Präambel VO (EU) 2011/1174

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 136 in Verbindung mit Artikel 121 Absatz 6,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme der Europäischen Zentralbank(1),

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(2),

nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren(3),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Der verbesserte Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung sollte sich auf mehrere miteinander verknüpfte und ineinandergreifende Politiken für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung stützen, insbesondere eine Unionsstrategie für Wachstum und Beschäftigung, wobei besonderer Wert zu legen ist auf den Ausbau und die Stärkung des Binnenmarkts, die Förderung des internationalen Handels und der Wettbewerbsfähigkeit, ein Europäisches Semester für die verstärkte Koordinierung der Wirtschafts- und Haushaltspolitik, einen wirksamen Rahmen zur Vermeidung und Korrektur übermäßiger Staatsdefizite (den Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP)), einen soliden Rahmen zur Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte, Mindestanforderungen an die nationalen Haushaltsrahmen sowie eine verstärkte Finanzmarktregulierung und -aufsicht einschließlich der Aufsicht auf Makroebene durch den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken.
(2)
Verlässliche statistische Daten sind die Grundlage für die Überwachung von makroökonomischen Ungleichgewichten. Zur Gewährleistung solider und unabhängiger Statistiken sollten die Mitgliedstaaten die fachliche Unabhängigkeit der einzelstaatlichen statistischen Stellen gewährleisten, im Einklang mit dem Verhaltenskodex für europäische Statistiken, der in der Verordnung (EG) Nr. 223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009 über europäische Statistiken(4) festgelegt ist. Darüber hinaus ist die Verfügbarkeit solider Haushaltsdaten auch für die Überwachung der makroökonomischen Ungleichgewichte von Bedeutung. Diese Anforderung sollte durch die Regeln gewährleistet werden, die diesbezüglich in der Verordnung (EU) Nr. 1173/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die wirksame Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung im Euro-Währungsgebiet(5), insbesondere deren Artikel 8, aufgestellt werden.
(3)
Die im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorgesehene Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten innerhalb der Union sollte im Rahmen der Grundzüge der Wirtschaftspolitik und der beschäftigungspolitischen Leitlinien ausgebaut werden und auf den folgenden richtungweisenden Grundsätzen aufbauen: stabile Preise, gesunde und nachhaltige öffentliche Finanzen und monetäre Rahmenbedingungen sowie eine tragfähige Zahlungsbilanz.
(4)
Die Erfahrungen und Fehler, die während des ersten Jahrzehnts der Wirtschafts- und Währungsunion gemacht wurden, haben gezeigt, dass die wirtschaftspolitische Steuerung in der Union verbessert werden muss und auf einer größeren nationalen Eigenverantwortung für die gemeinsam beschlossenen Regeln und Strategien sowie einem solideren Rahmen zur Überwachung der nationalen Wirtschaftspolitiken auf Unionsebene beruhen sollte.
(5)
Die Verwirklichung und die Aufrechterhaltung eines dynamischen Binnenmarktes sollten als Bestandteil eines ordnungsgemäßen und reibungslosen Funktionierens der Wirtschafts- und Währungsunion angesehen werden.
(6)
Insbesondere sollte die Überwachung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten über die haushaltspolitische Überwachung hinaus um einen detaillierteren und formalisierteren Rahmen erweitert werden, um übermäßige makroökonomische Ungleichgewichte zu vermeiden und die betroffenen Mitgliedstaaten bei der Aufstellung von Korrekturplänen zu unterstützen, bevor sich Divergenzen verfestigen und die wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklungen dauerhaft in eine äußerst nachteilige Richtung gehen. Diese Erweiterung der Überwachung der Wirtschaftspolitik sollte parallel zu einer Vertiefung der haushaltspolitischen Überwachung erfolgen.
(7)
Um die Korrektur solcher übermäßigen makroökonomischen Ungleichgewichte zu unterstützen, sind in Rechtsvorschriften festgelegte genaue Verfahrensvorschriften erforderlich.
(8)
Das Verfahren der multilateralen Überwachung nach Artikel 121 Absätze 3 und 4 AEUV sollte durch spezielle Regeln für die Erkennung makroökonomischer Ungleichgewichte sowie für die Vermeidung und Korrektur übermäßiger makroökonomischer Ungleichgewichte in der Union ergänzt werden. Das Verfahren muss unbedingt in den jährlichen Zyklus der multilateralen Überwachung eingebettet werden.
(9)
Die Stärkung der wirtschaftspolitischen Steuerung sollte eine engere und rechtzeitigere Einbeziehung des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente einschließen. Zwar sind die Verhandlungspartner des Europäischen Parlaments im Rahmen dieses Dialogs die einschlägigen Organe der Union und deren Vertreter, doch kann der zuständige Ausschuss des Europäischen Parlaments dem Mitgliedstaat, an den der Rat einen Beschluss gerichtet hat, mit dem diesem gemäß dieser Verordnung die Leistung einer verzinslichen Einlage oder die Entrichtung einer jährlichen Geldbuße auferlegt wurde, die Gelegenheit bieten, an einer Aussprache teilzunehmen. Die Teilnahme des Mitgliedstaats an einer solchen Aussprache ist freiwillig.
(10)
Der Kommission sollte eine stärkere Rolle in dem Verfahren der verstärkten Überwachung in Bezug auf für jeden Mitgliedstaat spezifische Bewertungen sowie auf Überwachung, Missionen vor Ort, Empfehlungen und Warnungen zukommen.
(11)
Die Durchsetzung der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte(6) sollte gestärkt werden, indem für den Fall der Nichtbefolgung der Empfehlung, Korrekturmaßnahmen zu ergreifen, verzinsliche Einlagen eingeführt werden. Diese Einlagen sollten in dem Fall, dass die Empfehlung zur Behebung übermäßiger makroökonomischer Ungleichgewichte im Rahmen desselben Ungleichgewichtsverfahrens wiederholt nicht befolgt wird, in eine jährliche Geldbuße umgewandelt werden. Diese Durchsetzungsmaßnahmen sollten auf Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, Anwendung finden.
(12)
Werden die Ratsempfehlungen nicht befolgt, so sollte die verzinsliche Einlage so lange auferlegt oder die Geldbuße so lange verhängt werden, bis der Rat feststellt, dass der Mitgliedstaat Korrekturmaßnahmen zur Befolgung seiner Empfehlungen ergriffen hat.
(13)
Darüber hinaus sollte auch das wiederholte Versäumnis des Mitgliedstaats, einen Korrekturplan zur Umsetzung der Ratsempfehlung aufzustellen, grundsätzlich so lange mit einer jährlichen Geldbuße geahndet werden, bis der Rat feststellt, dass der Mitgliedstaat einen Korrekturmaßnahmenplan vorgelegt hat, mit dem seine Empfehlung hinreichend umgesetzt wird.
(14)
Um die Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten sicherzustellen, sollte die verzinsliche Einlage und die Geldbuße für alle Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, gleich sein und 0,1 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmachen, das der betreffende Mitgliedstaat im Vorjahr erwirtschaftet hat.
(15)
Die Kommission sollte eine Verringerung des Betrags oder die Aufhebung der Sanktion aufgrund außergewöhnlicher wirtschaftlicher Umstände empfehlen können.
(16)
Das Verfahren für die Anwendung von Sanktionen gegen Mitgliedstaaten, die keine wirksamen Maßnahmen zur Korrektur übermäßiger makroökonomischer Ungleichgewichte ergreifen, sollte so gestaltet sein, dass die Anwendung der Sanktionen gegen solche Mitgliedstaaten nicht die Ausnahme, sondern die Regel wäre.
(17)
Die Geldbußen nach dieser Verordnung stellen sonstige Einnahmen im Sinne von Artikel 311 AEUV dar und sollten Stabilitätsmechanismen für die Bereitstellung von Finanzhilfe zugewiesen werden, die von Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, zur Wahrung der Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt eingerichtet werden.
(18)
Die Befugnis zum Erlass der einzelnen Beschlüsse zur Anwendung der in dieser Verordnung vorgesehenen Sanktionen sollte dem Rat übertragen werden. Als Bestandteil der Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten im Rat gemäß Artikel 121 Absatz 1 AEUV stellen diese Einzelbeschlüsse untrennbare Folgemaßnahmen zu den vom Rat gemäß Artikel 121 AEUV und der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 beschlossenen Maßnahmen dar.
(19)
Da diese Verordnung allgemeine Vorschriften für die wirksame Durchsetzung der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 enthält, sollte sie gemäß dem in Artikel 121 Absatz 6 AEUV vorgesehenen ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen werden.
(20)
Da das Ziel dieser Verordnung, nämlich die wirksame Durchsetzung der Korrektur übermäßiger makroökonomischer Ungleichgewichte im Euro-Währungsgebiet, aufgrund der tiefen Handels- und Finanzverflechtungen zwischen den Mitgliedstaaten und der Ansteckungseffekte der nationalen Wirtschaftspolitik auf die Union und das Euro-Währungsgebiet insgesamt von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann und daher besser auf der Ebene der Union zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem im selben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. C 150 vom 20.5.2011, S. 1.

(2)

ABl. C 218 vom 23.7.2011, S. 53.

(3)

Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 28. September 2011 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 8. November 2011.

(4)

ABl. L 87 vom 31.3.2009, S. 164.

(5)

Siehe Seite 1 dieses Amtsblatts.

(6)

Siehe Seite 25 dieses Amtsblatts.

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