTLICHE ÜEBERWACHUNG LEBENDER MUSCHELN AUS EINGESTUFTEN ERZEUGUNGSGEBIETEN

Referenzmethode für die Analyse auf E. coli ist das „Nachweis- und MPN-Verfahren” , spezifiziert in EN/ISO 16649-3. Alternative Methoden können angewandt werden, sofern sie nach den Kriterien gemäß EN/ISO 16140 anhand dieser Referenzmethode validiert wurden.

A.
EINSTUFUNG VON ERZEUGUNGS- UND UMSETZGEBIETEN

1.
Die zuständige Behörde hat die Lage und Abgrenzung der von ihr eingestuften Erzeugungs- und Umsetzgebiete festzulegen. Sie hat dabei gegebenenfalls mit dem Lebensmittelunternehmer zusammenzuarbeiten.
2.
Die zuständige Behörde hat die Erzeugungsgebiete, in denen sie die Ernte lebender Muscheln zulässt, je nach Ausmaß der Verunreinigung durch Fäkalbakterien in eine der drei folgenden Klassen einzustufen. Sie kann dabei gegebenenfalls mit dem Lebensmittelunternehmer zusammenarbeiten. Zur Einstufung von Erzeugungsgebieten muss die zuständige Behörde einen Überprüfungszeitraum für die Probenahmedaten jedes Erzeugungs- oder Umsetzgebiets vorsehen, um die Einhaltung der in dieser Nummer und in den Nummern 3, 4 und 5 festgelegten Standards zu prüfen.
3.
Die zuständige Behörde kann diejenigen Gebiete in Klasse A einstufen, aus denen lebende Muscheln für den unmittelbaren Verzehr geerntet werden können. In Verkehr gebrachte lebende Muscheln aus diesen Gebieten müssen den Gesundheitsstandards gemäß Anhang III Abschnitt VII Kapitel V der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 genügen.

Von den lebenden Muscheln aus diesen Gebieten dürfen 80 % der im Überprüfungszeitraum entnommenen Proben nicht mehr als 230 E. coli je 100 g Fleisch und Schalenflüssigkeit aufweisen. Die verbleibenden 20 % der Proben dürfen nicht mehr als 700 E. coli je 100 g Fleisch und Schalenflüssigkeit aufweisen.

Bei der Auswertung der Ergebnisse für den festen Überprüfungszeitraum zum Erhalt eines Gebiets der Klasse A kann die zuständige Behörde anhand einer Risikobewertung auf Grundlage einer Untersuchung beschließen, ein anormales Ergebnis, bei dem der Wert von 700 E. coli je 100 g Fleisch und Schalenflüssigkeit überschritten wird, nicht zu beachten.

4.
Die zuständige Behörde kann diejenigen Gebiete in Klasse B einstufen, aus denen lebende Muscheln geerntet, aber erst nach Aufbereitung in einem Reinigungszentrum oder nach dem Umsetzen zum menschlichen Verzehr in Verkehr gebracht werden dürfen, damit sie den Hygienevorschriften gemäß Nummer 3 entsprechen. Lebende Muscheln aus diesen Gebieten dürfen, in 90 % der Proben, maximal 4600E.coli je 100 g Muschelfleisch und Schalenflüssigkeit aufweisen. In den übrigen 10 % der Proben dürfen lebende Muscheln maximal 46000E.coli je 100 g Muschelfleisch und Schalenflüssigkeit aufweisen.

Referenzmethode für diese Analyse ist der 5-tube-3-dilution-MPN-Test, spezifiziert in ISO 16649-3. Alternative Methoden können angewandt werden, sofern sie nach den Kriterien gemäß EN/ISO 16140 gegen diese Referenzmethode validiert wurden.

5.
Die zuständige Behörde kann diejenigen Gebiete in Klasse C einstufen, aus denen lebende Muscheln geerntet, aber erst nach längerem Umsetzen in Verkehr gebracht werden dürfen, damit sie den Hygienevorschriften gemäß Nummer 3 entsprechen. Lebende Muscheln aus diesen Gebieten dürfen maximal 46000E. coli je 100 g Muschelfleisch und Schalenflüssigkeit aufweisen. Referenzmethode für diese Analyse ist der 5-tube-3-dilution-MPN-Test, spezifiziert in ISO 16649-3. Alternative Methoden können angewandt werden, sofern sie nach den Kriterien gemäß EN/ISO 16140 gegen diese Referenzmethode validiert wurden.
6.
Falls die zuständige Behörde die grundsätzliche Entscheidung trifft, ein Erzeugungs- oder Umsetzgebiet einzustufen, hat sie folgende Maßnahmen zu treffen:

a)
Sie erstellt ein Verzeichnis der Verschmutzungsquellen menschlichen oder tierischen Ursprungs, die auch für die Verunreinigung des Erzeugungsgebiets verantwortlich sein könnten.
b)
Sie prüft die Mengen organischer Schadstoffe, die in den verschiedenen Jahresabschnitten freigesetzt werden, entsprechend den saisonbedingten Variationen der menschlichen und tierischen Populationen im Einzugsgebiet, den erfassten Niederschlägen, der Abwasserbehandlung usw.
c)
Sie bestimmt die Merkmale des Schadstoffkreislaufs unter Berücksichtigung von Strömungsmustern, Tiefseemessung und Gezeitenzyklus im Erzeugungsgebiet.
d)
Sie erstellt ein Probenahmeprogramm für Muscheln im Erzeugungsgebiet, das sich auf die Prüfung vorhandener Daten stützt, wobei die Zahl der Proben, die geografische Verteilung der Probenahmepunkte und die Probenahmehäufigkeit gewährleisten müssen, dass die Analyseergebnisse für das Gebiet so repräsentativ wie möglich sind.

B.
MONITORING EINGESTUFTER UMSETZ- UND ERZEUGUNGSGEBIETE

1.
Die eingestuften Umsetz- und Erzeugungsgebiete sind regelmäßig darauf zu überprüfen,

a)
dass keine rechtswidrigen Praktiken in Bezug auf Ursprung, Herkunft und Bestimmung der lebenden Muscheln zum Einsatz kommen;
b)
die mikrobiologische Beschaffenheit der lebenden Muscheln in Verbindung mit dem Erzeugungsgebiet und dem Umsetzgebiet einwandfrei ist;
c)
toxinproduzierendes Plankton in den Erzeugungs- und Umsetzgewässern und Biotoxine in lebenden Muscheln vorhanden ist;
d)
in lebenden Muscheln chemische Schadstoffe vorhanden sind.

2.
Zur Anwendung der Vorschriften gemäß Nummer 1 Buchstaben b), c) und d) sind Stichprobenpläne für die Kontrollen aufzustellen, die in regelmäßigen Abständen oder — wenn in unregelmäßigen Intervallen geerntet wird — fallweise durchgeführt werden. Die geografische Verteilung der Probenahmestellen und die Probenahmehäufigkeit müssen gewährleisten, dass die Ergebnisse der Analyse so repräsentativ wie möglich für das betreffende Gebiet sind.
3.
Die Probenahmepläne zur Überprüfung der mikrobiologischen Qualität lebender Muscheln müssen insbesondere Folgendes berücksichtigen:

a)
die voraussichtliche Schwankung bei der Verunreinigung durch Fäkalbakterien

und

b)
die in Teil A Nummer 6 genannten Parameter.

4.
Die Probenahmepläne zur Prüfung auf toxinproduzierendes Plankton in den Erzeugungs- und Umsetzgewässern und auf Biotoxine in lebenden Muscheln müssen insbesondere die möglichen Schwankungen des Vorhandenseins von Plankton berücksichtigen, das marine Biotoxine produziert. Die Probenahme hat Folgendes zu umfassen:

a)
regelmäßige Stichproben zur Ermittlung von Änderungen in der Zusammensetzung von toxinhaltigem Plankton und dessen geografischer Verteilung. Ergebnisse, die auf eine Anhäufung von Toxinen in Muschelfleisch schließen lassen, erfordern intensive Probenahmen;
b)
regelmäßige Toxizitätstests bei den am stärksten kontaminationsgefährdeten Muscheln aus dem betroffenen Gebiet.

5.
Die Probenahmen für eine Toxinanalyse der Muscheln müssen in den Zeiträumen, in denen die Ernte zulässig ist, in der Regel einmal pro Woche erfolgen. Diese Probenahmehäufigkeit kann in festgelegten Gebieten oder für spezifische Muschelarten verringert werden, wenn eine Risikobewertung in Bezug auf das Vorhandensein von Toxinen oder Phytoplankton ein sehr geringes Risiko toxischer Episoden erwarten lässt. Sie ist zu erhöhen, wenn aus einer solchen Bewertung hervorgeht, dass wöchentliche Probenahmen nicht ausreichend wären. Die Risikobewertung ist regelmäßig zu überprüfen, um das Risiko von Toxinen in lebenden Muscheln aus diesen Gebieten abschätzen zu können.
6.
Liegen Erkenntnisse über die Toxinakkumulationsrate für eine Gruppe von Arten im selben Gebiet vor, so kann die Tierart mit der höchsten Rate als Indikator genommen werden. Dadurch wird die Gewinnung aller Arten dieser Gruppe möglich, wenn der Toxingehalt in der Indikatorspezies unter den vorgeschriebenen Grenzwerten bleibt. Liegt der Toxingehalt der Indikatorspezies über den gesetzlichen Grenzwerten, so darf die Ernte der anderen Arten nur dann zugelassen werden, wenn weitere Untersuchungen an den anderen Arten Toxingehalte unterhalb der Grenzwerte ergeben.
7.
Hinsichtlich des Planktonmonitorings müssen die Proben repräsentativ für die Wassersäule sein und Informationen über das Vorhandensein toxischer Spezies sowie über die Populationstendenzen liefern. Werden Veränderungen in toxischen Populationen festgestellt, die zu einer Toxinakkumulation führen können, so ist die Probenahmehäufigkeit bei Muscheln zu erhöhen, oder die Gebiete sind vorsichtshalber zu schließen, bis die Ergebnisse der Toxinanalyse vorliegen.
8.
Probenahmepläne zur Feststellung chemischer Kontaminanten müssen es ermöglichen, jegliche Überschreitung der in der Verordnung (EG) Nr. 466/2001 der Kommission(1) genannten Höchstwerte zu erkennen.

C.
ENTSCHEIDUNGEN AUFGRUND DES MONITORINGS

1.
Zeigen die Ergebnisse der Probenahmen, dass die Hygienenormen für Muscheln überschritten wurden oder dass anderweitig ein Risiko für die menschliche Gesundheit besteht, so muss die zuständige Behörde das betreffende Erzeugungsgebiet schließen und die Ernte lebender Muscheln unterbinden. Die zuständige Behörde kann jedoch ein Erzeugungsgebiet als Gebiet der Klasse B oder C umstufen, wenn es die in Teil A aufgeführten einschlägigen Kriterien erfüllt und kein anderweitiges Risiko für die menschliche Gesundheit darstellt.
2.
Die zuständige Behörde kann ein geschlossenes Gebiet wieder öffnen, wenn die hygienischen Verhältnisse bei den Muscheln wieder den Gemeinschaftsvorschriften entsprechen. Hat die zuständige Behörde ein Erzeugungsgebiet wegen des Vorhandenseins von Plankton oder übermäßigem Toxingehalt in Muscheln geschlossen, darf es erst wieder geöffnet werden, wenn zwei aufeinander folgende Probenahmen im Abstand von mindestens 48 Stunden Werte unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte ergeben. Bei dieser Entscheidung kann die zuständige Behörde auch Informationen über die Tendenzen bei Phytoplankton berücksichtigen. Liegen zuverlässige Daten über die Dynamik der Toxizität in einem bestimmten Gebiet vor, und sind aktuelle Daten über eine rückläufige Tendenz der Toxizität verfügbar, kann die zuständige Behörde beschließen, das Gebiet wieder zu öffnen, wenn nur die Ergebnisse einer einzigen Probenahme einen Wert unter dem gesetzlichen Höchstwert ausweisen.

D.
ZUSÄTZLICHE ANFORDERUNGEN AN DAS MONITORING

1.
Die zuständige Behörde überwacht Erzeugungsgebiete, in denen sie die Ernte lebender Muscheln verboten oder für die sie Sonderbedingungen festgelegt hat, um zu gewährleisten, dass keine potenziell gesundheitsgefährdenden Erzeugnisse in Verkehr gebracht werden.
2.
Zusätzlich zum Monitoring der Umsetz- und Erzeugungsgebiete gemäß Teil B Nummer 1 ist ein Kontrollsystem einzurichten, bei dem anhand von Laboruntersuchungen überprüft wird, ob die Lebensmittelunternehmer auf allen Stufen der Erzeugung, der Verarbeitung und des Vertriebs die Enderzeugniskriterien einhalten. Mit dem Kontrollsystem ist insbesondere zu überprüfen, ob die Grenzwerte für marine Biotoxine und Schadstoffe nicht überschritten werden und dass die mikrobiologische Qualität der Muscheln kein Gesundheitsrisiko darstellt.

E.
AUFZEICHNUNG UND AUSTAUSCH VON INFORMATIONEN

Die zuständige Behörde trifft folgende Maßnahmen:
a)
Sie erstellt und führt eine aktuelle Liste der zugelassenen Erzeugungs- und Umsetzgebiete — mit Angabe von Standort, Abgrenzungen und Klasse —, aus denen lebende Muscheln gemäß den Bestimmungen dieses Anhangs geerntet werden dürfen. Diese Liste ist den von diesem Anhang betroffenen Personen, insbesondere den Erzeugern und den Betreibern von Reinigungszentren und Versandzentren, zu übermitteln.
b)
Sie unterrichtet die von diesem Anhang betroffenen Personen wie etwa Erzeuger und Betreiber von Reinigungszentren und Versandzentren unverzüglich über jegliche Änderung des Standorts, der Abgrenzungen oder der Klasse von Erzeugungsgebieten wie auch über deren vorübergehende oder endgültige Schließung.
c)
Sie handelt unverzüglich, wenn die im vorliegenden Anhang beschriebene Überwachung ergibt, dass ein Erzeugungsgebiet geschlossen oder umgestuft werden muss oder wieder geöffnet werden kann.

F.
EIGENKONTROLLEN DURCH LEBENSMITTELUNTERNEHMER

Bei Entscheidungen über die Einstufung, Öffnung oder Schließung von Erzeugungsgebieten kann die zuständige Behörde die Ergebnisse von Kontrollen berücksichtigen, die Lebensmittelunternehmer oder Lebensmittelunternehmer vertretende Organisationen durchgeführt haben. In diesem Fall muss die zuständige Behörde das Labor bezeichnet haben, in dem die Analyse durchgeführt wird, und die Probenahme und Analyse muss gegebenenfalls nach einem Protokoll durchgeführt werden, das zwischen der zuständigen Behörde und den betreffenden Lebensmittelunternehmern oder der betreffenden Organisation vereinbart wurde.

KAPITEL III:
AMTLICHE ÜBERWACHUNG VON AUSSERHALB EINGESTUFTER ERZEUGUNGSGEBIETE GEERNTETEN KAMMMUSCHELN (PECTINIDAE), MEERESSCHNECKEN UND STACHELHÄUTERN, DIE KEINE FILTRIERER SIND

Die amtliche Überwachung von außerhalb eingestufter Erzeugungsgebiete geernteten Kammmuscheln, Meeresschnecken und Stachelhäutern, die keine Filtrierer sind, muss bei Fischauktionen, in Versandzentren und in Verarbeitungsbetrieben erfolgen. Dabei muss die Einhaltung der Hygienevorschriften für lebende Muscheln in Anhang III Abschnitt VII Kapitel V der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 sowie der anderen Vorschriften in Anhang III Abschnitt VII Kapitel IX der genannten Verordnung überprüft werden.

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 77 vom 16.3.2001, S. 1. Zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 655/2004 (ABl. L 104 vom 8.4.2004, S. 48).

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