Präambel VO (EG) 2006/1107

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 80 Absatz 2,

auf Vorschlag der Kommission,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(*),

nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,

gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags(**),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Der Binnenmarkt für Luftverkehrsdienste sollte den Bürgern im Allgemeinen zugute kommen. Daher sollten behinderte Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität, unabhängig davon, ob die Ursache dafür Behinderung, Alter oder andere Faktoren sind, die gleichen Flugreisemöglichkeiten wie andere Bürger haben. Behinderte Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität haben die gleichen Rechte wie andere Bürger auf Freizügigkeit, Wahlfreiheit und Nichtdiskriminierung. Dies gilt für Flugreisen wie für andere Lebensbereiche.
(2)
Die Beförderung von behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität sollte darum akzeptiert werden und außer aus den gesetzlich festgelegten Sicherheitsgründen nicht wegen ihrer Behinderung oder mangelnden Mobilität verweigert werden. Vor der Annahme einer Buchung von behinderten Menschen oder von Personen mit eingeschränkter Mobilität sollten Luftfahrtunternehmen, ihre Erfüllungsgehilfen und Reiseunternehmen sich im Rahmen des Möglichen nach besten Kräften bemühen, zu prüfen, ob ein begründeter Sicherheitsgrund besteht, der eine Mitnahme dieser Personen auf den entsprechenden Flügen verhindern würde.
(3)
Diese Verordnung sollte andere Fluggastrechte nicht beeinträchtigen, wie sie im Gemeinschaftsrecht verankert sind, insbesondere in der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen(***) und in der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen(****). Falls in einem dieser Rechtsakte in Bezug auf dasselbe Ereignis das gleiche Recht auf Rückerstattung oder Umbuchung vorgesehen ist wie in dieser Verordnung, sollte die betroffene Person berechtigt sein, dieses Recht nach eigenem Ermessen nur einmal auszuüben.
(4)
Damit behinderte Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität vergleichbare Flugreisemöglichkeiten wie andere Bürger haben, sollte ihnen entsprechend ihren besonderen Bedürfnissen auf Flughäfen und an Bord von Luftfahrzeugen unter Einsatz des erforderlichen Personals und der notwendigen Ausstattung Hilfe gewährt werden. Im Interesse der sozialen Integration sollten die Betroffenen diese Hilfe ohne zusätzliche Kosten erhalten.
(5)
Die Hilfeleistungen auf den Flughäfen, die in dem unter den Vertrag fallenden Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates liegen, sollten behinderte Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität unter anderem in die Lage versetzen, von einem als solchen ausgewiesenen Ankunftsort auf dem Flughafen zu einem Luftfahrzeug und von dem Luftfahrzeug zu einem als solchen ausgewiesenen Abfahrtsort auf dem Flughafen zu gelangen, einschließlich an und von Bord zu gehen. Diese Orte sollten zumindest an den Haupteingängen der Abfertigungsgebäude, in Bereichen mit Abfertigungsschaltern, in Fernbahnhöfen, Stadtbahnhöfen und U-Bahnhöfen, an Bushaltestellen, an Taxiständen und anderen Haltepunkten sowie auf den Flughafenparkplätzen ausgewiesen werden. Die Hilfe sollte so organisiert sein, dass Unterbrechungen und Verzögerungen vermieden werden, wobei in der ganzen Gemeinschaft unabhängig vom Flughafen und Luftfahrtunternehmen ein hoher, gleichwertiger Standard gewährleistet sein sollte und die Mittel bestmöglich genutzt werden sollten.
(6)
Um dies zu erreichen, sollte die Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen Hilfeleistung auf Flughäfen einer zentralen Einrichtung obliegen. Da die Leitungsorgane von Flughäfen bei allen Dienstleistungen auf den Flughäfen eine zentrale Rolle spielen, sollte ihnen die Gesamtverantwortung übertragen werden.
(7)
Die Leitungsorgane der Flughäfen können diese Hilfeleistung den behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität selbst anbieten. Alternativ können die Leitungsorgane mit Blick auf die positive Rolle bestimmter Reise- und Luftfahrtunternehmen in der Vergangenheit unbeschadet der einschlägigen Regelungen des Gemeinschaftsrechts, einschließlich derjenigen zum öffentlichen Vergabeverfahren, mit Dritten Verträge über die Gewährung solcher Hilfeleistungen abschließen.
(8)
Die Hilfeleistung sollte so finanziert werden, dass die Last gleichmäßig auf alle Fluggäste, die einen Flughafen benutzen, verteilt und eine Abschreckung vor der Beförderung von behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität vermieden wird. Das wirksamste Mittel zur Finanzierung dürfte eine Umlage sein, die von jedem Luftfahrtunternehmen, das einen Flughafen benutzt, im Verhältnis zu der Zahl der von ihm zu und von dem Flughafen beförderten Fluggäste erhoben wird.
(9)
Die Umlage sollte gänzlich transparent festgelegt und angewandt werden, insbesondere um zu gewährleisten, dass die von einem Luftfahrtunternehmen erhobene Umlage gegenüber der Hilfeleistung für behinderte Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität angemessen ist und diese Umlage nicht dazu dient, Aktivitäten des Leitungsorgans zu finanzieren, die nicht im Zusammenhang mit einer solchen Hilfeleistung stehen. Die Richtlinie 96/67/EG des Rates vom 15. Oktober 1996 über den Zugang zum Markt der Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen der Gemeinschaft(*****) und insbesondere die Bestimmungen zur Kontentrennung, sollten daher, soweit sie dieser Verordnung nicht widersprechen, angewandt werden.
(10)
Bei der Organisation der Hilfeleistungen für behinderte Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität und der Ausbildung ihres Personals sollten die Flughäfen und die Luftfahrtunternehmen das Dokument 30 Teil I Abschnitt 5 der Europäischen Zivilluftfahrtkonferenz (ECAC) und die dazugehörenden Anhänge, insbesondere den „Code of Good Conduct in Ground Handling for Persons with Reduced Mobility” in dessen Anhang J in der bei Annahme dieser Verordnung geltenden Fassung, berücksichtigen.
(11)
Bei der Entscheidung über die Gestaltung neuer Flughäfen und Abfertigungsgebäude und bei umfassenden Renovierungsarbeiten sollten die Leitungsorgane von Flughäfen so weit wie möglich die Bedürfnisse von behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität berücksichtigen. Entsprechend sollten Luftfahrtunternehmen möglichst bei der Entscheidung über die Gestaltung neuer und neu einzurichtender Flugzeuge solche Bedürfnisse berücksichtigen.
(12)
Die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr(******) sollte strikt durchgesetzt werden, um sicherzustellen, dass die Privatsphäre der behinderten Menschen und der Personen mit eingeschränkter Mobilität geschützt wird, dass die erforderlichen Informationen sich auf die Erfüllung der in dieser Verordnung festgelegten Verpflichtungen zur Hilfeleistung beschränken und dass sie nicht gegen die Fluggäste verwendet werden, die die betreffende Dienstleistung anfordern.
(13)
Alle wesentlichen Informationen für Fluggäste sollten in alternativen Formen erteilt werden, die für behinderte Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität zugänglich sind, wobei diese Informationen zumindest in denselben Sprachen zur Verfügung stehen sollten wie diejenigen für andere Fluggäste.
(14)
Gehen Rollstühle oder sonstige Mobilitätshilfen oder Hilfsgeräte bei der Abfertigung auf dem Flughafen oder bei der Beförderung an Bord des Luftfahrzeugs verloren oder werden sie beschädigt, sollte der Fluggast, dem die Ausrüstung gehört, gemäß den internationalen, gemeinschaftlichen und nationalen Rechtsvorschriften entschädigt werden.
(15)
Die Mitgliedstaaten sollten die Einhaltung dieser Verordnung überwachen und sicherstellen und für die Durchsetzung eine geeignete Einrichtung bestimmen. Diese Überwachung lässt das Recht von behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität, nach nationalem Recht ein Gericht anzurufen, unberührt.
(16)
Es ist wichtig, dass ein behinderter Mensch oder eine Person mit eingeschränkter Mobilität, die der Auffassung ist, dass gegen diese Verordnung verstoßen wurde, die Möglichkeit hat, die Angelegenheit je nach Fall dem Leitungsorgan des Flughafens oder dem betreffenden Luftfahrtunternehmen zur Kenntnis bringen. Wenn der behinderte Mensch oder die Person mit eingeschränkter Mobilität auf diesem Wege nicht zufrieden gestellt wird, so sollte sie die Möglichkeit haben, bei der/den von dem betreffenden Mitgliedstaat zu diesem Zweck benannten Stelle(n) Beschwerde einzulegen.
(17)
Beschwerden über Hilfeleistungen in einem Flughafen sollten an die Stelle(n) gerichtet werden, die der Mitgliedstaat, in dem der Flughafen liegt, zur Durchsetzung dieser Verordnung benannt hat. Beschwerden über Hilfeleistungen eines Luftfahrtunternehmens sollten an die Stelle(n) gerichtet werden, die der Mitgliedstaat, der dem Luftfahrtunternehmen die Betriebsgenehmigung erteilt hat, zur Durchsetzung dieser Verordnung benannt hat.
(18)
Die Mitgliedstaaten sollten für Verstöße gegen diese Verordnung Sanktionen festlegen und für ihre Anwendung sorgen. Die Sanktionen, die die Zahlung einer Entschädigung an die betroffene Person einschließen können, sollten wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.
(19)
Da die Ziele dieser Verordnung, nämlich ein hohes, gleiches Maß an Schutz und Hilfe in allen Mitgliedstaaten sowie einheitliche Bedingungen für die Wirtschaftsteilnehmer im Binnenmarkt sicherzustellen, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können und daher wegen des Umfangs oder der Wirkung der Maßnahme besser auf Gemeinschaftsebene zu verwirklichen sind, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das zur Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.
(20)
Diese Verordnung steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden.
(21)
Am 2. Dezember 1987 haben das Königreich Spanien und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland in London in einer gemeinsamen Erklärung ihrer Minister für auswärtige Angelegenheiten eine engere Zusammenarbeit bei der Nutzung des Flughafens Gibraltar vereinbart. Diese Vereinbarung ist noch nicht wirksam —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(*)

ABl. C 24 vom 31.1.2006, S. 12.

(**)

Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 15. Dezember 2005 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 9. Juni 2006.

(***)

ABl. L 158 vom 23.6.1990, S. 59.

(****)

ABl. L 46 vom 17.2.2004, S. 1.

(*****)

ABl. L 272 vom 25.10.1996, S. 36. Geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 284 vom 31.10.2003, S. 1).

(******)

ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31. Geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003.

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