Präambel VO (EG) 2009/723

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 171 und Artikel 172 Absatz 1,

auf Vorschlag der Kommission,

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments(1),

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(2),

nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen(3)

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Nach Artikel 171 des Vertrags kann die Gemeinschaft gemeinsame Unternehmen gründen oder andere Strukturen schaffen, die für die ordnungsgemäße Durchführung der Gemeinschaftsprogramme für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration erforderlich sind.
(2)
Die Unterstützung und Weiterentwicklung von Forschungsinfrastrukturen in Europa ist nach wie vor ein aktuelles Ziel der Gemeinschaft, was sich jüngst im Beschluss Nr. 1982/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 über das Siebte Rahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration (2007 bis 2013)(4) und insbesondere in der Entscheidung 2006/974/EG des Rates vom 19. Dezember 2006 über das spezifische Programm „Kapazitäten” (5) niederschlug.
(3)
Die herkömmliche Unterstützung für die Nutzung und Entwicklung europäischer Forschungsinfrastrukturen erfolgte im Wesentlichen in Form von Zuschüssen für bestehende Forschungsinfrastrukturen in den Mitgliedstaaten; in den letzten Jahren wurde jedoch deutlich, dass die Entwicklung neuer Strukturen stärker gefördert werden muss, indem ihre Gründung und ihr Betrieb auf Ebene der Gemeinschaft durch einen geeigneten Rechtsrahmen erleichtert werden sollten.
(4)
Dass dies notwendig ist, wurde bei zahlreichen Gelegenheiten sowohl auf politischer Ebene durch die Mitgliedstaaten und die Organe der Gemeinschaft als auch von den verschiedenen Akteuren der europäischen Forschung, wie Unternehmen, Forschungszentren, Hochschulen, und insbesondere dem Europäischen Strategieforum für Forschungsinfrastrukturen (ESFRI) zum Ausdruck gebracht.
(5)
In den gemeinschaftlichen FTE-Rahmenprogrammen wird zwar seit langem dem Umstand Rechnung getragen, dass wissenschaftliche Forschungsinfrastrukturen von Weltrang für die Verwirklichung der in Artikel 163 des Vertrags niedergelegten FTE-Ziele der Gemeinschaft von herausragender Bedeutung sind, doch sind die Regeln für die Gründung, die Finanzierung und den Betrieb solcher Strukturen noch sehr uneinheitlich und von der jeweiligen Region abhängig. In Anbetracht der Tatsache, dass sich die europäischen Forschungsinfrastrukturen im Wettbewerb mit den globalen Partnern der Gemeinschaft befinden, die in erheblichem Umfang in moderne, große Forschungsinfrastrukturen investieren und dies auch in Zukunft tun werden, und dass diese Infrastrukturen zunehmend komplexer und kostspieliger werden, weshalb sie von einem Mitgliedstaat und selbst von einem Kontinent meist nicht mehr allein realisiert werden können, ist es nun an der Zeit, das Potenzial von Artikel 171 des Vertrags voll auszuschöpfen und weiterzuentwickeln und einen Rahmen zu schaffen, mit dem die Verfahren und Bedingungen für die Gründung und den Betrieb der für die effiziente Durchführung der gemeinschaftlichen FTE-Programme erforderlichen europäischen Forschungsinfrastrukturen auf Gemeinschaftsebene festgelegt werden. Dieser neue Rechtsrahmen soll sonstige Rechtsformen ergänzen, die nach nationalem, internationalem oder Gemeinschaftsrecht bestehen.
(6)
Anders als eine gemeinsame Technologieinitiative (GTI), die als gemeinsames Unternehmen gegründet wird, bei dem die Gemeinschaft Mitglied ist und zu dem sie Finanzbeiträge leistet, sollte ein Konsortium für eine europäische Forschungsinfrastruktur (nachstehend „ERIC” genannt) nicht als Gemeinschaftseinrichtung im Sinne von Artikel 185 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften(6) (im Folgenden als „Haushaltsordnung” bezeichnet) konzipiert werden, sondern als juristische Person, bei der die Gemeinschaft nicht notwendigerweise Mitglied ist und zu der sie keine Beiträge im Sinne von Artikel 108 Absatz 2 Buchstabe f der Haushaltsordnung leistet.
(7)
Da die Mitgliedstaaten und die Gemeinschaft mit Blick auf eine komplementäre Planung und Durchführung ihrer jeweiligen Forschungstätigkeiten gemäß den Artikeln 164 und 165 des Vertrags eng zusammenarbeiten, sollten die interessierten Mitgliedstaaten, allein oder zusammen mit anderen qualifizierten Einrichtungen, ausgehend von ihren FTE-Tätigkeiten und den Erfordernissen der Gemeinschaft ihren jeweiligen Bedarf für die Errichtung von Forschungsinfrastrukturen in dieser Rechtsform bestimmen. Aus den gleichen Gründen sollte interessierten Mitgliedstaaten der Beitritt zu einem ERIC offenstehen, wobei sich auch mit dem Rahmenprogramm für Forschung und technologische Entwicklung assoziierte Länder (nachstehend „assoziierte Länder” genannt) und sonstige qualifizierte Drittländer sowie zwischenstaatliche Sonderorganisationen beteiligen könnten. Neben der Vollmitgliedschaft sollten die Mitgliedstaaten auch die Möglichkeit haben, als Beobachter an einem ERIC gemäß den in der Satzung niedergelegten Voraussetzungen teilzunehmen.
(8)
Ein gemäß dieser Verordnung gegründetes ERIC sollte in erster Linie den Aufbau und den Betrieb einer Forschungsinfrastruktur ohne Erwerbszweck zur Aufgabe haben und seine Ressourcen überwiegend für diese Aufgabe verwenden. Um Innovationen und den Wissens- und Technologietransfer zu fördern, sollte es einem ERIC gestattet sein, in begrenztem Umfang wirtschaftliche Tätigkeiten auszuüben, sofern diese in einem engen Zusammenhang mit seiner Hauptaufgabe stehen und ihre Erreichung nicht gefährden. Ungeachtet der Gründung von Forschungsinfrastrukturen in Form eines ERIC kann auch Forschungsinfrastrukturen von gesamteuropäischem Interesse, die eine andere Rechtsform haben, bescheinigt werden, dass sie zum Fortschritt der europäischen Forschung, auch zur Verwirklichung des vom ESFRI entwickelten Fahrplans, beitragen. Die Kommission sollte gewährleisten, dass die ESFRI-Mitglieder und sonstige interessierte Kreise über solche alternativen Rechtsformen informiert werden.
(9)
Die Forschungsinfrastrukturen sollten dabei helfen, die Spitzenstellung der Gemeinschaftsforschung und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der Gemeinschaft auf Grundlage mittel- und langfristiger Prognosen durch effiziente Unterstützung der europäischen Forschungstätigkeiten zu sichern. Hierzu sollten sie nach den in ihrer Satzung verankerten Regeln tatsächlich sämtlichen europäischen Forschungskreisen offenstehen und zum Ziel haben, das Niveau der europäischen wissenschaftlichen Kapazitäten anzuheben und damit zum weiteren Ausbau des Europäischen Forschungsraums beizutragen.
(10)
Im Hinblick auf ein effizientes Verfahren für die Gründung eines ERIC ist es notwendig, dass Körperschaften, die ein ERIC gründen wollen, einen Antrag bei der Kommission stellen, die mit Hilfe unabhängiger Sachverständiger, zu denen auch das ESFRI gehören kann, prüfen sollte, ob die vorgeschlagene Forschungsinfrastruktur mit dieser Verordnung in Einklang steht. Dieser Antrag sollte eine Erklärung des Gastmitgliedstaats beinhalten, der zufolge das ERIC ab dem Zeitpunkt seiner Gründung als internationale Einrichtung bzw. internationale Organisation für den Zweck der Anwendung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem(7) und der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren(8) anerkannt wird. Das ERIC sollte auch als internationale Einrichtung bzw. internationale Organisation für den Zweck der Anwendung der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge(9) in Übereinstimmung mit den Vorschriften für staatliche Beihilfen bestimmte Steuerbefreiungen in Anspruch nehmen können.
(11)
Aus Gründen der Transparenz sollte die Entscheidung über die Gründung eines ERIC im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden. Aus denselben Gründen sollten dieser Entscheidung die wesentlichen Teile seiner Satzung beigefügt werden.
(12)
Um seine Aufgaben möglichst effizient erfüllen zu können, sollte ein ERIC ab dem Tag, an dem die Gründungsentscheidung rechtswirksam wird, Rechtspersönlichkeit und weitestgehende Rechts- und Geschäftsfähigkeit besitzen. Damit bestimmt werden kann, welches Recht anwendbar ist, sollte das ERIC einen satzungsmäßigen Sitz im Hoheitsgebiet eines seiner Mitglieder haben, das ein Mitgliedstaat oder ein assoziiertes Land ist.
(13)
Zu den Mitgliedern eines ERIC sollten zumindest drei Mitgliedstaaten gehören; zudem können ihm assoziierte Länder und sonstige qualifizierte Drittländer sowie zwischenstaatliche Sonderorganisationen beitreten.
(14)
In Anbetracht der Gemeinschaftsdimension dieser Verordnung sollten die Mitgliedstaaten gemeinsam die Mehrheit der Stimmrechte in der Mitgliederversammlung eines ERIC innehaben.
(15)
In der Satzung sollte genau geregelt werden, wie der vorliegende Rahmen umgesetzt wird; anhand dieser Regeln sollte die Kommission prüfen, ob ein Antrag mit dem in dieser Verordnung festgelegten Rahmen übereinstimmt.
(16)
Es muss gewährleistet sein, dass einerseits ein ERIC über die notwendige Flexibilität verfügt, um seine Satzung ändern zu können, andererseits aber die Gemeinschaft als Gründerin des ERIC über bestimmte wesentliche Teile die Kontrolle behält. Betrifft eine Änderung einen wesentlichen Teil der Satzung, die der Entscheidung zur Gründung des ERIC beigefügt ist, so sollte diese Änderung nur in Kraft treten können, wenn sie zuvor mit einer Kommissionsentscheidung genehmigt wurde, die nach demselben Verfahren zu erlassen ist wie die Entscheidung zur Gründung des ERIC. Alle sonstigen Änderungen sollten der Kommission gemeldet werden; diese sollte Einwände erheben können, wenn eine Änderung aus ihrer Sicht der vorliegenden Verordnung zuwiderläuft.
(17)
Ein ERIC muss sich eigene Organe geben, die seine Tätigkeiten effizient verwalten. In der Satzung sollte festgelegt werden, wie diese Organe das ERIC rechtlich vertreten.
(18)
In Anbetracht seiner finanziellen Verantwortung sollte ein ERIC bei der Ausübung seiner Tätigkeiten die Grundsätze einer soliden Haushaltsführung beachten.
(19)
Für ein ERIC könnten Finanzhilfen gemäß Titel VI der Haushaltsordnung vergeben werden. Auch eine Finanzierung im Rahmen der Kohäsionspolitik in Übereinstimmung mit den einschlägigen gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften wäre möglich.
(20)
Damit ein ERIC seine Aufgaben so effizient wie möglich erfüllen kann, und als logische Konsequenz seiner Rechtspersönlichkeit, sollte es für seine Schulden haften. Um den Mitgliedern dabei zu erlauben, geeignete Lösungen für ihre Haftung zu finden, sollte die Möglichkeit bestehen, in der Satzung verschiedene Haftungsregelungen festzulegen, die über eine auf die Beiträge der Mitglieder beschränkte Haftung hinausgehen.
(21)
Da ein ERIC nach Gemeinschaftsrecht gegründet wird, sollte es neben dem Recht des Staates, in dem es seinen satzungsmäßigen Sitz hat, auch dem Gemeinschaftsrecht unterliegen. Allerdings kann das ERIC in einem anderen Staat tätig sein. Das Recht jenes Staates sollte in Bezug auf besondere Punkte, die in der Satzung das ERIC geregelt sind, gelten. Außerdem sollten für ein ERIC Durchführungsbestimmungen gelten, die mit seiner Satzung vereinbar sind.
(22)
Den Mitgliedstaaten steht es frei, weitere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden bzw. zu erlassen, solange diese nicht im Widerspruch zum Anwendungsbereich oder zu den Zielen dieser Verordnung stehen.
(23)
Damit ausreichend kontrolliert werden kann, ob diese Verordnung eingehalten wird, sollte ein ERIC einen Jahresbericht an die Kommission und die einschlägigen öffentlichen Behörden übermitteln und sie unterrichten, sobald Umstände eintreten, die die Wahrnehmung seiner Aufgaben ernsthaft zu beeinträchtigen drohen. Hat die Kommission nach Lektüre des Jahresberichts oder aufgrund anderer Hinweise den Eindruck, dass das ERIC in schwerwiegender Weise gegen diese Verordnung oder sonstige geltende Rechtsvorschriften verstößt, so sollte sie Erklärungen und/oder Maßnahmen von dem ERIC und/oder seinen Mitgliedern verlangen. In Extremfällen und wenn keine Abhilfemaßnahmen getroffen werden, könnte die Kommission die Entscheidung zur Gründung des ERIC aufheben, was seine Auflösung zur Folge hätte.
(24)
Das Ziel dieser Verordnung, nämlich die Einführung eines Rahmens für europäische Forschungsinfrastrukturen, die von mehreren Mitgliedstaaten gegründet werden, von den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer nationalen Verfassungsordnungen aufgrund der grenzüberschreitenden Art des Problems nicht ausreichend verwirklicht werden kann und daher besser auf Gemeinschaftsebene zu verwirklichen ist, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem im selben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht die vorliegende Verordnung nicht über das zur Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.
(25)
Da diese Verordnung in erster Linie erlassen wird, um eine wirksame Umsetzung der gemeinschaftlichen Programme für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration zu gewährleisten, und es sich bei den für ihre Durchführung erforderlichen Maßnahmen vor allem um Verwaltungsmaßnahmen handelt, sollten diese Maßnahmen im Verwaltungsverfahren nach Artikel 4 des Beschlusses 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse(10) angenommen werden —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

Stellungnahme vom 19.2.2009 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(2)

Stellungnahme vom 14.1.2009 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(3)

ABl. C 76 vom 31.3.2009, S. 6.

(4)

ABl. L 412 vom 30.12.2006, S. 1.

(5)

ABl. L 54 vom 22.2.2007, S. 101.

(6)

ABl. L 248 vom 16.9.2002, S. 1.

(7)

ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1.

(8)

ABl. L 76 vom 23.3.1992, S. 1.

(9)

ABl. L 134 vom 30.4.2004, S. 114.

(10)

ABl. L 184 vom 17.7.1999, S. 23.

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