Artikel 17 VO (EG) 2009/714

Neue Verbindungsleitungen

(1) Neue Gleichstrom-Verbindungsleitungen können auf Antrag für eine begrenzte Dauer von den Bestimmungen des Artikels 16 Absatz 6 dieser Verordnung und der Artikel 9, 32 und des Artikels 37 Absätze 6 und 10 der Richtlinie 2009/72/EG unter folgenden Voraussetzungen ausgenommen werden:

a)
Durch die Investition wird der Wettbewerb in der Stromversorgung verbessert;
b)
das mit der Investition verbundene Risiko ist so hoch, dass die Investition ohne die Gewährung einer Ausnahme nicht getätigt würde;
c)
die Verbindungsleitung muss Eigentum einer natürlichen oder juristischen Person sein, die zumindest der Rechtsform nach von den Netzbetreibern getrennt ist, in deren Netzen die entsprechende Verbindungsleitung gebaut wird;
d)
von den Nutzern dieser Verbindungsleitung werden Entgelte verlangt;
e)
seit der teilweisen Marktöffnung gemäß Artikel 19 der Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt(1) dürfen keine Anteile der Kapital- oder Betriebskosten der Verbindungsleitung über irgendeine Komponente der Entgelte für die Nutzung der Übertragungs- oder Verteilernetze, die durch diese Verbindungsleitung miteinander verbunden werden, gedeckt worden sein; und
f)
die Ausnahme darf sich nicht nachteilig auf den Wettbewerb oder das effektive Funktionieren des Elektrizitätsbinnenmarkts oder das effiziente Funktionieren des regulierten Netzes auswirken, an das die Verbindungsleitung angeschlossen ist.

(2) Absatz 1 gilt in Ausnahmefällen auch für Wechselstrom-Verbindungsleitungen, sofern die Kosten und die Risiken der betreffenden Investition im Vergleich zu den Kosten und Risiken, die normalerweise bei einer Verbindung zweier benachbarter nationaler Übertragungsnetze durch eine Wechselstrom-Verbindungsleitung auftreten, besonders hoch sind.

(3) Absatz 1 gilt auch für erhebliche Kapazitätserhöhungen bei vorhandenen Verbindungsleitungen.

(4) Die Entscheidung über Ausnahmen nach den Absätzen 1, 2 und 3 wird in jedem Einzelfall von den Regulierungsbehörden der betreffenden Mitgliedstaaten getroffen. Eine Ausnahme kann sich auf die Gesamtkapazität oder nur einen Teil der Kapazität der neuen Verbindungsleitung oder der vorhandenen Verbindungsleitung mit erheblich erhöhter Kapazität erstrecken.

Binnen zwei Monaten ab der Einreichung des Antrags auf eine Ausnahme durch die letzte betroffene Regulierungsbehörde kann die Agentur den genannten Regulierungsbehörden eine beratende Stellungnahme übermitteln, die als Grundlage für deren Entscheidung dienen könnte.

Bei der Entscheidung über die Gewährung einer Ausnahme wird in jedem Einzelfall der Notwendigkeit Rechnung getragen, Bedingungen für die Dauer der Ausnahme und die diskriminierungsfreie Gewährung des Zugangs zu der Verbindungsleitung aufzuerlegen. Bei der Entscheidung über diese Bedingungen werden insbesondere die neu zu schaffende Kapazität oder die Änderung der bestehenden Kapazität, der Zeitrahmen des Vorhabens und die nationalen Gegebenheiten berücksichtigt.

Vor der Gewährung einer Ausnahme entscheiden die Regulierungsbehörden der betroffenen Mitgliedstaaten über die Regeln und Mechanismen für das Kapazitätsmanagement und die Kapazitätsvergabe. Die Regeln für das Engpassmanagement müssen die Verpflichtung einschließen, ungenutzte Kapazitäten auf dem Markt anzubieten, und die Nutzer der Infrastruktur müssen das Recht erhalten, ihre kontrahierten Kapazitäten auf dem Sekundärmarkt zu handeln. Bei der Bewertung der in Absatz 1 Buchstaben a, b und f genannten Kriterien werden die Ergebnisse des Kapazitätsvergabeverfahrens berücksichtigt.

Haben alle betroffenen Regulierungsbehörden binnen sechs Monaten Einigung über die Entscheidung zur Gewährung einer Ausnahme erzielt, unterrichten sie die Agentur von dieser Entscheidung.

Die Entscheidung zur Gewährung einer Ausnahme — einschließlich der in Unterabsatz 2 genannten Bedingungen — ist ordnungsgemäß zu begründen und zu veröffentlichen.

(5) Die in Absatz 4 genannten Entscheidungen werden von der Agentur getroffen,

a)
wenn alle betroffenen nationalen Regulierungsbehörden innerhalb von sechs Monaten ab dem Tag, an dem die letzte dieser Regulierungsbehörden mit dem Antrag auf eine Ausnahme befasst wurde, keine Einigung erzielen konnten oder
b)
wenn ein gemeinsames Ersuchen der betroffenen nationalen Regulierungsbehörden vorliegt.

Vor ihrer Entscheidung konsultiert die Agentur die betroffenen Regulierungsbehörden und die Antragsteller.

(6) Ungeachtet der Absätze 4 und 5 können die Mitgliedstaaten jedoch vorsehen, dass die Regulierungsbehörde bzw. die Agentur ihre Stellungnahme zu dem Antrag auf Gewährung einer Ausnahme der zuständigen Stelle des Mitgliedstaats zur förmlichen Entscheidung vorzulegen hat. Diese Stellungnahme wird zusammen mit der Entscheidung veröffentlicht.

(7) Eine Abschrift aller Anträge auf Ausnahme wird von den Regulierungsbehörden unverzüglich nach ihrem Eingang der Agentur und der Kommission zur Unterrichtung übermittelt. Die Entscheidung wird zusammen mit allen für die Entscheidung bedeutsamen Informationen von den betreffenden Regulierungsbehörden oder der Agentur ( „meldende Stellen” ) der Kommission gemeldet. Diese Informationen können der Kommission in Form einer Zusammenfassung übermittelt werden, die der Kommission eine fundierte Entscheidung ermöglicht. Die Informationen müssen insbesondere Folgendes enthalten:

a)
eine ausführliche Angabe der Gründe, aus denen die Ausnahme gewährt oder abgelehnt wurde, einschließlich der finanziellen Informationen, die die Notwendigkeit der Ausnahme rechtfertigen;
b)
eine Untersuchung bezüglich der Auswirkungen der Gewährung der Ausnahme auf den Wettbewerb und das effektive Funktionieren des Elektrizitätsbinnenmarkts;
c)
eine Begründung der Geltungsdauer der Ausnahme sowie des Anteils an der Gesamtkapazität der betreffenden Verbindungsleitung, für den die Ausnahme gewährt wird, und
d)
das Ergebnis der Konsultation der betroffenen Regulierungsbehörden.

(8) Die Kommission kann innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten ab dem Tag nach dem Eingang einer Meldung gemäß Absatz 7 beschließen, von den meldenden Stellen die Änderung oder den Widerruf der Entscheidung über die Gewährung der Ausnahme zu verlangen. Die Zweimonatsfrist kann um weitere zwei Monate verlängert werden, wenn die Kommission zusätzliche Informationen anfordert. Diese weitere Frist beginnt am Tag nach dem Eingang der vollständigen Informationen. Die ursprüngliche Zweimonatsfrist kann ferner mit Zustimmung sowohl der Kommission als auch der meldenden Stellen verlängert werden.

Wenn die angeforderten Informationen nicht innerhalb der in der Aufforderung festgesetzten Frist vorgelegt werden, gilt die Meldung als widerrufen, es sei denn, diese Frist wird mit Zustimmung sowohl der Kommission als auch der meldenden Stellen vor ihrem Ablauf verlängert oder die meldenden Stellen unterrichten die Kommission vor Ablauf der festgesetzten Frist in einer ordnungsgemäß mit Gründen versehenen Erklärung davon, dass sie die Meldung als vollständig betrachten.

Die meldenden Stellen kommen einem Beschluss der Kommission zur Änderung oder zum Widerruf der Entscheidung über die Gewährung einer Ausnahme innerhalb eines Monats nach und setzen die Kommission davon in Kenntnis.

Die Kommission behandelt wirtschaftlich sensible Informationen vertraulich.

Die von der Kommission erteilte Genehmigung einer Entscheidung zur Gewährung einer Ausnahme wird zwei Jahre nach ihrer Erteilung unwirksam, wenn mit dem Bau der Verbindungsleitung zu diesem Zeitpunkt noch nicht begonnen worden ist, und sie wird fünf Jahre nach ihrer Erteilung unwirksam, wenn die Verbindungsleitung zu diesem Zeitpunkt nicht in Betrieb genommen worden ist, es sei denn, die Kommission entscheidet, dass eine Verzögerung auf schwerwiegende administrative Hindernisse zurückzuführen ist, auf die die Person, die von der Ausnahme begünstigt ist, keinen Einfluss hat.

(9) Die Kommission kann Leitlinien für die Anwendung der Bedingungen gemäß Absatz 1 und für die Festlegung des zur Anwendung der Absätze 4, 7 und 8 einzuhaltenden Verfahrens erlassen. Diese Maßnahmen zur Änderung nicht wesentlicher Bestimmungen dieser Verordnung durch Ergänzung werden nach dem in Artikel 23 Absatz 2 genannten Regelungsverfahren mit Kontrolle erlassen.

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 27 vom 30.1.1997, S. 20.

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